Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 812. Sitzung am 17. Juni 2005 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Gesetzentwurf wird abgelehnt.

Für den Fall, dass der Deutsche Bundestag das Gesetz gleichwohl beschließt, würde eine Umsatzbesteuerung im Bereich der öffentlichen Spielbanken Forderungen zur Senkung der Spielbankabgabe der Länder nach sich ziehen. Damit würden den Ländern erhebliche Nachteile entstehen. Die Erweiterung der Umsatzsteuerpflicht käme hingegen aufgrund der Systematik Bund und Ländergesamtheit im Verhältnis ihrer jeweiligen Anteile zugute. Wegen der zu erwartenden Ausfälle müssten die Mehreinnahmen allein der Ländergesamtheit zufließen.

Der Bundesrat teilt die Annahmen der Bundesregierung zu den Umsatzsteuermehreinnahmen nicht. Angesichts der von den öffentlichen Spielbanken erzielten Erlöse wäre von jährlichen Umsatzsteuermehreinnahmen in Höhe von rd. 120 Mio. Euro auszugehen. Dieser Vorteil stünde allein der Ländergesamtheit zu.

Begründung

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 17.02.2005 in den verbundenen Rechtssachen Linneweber und Akritidis (C-453/02 und C-462/02) entschieden, dass die Umsatzsteuerbefreiung der Veranstaltung von Glücksspielen bzw. des Betriebs von Glücksspielgeräten nicht von der Identität des Veranstalters oder Betreibers abhängig gemacht werden darf. Da § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in seiner bisherigen Fassung die durch den Betrieb der zugelassenen öffentlichen Spielbanken bedingten Umsätze aller Art von der Umsatzsteuer befreit, während die Umsätze anderer Veranstalter von Glücksspielen bzw. anderer Betreiber von Glücksspielgeräten umsatzsteuerpflichtig sind, wird hierdurch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt.

Dieser Grundsatz lässt sich nicht dadurch wiederherstellen, dass die Steuerbefreiung für die zugelassenen öffentlichen Spielbanken aufgehoben wird. Denn es ist zu beachten, dass nach Artikel 13 Teil B Buchstabe f der 6. EG-Richtlinie "sonstiges Glücksspiel mit Geldeinsatz" grundsätzlich von der Mehrwertsteuer zu befreien ist. Durch die in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Änderung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG verbliebe dagegen in dieser Norm keine Umsatzsteuerbefreiung der "sonstigen Glücksspiele mit Geldeinsatz" mehr. Damit würde das den Mitgliedstaaten durch Artikel 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie zugewiesene Ermessen überschritten, wonach diese lediglich die Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festlegen dürfen.

Hierfür sprechen insbesondere die Ausführungen des Generalanwalts beim EuGH in der Rechtssache Glawe - Rs. C-38/93 - und die inhaltsgleichen Aussagen der Generalanwältin in Randnr. 42 der Schlussanträge in den Rechtssachen Linneweber und Akritidis, wonach den Mitgliedstaaten (lediglich) das Ermessen zugewiesen ist, "bestimmte Formen des Glücksspiels" mit der Umsatzsteuer zu belegen. Als "Formen des Glücksspiels" bezeichnet die Generalanwältin in Randnr. 44 der Schlussanträge in den Rechtssachen Linneweber und Akritidis "etwa Kartenspiele, Roulettespiele und Glücksspielautomaten", (hier) also lediglich Teilmengen der "sonstigen Glücksspiele mit Geldeinsatz". Demzufolge stellt die Gesamtheit der "sonstigen Glücksspiele mit Geldeinsatz" nach Auffassung der Generalanwältin keine "Form des Glücksspiels" dar, die insgesamt der Umsatzsteuer unterworfen werden dürfte.

In Randnr. 44 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Fischer - Rs. C-283/95 - hatte der Generalanwalt hervorgehoben, dass für Glücksspielumsätze andere Formen der Besteuerung als die Umsatzsteuer besser geeignet wären. Die Europäische Kommission hatte bereits in ihrem Vorschlag für die 6. EG-Richtlinie die Ansicht vertreten, dass Glücksspiele und Lotterien besser einer Sondersteuer unterworfen würden. Darin liegt auch der - rein pragmatische - Grund der Befreiung nach Artikel 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie. Diesem Gedanken folgend sollte eine Besteuerung des sonstigen Glücksspiels mit Geldeinsatz durch eine andere Verkehr- oder Verbrauchsteuer erfolgen.