Der Bayerische Ministerpräsident München, den 27. September 2004
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dieter Althaus
Sehr geehrter Herr Präsident!
Gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich die in der Anlage beigefügte
- Entschließung des Bundesrates zur Bekämpfung des Menschenhandels
mit dem Antrag, dass der Bundesrat diese fassen möge.
Ich bitte, den Entschließungsantrag unter Wahrung der Rechte aus § 23 Abs. 3 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 804. Sitzung am 15.10.2004 zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Edmund Stoiber
Anlage
Entschließung zur Bekämpfung des Menschenhandels
Der Menschenhandel stellt eine besonders widerwärtige Form der professionellen, häufig Organisierten Kriminalität dar. Menschenhandel steht meist im Zusammenhang mit Prostitution. Opfer sind vor allem Frauen und Mädchen. Der Bundesrat beobachtet mit Sorge, dass die ohnehin schon gewaltigen Dimensionen dieses typischerweise grenzüberschreitenden Verbrechens noch im Zunehmen begriffen sind.
Zur Eindämmung des Menschenhandels ist eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse in den Heimatländern der Opfer geboten. Erforderlich sind darüber hinaus Maßnahmen der Prävention und eine enge Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen. Die Länder haben auf diesem Gebiet erhebliche Anstrengungen unternommen.
Klar ist, dass auch das Strafrecht seinen Beitrag zu leisten hat. Die strafrechtlichen Rahmenbedingungen bedürfen der Verbesserung.
Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Regierungskoalition unlängst einen Gesetzentwurf zur Novellierung der Strafvorschriften gegen den Menschenhandel im Bundestag eingebracht hat. Er bedauert, dass Bundesregierung und Koalition die Länder wie schon bei anderen kriminalpolitischen Vorhaben der jüngsten Vergangenheit nicht an den gesetzgeberischen Vorarbeiten beteiligt haben.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass der Koalitionsentwurf eine Reihe gravierender Mängel und Defizite aufweist. Er bedarf dringend der Überarbeitung. Namentlich Folgendes ist zu nennen:
- 1. Es besteht ein dringendes Bedürfnis für Strafvorschriften gegen die sexuelle Ausbeutung von Menschenhandelsopfern, insbesondere durch verharmlosend so genannte Freier" von Zwangsprostituierten. Die Drahtzieher des Menschenhandels hätten keine Basis für ihr Tun, wenn nicht Tag für Tag eine Vielzahl solcher Freier" die Situation der Opfer schamlos missbrauchen und auf diese Weise ihren Beitrag zur sexuellen Ausbeutung leisten würde. Der Kampf gegen den Menschenhandel darf deshalb nicht mehr nur eindimensional in Richtung auf die Menschenhändler geführt werden, sondern es muss auch auf der Nachfrageseite eingegriffen werden.
Es befremdet, dass der Koalitionsentwurf hierzu keine Vorschläge enthält.
- 2. Der eigentliche Menschenhandel", nämlich vor allem der Verkauf" von Menschen und die damit verbundene Degradierung des Menschen zur Handelsware soll nach dem Gesetzentwurf nicht spezifisch unter Strafe gestellt werden. Dies erscheint nicht hinnehmbar. Die Vorlage nimmt mit dieser Lücke zugleich in Kauf, dass Deutschland die Vorgaben des EU-Rahmenbeschlusses vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (ABl. EG (Nr. ) L 203 vom 1. August 2002 S. 1) nur unvollständig umsetzt.
- 3. Nach geltendem Recht macht sich ohne weitere Voraussetzungen strafbar, wer auf eine Person unter 21 Jahren einwirkt, um sie zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bringen, oder sie dazu bringt, die Prostitution aufzunehmen oder fortzusetzen (§ 180b Abs. 2 Nr. 2 StGB). Der Gesetzentwurf will diese Schutzaltersgrenze auf 18 Jahre absenken und zusätzlich verlangen, dass der Täter seines Vermögensvorteils wegen" handelt. Der Bundesrat lehnt diese Abschwächung des Strafrechtsschutzes mit allem Nachdruck ab. Gerade junge Frauen mit fehlender Lebenserfahrung werden von Menschenhändlern ausgebeutet. Es geht nicht an, sie den Tätern schutzlos auszuliefern.
- 4. Die Regierungskoalition hat im Jahr 2001 die Strafvorschrift der Förderung der Prostitution (§ 180a Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.) ersatzlos aufgehoben. Sie hat damit von der Bordell- und Zuhälterszene den Druck der Strafverfolgung genommen. Die Strafverfolgungsbehörden haben keine zureichenden Ermittlungsansätze mehr, um in die Bordell- und Zuhälterszene einzudringen und die Opfer des Menschenhandels effektiv vor Ausbeutung zu schützen. Der Bundesrat hält es für dringend erforderlich, das alte Recht wieder in Kraft zu setzen.
Der Bundesrat fordert den Deutschen Bundestag auf, diesen Anliegen im weiteren Gesetzgebungsverfahren Rechnung zu tragen. Er bittet eine angemessene Beteiligung der Länder sicherzustellen.