Punkt 13 der 930. Sitzung des Bundesrates am 6. Februar 2015
Der Bundesrat möge anstelle von Ziffer 34 der Ausschussempfehlungen zu dem Gesetzesentwurf wie folgt Stellung nehmen:
Zu Artikel 10 (Änderung des Kapitalanlagegesetzbuchs)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen,
- 1. ob in § 1 KAGB klarzustellen ist, wann Genossenschaften und andere Unternehmen als "kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors" anzusehen sind, sowie
- 2. ob § 2 Absatz 4b KAGB aufgrund der Reform des EEG anzupassen ist.
Das Kapitalanlagegesetzbuch wird in der derzeitigen Fassung insbesondere der besonderen Situation der Genossenschaften in Deutschland nicht gerecht.
Eines der vorrangigen Ziele des Kapitalanlagegesetzbuches ist die Regulierung professioneller Kapitalverwaltungsgesellschaften, die Anlegergelder nach einer Anlagestrategie investieren und vermehren. In § 1 KAGB wird über die Definition eines Investmentvermögens ein weitgefasster Anwendungsbereich eröffnet, wodurch sich für Unternehmen - unter anderem in der Rechtsform der Genossenschaft - ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Restriktionen ergeben können.
Das grundlegende Geschäftsmodell der Genossenschaften ist auf die Gründung und den Betrieb eines bestimmten Förderzwecks gerichtet. Insofern stellt die Anwendung des KAGB auf genossenschaftliche Aktivitäten das deutsche Genossenschaftsrecht und die Rechtsform der Genossenschaft in Frage. Zudem war es der ausdrückliche Wunsch des Gesetzgebers, reguläre Genossenschaften vom KAGB unbehelligt zu lassen (BT-Drucksache 18/1648, S. 58).
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig zu prüfen, ob das geltende KAGB den genossenschaftlichen Strukturen ausreichend Rechnung trägt.
Für Genossenschaften und andere Unternehmen bereitet insbesondere die Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals "kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors" in § 1 Absatz 1 Satz 1 KAGB die größten Schwierigkeiten. Um den Anwendungsbereich des KAGB handhabbarer zu machen, wird die Bundesregierung gebeten zu prüfen, ob in § 1 KAGB klarzustellen ist, wann Genossenschaften und andere Unternehmen als "kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors" anzusehen sind.
Zusätzlich ist durch die Bundesregierung zu prüfen, ob § 2 Absatz 4b KAGB aufgrund der Reform des EEG anzupassen ist. Die von der Ausnahmeregelung des § 2 Absatz 4b KAGB erfassten Genossenschaften (vor allem Energiegenossenschaften) sind teilweise AIF. Der bisher von § 2 Absatz 4b Nummer 3 KAGB geforderte Nachweis eines langfristigen Mindestertrags aus der Nutzung eines Sachwerts, d.h. einer EEG-Anlage, konnte von den Genossenschaften aufgrund der gesetzlichen Einspeisevergütung geführt werden. Durch die Novelle des EEG im Jahr 2014 könnte dies schwerer geworden sein, weil die Betreiber von EEG-Anlagen ihren Strom künftig direkt vermarkten müssen und die früheren Vergütungssätze reduziert wurden.
Begründung (nur für das Plenum):
Die in Ziffer 34 geforderte Änderung des KAGB ist aus folgenden Gründen problematisch, so dass stattdessen die vorstehende Prüfbitte sachgerecht und geboten ist:
- *. Die vorgeschlagene Ausnahme für Genossenschaften in § 2 Abs. 1 KAGB widerspricht der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie), die bewusst rechtsformneutral formuliert wurde (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. c AIFM-Richtlinie). In Artikel 2 Abs. 3 AIFM-Richtlinie wird eine abschließende Anzahl von Vehikeln bzw. Verwaltern aus dem Anwendungsbereich ausgenommen. Daher kann dieser Katalog nicht durch nationales Recht um Genossenschaften erweitert werden.
- - Zudem würde eine solche Rechtsformausnahme Folgefragen auf dem Gebiet des Investmentsteuerrechts auslösen. Die Ausnahmebestimmung für Genossenschaften würde nämlich - in der in Ziffer 34 vorgesehenen Form - über den Verweis des § 1 Absatz 1a Nr. 1 InvStG auf § 2 Absatz 1 und 2 KAGB auf die Besteuerung nach dem Investmentsteuergesetz durchschlagen. Dies sollte aus systematischen Gründen unterbleiben, weil § 2 Abs. 1 KAGB an Artikel 2 Abs. 3 AIFM-Richtlinie anknüpft. Wird der Katalog des § 2 Abs. 1 KAGB im nationalen Recht erweitert, ergeben sich daraus ungewollte Folgen im Investmentsteuerrecht.
- - Aus diesem Grund besteht auch die Gefahr, dass die vorgeschlagene Ausnahme von AIF in der Rechtsform einer Genossenschaft eine verbotene Beihilfe i.S.d. Artikel 107 AEUV darstellen könnte, soweit die Besteuerung im allgemeinen Steuerrecht günstiger ist als im Investmentsteuerrecht.
Für die im Plenarantrag vorgeschlagene Prüfbitte sprechen zudem folgende Argumente:
- - Genossenschaften, die eine operative Tätigkeit ausüben, sind nicht als Investmentvermögen zu qualifizieren und fallen daher nicht in den Anwendungsbereich des KAGB. Richtigerweise sollte daher ausschließlich an die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors" angeknüpft werden, um das mit Ziffer 34 angestrebte Ziel zu erreichen. Auf diese Weise dürften die oben genannten investmentsteuerrechtlichen und beihilferechtlichen Bedenken vermieden werden.
- - Allerdings sind die Strukturen im Bereich der Genossenschaften vielfältig. Zudem ist nicht auszuschließen, dass das Verständnis des Tatbestandsmerkmals "kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors" auch anderen Unternehmen in der Praxis Probleme bereitet. Daher ist eine weitergehende Prüfbitte gegenüber einem Änderungsantrag vorzugswürdig.