Empfehlungen der Ausschüsse
Zweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht

979. Sitzung des Bundesrates am 28. Juni 2019

A

1. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS) und der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes zu verlangen.

Begründung:

2. Das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht begegnet europa- und verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies betrifft insbesondere die Voraussetzungen und Durchführung von Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam sowie das Fehlen von Regelungen zum Schutz vulnerabler Gruppen im Hinblick auf Abschiebehaft, Ausreisegewahrsam und Leistungsabsenkungen.

3. Die Bedenken des Bundesrates, dass den Belangen von Minderjährigen und Familien mit minderjährigen Kindern in den Regelungen zu Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam nicht ausreichend Rechnung getragen wird, wurden im Gesetzgebungsverfahren nicht hinreichend berücksichtigt. Es bedarf weiterhin ergänzender Regelungen, die sicherstellen, dass die europarechtlichen Vorgaben zur Inhaftnahme von Minderjährigen in nationales Recht umgesetzt werden.

4. Auch in Fällen, in denen eine Ausreisepflicht längerfristig aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht durchsetzbar ist, wird die Integration vieler Menschen, die voraussichtlich längerfristig in Deutschland bleiben werden, wesentlich erschwert. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Ausreisepflicht aus Gründen nicht durchsetzbar ist, die die Betroffenen nicht zu vertreten haben und hat insbesondere auch für Minderjährige erhebliche nachteilige Folgen. Aufgrund der vorgesehenen umfangreichen Mitwirkungspflichten besteht ein großes Risiko, dass von den Integrationsausschlüssen neben Minderjährigen auch andere Menschen erfasst werden, denen tatsächlich kein Fehlverhalten vorwerfbar ist. Ein hinreichender Zusammenhang dieser Erschwernisse mit dem erklärten Ziel, bestehende Ausreisepflichten besser durchzusetzen, ist in vielen Fällen nicht erkennbar.

5. Gegen die Regelung in Artikel 1 Buchstabe a Nummer 15, durch die § 58 AufenthG ein Absatz 7 hinzugefügt wird, der es ermöglicht, eine Wohnung zur Nachtzeit zu betreten und zu durchsuchen, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird, bestehen verfassungsrechtliche Bedenken.

6. Die Regelungen zur sogenannten Duldung bei ungeklärter Identität stellen einen erheblichen Rückschritt in der Integrationspolitik dar. Durch das damit einhergehende Verbot von Erwerbstätigkeit wird die Möglichkeit einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts von vornherein ausgeschlossen. Zudem drohen die bestehenden Bleiberechtsregelungen in den §§ 25a und 25b des AufenthG leer zu laufen, wenn Vorduldungszeiten nicht anerkannt werden.

7. Die Regelungen zur "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" (§ 60b AufenthG-E) bedürfen der grundsätzlichen Überprüfung. Insbesondere die geplante Regelung, dass Zeiten einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität nicht als Vorduldungszeiten (insbesondere im Rahmen der §§ 25a und 25b AufenthG) angerechnet werden dürfen, stößt auf Bedenken. Ebenfalls kritisch ist die generelle Verschärfung des Beschäftigungsverbots bei der "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität" mit der Folge einer zusätzlichen Belastung der öffentlichen Kassen zu sehen.

8. Entgegen der Hinweise des Bundesrates sieht das Gesetz weiterhin vor, dass Zeiten der Duldung für Personen mit ungeklärter Identität nicht als Vorduldungszeiten angerechnet werden. Diese Regelung wirkt sich vor allem für gut integrierte Jugendliche negativ aus, wenn die vertretungsberechtigten Personen davon abgesehen haben, die gesetzlich geforderten Handlungen für den Minderjährigen vorzunehmen. Die Regelung in § 25a AufenthG würde hierdurch signifikant ausgehöhlt.

9. Die in § 62a AufenthG vorgesehene Relativierung des Trennungsgebots bei der Abschiebungshaft verstößt gegen Artikel 18 Absatz 1 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie). Die Umsetzung führt darüber hinaus zu praktischen und rechtlichen Schwierigkeiten im Vollzug, da die weiterhin notwendige Trennung der Häftlinge im Justizvollzug im Rahmen der bestehenden Unterbringungsbedingungen nicht sichergestellt werden kann.

