901. Sitzung des Bundesrates am 12. Oktober 2012
Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Die presseverlegerische Leistung bedarf gerade in Zeiten der Digitalisierung und des suchmaschinengeprägten Internets eines besonderen Schutzes. Deshalb ist das Bemühen der Presseverleger um eine bessere Absicherung und eine bessere Durchsetzbarkeit ihrer rechtlichen Ansprüche zu unterstützen. Das neue Geschäftsmodell der Strukturierung und Orientierung im unübersichtlichen Informations- und Unterhaltungsangebot des Internets ist ebenfalls notwendig. Erforderlich ist ein fairer Interessenausgleich im Netz. Diesen Interessenausgleich leistet der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf nicht in ausreichendem Maß. Er wägt nicht sorgfältig zwischen den Interessen der Presseverleger und Journalisten auf der einen sowie denen der Internet-Plattform- und Suchmaschinenanbieter auf der anderen Seite ab. Es bedarf vielmehr einer Regelung, die bislang divergierende ökonomische und demokratische Interessen zum Ausgleich bringt, indem die gesellschaftlich wünschenswerte Produktion journalistischer Inhalte geschützt und zugleich die Legitimität der Entwicklung neuer, fairer Geschäftsmodelle der Inhaltedistribution im Netz nicht in Frage gestellt wird.
- b) Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist daher zu prüfen, inwieweit die Anerkennung der verlegerischen Leistung besser in die geltende Systematik des Urheberrechtsgesetzes eingefügt werden kann als durch das im Gesetzentwurf vorgesehene Leistungsschutzrecht. Eine künftige Regelung darf bestehende Suchmaschinen- und Plattform-Angebote nicht von vornherein diskreditieren, sondern muss jeweils im Einzelfall eine kritische Würdigung ihrer urheberrechtlichen Relevanz ermöglichen. Gleichzeitig sollte sichergestellt werden, dass auch die Rechte und Interessen der Urheber angemessen berücksichtigt werden.
- 2. c) Zur Stärkung der Rechte von Presseverlegern und Journalisten insbesondere gegenüber sogenannte Harvestern (Dienste, die zum Zwecke der Archivierung in einem digitalen Archiv automatisiert Internet-Dokumente einsammeln) und Aggregatoren (Dienste, die das Internet durchsuchen und nach Art einer Suchmaschine ihre Treffer generieren oder ihre Ergebnisse darstellen) sollte erwogen werden, dem § 10 UrhG einen neuen Absatz 4 anzufügen, der aufgrund einer Vermutungsregel die Prozessführungsbefugnis der Presseverleger im Autoreninteresse erleichtert. Auf Basis der in dieser Weise gestärkten Rechte könnten Presseverleger dann effektiv gegen Verletzungen von Urheberrechten vorgehen, ohne für jeden einzelnen Text darlegen zu müssen, dass ihnen die Urheber der Texte ihre Rechte daran abgetreten haben.
3. Zu Artikel 1 Nummer 1a - neu - (§ 38 Absatz 2a - neu - UrhG)
Nach Artikel 1 Nummer 1 ist folgende Nummer 1a einzufügen:
'1a. Nach § 3 8 Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:
- (2a) An wissenschaftlichen Beiträgen, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind und in Sammlungen erscheinen, hat der Urheber auch bei Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts das Recht, sein Werk längstens nach Ablauf von sechs Monaten seit Erstveröffentlichung anderweitig öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist. Dieses Recht kann nicht abbedungen werden." '
Begründung:
Das mit dieser urhebervertragsrechtlichen Regelung einzuführende Zweitveröffentlichungsrecht dient den am Gemeinwohl orientierten Interessen von Wissenschaft und Forschung an einem möglichst raschen Zugang zu neuen, aus Steuergeldern finanzierten Erkenntnissen und fördert die technologische Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Zugleich wird mit diesem Regelungsvorschlag, der inhaltlich zwischen den Ländern und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen Anfang 2011 abgestimmt worden ist, die rechtliche Position der wissenschaftlichen Autoren gestärkt und damit ein Beitrag zur Umsetzung einer der Ziele des Koalitionsvertrags der Bundesregierung vom 11. November 2009 geleistet. Eine Beeinträchtigung kommerzieller Interessen insbesondere der mittelständisch strukturierten deutschen Wissenschaftsverlage ist mit dieser Regelung, die die Zweitveröffentlichung lediglich zu nichtkommerziellen Zwecken zuließe, nicht verbunden. Im Gegenteil. Die starke Bindung von Erwerbungsmitteln der Hochschulbibliotheken für Zeitschriften internationaler Großverlage wird durch die Möglichkeit einer zeitversetzten Zweitpublikation gelockert. Davon profitieren die deutschen Wissenschaftsverlage, da überproportionale Preissteigerungen von den Hochschulbibliotheken trotz steigender Beschaffungsetats seit Jahren durch Abbestellungen und Kaufzurückhaltung bei inländischen Verlagserzeugnissen ausgeglichen werden müssen.
Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass mit dem Regelungsvorschlag die wissenschaftliche Kommunikation an Hochschulen und Forschungseinrichtungen erheblich gefördert werden kann und damit zusätzlich stimulierende Effekt für Innovationen in Wissenschaft und Forschung über den dann noch besser möglichen Wissens- und Technologietransfer erzielt werden können.
Schließlich orientiert sich die rechtlich verbindliche Absicherung einer auf die Publikation von Forschungsergebnissen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert worden sind, fokussierten Zweitveröffentlichung nicht nur an Beschlüssen von Bundesrat - BR-Drucksache 257/06(B) - und Deutschem Bundestag (BT-Drucksache 016/5939) zum sogenannten zweiten Korb, sondern liegt auch auf der Linie der Mitteilung der Kommission vom 17. Juli 2012 über den Zugang zu wissenschaftlichen Informationen (COM (2012) 401 final,
vgl. BR-Drs. 416/12 (PDF) ) bzw. der Empfehlung der Kommission vom 17. Juli 2012 über den Zugang zu wissenschaftlichen Informationen (2012/417/EU), die darauf abzielen, über einen vollständigeren und breiter als bisher angelegten Zugang zu wissenschaftlichen Informationen, wissenschaftliche Innovationen zur Steigerung von Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in der Wirtschaft zu beschleunigen, Forschungskooperationen in der EU zu fördern und dabei Doppelarbeit zu vermeiden, die Qualität von Forschungsergebnissen zu verbessern sowie Bürger und Gesellschaft einzubeziehen, um eine höhere Transparenz des wissenschaftlichen Prozesses zu ermöglichen.
4. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§§ 87f und 87h UrhG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob der Einzug und die Verteilung der Vergütung für die Einräumung von Nutzungsrechten an dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage durch eine Verwertungsgesellschaft erfolgen müssen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht hinsichtlich der Vergütung, die durch die Lizenzierung des neuen Leistungsschutzrechts generiert wird, keine Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit vor. Eine solche würde die Praktikabilität der Regelungen jedoch deutlich erhöhen.
Bestünde eine Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit, wäre die Verwertungsgesellschaft gezwungen, jedem Nutzungsinteressenten zu angemessenen, in allgemeinen Tarifen bestimmten Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen (§ 6 UrhWahrnG). Der Nutzungsinteressent wäre nicht mehr gehalten, die erforderlichen Lizenzierungen bei einer großen Vielzahl einzelner Presseverleger einzuholen. Vielmehr stünde ihm ein "onestopshop" für alle benötigten Rechte zur Verfügung. Dass es den Verlegern nach dem Gesetzentwurf unbenommen bleibt, ihre Rechte freiwillig von einer Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen, erscheint insoweit nicht ausreichend.
Die in § 87h UrhG-E vorgesehene angemessene Beteiligung der Urheber an der Verwertung des Leistungsschutzrechts wäre wesentlich einfacher realisierbar, wenn sie als ein nicht abtretbarer Anspruch des Urhebers gegen die Verwertungsgesellschaft ausgestaltet wäre. Der einzelne Urheber wäre dann davon entbunden, seinen Beteiligungsanspruch gegen den jeweiligen Presseverleger selbst durchsetzen zu müssen.
5. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§§ 87f und 87h UrhG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob der Einzug und die Verteilung der Vergütung für die Einräumung von Nutzungsrechten an dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage durch eine Verwertungsgesellschaft erfolgen sollten.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht hinsichtlich der Vergütung, die durch die Lizenzierung des neuen Leistungsschutzrechts generiert wird, keine Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit vor. Eine solche würde die Praktikabilität der Regelungen jedoch deutlich erhöhen.
Bestünde eine Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit, wäre die Verwertungsgesellschaft gezwungen, jedem Nutzungsinteressenten zu angemessenen, in allgemeinen Tarifen bestimmten Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen (§ 6 UrhWahrnG). Der Nutzungsinteressent wäre nicht mehr gehalten, die erforderlichen Lizenzierungen bei einer großen Vielzahl einzelner Presseverleger einzuholen. Vielmehr stünde ihm ein "Onestop-Shop" für alle benötigten Rechte zur Verfügung. Dass es den Verlegern nach dem Gesetzentwurf unbenommen bleibt, ihre Rechte freiwillig von einer Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen, erscheint insoweit nicht ausreichend.
