Der Niedersächsische Ministerpräsident Hannover, den 15. September 2004
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dieter Althaus
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Niedersächsische Landesregierung hat in ihrer Sitzung am 14. September 2004 beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte
- Entschließung des Bundesrates zur Deregulierung der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung
zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 803. Sitzung am 24. September 2004 zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Wulff
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Deregulierung der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen 4. BImSchV) mit folgender Zielsetzung neu zu fassen:
- 1. In Spalte 1 des Anhanges der 4. BImSchV werden nur noch diejenigen Vorhaben aufgenommen, die der Richtlinie 96/61/EG vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-RL) unterliegen, sowie diejenigen Vorhaben, für die nach Artikel 4 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
- 2. Alle übrigen Vorhaben im Sinne des Art. 4 Abs.2 in Verbindung mit Anhang II der UVP-RL, für die ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren erforderlich ist, werden in Spalte 2 des Anhanges der 4. BImSchV überführt.
Diese Änderungen der 4. BImSchV ziehen notwendige Folgeänderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) nach sich. Hierzu fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, das UVPG mit folgender Zielsetzung neu zu fassen:
- 1. Die gemäß Art. 4 Abs. 1 der UVP-RL in jedem Fall zwingend auf ihre Umweltverträglichkeit zu prüfenden Vorhaben des Anhanges I, die in Deutschland immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind, werden in einer Anlage zum UVPG erfasst.
- 2. Für Vorhaben, für die die Mitgliedsstaaten gemäß Art. 4 Abs. 2 der UVP-RL bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist und die in Deutschland immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig sind, werden Einzelfallprüfungen im Sinne des Artikels 4 Abs. 2 Buchstabe a) der UVP-Richtlinie unter Berücksichtigung von Schwellenwerten im Sinne des Artikels 4 Abs. 2 Buchstabe b) der UVP-Richtlinie durchgeführt. Insoweit entfällt die derzeitige Unterscheidung zwischen standortbezogener und allgemeiner Einzelfallprüfung.
Begründung
Die Bundesratsinitiative zielt auf eine erhebliche Vereinfachung des Genehmigungsrechts für Industrieanlagen. Nach der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) unterliegen zahlreiche Anlagen dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, obwohl von den jeweiligen Anlagen keine entsprechenden Umweltbeeinträchtigungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft im Sinne von § 5 BImSchG ausgehen können, die ein großes Genehmigungsverfahren rechtfertigen würden. Für viele der in der Spalte 1 des Anhangs der 4. BImSchV aufgeführten Anlagen wäre ihrem jeweiligen Gefährdungspotenzial entsprechend ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG ausreichend.
Der Vereinfachung der Genehmigungsverfahren werden allerdings durch die Richtlinie 96/61/EG vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-RL) Grenzen gesetzt. Alle in Anhang 1 der IVU-Richtlinie erfassten industriellen Tätigkeiten sind zwingend einem vorherigen Zulassungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu unterwerfen. Diese Vorhaben sollen daher auch künftig dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG unterliegen.
Eine weitere Grenze für die Deregulierung ergibt sich aus der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, zuletzt geändert durch Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (UVP-RL). Die in Anhang I der UVP-RL aufgeführten Vorhaben sind zwingend einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu unterwerfen. Auch für diese Vorhaben muss daher ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 BImSchG durchgeführt werden. Diese Vorhaben sind weitgehend, aber nicht vollständig mit den Vorhaben nach Anhang I der IVU-RL identisch.
Soweit die entsprechenden Vorhaben dem Anhang 2 der UVP-RL unterfallen, bei denen gemäß Art. 4 Abs. 2 der UVP-RL die Mitgliedsstaaten bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, sind sie immer dann, wenn eine Einzelfallprüfung zu dem Ergebnis führt, dass mit dem Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen verbunden sein können, in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG i.V.m. Spalte 1 des Anhanges zur 4. BImSchV zu überführen.
Die übrigen einschlägigen Vorhaben können in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 19 BImSchG überführt werden.
Zur Erreichung der mit der Deregulierungsinitative verfolgten Ziele ist auch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. September 2001 (BGBl. I, s. 2350), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.06.2002 (BGBl. I, S. 1914) auf die Umsetzung der zwingenden Vorgaben der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 vom 5.7.1985, S. 40), zuletzt geändert durch Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156 vom 25.06.2003, S. 17) zu begrenzen.
Das UVPG sieht im weit größeren Umfang, als dies von der Richtlinie vorgegeben ist, zwingend die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen vor. Die Richtlinie kennt eine zwingende UVP-Pflicht nur für die in der Anlage I der Richtlinie aufgeführten Vorhaben. Bei den in der Anlage II aufgeführten Vorhabenstypen überlässt es die Richtlinie den Mitgliedsstaaten, wie sie sicherstellen, dass bei allen in der Anlagen aufgeführten Vorhaben dann, wenn sie im Einzelfall mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden sein können, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird. Den Mitgliedsstaaten bleibt dabei überlassen, ob sie die Umweltauswirkungen im Einzelfall prüfen oder durch die Festlegung von Schwellenwerten oder Kriterien die Vorgabe der Richtlinie umsetzen. Bei immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Vorhaben des Anhanges II der Richtlinie soll zukünftig die Vorprüfung des Einzelfalles vorgeschrieben werden. Die derzeitige Lösung, dass die Schwelle zur Vorprüfungspflicht entsprechend der Umweltrelevanz des Vorhabens zusätzlich festgelegt werden kann, soll beibehalten werden. Künftig soll jedoch die bisherige Unterscheidung zwischen allgemeiner und standortbezogener Vorprüfung des Einzelfalles entfallen. Auf diese Weise werden viele Umweltverträglichkeitsprüfungen entbehrlich.