Der Bundesrat hat in seiner 930. Sitzung am 6. Februar 2015 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Mitteilung allgemein:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Kommission, die Investitionstätigkeit innerhalb der EU zu verbessern, um mehr Arbeitsplätze und Wachstum zu schaffen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt zu fördern.
Er begrüßt daher grundsätzlich das Ziel der vorgeschlagenen Initiative, die Voraussetzungen für zusätzliche Investitionen in die Realwirtschaft Europas zu verbessern.
- 2. Der Bundesrat betont, dass insbesondere die Verbesserung des Investitionsumfelds zentral für die Behebung der Investitionsschwäche in Europa ist. Die Implementierung des neuen "Europäischen Fonds für strategische Investitionen" (EFSI) kann hierzu einen Beitrag leisten.
- 3. Eine Politik der Austerität allein ohne die gleichzeitige Setzung von Wachstumsimpulsen kann nicht zu einer nachhaltigen Stabilisierung der Euro-Zone führen. Der Bundesrat begrüßt deshalb, dass mit dem Vorschlag einer "Investitionsoffensive" auch das Ziel einer Ausweitung der gesamtwirtschaftlichen Investitionstätigkeit stärker ins Blickfeld genommen wird.
- 4. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass die Fähigkeit der öffentlichen Haushalte zu einer Erhöhung der Verschuldung begrenzt ist. Es ist zu begrüßen, dass die Investitionsoffensive durch das Instrument der Hebelung öffentlicher Gelder auf die Mobilisierung privater Mittel setzt.
- 5. Gleichwohl stellt das Erreichen eines größtmöglichen Hebels kein isoliertes Ziel dar. Eine Mittelzuteilung nur mit dem Ziel, ein höheres, aber nicht nachhaltiges Investitionsvolumen zu erreichen, ist zu vermeiden. Stattdessen müssen die Qualität oder die Notwendigkeit der Maßnahmen im Mittelpunkt stehen. Die Mittel sind nur dann sinnvoll eingesetzt, wenn das Investitionsprojekt eine hinreichende Rendite aufweist und/oder einen nachprüfbaren, nachhaltigen gesamtwirtschaftlichen Nutzen stiftet. Dies ist zum Beispiel bei Projekten zur Steigerung der Energieeffizienz zu erwarten.
- 6. Den Mitgliedstaaten sollte ermöglicht werden, die Finanzierung von Projekten im Rahmen der Investitionsoffensive mit weiteren nationalen Förderprogrammen zur Erreichung zusätzlicher Ziele zu kombinieren (Blending).
- 7. Der Bundesrat bedauert daher, dass die Länder bei der Erstellung der Projektliste möglicher Investitionen durch die im September 2014 eingerichtete "Taskforce Investitionen" von Europäischer Kommission und Europäischer Investitionsbank (EIB) nicht angemessen beteiligt waren. Die Projektermittlung durch die Taskforce sollte nach eigenem Bekunden ein erster Schritt für die Schaffung einer vorausschauenden, transparenten Übersicht investitionswürdiger Projekte sein. Aus Sicht der Länder wäre es von der Sache her sowie im Hinblick auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern angezeigt gewesen, die Länder bei der Projektauswahl für die ersten Vorschläge der Kommission mit einzubeziehen. Da die von der Kommission vorgelegte Liste - wie auch die Bundesregierung betont - keinen abschließenden Charakter hat, erwartet der Bundesrat, dass die Länder in die weitere Ausarbeitung von der Bundesregierung einbezogen werden.
Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Liste der Kommission um Vorschläge, aber - wie auch die Bundesregierung betont - noch nicht um eine abschließende Liste handelt.
