Der Bundesrat hat in seiner 909. Sitzung am 3. Mai 2013 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1a - neu - ( § 20b UrhG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auch das Recht der Kabelweitersendung gemäß § 20b UrhG neu zu gestalten. Ziel der Überarbeitung sollte sein - unter Abwägung aller am Verwertungsvorgang beteiligten Interessen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Interessen der Urheber und sonstiger Rechteinhaber - künftig eine technologieneutrale Ausgestaltung sicherzustellen.
Begründung:
Der Gesetzgeber hat § 20b UrhG, der die Kabelweitersendung von urheberrechtlich geschützten Werken regelt, mit der Umsetzung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. EG (Nr. ) L 248 vom 6.10.1993, S. 15) in deutsches Recht eingefügt (BGBl. 1998 I, S. 902). Dem damaligen Stand der Technik entsprechend wurde das Recht der Kabelweitersendung in der Richtlinie - und dieser folgend auch im deutschen Recht - technisch definiert als "Weitersendung durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme". Diese Formulierung ist heute nicht mehr zeitgemäß, da neue technische Übertragungssysteme entwickelt wurden, die sich weder Kabelsystemen noch Mikrowellensystemen zuordnen lassen. Angesichts der technologischen Konvergenz ist eine Beschränkung auf die Weitersendung über Kabel- und Mikrowellensysteme nicht mehr sachgerecht. Erste Ansätze einer technologieneutralen Ausgestaltung des § 20b UrhG wurden im bisherigen Gesetzgebungsverfahren bereits erörtert. Daran sollte im weiteren Verfahren angeknüpft werden. Die Richtlinie 93/83/EWG, die insoweit keine Vorgaben enthält, steht einer Modernisierung des Urheberrechtsgesetzes nicht entgegen.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c (§ 38 Absatz 4 Satz 1 UrhG)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c ist § 38 Absatz 4 Satz 1 wie folgt zu fassen:
"Der Urheber eines wissenschaftlichen Beitrags, der im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden und in einer Sammlung erschienen ist, hat auch dann, wenn er dem Verleger oder Herausgeber ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, das Recht, den Beitrag nach Ablauf von sechs Monaten seit der Erstveröffentlichung öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient."
Begründung:
Der Gesetzentwurf wird zwar grundsätzlich begrüßt, allerdings bleiben insbesondere die zum "Zweitverwertungsrecht" vorgeschlagenen Regelungen weit hinter den bekannten Forderungen des Bundesrates und der Wissenschaft zurück. Dennoch ist anzuerkennen, dass mit dem Gesetzentwurf ein Schritt in Richtung eines "wissenschaftsfreundlicheren" Urheberrechts gegangen wird und wichtige und seit geraumer Zeit vertretene Positionen der Länder ansatzweise umgesetzt werden. Auf die Beschlüsse des Bundesrates vom 21. September 2007 - BR-Drucksache 582/07(B) - sowie zuletzt vom 12. Oktober 2012 - BR-Drucksache 514/12(B) - wird verwiesen. Indessen bleibt festzustellen, dass der Gesetzentwurf damit den Beschluss des Bundesrates vom 14. Dezember 2012 - BR-Drucksache 737/12(B) - noch nicht aufgegriffen hat.