10. Die durch den Deutschen Bundestag neu in das Gesetz eingefügte Verpflichtung der Länder, den Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen auch in kommunalen Unterbringungseinrichtungen zu gewährleisten (§ 53 Absatz 3 AsylG), wird der Sache nach begrüßt, begegnet aber finanziellen Bedenken. Ein ähnlicher Vorschlag wurde bereits im Zusammenhang mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz vom Bundesrat kritisch bewertet. Der mit diesem Vorschlag verbundene Erfüllungsaufwand für Länder und Kommunen (zum Beispiel für bauliche Maßnahmen) ist erheblich und wird zum Beispiel für die circa 3 000 Gemeinschaftseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft allein in Nordrhein-Westfalen bei einer geschätzten Investitionssumme von 50 000 Euro je kommunaler Unterbringungseinrichtung insgesamt auf mindestens 150 Millionen Euro geschätzt. Im Gesetz fehlt eine Auseinandersetzung mit den ausgelösten Kosten und deren Deckung vollständig.

Im Übrigen stellen die in diesem Kontext vorgesehenen Änderungen der §§ 44 und 53 AsylG einen Eingriff des Bundes in die verfassungsrechtliche Kompetenz der Länder für den Vollzug von Bundesgesetzen dar.

Darüber hinaus ist die Befassung des Vermittlungsausschusses angezeigt, da insgesamt die Anregungen aus dem Bundesratsverfahren in zu geringem Umfang aufgegriffen und im Bundestagsverfahren zahlreiche neue Regelungen eingebracht wurden, mit denen der Bundesrat sich bisher nicht im Einzelnen auseinandersetzen konnte.

11. Eine Verlängerung der verpflichtenden Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen auf achtzehn bzw. sechs Monate für Familien mit Kindern erfordert erhöhte Kapazitäten für die Aufnahmeeinrichtungen, verändert den Charakter der Einrichtungen negativ und führt zu erhöhten Risiken in Hinblick auf Frustration, Gewalt und Desintegration für die Bewohner.

B

12. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgendem Grund einberufen wird:

Zu Artikel 1 Nummer 22 (§ 62a Absatz 1 AufenthG)

Artikel 1 Nummer 22 ist zu streichen.

Folgeänderungen:

Begründung:

Das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz sieht in Artikel 1 Nummer 22 die Aufhebung des in § 62a Absatz 1 Satz 1 AufenthG geregelten Gebots vor, Abschiebungshaft grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen zu vollziehen. Erst zum 1. Juli 2022 soll dieses grundsätzliche Gebot durch Artikel 6 des Gesetzes wieder in Kraft gesetzt werden.

Zum Anrufungsgrund:

Der durch Artikel 1 Nummer 22 vorgesehenen Aufhebung des in § 62a Absatz 1 Satz 1 AufenthG normierten Trennungsgebots wird widersprochen.

Die beabsichtigte Aufhebung des Trennungsgebots verstößt gegen europäisches Recht:

Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (im Folgenden: Rückführungsrichtlinie) bestimmt, dass die Inhaftierung von Abschiebungsgefangenen grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen erfolgt. Dieses Trennungsgebot wurde durch § 62a Absatz 1 Satz 1 AufenthG in nationales Recht umgesetzt. Die beabsichtigte Gesetzesänderung setzt das Trennungsgebot für etwa drei Jahre ersatzlos und für sämtliche Abschiebungsgefangene außer Kraft. Auf diese Weise soll unter anderem die Unterbringung von ausreisepflichtigen Familien - einschließlich Kindern - in Justizvollzugsanstalten dem Grunde nach ermöglicht werden.

Im Gesetz wird die Aufhebung des Trennungsgebotes damit gerechtfertigt, es bestehe eine Notlage im Sinne von Artikel 18 der Rückführungsrichtlinie. Diese Vorschrift ermöglicht den Mitgliedstaaten unter anderem, von den Haftbedingungen nach den Artikeln 16 Absatz 1 und 17 Absatz 2 der Rückführungsrichtlinie abzuweichen, wenn und solange eine außergewöhnlich große Zahl von Drittstaatsangehörigen, deren Rückkehr sicherzustellen ist, zu einer unvorhersehbaren Überlastung der Kapazitäten der Hafteinrichtungen eines Mitgliedstaats oder seines Verwaltungs- oder Justizpersonals führt.

