A. Problem und Ziel
- Als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung zahlt der Pensions-Sicherungs-Verein aG (PSVaG) im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers die Betriebsrenten an die Versorgungsberechtigten. Hierfür erhebt er Beiträge bei den Mitgliedsarbeitgebern. Bei der Beitragskalkulation bleiben bisher die zu sichernden unverfallbaren Anwartschaften von Arbeitnehmern insolvent gewordener Betriebe außer Betracht. Dadurch wird die Ausfinanzierung insolvenzbedingter Lasten zum Teil weit in die Zukunft verschoben. Vor dem Hintergrund des aktuellen Insolvenzgeschehens und des bislang aufgelaufenen Schadenvolumens soll die Finanzierung des PSVaG zukunftssicherer gestaltet werden.
B. Lösung
- Künftig wird das Finanzierungsverfahren auf vollständige Kapitaldeckung umgestellt. Dadurch wird gewährleistet, dass die Versorgungsanwartschaften aus künftigen Insolvenzen bereits im Jahr der Insolvenzeröffnung ausfinanziert werden. Außerdem wird sichergestellt, dass das bislang aufgelaufene Schadenvolumen in gerechter Weise auf die Mitgliedsarbeitgeber umgelegt wird.
C. Alternativen
- Keine
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- Die Steuermindereinnahmen betragen in der vollen Jahreswirkung rund 5 Mio. Euro jährlich.
E. Kosten für die Wirtschaft
- Die Umstellung der Finanzierung ist kurz- und mittelfristig mit erhöhten Betriebsausgaben für die insolvenzsicherungspflichtigen Arbeitgeber in nicht quantifizierbarem Umfang verbunden, weil die Mittel zur Ausfinanzierung der in der Vergangenheit bereits entstandenen und künftig neu entstehenden Betriebsrentenanwartschaften früher gezahlt werden müssen als nach geltendem Recht. Aufgrund der künftigen Kapitalerträge der gezahlten Mittel werden diese Mehrausgaben langfristig kompensiert bzw. führen zu Einsparungen gegenüber dem jetzigen Verfahren.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 5. Mai 2006
Die Bundeskanzlerin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen
- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes
mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 16.06.06
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Das Betriebsrentengesetz vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3610), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
- 1. § 10 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:
(2) Die Beiträge müssen den Barwert der im laufenden Kalenderjahr entstehenden Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzsicherung decken zuzüglich eines Betrages für die aufgrund eingetretener Insolvenzen zu sichernden Anwartschaften, der sich aus dem Unterschied der Barwerte dieser Anwartschaften am Ende des Kalenderjahres und am Ende des Vorjahres bemisst. Der Rechnungszinsfuß bei der Berechnung des Barwerts der Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzsicherung bestimmt sich nach § 65 des Versicherungsaufsichtsgesetzes; soweit keine Übertragung nach § 8 Abs. 1 stattfindet, ist der Rechnungszinsfuß bei der Berechnung des Barwerts der Anwartschaften um ein Drittel höher. Darüber hinaus müssen die Beiträge die im gleichen Zeitraum entstehenden Verwaltungskosten und sonstigen Kosten, die mit der Gewährung der Leistungen zusammenhängen, und die Zuführung zu einem von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht festgesetzten Ausgleichsfonds decken; § 37 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bleibt unberührt. Auf die am Ende des Kalenderjahres fälligen Beiträge können Vorschüsse erhoben werden. Sind die nach den Sätzen 1 bis 3 erforderlichen Beiträge höher als im vorangegangenen Kalenderjahr, so kann der Unterschiedsbetrag auf das laufende und die folgenden vier Kalenderjahre verteilt werden. In Jahren, in denen sich außergewöhnlich hohe Beiträge ergeben würden, kann zu deren Ermäßigung der Ausgleichsfonds in einem von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu genehmigenden Umfang herangezogen werden."
- 2. Nach § 30h wird folgender § 30i eingefügt:
" § 30i
(1) Der Barwert der bis zum 31. Dezember 2005 aufgrund eingetretener Insolvenzen zu sichernden Anwartschaften wird einmalig auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber entsprechend § 10 Abs. 3 umgelegt und vom Träger der Insolvenzsicherung nach Maßgabe der Beträge zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das im Jahr 2004 geendet hat, erhoben. Der Rechnungszinsfuß bei der Berechnung des Barwerts beträgt 3,67 vom Hundert.