Es wird mit Nachdruck angeregt, in diesem Zusammenhang anstelle des Begriffs "Zweitverwertungsrecht" den Begriff "Zweitveröffentlichungsrecht" zu verwenden. Mit dem Begriff der "Verwertung" ist stets eine wirtschaftliche Nutzung konnotiert, die im Zusammenhang mit dem Regelungsvorschlag zu Missverständnissen Anlass geben könnte. Ein Zweitveröffentlichungsrecht gibt jedoch dem Urheber wissenschaftlicher Beiträge nach näheren Maßgaben das Recht, diese Beiträge anderweitig öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient. Nach dieser Legaldefinition fällt also nach Ablauf der Embargofrist gerade kein - wirtschaftliches - Verwertungs-, sondern lediglich ein - nichtkommerzielles - Veröffentlichungsrecht auf den Urheber zurück. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Begriff des "Zweitverwertungsrechts" für einen alternativen Regelungsvorschlag gebräuchlich ist, der rechtstechnisch nicht an der Person des wissenschaftlichen Autors, sondern an dessen Anstellungskörperschaft anknüpft. Auch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen und die Kultusministerkonferenz sind daher der Auffassung, dass mit Blick auf den Regelungsvorschlag im Gesetzentwurf nur von einem "Zweitveröffentlichungsrecht" gesprochen werden sollte.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Forschungstätigkeiten, die im Rahmen der öffentlichen Projektförderung oder an einer institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtung durchgeführt werden, ist zu kurz gegriffen. Richtigerweise muss der Anwendungsbereich der Norm auf wissenschaftliche Beiträge erstreckt werden, die im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind. Die sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergebende Herausnahme des gesamten an Hochschulen beschäftigten wissenschaftlichen Personals aus dem Anwendungsbereich der Norm, sofern diese nicht im Rahmen öffentlich geförderter Projekte forschen, stellt eine durch keinen sachlichen Grund zu rechtfertigende Diskriminierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Hochschulen im Vergleich zu den an außeruniversitären Forschungseinrichtungen tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dar. Die Problematik wird durch den Umstand verschärft, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Fächern mit traditionell niedrigen Drittmittelquoten besonders benachteiligt würden. Durch das beabsichtigte Gesetz würde eine Dreiklassengesellschaft,
- - außeruniversitäre Forschungseinrichtungen,
- - Hochschulen insgesamt und
- - Geistes- und Sozialwissenschaften an Hochschulen,
geschaffen. Die Öffentlichkeit hat ein auch in diesem Bereich gleichgelagertes Interesse am Zugang zu Forschungsergebnissen, die das wissenschaftliche Personal an Hochschulen im Rahmen ihrer Dienstaufgaben in Forschung und Lehre generiert und in Zeitschriften und Sammlungen publiziert. Denn dieses Personal ist nicht nur mit mehr als der Hälfte, sondern in vollem Umfang aus Mitteln des Steuerzahlers finanziert.
Der Bundesrat und die in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zusammengeschlossenen Institutionen halten eine einheitliche Embargofrist von zwölf Monaten in allen Fächern und Wissenschaftsdisziplinen seit der Erstveröffentlichung für zu lang. Sie folgen vielmehr der Empfehlung der Kommission vom 17. Juli 2012 über den Zugang zu wissenschaftlichen Informationen und deren Bewahrung (2012/417/EU, ABl. L 194 vom 21.7.2012, S. 39), die - zumindest für den Bereich der sogenannten MINT-Fächer (Medizin, Ingenieur-, Natur- und Technikwissenschaften) - eine Embargofrist von längstens sechs Monaten vorsieht und diese für ausreichend hält, um den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Verlegerinnen und Verleger angemessen Rechnung zu tragen. Soweit Autorenverträge, insbesondere im Bereich der MINT-Fächer, bereits jetzt in zwar je unterschiedlicher Form eine Zweitveröffentlichung zulassen, ist sie in aller Regel schon nach einem Ablauf von längstens sechs Monaten zulässig. Damit wurde faktisch ein Maßstab gesetzt, hinter den jetzt im Rahmen einer gesetzlichen Regelung nicht zurückgefallen werden sollte.
Die Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 38 Absatz 4 UrhG-E auf Veröffentlichungen in "mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlungen" ist nicht zielführend, da dadurch einzelne Fächer ohne Grund benachteiligt würden. Durch die vorgeschlagene Regelung würden beispielsweise die in einzelnen Fächern zentralen Publikationsformen wie Sammelbände und Proceedings aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass die Beschränkung auf mindestens zweimal jährlich erscheinende Sammlungen in der Praxis dazu führen kann, dass die Ausübung des Zweitveröffentlichungsrechts von bibliografischen und verlegerischen Zufälligkeiten abhängig wird.
3. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§§ 61 bis 61b UrhG), Artikel 2 (§§ 13d und 13e UrhWahrnG)
a) Verwaiste Werke
Das vorgeschlagene Regelwerk wird grundsätzlich begrüßt, da dadurch bei der Nutzung "verwaister Werke" mehr Rechtssicherheit hergestellt wird. Eine solche Regelung ist insbesondere für die Filmwirtschaft von hoher
Bedeutung, da an einer Filmproduktion zahlreiche Urheberinnen und Urheber beteiligt sind; etwa die Regisseurin, der Kameramann, die Cutterin oder der Schauspieler. Erst 1966 wurden die Nutzungsrechte aller beteiligten Urheber beim Filmproduzenten gebündelt und die Auswertung von Filmproduktionen damit erheblich erleichtert. Dies bedeutet aber, dass für die digitale Auswertung von Filmen, die vor 1966 hergestellt wurden, in der Regel die Nutzungsrechte aller beteiligten Urheber nachträglich erworben werden müssen - ein Unterfangen, das in vielen Fällen eine digitale Zugänglichmachung solcher Filmwerke bislang verhindert.
Zu § 61b Satz 2 UrhG-E wird darauf hingewiesen, dass die angemessene Vergütung in der Regel gegen "Null" tendieren wird, da die privilegierten Einrichtungen als Gedächtnisinstitutionen erst dafür sorgen, dass "verwaiste Werke" überhaupt für den kulturellen Transfer zur Verfügung stehen können. Denn ohne diese Institutionen gäbe es überhaupt keine "verwaisten Werke".
Als problematisch werden ferner die vorgeschlagenen Regelungen zur sorgfältigen Suche bewertet, da damit eine beachtliche Personalkapazität der privilegierten Institutionen gebunden wäre. Hohe Kosten für die Rechterecherche widersprechen dem Ansatz des Gesetzgebers, da viele kulturell wertvolle Werke mit komplizierter Rechtesituation vermutlich nicht für eine Zugänglichmachung erschlossen werden. Auch für die Wissenschaft bedeutendes historisches Material kann so nicht in dem erforderlichen Umfang veröffentlicht werden. Es wird daher angeregt zu prüfen, inwieweit diese Anforderungen auf das zwingend notwendige Mindestmaß reduziert werden können.
b) Vergriffene Werke
Die Ausführungen zu den "verwaisten Werken" gelten sinngemäß für die "vergriffenen Werke". Hinzu kommt, dass bei der Gebührenbemessung durch das DPMA zu berücksichtigen sein wird, dass die durch die Norm privilegierten Einrichtungen keine wirtschaftlichen Interessen bei der Nutzung dieser Werke verfolgen.
4. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 61 Absatz 4 UrhG)
In Artikel 1 Nummer 3 sind in § 61 Absatz 4 die Wörter "ausgestellt oder verliehen" durch die Wörter "der Öffentlichkeit zugänglich gemacht" zu ersetzen.
Begründung:
Die für § 61 Absatz 4 UrhG-E gefundene Formulierung stellt eine Einschränkung der Bestimmungen in Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 2012/28/EU dar, da als Voraussetzung für die Nutzung verlangt wird, dass die Werke von der privilegierten Institution ausgestellt oder verliehen wurden, während die Richtlinie die umfassendere Formulierung "der Öffentlichkeit zugänglich gemacht" verwendet, die offenbar auch die archivische Nutzung umfasst.
§ 61 Absatz 4 UrhG-E lässt sich auch nicht richtlinienkonform auslegen, weil er den Urheber durch die engere Formulierung "ausgestellt oder verliehen wurden" weitergehender schützt als die Richtlinienbestimmung (Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 2012/28/EU) und somit eine Übererfüllung der Richtlinie darstellt.
Um den Aufbau einer Wissenschaftsinfrastruktur im Bereich der archivischen Quellenpräsentation zu ermöglichen, sollte deshalb § 61 Absatz 4 UrhG-E zumindest im Sinne der Richtlinie 2012/28/EU offener formuliert werden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, als durch die EU-Richtlinie die Problematik der überwiegend unveröffentlichten Fotomaterialien in Archiven nicht gelöst wird und die Archivverwaltungen daher nach wie vor Schwierigkeiten sehen. Auch die 2012 gestartete Deutsche Digitale Bibliothek wird aus diesem Grund im archivischen Bereich ihre Funktion zur Präsentation des kulturellen Erbes wohl nur sehr eingeschränkt erfüllen können.