927. Sitzung des Bundesrates am 7. November 2014
A
Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c (§ 61 Absatz 1d Satz 1, Satz 3 AufenthG), Artikel 2 Nummer 6 (§ 60Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 AsylVfG)
- a) In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c ist § 61 Absatz 1d wie folgt zu ändern:
- aa) In Satz 1 sind die Wörter ", dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist," zu streichen.
- bb) In Satz 3 sind nach den Wörtern "sonstige humanitäre" die Wörter "oder dringende persönliche" einzufügen.
- b) In Artikel 2 Nummer 6 sind in § 60 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 jeweils die Wörter "und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist ( § 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes)," zu streichen.
Begründung:
Die Änderungen dienen der Zielsetzung, durch die Lockerung bzw. Aufhebung der bisherigen räumlichen Beschränkungen bei Duldungs- und Aufenthaltsgestattungsinhabern die bisherige Verteilung der Sozialkosten zwischen den Ländern grundsätzlich unangetastet zu lassen und nachträgliche Verschiebungen der Kostenlasten zu vermeiden. Dazu ist zunächst grundsätzlich in allen Fällen an der örtlichen Zuständigkeit des bisherigen Trägers der öffentlichen Leistungen festzuhalten und dies durch Wohnsitzauflage zu sichern. Wie auch bisher bei Inhabern von Aufenthaltstiteln kann zur Wahrung der Familieneinheit oder aus sonstigen humanitären oder dringenden persönlichen Gründen aus konkretem Anlass und im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob eine Änderung oder Streichung der Wohnsitzauflage aus diesen Gründen geboten ist.
Der Ansatz in dem Gesetzentwurf, Personen, deren Lebensunterhalt gemäß § 2 Absatz 3 AufenthG gesichert ist, insgesamt kraft Gesetzes von der Wohnsitzbeschränkung auszunehmen, wird dieser Zielsetzung nicht gerecht. Zum einen steht die Inanspruchnahme zahlreicher Sozialleistungen der Lebensunterhaltssicherung gemäß der Begriffsbestimmung in § 2 Absatz 3 AufenthG nicht entgegen (siehe dort die Aufzählung in Satz 2; hinzu kommen weitere Sozialkosten der Daseinsvorsorge wie z.B. öffentlich finanzierte Kindertagesbetreuung, Schulbildung, ÖPNV-Nutzung etc.). Zum anderen besteht bei einem Verzicht auf eine Wohnsitzbeschränkung in den Fällen der Lebensunterhaltssicherung gemäß § 2 Absatz 3 AufenthG das Risiko, dass Betroffene zu einem späteren Zeitpunkt - etwa durch Arbeitsplatzverlust - ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern können und - mangels Wohnsitzbeschränkung - den Wohnort frei wählen bzw. mit der Folge wechseln können, dass dann dort öffentliche Leistungen für diese Personen zu erbringen sind.
2. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c (§ 61 Absatz 1d Satz 3a - neu - AufenthG)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe c ist in § 61 Absatz 1d nach Satz 3 folgender Satz einzufügen:
"Über eine Änderung der Wohnsitzauflage zur Ermöglichung eines den Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde überschreitenden Wohnortwechsels entscheidet die für den Zuzugsort zuständige Ausländerbehörde."
Begründung:
Anders als durch § 60 Absatz 3 AsylVfG-E lässt der Gesetzentwurf bei Asylbewerbern eine klare Zuständigkeitsregelung im Fall von zuständigkeitsüberschreitenden Änderungen von Wohnsitzauflagen bei vollziehbar Ausreisepflichtigen vermissen.
Wie die derzeitige ausländerbehördliche Praxis bei zuständigkeitsüberschreitenden, insbesondere länderübergreifenden Änderungen von Wohnsitzauflagen bei Inhabern humanitärer Titel zeigt, wird diese Regelungslücke zu erheblichen Verfahrensverzögerungen insbesondere zu Lasten der Antragsteller führen. Diese sind im Wesentlichen darin begründet, dass die örtlich zuständige Ausländerbehörde des aktuellen Aufenthaltsorts zumeist nicht oder nicht hinreichend in der Lage ist, die familiären oder humanitär vergleichbaren Gründe zu beurteilen, die regelmäßig mit den Lebens- und Integrationsbedingungen des gewünschten künftigen Aufenthaltsort begründet werden.
Auch hat sich ein gestuftes Verfahren, welches die Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsorts bei zuständigkeitsüberschreitenden Änderungen von Wohnsitzauflagen bei Inhabern humanitärer Titel vorschreibt (vgl. insofern Nummer 12.2.5.2.4 ff. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009; GMBl 2009 S. 960 f.), nicht bewährt. In einer Vielzahl von Fällen kommt es hier zu unterschiedlichen Bewertungen und Entscheidungen der beteiligten Ausländerbehörden und damit in der Folge zu erheblichen Verfahrensverzögerungen oder gar Rechtsstreitigkeiten.
3. Zu Artikel 2 Nummer 6 (§ 60 Absatz 4 - neu - AsylVfG)
In Artikel 2 Nummer 6 ist dem § 60 folgender Absatz anzufügen:
(4) Die Aufenthaltsgestattung kann mit anderen Auflagen versehen werden."
Begründung:
Der Wortlaut von § 60 Absatz 1 AsylVfG lautet:
"Die Aufenthaltsgestattung kann mit Auflagen versehen werden." In § 60 AsylVfG-E wird diese Bestimmung nicht übernommen, ohne dass dafür ein Grund erkennbar ist. Auch weiterhin muss es der Ausländerbehörde möglich sein, die Aufenthaltsgestattung neben der gesetzlichen Wohnsitzauflage auch mit anderen Auflagen zu versehen. Eine Streichung von § 60 Absatz 1 AsylVfG ist nicht Gegenstand der Protokollerklärung der Bundesregierung.
4. Zu Artikel 3 Nummer 2 Buchstabe c (§ 3 Absatz 2 Satz 3, Satz 4 AsylbLG)
In Artikel 3 Nummer 2 Buchstabe c ist § 3 Absatz 2 wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 3 ist das Wort "unbaren" zu streichen.
- b) In Satz 4 sind nach dem Wort "Heizung" die Wörter ", Energie, Warmwasser" einzufügen.
Begründung:
Die Kosten für Energie (Strom, Gas) sowie teilweise Warmwasser gehören nicht zu den unterkunftsbezogenen Nebenkosten; sie werden bereits vom Regelsatz erfasst. Würde man darauf verzichten, auch für diese Kosten anstelle des Vorrangs von Geldleistungen, die Wahlfreiheit zwischen Geld- und Sachleistungen vorzusehen, käme es zu Problemen bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, in denen zumindest häufig Energie und Warmwasser allen Bewohnern als Sachleistung gewährt, aber nicht individuell zugeordnet und abgerechnet werden. Entweder müssten mit erheblichem technischen und Verwaltungsaufwand Energie- und Warmwasserverbrauch individuell erhoben und abgerechnet werden und von den Betroffenen individuell aus den Regelsätzen getragen werden oder es müsste jeweils begründet werden, warum bei grundsätzlichem Vorrang von Geldleistungen pauschal Sachleistungen gewährt werden, obwohl das Gesetz diesen Vorrang ausdrücklich nur für Unterkunft und Heizung aufhebt, oder es würden trotz einer Sachleistungsgewährung von Energie und Warmwasser ungekürzte Regelsätze ausbezahlt werden, was zu einer Doppelbelastung führen würde. Soweit hinsichtlich der Warmwasseraufbereitung die Besonderheit gilt, dass sie, soweit diese zentral erfolgt, zu den Unterkunftskosten zählt, bei dezentraler Aufbereitung die Kosten hingegen vom Regelbedarf erfasst werden, ist diese Unterscheidung eine Frage der Berechnung, nicht aber des Gesetzes.
B
- 5. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.