(2) Der Betrag ist in 15 gleichen Raten fällig. Die erste Rate wird am 31. März 2007 fällig, die weiteren zum 31. März der folgenden Kalenderjahre. Bei vorfälliger Zahlung erfolgt eine Diskontierung der einzelnen Jahresraten mit dem zum Zeitpunkt der Zahlung um ein Drittel erhöhten Rechnungszinsfuß nach § 65 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, wobei nur volle Monate berücksichtigt werden.
(3) Der abgezinste Gesamtbetrag ist gemäß Absatz 2 am 31. März 2007 fällig, wenn die sich ergebende Jahresrate nicht höher als 50 Euro ist.
(4) Insolvenzbedingte Zahlungsausfälle von ausstehenden Raten werden im Jahr der Insolvenz in die erforderlichen jährlichen Beiträge gemäß § 10 Abs. 2 eingerechnet."
Artikel 2
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Allgemeines
Umstellung der Finanzierung der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung auf volle Kapitaldeckung Mit der Umstellung der Finanzierung wird die betriebliche Altersversorgung weiter gestärkt. Ihr hoher sozialpolitischer Wert wird unterstrichen, indem die Insolvenzsicherung über den von den Arbeitgebern organisierten Pensions-Sicherungs-Verein aG (PSVaG) zukunftssicherer als bisher finanziert wird.
Der PSVaG ist der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung, bei dem 8,7 Mio. Versorgungsberechtigte unter Schutz stehen. Im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers erhalten diese die Betriebsrente vom PSVaG. Derzeit werden an rd. 440.000 Versorgungsberechtigte rd. 50 Mio. Euro monatlich ausgezahlt. Der Kapitalwert der unter Schutz stehenden betrieblichen Altersversorgung beträgt rd. 251 Mrd. Euro (2005). Die Mittel zur Durchführung der Insolvenzsicherung erhebt der PSVaG von seinen rd. 60.000 Mitgliedsarbeitgebern mittels einer jährlichen Umlage.
Die Finanzierung der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung über den PSVaG wird auf vollständige Kapitaldeckung umgestellt. Das zur Zeit bestehende sog. Rentenwertumlageverfahren ist eine Mischform zwischen einem reinen Umlageverfahren und einem vollständigen Kapitaldeckungsverfahren: Kapitaldeckung erfolgt bei den insolvenzbedingt vom PSVaG zu übernehmenden bereits fälligen Versorgungsleistungen; im Jahr der Insolvenz des Arbeitgebers werden entsprechende Beiträge bei allen verpflichteten Arbeitgebern erhoben.
Diese decken die Rentenzahlungen bis zum Tod der Versorgungsberechtigten vollständig ab.
Zum Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenz bestehende gesetzlich unverfallbare Anwartschaften werden dagegen ggf. erst sehr viel später, nämlich im Zeitpunkt des Eintritts des individuellen Versorgungsfalles, in gleicher Weise finanziert.
Die zu sichernden unverfallbaren Anwartschaften wirken sich im Allgemeinen nicht auf den Beitragssatz des laufenden Jahres aus. Sie werden erst in dem Jahr, in dem der individuelle Versorgungsfall eintritt als Renten mit den Barwerten finanziert. Das bedeutet, dass sich die Beitragsbelastung aus unverfallbaren Anwartschaften je nach Alter der Arbeitnehmer auf einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren verteilen kann.
Das Volumen dieser derzeit noch nicht finanzierten Anwartschaften, also deren Barwert, betrug Ende 2005 rd. 2,2 Mrd. Euro. Dieser Betrag ist aufgrund der hohen Zahl von Insolvenzen in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Auf die den PSVaG finanzierenden Arbeitgeber kommt damit ein Risiko zu, das es durch die Umstellung auf vollständige Kapitaldeckung abzufedern gilt. Die Finanzierung der Insolvenzsicherung wird damit unabhängiger von Strukturentscheidungen der Unternehmen und so insgesamt zukunftssicherer gestaltet.
