Der Bayerische Ministerpräsident München, 10. März 2020
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke
Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung wird die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates "Sustainable Finance Initiativen - Finanz- und Realwirtschaft bei den Weichenstellungen umfassend einbeziehen und auf mittelstandsgerechte Ausgestaltung achten" mit dem Antrag übermittelt, dass der Bundesrat diese fassen möge.
Es wird gebeten, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 GO BR auf die Tagesordnung der 986. Sitzung am 13. März 2020 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Söder
Entschließung des Bundesrates
"Sustainable Finance Initiativen - Finanz- und Realwirtschaft bei den Weichenstellungen umfassend einbeziehen und auf mittelstandsgerechte Ausgestaltung achten"
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Beginnend mit der Einsetzung einer hochrangigen Sachverständigengruppe durch die EU-Kommission im Jahr 2016 erfahren die Sustainable-Financelnitiativen auf allen Ebenen eine zunehmende Dynamik. Einen wichtigen Meilenstein stellt dabei die kürzlich erfolgte politische Einigung zum Herzstück der Sustainable-Financelnitiative der EU-Kommission, die sog. Taxonomieverordnung, dar (Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen).
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die in der politischen Einigung beschlossene Unterteilung von nachhaltigen Aktivitäten in die drei Kategorien ökologisch nachhaltige Investitionen", "förderliche Tätigkeiten" und "Übergangstätigkeiten" grundsätzlich konzeptionell eine weitgehend technologieoffene Ausgestaltung der Nachhaltigkeitskriterien ermöglicht. Konkrete Regelungen im Detail wird die EU-Kommission indes erst für jedes einzelne Umweltziel und jeden einzelnen Sektor in delegierten Rechtsakten festlegen.
- 3. Wegen der weitreichenden Auswirkungen auf die Finanz- und Realwirtschaft, die sich aus der konkreten Festlegung der sog. technischen Evaluierungskriterien im Rahmen delegierter Rechtsakte der EU-Kommission ergeben können, fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene nachdrücklich dafür einzusetzen, dass die Expertise von Vertretern der Finanzwirtschaft und der Realwirtschaft in voller Abdeckung aller relevanten Sektoren und Unternehmensgrößen sowohl in die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen als auch in die Sachverständigengruppe der Mitgliedstaaten einbezogen wird. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind kleine und mittelständische Unternehmen und kleine und mittlere Banken von zentraler Bedeutung. Nur über eine umfangreiche Einbeziehung industrieller Expertise und fachlichem Sachverstand der betroffenen Sektoren kann eine ambitionierte, aber dennoch von der Wirtschaft zu bewältigende Ausgestaltung der Sustainable-Financelnitiative sichergestellt werden.
- 4. Die Taxonomieverordnung beinhaltet Transparenzpflichten für Unternehmen und Banken, die zu einer nichtfinanziellen Berichterstattung nach den einschlägigen europäischen Regelwerken verpflichtet sind (u.a. kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern). Die genauen Details dieser Berichterstattung werden durch die EU-Kommission noch in einem delegierten Rechtsakt festgelegt. Bereits jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass die Taxonomieverordnung auch Auswirkungen auf die große Masse der kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie kleine und mittlere Banken in ihrer Funktion als Zulieferer und Kreditnehmer bzw. Kreditgeber transparenzpflichtiger Unternehmen und Banken in Deutschland zeitigen wird.
- 5. Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, dass die technischen Evaluierungskriterien möglichst schlank, klar und in der Praxis einfach anwendbar ausgestaltet werden. Nur auf diese Weise kann überbordender Bürokratie für den Mittelstand entgegengewirkt werden.
- 6. Durch die Festlegung der technischen Evaluierungskriterien auf dem Weg delegierter Rechtsakte der EU-Kommission werden die Möglichkeiten der Beteiligung und Kontrolle von Mitgliedstaaten und Europäischem Parlament in dieser potenziell sehr weitreichenden Frage begrenzt. Der Bundesrat bedauert deshalb, dass seiner zu dem Verordnungsvorschlag zur Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen geäußerten Bitte, alle wesentlichen Entscheidungen auf Level-1-Ebene zu treffen, nicht entsprochen wurde (BR-Drs. 289/18(B) , Nr. 11). Umso wichtiger ist es daher, die Möglichkeit des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union im Auge zu behalten, binnen zweier Monate nach Übermittlung delegierter Rechtsakte durch die EU-Kommission Einwände zu erheben.
- 7. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, von der EU-Kommission ein hohes Maß an Transparenz bezüglich des Erarbeitungsprozesses einzufordern. Nur so können Europäisches Parlament und Mitgliedstaaten ihre Monitoringfunktion in dem beschränkenden Rahmen delegierter Rechtsakte auch de facto ausüben.
- 8. Neben der Ausgestaltung der Taxonomie ist auch die Erarbeitung einer nationalen Sustainable-Finance-Strategie von herausragender Bedeutung. Der Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung hat angekündigt, hierzu im Herbst 2020 seinen Abschlussbericht vorzulegen. Gerade im Mittelstand bestehen zunehmend Bedenken, aufgrund nationaler Vorfestlegungen und später in Teilen hiervon abweichender europäischer Vorgaben doppelt belastet zu werden.
- 9. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, bei den derzeit auf Bundesebene entfalteten Initiativen dafür Sorge zu tragen, dass es nicht zu einer voreiligen Übererfüllung späterer europäischer Vorgaben auf nationaler Ebene kommt, die die deutsche Wirtschaft im europäischen bzw. internationalen Wettbewerb benachteiligen würde.
- 10. Die EU-Kommission hat für den Herbst 2020 einen aktualisierten Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen angekündigt. In diesem Zusammenhang könnte auch eine regulatorische Privilegierung "ökologisch nachhaltiger Investitionen" erneut zur Diskussion gestellt werden ("sog. Green Supporting Factor"). Der Bundesrat bekräftigt in diesem Zusammenhang seinen Beschluss zu dem von der Kommission vorgelegten Aktionsplan über die Finanzierung nachhaltigen Wachstums und wiederholt seine damalige Bitte an die Bundesregierung, sich gegen eine pauschale Erleichterung von Eigenkapitalanforderungen einzusetzen (BR-Drs. 067/18(B) , Nr. 11). Ein geringeres Risiko muss tatsächlich messbar und nachweisbar sein.
- 11. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen ist Voraussetzung für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen und für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Mögliche künftige Maßnahmen, wie die vorgeschlagene Behandlung umweltgerechter Investitionen im Rahmen der haushaltspolitischen Vorschriften der EU, dürfen deshalb nicht zu einer Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes führen.