Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu den Entschließungen des Bundesrates zur Pelztierhaltung, der Tierschutz-Schlachtverordnung, zum Verbot der Haltung bestimmter wildlebender Tierarten im Zirkus und zur Einrichtung eines Zirkuszentralregisters und zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat mit Schreiben vom 7. März 2006 zu den o.g. Entschließungen wie folgt Stellung genommen:

Ich beziehe mich auf die im Zuständigkeitsbereich des Referats Tierschutz des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) noch nicht abschließend beantworteten Entschließungen des Bundesrates. Dargestellt wird kurz der Inhalt der jeweiligen Entschließung sowie der derzeitige Sachstand dazu. Insgesamt sind im Bereich Tierschutz sechs Entschließungen nicht abschließend beantwortet:

1. Entschließung des Bundesrates zur Pelztierhaltung (Drucksache 766/01(Beschluss) )

Der Bundesrat hat Verbesserungen der Anforderungen an die Haltung von Pelztieren gefordert, die dem geringen Domestikationsgrad von Pelztieren Rechnung tragen.

Sachstand

Am 10.06.2005 wurde dem Bundesrat vom Bundeskanzleramt eine "Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung" (Abschnitt "Anforderungen an das Halten von Pelztieren") zugeleitet (Drs. 437/05 (PDF) ). Die Verordnung sieht eine abgestufte Einführung neuer Haltungsanforderungen vor:

Der Agrarausschuss des Bundesrates hat in seiner Sitzung vom 05.09.2005 beschlossen, das Einbringen der Verordnung in den Bundesrat solange zu vertagen, bis die Bundesregierung einen Bericht zu folgenden Punkten vorgelegt hat: Stand der wissenschaftlichen Forschungen zur Größe und Strukturierung der Haltungseinrichtungen für Nerze und zum Schwimmbecken für Nerze, Rechtslage und Stand der Haltungsanforderungen in anderen EU-Mitgliedstaaten.

Ein Forschungsprojekt hinsichtlich der Notwendigkeit eines Schwimmbeckens für Nerze wird alsbald EU-weit ausgeschrieben. Hinsichtlich der über die Botschaften eingeleiteten Abfrage zu den gesetzlichen Bestimmungen zur Pelztierhaltung in den einzelnen Mitgliedstaaten (MS) der EU kann unter der Einschränkung, dass drei Antworten derzeit noch ausstehen, Folgendes gesagt werden: vier MS (GB, AT, MT, LU) haben geantwortet, dass in ihren Ländern die Pelztierhaltung entweder verboten ist bzw. es in ihrem Land keine Tierhaltungen zur Pelzgewinnung gibt. Weitere fünf MS (SE, FI, PL, NL, CZ) haben spezifische Rechtsvorschriften zum Schutz von Pelztieren erlassen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Bestimmungen zur Mindestgröße der Käfige; NL schreibt eine Anreicherung der Käfige vor, PL bestimmt, dass Käfige für trächtige Füchse- und Marderhundweibchen sowie Nutria mit Geburtshäuschen auszustatten sind. SE beabsichtigt zum 01.01.2007 mit zweijähriger Übergangsfrist eine Regelung zu erlassen, die den Nerzen mehr Bewegungsraum und Zugang zu Wasser (wasserueber.htmbecken) gibt; überdies will die Regierung sukzessive aus der Pelztierhaltung aussteigen. In den übrigen MS gibt es keine spezifischen Rechtsvorschriften zur Pelztierhaltung.

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts zur Nerzhaltung werden erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen. Da die Verordnung aber gerade für die Ausstattung mit Schwimmbecken eine Übergangsfrist von 10 Jahren vorsieht, könnten die ggf. aus dem Forschungsvorhaben gewonnenen Erkenntnisse auch noch nach Verabschiedung der Verordnung Berücksichtigung finden.

2. Entschließung des Bundesrates zur Tierschutz-Schlachtverordnung (Drucksache 163/03(B) HTML PDF und Drucksache 741/03(B) HTML PDF )

Der Bundesrat bittet darum, die Tierschutz-Schlachtverordnung umfassend zu überprüfen und die Voraussetzungen näher zu regeln, unter denen das Schächten im Ausnahmefall zulässig ist.