Zur ersten Komponente: Mobilisierung von Finanzmitteln
- 8. Bei der Errichtung des EFSI wird darauf zu achten sein, dass der bürokratische Aufwand und die Kosten möglichst gering gehalten werden. Die Einbeziehung der EIB in die Konzeption, Auflage und Verwaltung des geplanten EFSI ist zu begrüßen, da dadurch die vorhandene Expertise der EIB genutzt werden kann und gleichzeitig die Mittelvergabe stärker objektiviert wird.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sicherzustellen, dass der EFSI ausschließlich aus bestehenden EU-Haushaltsmitteln sowie vorhandenen Mitteln der EIB finanziert wird, unbeschadet etwaiger freiwilliger Einzahlungen. Insbesondere dürfen keine von den bisherigen parlamentarischen Beschlüssen ungedeckten Nachschusspflichten für die Mitgliedstaaten entstehen.
- 10. Kapitalbeiträge der Mitgliedstaaten zum EFSI können zusätzlich zur Erhöhung des Gesamt-Investitionsvolumens beitragen. Sofern Mitgliedstaaten solche Kapitalbeiträge nicht leisten, darf dies aber nicht zu Nachteilen bei der Bewertung von Projekten des betreffenden Landes im Rahmen der "Projekt-Pipeline" führen. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die vorhandenen Spielräume nutzt, bei der Festlegung der haushaltspolitischen Anpassung Einzahlungen in den EFSI weder bei der Umsetzung der präventiven noch bei der Umsetzung der korrektiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts mitzurechnen. Es ist dabei unabdingbar und muss gewährleistet sein, dass die von der Kommission jetzt definierten Flexibilitätsmargen strikt eingehalten werden.
- 11. Voraussetzung für die Wirksamkeit des EFSI sind nach Auffassung des Bundesrates geeignete Strukturen zur Aufnahmefähigkeit der zusätzlichen Investitionen. Die notwendigen strukturellen Reformen, zum Beispiel in der öffentlichen Verwaltung, aber auch auf dem Arbeitsmarkt, müssen daher von den Mitgliedstaaten weiter konsequent umgesetzt werden.
- 12. In der zu erlassenden Verordnung sollte sichergestellt werden, dass die Inanspruchnahme von Mitteln des EFSI nicht auf neue Projekte begrenzt wird. Sowohl die Erweiterung der vorhandenen Infrastruktur, wenn die Kapazitätsgrenzen der existierenden Einrichtungen erreicht sind, als auch die Sanierung der bestehenden Infrastruktur können sinnvoll sein und würden den potentiellen, förderfähigen Projektkreis erweitern. Unrentable Projekte mit möglichen Folgekosten für die öffentlichen Haushalte dürfen nicht gefördert werden.
Zur zweiten Komponente: Lenkung der Finanzmittel in die Realwirtschaft
- 13. Der Bundesrat begrüßt das Konzept einer dynamischen "Pipeline". Das Verfahren zur Aufnahme und Priorisierung von Projekten muss objektiv und transparent ausgestaltet werden. Dabei sollte nicht zwischen öffentlichen und privaten Investitionsprojekten differenziert werden. Allerdings ist der Bundesrat der Auffassung, dass die öffentliche Unterstützung durch den EFSI keine privaten Investitionen verdrängen darf.
- 14. Nach Auffassung des Bundesrates ist bei der Konkretisierung der Investitionsrichtlinien des EFSI zur Vermeidung von Fehlinvestitionen eine Projektauswahl nach strengen Kriterien sicherzustellen. Ausschlaggebend müssen allein die Erfüllung der Förderkriterien und die Projektreife sein.
Der Bundesrat sieht eine konsequente Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit als unabdingbar an. Vom EFSI sollten nur rentable Projekte nach den bewährten Kriterien der EIB unterstützt werden dürfen. Auch sollte insgesamt ein europäischer Mehrwert erzielt werden. Die einzurichtende "Projekt-Pipeline" muss in einem transparenten Verfahren allen Interessierten offenstehen. Der Bundesrat erwartet, dass die Bundesregierung die Länder am weiteren Verfahren zu jedem Zeitpunkt beteiligen wird.
