993. Sitzung des Bundesrates am 18. September 2020
A
Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS), der Ausschuss für Familie und Senioren (FS) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat begrüßt den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Digitalisierung von Verwaltungsleistungen bei der Gewährung von Familienleistungen als einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Digitalisierung der Verwaltung. Durch die Digitalisierung von Familienleistungen wird es Familien leichter gemacht, unabhängig von Öffnungszeiten und bequem von Zuhause Verwaltungsleistungen in Anspruch zu nehmen und so von den wesentlichen Vorteilen der Digitalisierung profitieren zu können.
- b) Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Digitalisierung der Verwaltung auch generell weiter forciert werden muss. Er begrüßt daher ausdrücklich die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG).
- c) Vor dem Hintergrund der dynamisch voranschreitenden Digitalisierung und angesichts der im OZG formulierten Ziele sind aus Sicht des Bundesrates jedoch weitere Änderungen am OZG angezeigt. Mit Blick auf die engen Fristen der OZG Umsetzung und das absehbare Ende der Legislaturperiode sollten diese Änderungen möglichst zeitnah erfolgen.
- d) Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren im Rahmen des Gesetzes zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Familienleistungen noch weitere zielgerichtete Änderungen des OZG aufzunehmen, die für die erfolgreiche fristgerechte OZG Umsetzung unverzichtbar sind. Dabei kann aus Sicht des Bundesrates an bereits auf Fachebene weit fortgeschrittene Vorarbeiten angeknüpft werden.
- e) Der Bundesrat weist darauf hin, dass viele Wirtschaftsunternehmen bundesweit tätig sind und deshalb auch bundesweit Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen. Die Wirtschaft hat vor diesem Hintergrund auf den großen Bedarf nach einem einheitlichen Unternehmenskonto hingewiesen. Diesen Bedarf hat auch der IT-Planungsrat anerkannt und am 14. Februar 2020 beschlossen, das sogenannte Organisationskonto als einheitliches Unternehmenskonto auf ELSTER-Basis einzurichten, und die Bundesregierung gebeten, die notwendigen dauerhaften rechtlichen Regelungen zu schaffen.
- f) Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Regelungen zur Änderung des OZG um eine geeignete Rechtsgrundlage für das Organisationskonto zu ergänzen, die eine einheitliche Identifizierung von Unternehmen im Portalverbund ermöglicht.
- g) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die bisher vorgesehenen Änderungen des OZG auch durch geeignete Regelungen zum Schriftformersatz für Unternehmen und zur Bekanntgabe von Bescheiden im Rahmen des Portalverbunds zu ergänzen.
- h) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zudem im OZG eine Rechtsgrundlage zur Sicherstellung der Interoperabilität zwischen den Nutzerkonten des Bundes und der Länder zu schaffen, um den Austausch von Identifizierungsdaten zwischen den Nutzerkonten des Bundes und der Länder zu ermöglichen.
2. Zu Artikel 3 Nummer 2 (§ 57 Absatz 1 Nummer 8 PStV), Artikel 6 Nummer 3 ( § 25 BEEG)
- a) In Artikel 3 Nummer 2 § 57 Absatz 1 Nummer 8 sind die Wörter "ist, und wenn die antragstellende Person in die Datenübermittlung eingewilligt hat." durch das Wort "ist." zu ersetzen.
- b) In Artikel 6 Nummer 3 § 25 sind die Wörter "übermitteln, wenn die antragstellende Person zuvor in die elektronische Datenübermittlung eingewilligt hat." durch das Wort "übermitteln." zu ersetzen.
Begründung:
Aus allgemeinen datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist im Rahmen einer Rechtsvorschrift zur Übermittlung personenbezogener Daten weder ein zusätzliches datenschutzrechtliches Einwilligungserfordernis noch ein allgemeines Zustimmungserfordernis erforderlich. Die in den Regelungen zur Datenübermittlung in § 25 BEEG sowie in § 57 PStV vorgesehene Einwilligung ist daher zu streichen:
1. Nach Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe e DSGVO ist eine Verarbeitung bereits dann rechtmäßig, wenn diese für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde.
Nach Artikel 6 Absatz 3 Unterabsatz 1 Buchstabe b DSGVO bedarf es einer entsprechenden mitgliedstaatlichen Rechtsgrundlage. Die vorgeschlagene Regelung stellt in der Form des Änderungsantrags eine solche Regelung dar.
Datenübermittlungsvorschriften, die zusätzlich ein Einwilligungserfordernis im Sinne des Artikel 6 Unterabsatz 1 Buchstabe a DSGVO enthalten, sind dem Regelungssystem der DSGVO fremd und nicht erforderlich.
Der Mehrwert einer datenschutzrechtlichen Einwilligung erschließt sich zudem nicht, zumal der Antragsteller durch den Antrag den Impuls zur Datenverarbeitung selbst gesetzt hat und - wenn er bei Antragstellung im ohnehin erforderlichen Maß über die Datenverarbeitung informiert wird - es jederzeit in der Hand hat, durch Zurückziehen des Antrags bzw. begründeten Widerspruch zur Datenverarbeitung die Datenverarbeitung zu stoppen.
Schließlich kann das Vorsehen einer Einwilligung möglicherweise zu erheblichen Folgeproblemen führen:
- - Kritisch zu beurteilen ist bei der Beantragung einer Leistung, die es nur vom Staat gibt, die erforderliche Freiwilligkeit der Einwilligung (vergleiche Artikel 4 Nummer 11 DSGVO sowie Erwägungsgrund 43 Satz 1 zur DSGVO).