Sachstand

zur Tierschutz-Schlachtverordnung allgemein

Seit Anfang 2004 fanden im BMELV mehrere Sitzungen einer Bund/Länder-Arbeitsgruppe zur Novellierung der Tierschutz-Schlachtverordnung statt. Ein Ergebnis dieser Bund/Länder-Arbeitsgruppe ist die Feststellung, dass im Bereich der "kaltblütigen Tiere" noch erheblicher Forschungsbedarf besteht. Zur Zeit arbeiten drei wissenschaftliche Ausschüsse an dieser Thematik: bei der EU, beim Internationalen Tierseuchenamt (OIE) und beim Europarat. Die Ergebnisse sollten abgewartet werden, damit diese ebenfalls in die Beratungen der Bund/Länder-Arbeitsgruppe mit einfließen können.

Ein Termin für den Abschluss der Arbeiten ist zur Zeit noch nicht absehbar.

zur Thematik Schächten

Die Frage, ob im Sinne des § 4a Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) zwingende Vorschriften vorliegen, die Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen, hat in den letzten Jahren zu einer Vielzahl von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bis hin zum Bundesverwaltungsgericht geführt. Neue Bewegung kam in die öffentliche Diskussion durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schächten vom 15. Januar 2002 (1 BvR 1783/99, BVerfGE 104, 337 ff.) sowie die nachfolgende Aufnahme der Staatszielbestimmung "Tierschutz" in Artikel 20a GG. Erneut ist ein diesbezüglicher Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig, über den rechtskräftig noch nicht entschieden ist.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Regelung des Tierschutzgesetzes, nach der das Schächten grundsätzlich verboten ist, verfassungsgemäß. Zu dieser Entscheidung ist das Bundesverfassungsgericht gelangt, indem es die Belange des Tierschutzes mit der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der betroffenen Metzger unter Berücksichtigung der gleichfalls grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit der Angehörigen betroffener Religionsgemeinschaften abgewogen hat.

Auch nach der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in Artikel 20a GG gilt unstreitig, dass zwischen diesem Staatsziel und widerstreitenden Verfassungsgütern, hier insbesondere der Religionsfreiheit und der Religionsausübungsfreiheit nach Artikel 4 Abs. 1 und 2 GG, ein Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz gefunden werden muss.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil hervorgehoben, dass es Zweck der Ausnahmegenehmigung ist, über die Prüfung der Sachkunde und der persönlichen Eignung der Antrag stellenden Personen hinaus durch Nebenbestimmungen zur Ausnahmegenehmigung zu gewährleisten, dass den zu schlachtenden Tieren alle vermeidbaren Schmerzen oder Leiden erspart werden. Das allgemeine Verwaltungsrecht bietet den Ländern mit der Möglichkeit, Nebenbestimmungen zu erlassen, alle erforderlichen Instrumentarien, um auf die Umstände jedes Einzelfalls flexibel zu reagieren. Hier vermag eine zwangsläufig immer abstrahierende Rechtsverordnung keine Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis zu erzeugen.

Vor diesem Hintergrund hält die Bundesregierung den Erlass einer Rechtsverordnung, die die Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten näher regelt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht zielführend.

3. Entschließung des Bundesrates zum Verbot der Haltung bestimmter wildlebender Tierarten im Zirkus und zur Einrichtung eines Zirkuszentralregisters (Drucksache 595/03(B) HTML PDF )

Der Bundesrat bittet, die Haltung bestimmter Tiere wildlebender Arten im Zirkus grundsätzlich zu verbieten und eine Rechtsverordnung über ein Zirkuszentralregister vorzubereiten.

Sachstand

BMELV hat den Bundesratsbeschluss aufgegriffen. Eine vom BMELV initiierte Projektgruppe "Zirkuszentralregister" wurde gegründet. An der Projektarbeit nahmen Vertreter des BMELV und einzelner Länder, die Tierschutzbeauftragte des Landes Hessen, Vertreter der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz sowie zeitweise ein Vertreter des Bundesbeauftragten für den Datenschutz teil. Bei den insgesamt drei Arbeitssitzungen konnte weitgehend Einigkeit über die noch offenen Fragen zur Erstellung eines Konzeptes erzielt werden.

BMELV hat in der Folgezeit die entsprechenden Gesetz- und Verordnungsentwürfe vorbereitet, die sich zur Zeit in der informellen Ressortabstimmung befinden. Dabei gilt es v. a. Fragen der Beeinträchtigung des Grundrechts auf freie Berufsausübung auszuräumen. Weitere Bedenken bestehen dahingehend, dass die Einrichtung eines Zirkuszentralregisters die allgemeinen Bestrebungen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau unterlaufen würde. Auch Bedenken bezüglich einer Vereinbarkeit müt der EU-Dienstleistungsfreiheit wurden vorgebracht.