Besondere Projektschwerpunkte sollten Forschung und Entwicklung, Innovation, Umwelttechnik sowie der Ausbau der Breitbandversorgung sein. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, dass im Energiesektor im Rahmen der neuen Investitionsoffensive für Europa insbesondere Projekte zum Ausbau der Energieinfrastruktur, zur Steigerung der Energieeffizienz sowie zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmebereich ausgewählt werden. Eine Förderung von Atomkraftwerken lehnt der Bundesrat ab.
- 15. Der Bundesrat begrüßt das Ziel der Kommission, durch eine optimierte Nutzung der bestehenden europäischen Struktur- und Investitionsfonds die Investitionsoffensive zu unterstützen, und ferner, dass zusätzlich zur Errichtung des EFSI die Wirkung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds gesteigert werden soll. Der vermehrte Einsatz von Finanzierungsinstrumenten wie Darlehen, Beteiligungskapital und Garantien anstelle herkömmlicher Zuschüsse kann zu einem revolvierenden Mitteleinsatz führen, durch den einerseits die öffentlichen Kassen geschont und gleichzeitig die beabsichtigten Ziele noch stärker gefördert werden können. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass es zu keinen Verzögerungen bei der Umsetzung und Mittelstreichungen regulärer EU-Programme in der neuen Förderperiode 2014 bis 2020 kommen darf.
Zur dritten Komponente: Verbesserung des Investitionsumfeldes
- 16. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass Regulierungskomplexität und unnötige regulatorische Auflagen baldmöglichst reduziert werden sollten. Positiv bewertet der Bundesrat deshalb die Ankündigung der Kommission, ihr Gesamtkonzept einer besseren Rechtsetzung im Jahr 2015 weiterzuentwickeln und die im Rahmen des Programms REFIT begonnenen Anstrengungen zu verstärken.
- 17. Begrüßt wird die von der Kommission vorgeschlagene Verknüpfung der Investitionsoffensive mit den Plänen für eine "Kapitalmarktunion" und "Energieunion" sowie Projekten im Bereich der europäischen, grenzüberschreitenden Verkehrsinfrastruktur und des digitalen Binnenmarkts. Diese Projekte haben das Potential, das Investitionskalkül bei Investitionsprojekten fundamental zu ändern, weil sie sowohl auf der Beschaffungs- wie auf der Absatzseite den EU-Binnenmarkt als größeren Bezugsrahmen an die Stelle nationaler Märkte setzen.
- 18. Der Bundesrat sieht die von der Kommission angestrebte Weiterentwicklung der EU-Finanzmärkte mit dem Ziel, das Finanzierungsangebot für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) zu diversifizieren, als möglichen Beitrag, um die Finanzierungskosten für die Realwirtschaft insgesamt zu reduzieren. Bei jeder Maßnahme sollte aber geprüft werden, welchen Nutzen sie im Einzelnen für die Realwirtschaft - und insbesondere für KMUs - tatsächlich hat. Die Diversifizierung der Finanzierungswege darf zudem nicht zum Vorteil für einzelne Finanzierungsformen im Wettbewerb mit anderen Formen durch unterschiedliche Regulierung werden.
- 19. Weiterhin unterstützt der Bundesrat das Vorhaben der Kommission, in Kürze genauer zu ermitteln, in welchen vorrangigen Bereichen gezielte Maßnahmen erforderlich sind, um die Bereitstellung von Finanzmitteln für Investitionen zu erleichtern.
Zu diesen Ermittlungen sollte - nach Auffassung des Bundesrates auch die von der Kommission angekündigte Evaluierung der Finanzmarktregulierung gehören. Er spricht sich deshalb - wie bereits beim REFIT-Programm (Ziffer 22 der Stellungnahme in BR-Drucksache 272/14(B) ) gefordert - dafür aus, diese Evaluierung zügig in Angriff zu nehmen.
Zum Forschungsbereich
- 20. Der Bundesrat betont, dass Investitionen in Forschung und Innovation entscheidend sind für Europas Zukunftsfähigkeit. Er begrüßt nachdrücklich, dass es der Kommission gelungen ist, das EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 unmittelbar mit dem Beginn der aktuellen Förderperiode zum Jahresbeginn 2014 zu starten. Damit leisten aus Horizont 2020 finanzierte Forschungs- und Innovationsvorhaben bereits heute direkte und wichtige Beiträge zur europäischen Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit.
- 21. Der Bundesrat begrüßt die Investitionsoffensive der Kommission in der nunmehr kurzfristig vorgelegten Fassung des Verordnungsvorschlags über EFSI (COM (2015) 10 final,
siehe BR-Drucksache 015/15 (PDF) ), zu dem er sich noch gesondert äußern wird, lehnt jedoch die Verwendung von Horizont-2020-Mitteln in Höhe von 2,7 Milliarden Euro zur anteiligen Finanzierung des EFSI ab. Entsprechende Kürzungen sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Das EU-Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 ist bereits heute ein etabliertes und gut funktionierendes Wachstumsprogramm für Europa, das nicht geschwächt werden sollte. - 22. Er geht davon aus, dass im Falle von Kürzungen im EU-Forschungs- und Innovationsprogramm diese so gestaltet werden, dass die vollständige Umsetzung von Horizont 2020 nicht gefährdet und die besondere Bedeutung der Grundlagenforschung nicht infrage gestellt wird. Der Bundesrat hält eine Prorata-Kürzung, verteilt auf alle Förderlinien des EU-Forschungs- und Rahmenprogramms, für nicht zielführend.
- 23. Da für die Ausstattung des EFSI mit Garantien aus EU-Haushaltsmittel 2,7 Milliarden Euro aus dem Programm "Horizont 2020" umgewidmet werden, ist darauf zu achten, dass diese Mittel auch im Rahmen des Fonds für ihren ursprünglichen Zweck eingesetzt werden.
- 24. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Investitionen in forschungsbasierte Projekte einen Schwerpunkt der EFSI-Finanzierung bilden müssen, da diese am nachhaltigsten zur Stärkung von Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in Europa beitragen. Für den Fall, dass EU-Mittel für Forschung und Innovationen in die Ausstattung des EFSI fließen, ist grundsätzlich jedenfalls sicherzustellen, dass sie in entsprechender Höhe für Investitionsprojekte dieses Schwerpunktes eingesetzt werden.
- 25. Er ist der Auffassung, dass klare und nachvollziehbare Kriterien im Rechtsakt zum EFSI und zur Europäischen Investitionsoffensive definiert werden müssen, anhand derer die Projekte ausgewählt werden. Wirtschaftliche Kriterien müssen in erster Linie die langfristige Perspektive beinhalten, die aus Sicht des Bundesrates einen eindeutigen Bezug zur Innovationsfähigkeit voraussetzt. Die Kriterien müssen entsprechend gewährleisten, dass mit dem EFSI Europas Innovationspotential gestärkt wird.
- 26. Der Bundesrat unterstreicht, dass der rechtliche Rahmen des EFSI ermöglichen muss, dass Hochschulen und öffentliche Forschungseinrichtungen von den Vorteilen des EFSI umfassend profitieren können, zum Beispiel durch volle Absicherung durch den Fonds bei Auftragsforschungen für Unternehmen im Rahmen vom EFSI-Vorhaben.
Vorlagenbezogene Vertreterbenennung
- 27. Der Bundesrat benennt für die Beratungen der Vorlage in den Gremien des Rates gemäß § 6 Absatz 1 EUZBLG in Verbindung mit Abschnitt I der Bund-Länder-Vereinbarung einen Vertreter des Landes Hessen, Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union (Ministerialrat Holger Daum).
Direktzuleitung an die Kommission
- 28. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.