- - Eine Einwilligung kann jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden (Artikel 7 Absatz 3 DSGVO).
2. Sollte mit dem formulierten Einwilligungserfordernis kein datenschutzrechtliches Einwilligungserfordernis, sondern ein allgemeines Zustimmungserfordernis der antragstellenden Person gemeint sein, müsste zunächst ein anderes Wort, beispielsweise das Wort "Zustimmung", verwendet werden, um Missverständnisse mit der Einwilligung im Sinne des Artikel 6 Unterabsatz 1 Buchstabe a DSGVO zu vermeiden. Allerdings wäre auch ein solches allgemeines Zustimmungserfordernis ohne Mehrwert, da, wie bereits oben ausgeführt, der Nutzer den Impuls zur Datenverarbeitung setzt und diese jederzeit beenden kann. Vielmehr würde ein solches Erfordernis zu einem bürokratischen Mehraufwand sowohl bei den Elterngeldstellen als auch bei den Standesämtern führen.
3. Zu Artikel 7 Nummer 3 (§ 108a Absatz 3, 4 SGB IV)
In Artikel 7 Nummer 3 ist § 108a wie folgt zu ändern:
- a) Absatz 3 ist wie folgt zu fassen:
(3) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Erstattung der für das Verfahren nach Absatz 1 entstehenden Kosten an die Deutsche Rentenversicherung Bund sowie das Nähere zur Auftragserteilung und zu den Übertragungswegen zwischen der Datenstelle der Rentenversicherung und den nach § 12 Absatz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes zuständigen Behörden zu regeln."
- b) Absatz 4 ist zu streichen.
Begründung:
Laut Gesetzentwurf sieht § 108a Absatz 1 SGB IV-E vor, dass die Datenstelle der Rentenversicherung im Auftrag der Elterngeldstelle bei auskunftspflichtigen Arbeitgebern die für die Antragsbearbeitung erforderlichen Entgeltbescheinigungsdaten abfragt und diese an die Elterngeldstelle übermittelt. Die hierfür entstehenden Kosten sollen die Elterngeldstellen der Deutschen Rentenversicherung Bund erstatten (§ 108a Absatz 3 SGB IV-E). Weiter sieht der Gesetzentwurf in § 108a Absatz 4 SGB IV-E vor, dass die Landesregierungen das Nähere zur Auftragserteilung, zur Kostenerstattung sowie zu den Übertragungswegen zwischen der Datenstelle der Rentenversicherung und den Elterngeldstellen zusammen mit der Deutschen Rentenversicherung Bund in einer Rahmenvereinbarung regeln (§ 108a Absatz 4 SGB IV-E). Dabei ist ein bundeseinheitliches Verfahren sicherzustellen.
Diese Regelungen erscheinen nicht sachgerecht und sollten durch einen neugefassten § 108a Absatz 3 SGB IV-E ersetzt werden. Im Einzelnen:
Nach § 30 SGB IV sind der Deutschen Rentenversicherung Bund die Kosten zu ersetzen, die durch die Abfrage und Übermittlung der Daten nach § 108a Absatz 1 SGB IV-E entstehen. Eine Kostenerstattung durch die Elterngeldstellen ist jedoch angesichts der Vielzahl der betroffenen Stellen und ihrer unterschiedlich starken Betroffenheit nicht die optimale Lösung. Hier sollten andere Lösungen entwickelt und diskutiert werden, was im Rahmen des vorliegenden, sehr grundsätzlichen und eilbedürftigen Gesetzesvorhabens nicht möglich ist. Deshalb ist diese Frage aus dem Gesetzgebungsverfahren auszugliedern und im Wege einer Verordnung zu klären.
Gleiches gilt für Details zur Auftragserteilung und zu den Übertragungswegen zwischen der Datenstelle der Rentenversicherung und den Elterngeldstellen. Ein bundeseinheitliches Verfahren ist hier, wie der Gesetzentwurf richtig feststellt, sinnvoll und notwendig. Dieses zu gewährleisten, kann aber nicht Aufgabe der Landesregierungen sein. Wenn der Bund - wie hier - im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit (vergleiche Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 GG) eine Vorschrift erlässt, die ein bundeseinheitliches Verfahren ausdrücklich fordert, erscheint es nur konsequent, dass er einen Schritt weitergeht und dieses selbst sicherstellt, indem er eine entsprechende Verordnungsermächtigung ausspricht. Den Interessen der Länder wird dadurch Rechnung getragen, dass die Verordnung nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden kann (wie es Artikel 80 Absatz 2 GG für den vorliegenden Fall ohnehin vorschreibt, so dass der Hinweis auf die Zustimmung des Bundesrates nur deklaratorischen Charakter hat).
4. Zu Artikel 7 Nummer 3 ( § 108a Absatz 4 SGB IV)
In Artikel 7 Nummer 3 § 108a Absatz 4 sind nach den Wörtern "zuständigen Behörden regeln" die Wörter "das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend," einzufügen.
Begründung:
§ 108a SGB IV-E regelt das Verfahren zur elektronischen Abfrage und Übermittlung von Entgeltbescheinigungsdaten für das Elterngeld. Die zuständigen Landesregierungen und die Deutsche Rentenversicherung Bund sollen in § 108a Absatz 4 SGB IV-E das Nähere zur Auftragserteilung, zum Verfahren der Kostenerstattung sowie zu den Übertragungswegen in einer Rahmenvereinbarung regeln. Durch die Einbindung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als Vertragspartner wird ein bundeseinheitliches Verfahren sichergestellt.
B
5. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.