Der Bayerische Ministerpräsident
München, 5. Oktober 2016
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich
Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Vollendung der Nachkrisenreformagenda des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) mit dem Antrag, dass der Bundesrat diese fassen möge.
Ich bitte, die Entschließung gemäß § 36 Absatz 2 GO BR auf die Tagesordnung der 949. Sitzung am 14. Oktober 2016 zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer
Entschließung des Bundesrates zur Vollendung der Nachkrisenreformagenda des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS)
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) hat angekündigt, seine Nachkrisenreformagenda, die derzeit insbesondere noch Überlegungen zur Risikomessung und Bestimmung der notwendigen Eigenmittel umfasst, noch im Jahr 2016 abzuschließen.
- 2. Der Bundesrat weist auf die hohe Bedeutung eines zügigen Abschlusses des Reformpakets hin. Dieses sollte auf Basis einer validen und alle Reformauswirkungen umfassenden Folgeabschätzung erfolgen. Die Einführung kohärenter globaler Standards ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, die Planungssicherheit für die Kreditinstitute weiter zu erhöhen. Anhaltende Unsicherheit über den weiteren Fortgang der regulatorischen Entwicklung erschwert die Anpassung der Geschäftsmodelle und damit auch frühzeitige strategische Weichenstellungen in einem für die Banken herausfordernden geschäftlichen Umfeld.
- 3. Nachdem bereits im Jahr 2010 als unmittelbare Reaktion auf die Finanzkrise eine Härtung der Eigenkapitalbestandteile der Banken sowie eine höhere Eigenmittelausstattung beschlossen worden waren, um die Solidität und Stabilität des Bankensektors insgesamt zu stärken, steht bei der derzeitigen Überarbeitung der regulatorischen Risikomessmethoden die adäquate Bewertung der einzelnen Risikoarten im Mittelpunkt. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die Ankündigung der Gruppe der Zentralbankpräsidenten und Leiter der Bankenaufsichtsinstanzen (GHOS) vom 11. Januar 2016, wonach die gesamten Eigenkapitalanforderungen nicht wesentlich erhöht werden sollen, bei der Festlegung und Umsetzung des Reformpakets als Ergebnis der quantitativen Folgeabschätzung als vorrangige Prämisse angesehen werden sollte.
- 4. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass bei der konkreten Umsetzung des Reformpakets überproportionale Auswirkungen, insbesondere auf bestimmte regionale Märkte oder bestimmte, als konservativ einzustufende Geschäftsmodelle zu vermeiden sind.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darüber hinaus, sich für die Entwicklung von Lösungen einzusetzen, bei denen Fortschritte in der Risikomessung nicht zu Lasten der Finanzierung des realwirtschaftlichen Sektors, insbesondere der auf den Bankkredit als wichtigste Finanzierungsquelle nach wie vor in besonderem Maße angewiesenen kleinen und mittelständischen Unternehmen gehen. Daher spricht sich der Bundesrat entschieden für einen Erhalt des sog. KMUKorrekturfaktors aus, der das vergleichsweise geringe Risiko von Mittelstandskrediten widerspiegelt. Die potenziellen Einschränkungen langfristiger Finanzierungen, die traditionell einen festen Bestandteil der stabilitätsorientierten deutschen Unternehmensfinanzierungkultur bilden, durch aktuelle Regulierungsvorhaben wie die Net Stable Funding Ratio (NSFR) sind aus Sicht des Bundesrats kritisch zu bewerten.
- 6. Das deutsche Bankwesen ist durch eine Mischung aus international tätigen Großbanken sowie Spezialkreditinstituten einerseits sowie aus in ihrer Geschäftstätigkeit auf ihr jeweiliges regionales Geschäftsgebiet fokussierten kleinen und mittelständischen Banken und Sparkassen andererseits geprägt. Gerade die kleinteilige Struktur der deutschen Kreditwirtschaft hat sich in der Finanzkrise 2008/09 als im internationalen Vergleich äußerst robust und stabilisierend erwiesen. Damit kleine und mittelständische Banken und Sparkassen durch regulatorische Lasten nicht überfordert werden, spricht sich der Bundesrat für die konsequente Anwendung des Proportionalitätsprinzips in der Bankenregulierung aus. Er fordert daher die Bundesregierung auf, sich für eine proportionale Regulierung einzusetzen und bei der Europäischen Kommission darauf hinzuwirken, dass bei der Umsetzung des Reformpakets des BCBS in europäisches Recht in Abhängigkeit von Institutsgröße, Komplexität und Risikogehalt der betriebenen Geschäfte sowie unter Beachtung regionaler Besonderheiten Möglichkeiten für Erleichterungen gegenüber der vollen Implementierung geprüft werden.