Eine derartige Notlage besteht nicht. In der Begründung zu Artikel 1 Nummer 22 des Gesetzes wird ein "Missverhältnis" zwischen vollziehbar Ausreisepflichtigen und vorhandenen Abschiebungshaftplätzen behauptet. Diese Gegenüberstellung ist nicht geeignet, eine Notlage im Sinne der Rückführungsrichtlinie zu begründen. Hieraus lässt sich gerade keine unvorhersehbare Überlastung der Kapazitäten der Hafteinrichtungen eines Mitgliedstaats oder seines Verwaltungs- oder Justizpersonals ableiten. So ist die Anzahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen nicht gleichzusetzen mit der Zahl der Personen, für die eine Abschiebungshaft konkret in Betracht kommt. Jedoch ist nur diese letztgenannte Personenanzahl für die Prüfung einer Notlage von Bedeutung. Die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft liegen jedoch nur in besonders gelagerten Einzelfällen, insbesondere bei einer hinreichenden Aussicht auf Abschiebung, bei Fehlen einer freiwilligen Ausreise und milderer Mittel, vor. Da diese Erwägungen im Gesetzentwurf keine Berücksichtigung finden, lässt sich das vermeintliche Missverhältnis nicht mit einer Zahlenbasis belegen.

Zudem ist die in der Begründung des Gesetzes behauptete "Notlage" keineswegs unvorhersehbar. Die dargestellte Situation ist eine absehbare Folge von Schließungen diverser Abschiebungshaftanstalten, von langwierigen Asylverfahren und unzureichenden Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern. Soweit durch das Gesetz die Möglichkeiten, Abschiebungshaft anzuordnen, erweitert werden sollen, wäre auch die hierdurch erst noch eintretende Mehroder gar Überbelastung gerade nicht "unvorhersehbar". Schließlich spricht auch die geplante Festlegung einer "Notlagefrist" in Artikel 6 des Gesetzes ohne einen Prüfmechanismus zur Kontrolle, ob die vermeintliche Notlage zwischenzeitlich überwunden ist, gegen das Vorliegen einer unvorhersehbaren Situation.

Unabhängig von seiner rechtlichen Zulässigkeit steht das Vorhaben zur regelmäßigen Unterbringung von Abschiebungsgefangenen in Konflikt mit den Zielen und Aufgaben des Justizvollzugs und würde absehbar zu erheblichen Sicherheitsproblemen führen. So sind Abschiebungsgefangene deutlich geringeren Sicherheitsmaßnahmen unterworfen als Gefangene im Justizvollzug ("Wohnen minus Freiheit"). Ihnen sind in der Unterbringung grundsätzlich so viele Freiheiten wie möglich zu gewähren; das Leben in der Abschiebungshaft ist demjenigen außerhalb der Haft nach Möglichkeit anzugleichen. Hierzu gehört auch die Gewährung "umfangreicher Kommunikationsmöglichkeiten" für Abschiebungsgefangene. Mit der allgemeinen Öffnung der Abschiebungshaft für den Justizvollzug wäre in der Folge das sicherheitsorientierte Vollzugsregime des Justizvollzugs neben einem vergleichsweise liberalen Vollzugsregime der Abschiebungshaft zu betreiben. Während einerseits die Sicherheit des Justizvollzugs nicht dadurch gefährdet werden darf, dass sich in der gleichen Einrichtung Abschiebungshäftlinge mit weitreichenden Befugnissen befinden, ist es andererseits nicht zulässig, die Freiheiten und Befugnisse von Abschiebungshäftlingen zugunsten einer sicheren Unterbringung in Justizvollzugsanstalten zu beschneiden. Vor diesem Hintergrund ist die - auch getrennte - Unterbringung innerhalb einer Justizvollzugsanstalt mit den Sicherheitserfordernissen einer Justizvollzugsanstalt schlicht unvereinbar.