Die in § 87h UrhG-E vorgesehene angemessene Beteiligung der Urheber an der Verwertung des Leistungsschutzrechts wäre wesentlich einfacher realisierbar, wenn sie als ein nicht abtretbarer Anspruch des Urhebers gegen die Verwertungsgesellschaft ausgestaltet wäre. Der einzelne Urheber wäre dann davon entbunden, seinen Beteiligungsanspruch gegen den jeweiligen Presseverleger selbst durchsetzen zu müssen.
6. Zu Artikel 1 Nummer 2 ( § 87g Absatz 2 UrhG)
In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 87g Absatz 2 der Punkt am Ende durch die Wörter ", vorbehaltlich der an den Presseerzeugnissen bestehenden Urheberrechte." zu ersetzen.
Begründung:
Die Beschränkung des Rechts in § 87g Absatz 2 UrhG-E auf ein Jahr nach der Veröffentlichung des Presseerzeugnisses entspricht der Tendenz in der Rechtsprechung, Leistungsschutzrechte auf bestimmte Zeiträume zu begrenzen. Aus urheberrechtlicher Sicht ist diese kurze zeitliche Begrenzung ein Novum. Für den Laien kann der Eindruck entstehen, Presseerzeugnisse könnten nach einem Jahr ohne Einschränkungen veröffentlicht werden. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn das Presseerzeugnis nicht über urheberschutzwürdige Inhalte verfügt. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung erfolgt insoweit eine unmittelbar aus dem Gesetzestext heraus verständliche Klarstellung.
7. Zu Artikel 1 Nummer 3 - neu - ( § 137k UrhG) Dem Artikel 1 ist folgende Nummer 3 anzufügen:
"3. § 137k wird aufgehoben."
Begründung:
§ 52a UrhG regelt u.a. die "öffentliche Zugänglichmachung" von kleinen Teilen eines Werkes, Werken geringen Umfangs sowie einzelnen Beiträgen aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung im Unterricht u.a. an Schulen und Hochschulen. "Öffentliche Zugänglichmachung" bedeutet das Zurverfügungstellen im Intranet einer Schule oder Hochschule. § 137k UrhG befristet die Gültigkeit des § 52a UrhG bis zum 31. Dezember 2012.
Die Entfristung des § 52a UrhG ist für den Bildungs- und Wissenschaftsbereich unerlässlich wichtig. Der Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in den Schulen und Hochschulen erlangt zunehmend an Bedeutung, da der sichere Umgang mit diesen eine wichtige Schlüsselqualifikation darstellt. Gerade die neuen Medien sind in Verbindung mit offenen Unterrichtsformen prädestiniert für neue Möglichkeiten der individuellen Förderung von Kindern und Jugendlichen in unterschiedlichen Formen des Lernens. Schulen und Hochschulen brauchen dauerhafte Sicherheit im digitalen Umgang mit urheberrechtlich geschützten Materialien. Wenn wir unsere Schülerinnen und Schüler zu medienbewussten Menschen erziehen wollen (Stichwort "modernes Klassenzimmer"), wäre ein Wegfall des § 52a UrhG ausgesprochen kontraproduktiv.
Die Schrankenregelung des § 52a UrhG ist sehr gut geeignet, um den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf eine angemessene Nutzung der schöpferischen Leistung und die schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit, insbesondere des besonders schutzwürdigen Bildungsbereichs, in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.
An den Hochschulen sind schon jetzt durch den Einsatz neuer digitaler, vernetzter Medien die Qualität des Lehrens und Lernens und die Informationsund Kommunikationsprozesse in Wissenschaft und Forschung erheblich verbessert worden. Für die Hochschulen ist es von großer Bedeutung, dass die Freiheit der Lehre und der Zugang zur Information nicht durch unangemessene Regelungen im Urheberrecht eingeschränkt werden.
Auch vor dem Hintergrund des Grünbuchs der Europäischen Kommission "Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft" wäre es im europäischen Kontext nur schwer nachvollziehbar, wenn Deutschland mit der Streichung des § 52a UrhG hinter die Diskussionslinie des Grünbuchs deutlich zurückträte.
Im Interesse der Stärkung des Bildungs- und Wissenschaftsstandorts Deutschland muss § 52a UrhG dauerhaft entfristet und dazu § 137k UrhG ersatzlos gestrichen werden.
Parallel zu anderen laufenden Initiativen soll auch von Länderseite - nach inzwischen zweimaliger Fristverlängerung - die dringend notwendige dauerhafte Rechtssicherheit eingefordert werden.