BMELV versucht derzeit, zusammen mit den beteiligten Ressorts, die vorgetragenen Bedenken auszuräumen. Der Ausgang dieser Beratungen ist derzeit noch offen.

4. Entschließung des Bundesrates zur Einführung eines obligatorischen Prüfverfahrens für Haltungssysteme für Legehennen (Drucksache 574/03(B) HTML PDF )

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, ein obligatorisches Prüfverfahren für Haltungs-Systeme für Legehennen einzuführen und dabei verschiedene Vorgaben zu berücksichtigen.

Dieses Thema wird auch in der Drucksache 482/04 (PDF) angesprochen.

Sachstand

Die diesbezügliche Bitte des Bundesrates wurde von der jetzigen Bundesregierung aufgegriffen. Im Koalitionsvertrag wird dazu festgehalten: "Mit einem praxisgerechten Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen zur artgerechten Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren werden wir die Haltungsbedingungen grundlegend und nachhaltig verbessern."

Hinsichtlich eines Prüf- und Zulassungsverfahrens für Stalleinrichtungen müssen zahlreiche Aspekte und etwaige Auswirkungen auf andere Bereiche berücksichtigt werden. So könnte z.B. ein Zielkonflikt zu den allgemeinen Bestrebungen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau entstehen. Ferner darf ein solches Verfahren keine neuen Handelshemmnisse z.B. auch gegenüber anderen MS und Drittländern schaffen.

Derzeit werden die unterschiedlichen Auswirkungen eines Prüf- und Zulassungsverfahrens intensiv im BMELV geprüft.

5. Entschließung des Bundesrates zur Weiterentwicklung ausgestalteter Käfige und zum Ausbau der Auslauf- und Bodenhaltung in der Legehennenhaltung (Drucksache 482/04(B) HTML PDF )

Der Bundesrat hält eine Weiterentwicklung des ausgestalteten Käfigs wie auch einen Ausbau der Boden- und Freilandhaltung für dringend erforderlich.

Sachstand

Die Bundesregierung unterstützt das Ziel, mittel- bis langfristig aus der Käfighaltung auszusteigen. Von großer Bedeutung sind dabei die Rahmenbedingungen. Wesentliches Kriterium üst die gemeinschaftsrechtliche Grundlage, wonach ausgestaltete Käfige unbefristet Verwendung finden dürfen.

Das ist umso mehr von Bedeutung, als sich im Bereich der Legehennenhaltung einschließlich der Erzeugung und Vermarktung von Eiern seit vielen Jahren internationale Strukturen entwickelt haben. Nationale Sondervorschriften benötigen eine solide Grundlage und einen entsprechenden Vorlauf. Sie beinhalten das Risiko der Abwanderung, um Tierschutzanforderungen zu umgehen, mit nachteiligen Effekten für den Wirtschaftsstandort, aber auch für den Tierschutz selbst.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005 heißt es daher: "Am Verbot der Käfighaltung von Legehennen halten wir fest. Wir wollen den Tierhaltern artgerechte Haltungsformen parallel zur Boden- und Freilandhaltung ermöglichen. Der von der EU-Kommission Anfang 2006 vorzulegende Bericht zur Tierschutzbewertung unterschiedlicher Haltungssysteme wird dabei berücksichtigt."

Im Bereich des Tierschutzes gibt es viele Hinweise für die Eignung unterschiedlicher Haltungseinrichtungen für Legehennen. Offen sind jedoch Fragen, die z.B. die Notwendigkeit des Flügelschlagens, Aufbaumens oder Fliegens eindeutig bewerten und damit die Höhe von Haltungseinrichtungen bestimmen können. Sofern derartige Erkenntnisse belastbar vorliegen, müssen auch angemessene Konsequenzen gezogen werden. Auch Fragen des Umwelt- und Emissionsschutzes sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen.

Die Bundesregierung wird den Forschungsbedarf sowohl im Bereich der alternativen Legehennenhaltung als auch im Bereich der ausgestalteten Käfige prüfen und die notwendigen Arbeiten initiieren. Dabei findet der o.g. Bericht Beachtung. In diesem Lichte kann es möglicherweise notwendig sein, den vorgesehenen Termin zur Umstellung auf alternative Haltungsmethoden (1. Januar 2007) zu verschieben.

Die Möglichkeiten, wie die genannten Ziele miteinander vereinbart werden können, werden zur Zeit geprüft.