Ferner fehlt es im Justizvollzug zahlreicher Länder an Kapazitäten für eine rechtskonforme Unterbringung der Abschiebungshäftlinge. Es herrscht in vielen Anstalten im Bundesgebiet angesichts hoher Belegungsquoten praktisch Vollbelegung. Die Aufgabenübertragung des Vollzugs der Abschiebehaft auf die Justizvollzugsanstalten würde in einigen Ländern daher ganz erhebliche zusätzliche bauliche und personelle - und somit auch finanzielle - Ressourcen erforderlich machen. Die Justiz würde zum Eigner einer neuen Aufgabe und eines Problems, welches sie - ebenso wie die Innenseite - lediglich mit dem Ausbau ihrer eigenen Kapazitäten lösen könnte. Weshalb sie hierfür bessere und schnellere Möglichkeiten als die Innenseite - mit der für den 1. Juli 2022 avisierten Schaffung einer adäquaten Anzahl an Abschiebehaftplätzen - haben sollte, ist nicht ersichtlich.

Im Übrigen wird sich der Gerichtshof der Europäischen Union anlässlich der Vorlageentscheidung des 5. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 22. November 2018 (V ZB 180/17) zeitnah mit der Frage zu befassen haben, ob die Unterbringung von "gefährlichen" Abschiebungsgefangenen in einer gewöhnlichen Haftanstalt für den Fall zulässig ist, dass sie von Strafgefangenen getrennt untergebracht werden. Das Bestreben, die Regelung des § 62a AufenthG in diesem rechtlichen Schwebezustand ohne Not und ohne ausreichende Abschätzung der praktischen Folgen für die einzelnen Länder ändern zu wollen, ist abzulehnen.

C

13. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS), der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat festzustellen, dass das Gesetz seiner Zustimmung bedarf.

Begründung des AIS*:

Das Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf die Behandlung als nicht zustimmungsbedürftiges Gesetz.

Gesetze, aus denen sich Leistungspflichten der Länder ergeben, sind nach Artikel 104a Absatz 4 GG zustimmungsbedürftig. Die Verpflichtung der Länder zur Schaffung und Unterhaltung von Einrichtungen für die Unterbringung von Asylsuchenden ist eine geldwerte Sachleistung im Sinne des Artikels 104a Absatz 4 GG (BT-Drucksache 16/813, Seite18). Die Zustimmungsbedürftigkeit eines Gesetzes, das ein die Ausgabenlast der Länder betreffendes Bundesgesetz ändert, besteht, sofern die Leistungen erhöht bzw. ausgeweitet werden, so dass die Ausgabenlast der Länder steigt. Ebenso ist die Änderung zustimmungsbedürftig, wenn die vorgesehenen Geld- oder Sachleistungen neu geregelt werden, da dadurch eine Belastung der Länder mit materiell anderen Leistungen begründet wird (vgl. Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages WD 3-3000-145/19, Seite 6 mit Verweis auf Hellermann in Mangold/Klein/Starck, GG Kommentar Band 3, 2018, Artikel 104a Rn. 109 und auf Maunz/Dürig GG Kommentar 2018, Artikel 104a Rn. 41). Durch die Zustimmungsbedürftigkeit eines Teils des Gesetzes ist das ganze Gesetz zustimmungsbedürftig (BVerfGE 8, 274, Rn. 89).

Der Inhalt des vorliegenden Gesetzes löst die Zustimmungsbedürftigkeit nach Artikel 104a Absatz 4 GG aus. Das Gesetz erweitert die Pflicht zur Unterbringung von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen in § 47 Absatz 1 AsylG auf bis zu 18 Monate, zum Teil sogar darüber hinaus und unbegrenzt, in Verbindung mit einem ausgedehnten Beschäftigungsverbot für diese Menschen (§ 61 Absatz 1 AsylG). Die Personengruppe der Gestatteten in Erstaufnahmeeinrichtungen soll neun Monate nicht arbeiten dürfen. Sofern das Asylbegehren als offensichtlich unbegründet oder unzulässig abgelehnt wurde, gilt das Beschäftigungsverbot auch darüber hinaus. Im Fall des Wechsels in den Duldungsstatus und einer Verbleibepflicht in der Erstaufnahmeeinrichtung soll die Beschäftigung für noch (gegebenenfalls zusätzliche) sechs geduldete Monate verboten sein.