Die Umstellung erfolgt zum einen dadurch, dass in Zukunft neben den Versorgungsansprüchen auch die zu sichernden Anwartschaften periodengerecht bereits im Jahr der Insolvenz von den insolvenzsicherungspflichtigen Unternehmen ausfinanziert werden (vgl. § 10 Abs. 2 BetrAVG).
Zum anderen werden die bereits in der Vergangenheit aufgelaufenen Anwartschaften nachfinanziert.
Um die Belastung der Arbeitgeber während der Umstellung auf vollständige Kapitaldeckung in einem vertretbaren Rahmen zu halten, wird die Nachfinanzierung der Deckungslücke auf 15 Jahre verteilt (vgl. § 30i BetrAVG). Somit wird sichergestellt, dass die verpflichteten Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung aus Insolvenzen vollständig einstehen müssen, die während der Zeit eingetreten sind, in der sie selbst der Insolvenzsicherungspflicht unterlagen.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes stützt sich auf Artikel 74 Nr. 12 des Grundgesetzes - Arbeitsrecht. Die angestrebte zukunftssichere Gestaltung der Finanzierung des PSVaG und die damit zusammenhängende langfristige Entlastung der Mitgliedsunternehmen kann nur durch die einheitliche Umstellung des Rentenwertumlageverfahrens auf Kapitaldeckung erreicht werden. Eine einheitliche Regelung dieser Rechtsmaterie durch den Bund ist deshalb insbesondere zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zwingend erforderlich.
II. Finanzieller Teil
Die von den beitragspflichtigen Arbeitgebern zu leistenden Zahlungen an den PSVaG zur Ausfinanzierung der Anwartschaften stellen Betriebsausgaben dar, die den steuerpflichtigen Gewinn mindern. Für die Berechnung der daraus resultierenden Steuermindereinnahmen ist zu berücksichtigen dass es sich grundsätzlich nur um eine steuerverschiebende Maßnahme handelt, da die Mittel zur Ausfinanzierung in den späteren Jahren von den Unternehmen ohnehin hätten aufgebracht werden müssen.
Durch die Vorziehung der Ausfinanzierung der Deckungslücke ergeben sich folgende Steuermindereinnahmen bei Bund, Länder und Gemeinden:
Volle Jahreswirkung in Mio. € | Kassenjahr in Mio. € | |||||
2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | ||
Insg. | -5 | . | - 5 | - 5 | -5 | -5 |
Bund | . | . | . | . | . | . |
Länder | -1 | . | -1 | - 1 | - 1 | -1 |
Gemeinden | -4 | . | -4 | - 4 | - 4 | -4 |
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Betriebsrentengesetzes)
Zu Nummer 1 (§ 10)
Mit der Änderung im Satz 1 wird die Finanzierung der gesetzlichen Insolvenzsicherung auf vollständige Kapitaldeckung umgestellt. Die Beiträge eines Jahres müssen den gesamten Schaden aus den neu eintretenden Insolvenzen decken, der aus den Barwerten für die bereits laufenden Leistungen und - neu - den Barwerten für die gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften besteht.
Dazu wird der bisherige Beitrag ergänzt um die Differenz der Barwerte der gesicherten Anwartschaften zum Bilanzstichtag des jeweiligen Kalenderjahres und des Vorjahres.
Satz 2 regelt, welchen Rechnungszinsfuß der Träger der Insolvenzsicherung bei der Berechnung des Beitrages verwenden muss. Für die bereits laufenden Leistungen muss wie bisher mit dem für die Lebensversicherungen geltenden Rechnungszinsfuß kalkuliert werden. Bei der Bewertung der Anwartschaften hängt der Rechnungszinsfuß davon ab, ob der Träger der Insolvenzsicherung von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich von seinen zukünftigen Verpflichtungen zur Zahlung von Renten nach § 8 Abs. 1 zu befreien. Befreit er sich, indem er z.B. Versicherungen gegen Einmalprämien abschließt, so ist bei der Bewertung der Anwartschaft der Rechnungszinsfuß für Lebensversicherungsunternehmen maßgeblich. Wenn er dagegen die Anwartschaften als eigene Kapitalanlage führt, was den Regelfall darstellt, ist ein höherer Rechnungszinsfuß gerechtfertigt. Ansonsten bliebe unberücksichtigt, dass mit dem Rechnungszinsfuß für Lebensversicherungen Zinsüberschüsse erzielt würden, die nur den jeweiligen Beitragszahlern zugute kämen.
Satz 3 entspricht den Regelungen zu den Kosten, dem Ausgleichsfonds und der Verlustrücklage im bisherigen Satz 1.
Der neue Satz 4 entspricht dem bisherigen 1. Halbsatz des Satzes 3.
Mit dem neuen Satz 5 wird zusätzlich zu der schon bisher möglichen Inanspruchnahme des Ausgleichsfonds ein Instrument zur Glättung von Beitragsspitzen eingeführt. Der zu finanzierende Schaden kann, soweit er den des Vorjahres übersteigt, auf die folgenden vier Jahre verteilt werden.
Die Regelung zu der Inanspruchnahme des Ausgleichsfonds erfolgt in einem gesonderten neuen Satz 6 und stellt klar, dass er bei außergewöhnlich hohen Schäden mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Ermäßigung der ansonsten erforderlichen Beitragslast herangezogen werden kann.
Zu Nummer 2 (§ 30i)
In Absatz 1 erfolgt die Umstellung auf vollständige Kapitaldeckung für die bislang aufgelaufenen, noch nicht finanzierten unverfallbaren Anwartschaften aus früheren Insolvenzen. Dazu wird die bis zum 31. Dezember 2005 bestehende Deckungslücke in Höhe des Barwerts der nicht finanzierten Anwartschaften einmalig auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber umgelegt und vom Träger der Insolvenzsicherung erhoben. Die Aufteilung der für die Finanzierung der Deckungslücke erforderlichen Beiträge erfolgt nach den in § 10 Abs. 3 geregelten Maßstäben.
Der Umlageschlüssel ergibt sich aus den zu den Bilanzstichtagen 2004 gemeldeten Beträgen.
Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Deckungslücke von den Arbeitgebern ausgeglichen wird die in der Zeit des Entstehens der Deckungslücke insolvenzsicherungspflichtig waren und so auch von Liquiditätsvorteilen profitieren konnten. Nach Satz 2 ist für die Bewertung der Anwartschaften ein um ein Drittel höherer Zinsfuß als der vorsichtig kalkulierte Rechnungszinsfuß für Lebensversicherungen von derzeit 2,75 Prozent maßgeblich. Damit wird gewährleistet, dass die beitragspflichtigen Arbeitgeber keine zu hohe Vorausfinanzierung leisten. Diese würde zu Zinsüberschüssen führen, welche nur den jeweiligen Beitragszahlern zugute kämen und nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang denjenigen Arbeitgebern, die in der Zwischenzeit ihre Pensionsverpflichtungen in einen Durchführungsweg ohne bzw. mit einer ermäßigten Insolvenzsicherungspflicht übertragen haben.
Um die Belastung der beitragspflichtigen Arbeitgeber abzumildern, legt Absatz 2 fest, dass die Nachfinanzierung der Deckungslücke auf 15 Jahre verteilt wird. Durch diesen Zahlungsmodus wird die Zahllast über eine überschaubare Zeitspanne ausgedehnt und so die Liquiditätsbelastung der Arbeitgeber in einem moderaten Rahmen gehalten. Zusätzlich wird in Satz 2 den unterschiedlichen Liquiditätsbedürfnissen der Praxis Rechnung getragen. Beitragspflichtige Unternehmen können sich dazu entschließen, den auf sie entfallenden Anteil auch vorfällig zu zahlen.
Absatz 3 enthält zur Verwaltungsvereinfachung eine Kleinbetragsregelung.
In Absatz 4 wird geregelt, dass insolvenzbedingte Zahlungsausfälle von ausstehenden Raten im regelmäßigen Beitragsverfahren nach § 10 Abs. 2 eingerechnet und erhoben werden müssen.