Der Bundesrat hat in seiner 830. Sitzung am 16. Februar 2007 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nr. 7 Buchstabe b (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI), Nr. 28 (§ 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI), Nr. 81 (§ 313 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI),
Artikel 17 Nr. 12 Buchstabe b (§ 27a Abs. 2 Nr. 2 ALG)
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Nummer 7 Buchstabe b § 34 Abs. 3 Nr. 1 sind die Wörter "ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße" durch die Angabe "400 Euro" zu ersetzen.
- bb) In Nummer 28 § 96a Abs. 2 Nr. 2 sind die Wörter "ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße" durch die Angabe "400 Euro" zu ersetzen.
- cc) In Nummer 81 § 313 Abs. 3 Nr. 1 sind die Wörter "ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße" durch die Angabe "400 Euro" zu ersetzen.
- b) In Artikel 17 Nr. 12 Buchstabe b § 27a Abs. 2 Nr. 2 sind die Wörter "ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße" durch die Angabe "400 Euro" zu ersetzen.
Begründung
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV beträgt die Grenze für geringfügige versicherungsfreie Beschäftigungen monatlich 400 Euro. Rentner, die eine Vollrente wegen Alters beziehen, dürfen dagegen monatlich nur bis zu einem Siebtel der Bezugsgröße hinzuverdienen. Dies sind ab 1. Januar 2007 monatlich 350 Euro.
Die unterschiedliche Höhe der Hinzuverdienstgrenze bei Vollrenten wegen Alters und der Geringfügigkeitsgrenze führt bei Arbeitgebern und Rentnern häufig zu Missverständnissen. Geringfügig beschäftigte Rentner sind nach den Erfahrungen der Rentenversicherungsträger in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen der Auffassung, sie könnten neben der Vollrente bis zu 400 Euro monatlich hinzuverdienen. Oft kann erst nach Abgabe der Jahresmeldung des Arbeitgebers festgestellt werden, dass der Rentner im vergangenen Jahr die für ihn geltende Hinzuverdienstgrenze von einem Siebtel der Bezugsgröße überschritten hat. In diesen Fällen entsteht dann eine Überzahlung in Höhe eines Drittels der Altersrente. Die Rückforderung der Überzahlung ist langwierig und verwaltungsaufwändig.
Häufig schließen sich Klagen an die Rückforderung an.
Daher ist es sinnvoll, der Anregung der Rentenversicherungsträger zu folgen, die allgemeine Hinzuverdienstgrenze bei Bezug einer Vollrente wegen Alters, einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe und einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit der Geringfügigkeitsgrenze nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV gleich zu gestalten. Dies schließt Missverständnisse bei Rentnern aus und verringert den Verwaltungsaufwand bei den Rentenversicherungsträgern.
2. Zu Artikel 1 Nr. 9 ( § 38 SGB VI), Artikel 17 Nr. 11 Buchstabe b (§ 23 Abs. 8 ALG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob es bei der Einführung einer neuen Altersrente für besonders langjährig Versicherte bleiben soll.
Gegen diese Regelung haben sowohl der Sozialbeirat in seinem Gutachten zum Rentenversicherungsbericht 2006 als auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2006/07 Bedenken angemeldet.
Die Prüfung sollte sich darauf erstrecken, ob
- - das Prinzip der Teilhabeäquivalenz gewahrt wird und
- - die Regelung mit Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar ist.
Begründung
Im Regelfall sind Versicherte von dieser Rente ausgeschlossen, die zwar eine 45-jährige Berufstätigkeit aufweisen, diese aber nicht vollständig in einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit zurückgelegt haben.
Trotz der Anrechnung der Kinderberücksichtigungszeiten werden Frauen benachteiligt.
Die Auswertungen der Deutschen Rentenversicherung Bund zeigen, dass im Rentenzugang 2004 zwar rd. 30 Prozent der Männer, aber nur 11 Prozent der Frauen die Wartezeit von 45 Jahren erfüllen.
Versicherte mit akademischer Ausbildung sind im Regelfall von dieser Rente ausgeschlossen.
Die Regelung in Artikel 17 Nr. 11 Buchstabe b (§ 23 Abs. 8 ALG) orientiert sich an § 38 SGB VI, so dass das Ergebnis der auf § 38 SGB VI bezogenen Prüfung auch für § 23 Abs. 8 ALG gilt.