In Erstaufnahmeeinrichtungen besteht anders als in Gemeinschaftsunterkünften die Pflicht, Leistungen als Sachleistungen zu gewähren, was an sich bereits Mehrkosten (In Berlin beläuft sich der durchschnittliche Kostensatz bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft auf 31,43 Euro, bei Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen auf 47,51 Euro. Dieser Mehraufwand wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass bei Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen die Barzahlung für den notwendigen Bedarf entfällt, da dieser im Vergleich mit lediglich 7,30 Euro täglich zu Buche schlägt) und insbesondere Verwaltungskosten für die Länder verursacht und daher bereits eine erweiterte Pflicht der Länder zur Gewährung von Sachleistungen im Sinne des Artikels 104a Absatz 4 GG bedeutet. Mehrkosten ergeben sich ferner auch durch den erforderlichen Ausbau der Kapazitäten in Erstaufnahmeeinrichtungen, da künftig mehr Personen für längere Zeit verpflichtet sein werden, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht mit Blick auf die Ausnahme nach § 49 Absatz 2 AsylG. Danach gilt künftig, dass die Verpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen aus sonstigen Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, "insbesondere zur Gewährleistung der Unterbringung und Verteilung" beendet werden kann. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs erfasst dies den Fall, dass andernfalls eine Erschöpfung oder Überlastung der Kapazitäten der Einrichtung zu befürchten ist. Damit wird den Ländern jedoch gerade keine freie Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Entlassung aus der Aufnahmeeinrichtung eingeräumt. Stattdessen wird eine Abweichungsmöglichkeit lediglich zur Überbrückung von Versorgungsengpässen eingeräumt, im Rahmen derer der Nachweis der Erschöpfung oder Überlastung der Kapazitäten - in bisher ungeklärter Form - zu erbringen ist. Länder, die mehr Plätze in Aufnahmeeinrichtungen vorhalten, werden außerdem gegenüber solchen mit geringeren Kapazitäten, in ihren Ausführungsmöglichkeiten beschränkt.

Zugleich wird der Personenkreis der in der Erstaufnahmeeinrichtung unterzubringenden Leistungsberechtigten, der eigenständig zum Lebensunterhalt beitragen oder diesen vollständig selbst bestreiten kann, mit der Neufassung des Beschäftigungsverbots in Erstaufnahmeeinrichtungen deutlich reduziert. Damit müssen deutlich mehr Gestattete und Geduldete vollständig seitens des Staates mit Leistungen versorgt werden, so dass die Ausgabenlast der Länder evident steigt, was zudem die Voraussetzungen des Artikels 104a Absatz 4 GG erfüllt.

Ferner regelt das Gesetz diverse Veränderungen bei den Leistungsansprüchen nach den §§ 1 und 1a AsylbLG, die einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Leistungsbehörden bedeuten. Die Neuregelungen stellen keine bloße Streichung oder Reduzierung der Leistungen dar. Vielmehr müssen zur Prüfung der Leistungsvoraussetzungen noch mehr als bisher aufenthaltsund asylrechtliche Inzidentprüfungen durch die Leistungsbehörden erfolgen, was den Prüfungsaufwand stark erhöht. Auch werden erstmals sogenannte Überbrückungsleistungen, die als Sachleistungen erbracht werden sollen, sowie Rückreisekosten als Darlehen nach § 1 Absatz 4 AsylbLG ins Gesetz eingeführt. Damit werden die Länder mit materiell neuen Leistungsarten belastet, was ebenfalls die Zustimmungsbedürftigkeit auslöst.

Begründung des R**:

Die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes ergibt sich aus Artikel 104a Absatz 4 GG. Nach dieser Bestimmung bedürfen Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Artikel 104a Absatz 3 Satz 2 GG im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind.

Die Voraussetzungen des Zustimmungstatbestands liegen vor.

Bei dem Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht handelt es sich um ein Bundesgesetz, das von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt wird (Artikel 83 GG) .