3. Zu Artikel 1 Nr. 53 ( § 228a SGB VI),
Artikel 17 Nr. 26 (§ 83 Abs. 1 Satz 2 und 3 ALG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob statt der mit dem Verhältnis des aktuellen Rentenwerts (Ost) und des aktuellen Rentenwerts angepassten monatlichen Bezugsgröße die Bezugsgröße (Ost) verwendet werden kann.
Begründung
Mit der im Gesetzentwurf durch Artikel 1 Nr. . 7, 28 und 81 sowie durch Artikel 17 Nr. 12 Buchstabe b beabsichtigten Neuregelung soll erreicht werden, dass die Hinzuverdienstgrenzen weiterhin der Lohnentwicklung folgen. Während sich die Hinzuverdienstgrenzen bisher an der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes orientierten, soll künftig die Entwicklung der Bezugsgröße maßgebend sein.
Bei der Bezugsgröße handelt es sich um ein standardisiertes Durchschnittsentgelt aller Versicherten. Diese Größe wurde gewählt, weil der bisher verwendete aktuelle Rentenwert, bedingt durch die in die Rentenformel eingefügten und dämpfend wirkenden weiteren Faktoren, die Lohnentwicklung nicht mehr zutreffend abbildet.
Bei der Bestimmung der Hinzuverdienstgrenze für das Beitrittsgebiet soll es bei der Orientierung am Verhältnis der aktuellen Rentenwerte Ost zu West bleiben. Bedingt durch die schon erwähnten Faktoren in der Rentenformel bildet auch das Verhältnis der beiden aktuellen Rentenwerte das unterschiedliche Lohnniveau in West- und Ostdeutschland nur unzureichend ab. Es ist daher sachgerechter stattdessen die Bezugsgröße (Ost) als standardisiertes Durchschnittsentgelt der Versicherten im Beitrittsgebiet für die Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen heranzuziehen.
Zudem führt die Verwendung der Bezugsgröße (Ost) statt des Verhältniswertes zu einer Verwaltungsvereinfachung.
4. Zu Artikel 1 Nr. 65 (§ 254d Abs. 3 Satz 1 SGB VI)
In Artikel 1 ist Nummer 65 wie folgt zu fassen:
- "65. In § 254d Abs. 3 Satz 1 wird nach dem Wort "Sind" die Angabe "bis zum 31. Dezember 1991" eingefügt."
Begründung
Die Streichung des § 254d Abs. 3 Satz 1 SGB VI führt in den Fällen zu erheblichen verwaltungstechnischen Schwierigkeiten, in denen die Mindestrentenregelung des § 262 SGB VI anzuwenden ist. Während bei anderen Vorschriften, so bei §§ 263a, 264b SGB VI, Verhältnisberechnungen vorzunehmen sind, stellt § 262 SGB VI auf den Kalendermonat ab, für den der Zuschlag zu gewähren ist. Wenn in einem solchen Kalendermonat Ost- und Westbeitragszeiten zusammentreffen so ist bei einer Streichung des § 254d Abs. 3 Satz 1 SGB VI unklar, ob es für die betroffenen Kalendermonate zu einem Zuschlag an Entgeltpunkten oder Entgeltpunkten (Ost) kommt.
Der mit dem Gesetzentwurf verfolgten Intention kann, ohne dass dies zu den verwaltungstechnischen Problemen führt, dadurch entsprochen werden, dass § 254d Abs. 3 Satz 1 SGB VI so geändert wird, dass er nur noch für Zeiten des Zusammentreffens von Entgeltpunkten und Entgeltpunkten (Ost) vor dem 1. Januar 1992 Anwendung findet.
Die Weitergeltung des bisherigen Rechts wirkt sich dann für diejenigen positiv aus die bereits bis zum 31. Dezember 1991 - und damit also für einen abgeschlossenen Zeitraum - Beitragszeiten zurückgelegt haben. Für Beitragszeiten nach dem 31. Dezember 1991 würde die mit der zunächst vorgesehenen Streichung des § 254d Abs. 3 Satz 1 SGB VI verfolgte Intention verwirklicht. Damit wäre auch den Bedenken des Bundesrechnungshofes Rechnung getragen.
5. Zu Artikel 1 Nr. 66 (§ 255a Abs. 4 Satz 4 SGB VI)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 255a Abs. 4 Satz 4 SGB VI-E in Verbindung mit der Formulierung in § 255a Abs. 1 Satz 2 SGB VI-E bestimmt genug ist oder ob Klarstellungen vorgenommen werden sollten.
Begründung
Aus dem Zusammenhang der Neufassung der Vorschrift des § 255a Abs. 4 Satz 4 SGB VI-E und der Begründung lässt sich schließen, dass der Begriff "für die Veränderung des aktuellen Rentenwertes geltendes Verfahren" gemäß § 255a Abs. 1 Satz 2 SGB VI sich nur auf die Regelungen in § 68 SGB VI beziehen soll die neuen ergänzenden Verfahrensregelungen in § 68a SGB VI jedoch nicht umfasst. Aus Gründen der Transparenz könnte es deshalb angezeigt sein in § 255a Abs. 1 Satz 2 SGB VI direkt auf § 68 SGB VI zu verweisen. § 255a Abs. 4 Satz 4 SGB VI-E ist nicht transparent.
Mit der Vorschrift soll offenbar erreicht werden, eine durch die Schutzklausel (Ost) fällige Anhebung des Wertes der Rentenanpassung (Ost) auf den Wert der Rentenanpassung (West) bei der Berechnung des Ausgleichsfaktors nicht zu berücksichtigen. Damit ginge sie nicht in die Berechnung des Nachholbedarfs ein.
Die weiteren Regelungen in § 255 Abs. 4 Satz 4 SGB VI-E sollen nach der Begründung ähnliche Wirkungen auch für den Fall erzeugen, dass eine positive Anpassung erfolgt und ein Ausgleichsfaktor angewandt wird. Es soll verhindert werden dass der Ausgleichsbedarf gemindert wird, obwohl die Schutzklausel (Ost) die Wirkung des Nachholfaktors ausgleicht. Erreicht werden soll dies dadurch, dass bei der Berechnung einer Minderung des Ausgleichsbedarfs die Wirkung der Schutzklausel (Ost) vom Betrag des Ausgleichsfaktors abgezogen wird. Wenn die Wirkung der Schutzklausel größer ist als der Ausgleichsfaktor, könnte sich dadurch rechnerisch ergeben, dass der Ausgleichsbedarf vergrößert wird obwohl ein Ausgleichsfaktor angewandt wurde. Da dies nicht erwünscht ist soll diese Wirkung durch § 255 Abs. 4 Satz 4 SGB VI-E ausgeschlossen werden. Nach ihm sind die Voraussetzungen für die Verminderung des Ausgleichsbedarfs (Ost) nur dann erfüllt, wenn sich ohne Ausgleichsfaktor und ohne Anhebung auf den Wert für die Westanpassung ein höherer aktueller Rentenwert ergeben hätte als mit der Anhebung auf die Westanpassung. Die Vorschrift sollte deshalb so umformuliert werden, dass deutlicher wird, dass es sich um eine Bedingung für die Anwendung des § 68a Abs. 3 SGB VI handelt.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat hierfür in ihrer Stellungnahme vom 3. November 2006 einen Vorschlag gemacht.
6. Zu Artikel 17 Nr. 10 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa (§ 21 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 ALG)
In Artikel 17 Nr. 10 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa ist in § 21 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 die Zahl "36" durch die Zahl "120" zu ersetzen.
Begründung
Das bisherige Mindestalter für den übernehmenden Ehegatten ist sachlich nicht zu rechtfertigen. Der Altersabstand zwischen Ehegatten ist von Fall zu Fall höchst unterschiedlich. Es ist deshalb zumindest eine Angleichung an § 12 Abs. 1 ALG-E vorzunehmen, also wenigstens einen Altersabstand von 10 Jahren zuzulassen. Damit wäre der im Gesetzgebungsverfahren zur Agrarsozialreform ursprünglich vorgesehene Zusammenhang beider Regelungen wieder hergestellt. Der jüngere Ehegatte hätte dadurch ein echtes Wahlrecht zwischen einer vorzeitigen Altersrente oder einer auf 10 Jahre befristeten vorübergehenden Hofübernahme.
Die Änderung ist insbesondere wichtig für strukturschwache Gebiete, in denen zum Teil Hofnachfolger fehlen und nur durch die Weiterbewirtschaftung durch den Ehegatten eine nachhaltige Pflege der Kulturlandschaft und eine Offenhaltung der Landschaft sichergestellt ist.
Mehrkosten für den Bundeshaushalt dürften nicht entstehen, zumal mit der Abgabe an den jüngeren Ehegatten dem System ein Beitragszahler erhalten bleibt. Sozialpolitisch positiv wirkt sich dabei aus, dass der jüngere Ehegatte durch eine entsprechende Beitragszahlung seine Altersabsicherung verbessert.