Das Gesetz begründet Pflichten der Länder zur Erbringung von geldwerten Sachleistungen bzw. vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten.

Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz in seiner 105. Sitzung am 7. Juni 2019 aufgrund der Beschlussempfehlung seines Ausschusses für Inneres und Heimat vom 5. Juni 2019 (BT-Drucksache 19/10706) abweichend von dem Gesetzentwurf (BR-Drucksache 179/19 (PDF) ) mit einem Inhalt beschlossen, der zu einer erhöhten Ausgabenlast der Länder führen w i.d.R. levant sind die Vorschriften in § 47 Absatz 1 und § 44 Absatz 2a AsylG.

Nach der bisherigen Gesetzeslage werden asylbegehrende Ausländer grundsätzlich längstens bis zu einer Dauer von sechs Monaten in von den Ländern betriebenen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Abweichende Regelungen bestehen nur für Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 47 Absatz 1a AsylG) und für den Fall, dass ein Land auf freiwilliger Basis von der Regelungsbefugnis des § 47 Absatz 1b AsylG Gebrauch macht. Durch die Neuregelung des § 47 Absatz 1 AsylG wird bereits die grundsätzliche Dauer für die verpflichtende Unterbringung auf bis zu achtzehn Monate erhöht, in bestimmten Fallkonstellationen sogar - auf unbefristete Zeit - darüber hinaus. Bei der Unterbringung in den Erstaufnahmeeinrichtungen handelt es sich zwar um eine Pflicht, die nach § 47 Absatz 1 AsylG zunächst die Asylbegehrenden trifft. Der Pflicht der Asylbegehrenden korrespondiert aber die Verpflichtung der Länder, Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten und die notwendige Zahl von Unterbringungsplätzen bereitzustellen (§ 44 Absatz 1 AsylG). Die bundesrechtlich begründete Pflicht gilt unabhängig davon, ob einzelne Länder bereits von der Befugnis des § 47 Absatz 1b AsylG Gebrauch gemacht und dadurch selbst längere Aufenthaltspflichten als vom derzeit geltenden § 47 Absatz 1 AsylG vorgesehen, geschaffen haben. Die vorgenannte Verpflichtung wird in der Gesetzesbegründung zu Artikel 104a Absatz 4 GG explizit als Beispiel für eine geldwerte Sachleistung genannt (BT-Drucksache 16/813, Seite 18).

§ 44 Absatz 2a AsylG enthält den Auftrag an die Länder, geeignete Maßnahmen zu treffen, um bei der Unterbringung Asylbegehrender den Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen zu gewährleisten. Schutzbedürftige Personen im Sinne dieser Norm sind nach der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages (BT-Drucksache 19/10706, Seite 14 f.) insbesondere Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Schwangere, lesbische, schwule, bi-, trans- oder intersexuelle Personen, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.

Es liegt auf der Hand, dass die vorgenannten Verpflichtungen zu einer erhöhten Kostenbelastung aufseiten der Länder führen werden. Dass durch die Verpflichtungen an anderer Stelle gegebenenfalls eine gewisse finanzielle Kompensation eintreten mag, etwa im Rahmen der Verteilung der Asylbegehrenden auf die Kommunen oder durch mögliche Einsparungen im Gesundheitswesen aufgrund der Präventionsvorschrift in § 44 Absatz 2a AsylG, ändert an der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nichts. Eine Gesetzesänderung löst bereits dann die Zustimmungsbedürftigkeit nach Artikel 104a Absatz 4 GG aus, "wenn die vorgesehenen Geld-, Sach- oder Dienstleistungen neu geregelt werden, da dadurch eine Belastung der Länder mit materiell anderen Leistungen begründet wird." (Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, 7. Auflage, 2018, Artikel 104a Rn. 109).

Von der Möglichkeit des Eingreifens des Zustimmungstatbestands des Artikels 104a Absatz 4 GG aufgrund der Vorschriften in § 47 Absatz 1 und § 44 Absatz 2a AsylG geht auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages "Zustimmungsbedürftigkeit des Zweiten Gesetzes zur Durchsetzung der Ausreisepflicht?" (Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 145/19 (PDF) ) aus.

D

14. Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.

E

15. Der Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen: