Der Bundesrat hat in seiner 961. Sitzung am 3. November 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zum Verordnungsvorschlag insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission mit ihrem Verordnungsvorschlag den Schutz und die Rechte der Fahrgäste in den Mitgliedstaaten der EU durch bessere Unterrichtung sowie klare Fristen und Verfahren für die Behandlung von Beschwerden stärken möchte.
Er begrüßt weiter, dass die Kommission mit ihrem Verordnungsvorschlag vorhandene Schwachstellen verbessern, erkannte Regelungslücken schließen und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Stärkung der Rechte der Bahnreisenden und der Entlastung der Eisenbahnunternehmen herstellen möchte.
- 2. Er begrüßt auch die frühzeitige und intensive Einbeziehung von Expertenwissen und die Diskussion von verschiedenen Entwicklungsszenarien und unterstützt den von der Kommission beabsichtigten Interessenausgleich im Grundsatz.
- 3. Der Bundesrat unterstützt ferner das Anliegen der Kommission, dass Personen mit eingeschränkter Mobilität in den Mitgliedstaaten der EU einen verbindlichen Anspruch sowohl auf Hilfeleistung bei allen Verkehrsdiensten als auch auf volle Entschädigung bei Verlust oder Beschädigung von Mobilitätshilfen erhalten sollen.
Zu einzelnen Vorschriften des Verordnungsvorschlags
- 4. Er ist der Auffassung, dass die Stärkung des Eisenbahnverkehrs einen wichtigen Baustein auf dem Weg zu einer emissionsfreien Mobilität bildet. Die Vernetzung mit weiteren Verkehrsmitteln ist daher von besonderer Bedeutung. Die in Artikel 6 vorgesehene Verbesserung der Bedingungen zur Fahrradmitnahme wird unterstützt. Gleichzeitig bittet der Bundesrat die Bundesregierung zu prüfen, ob weitere verbindliche Vorgaben und Standards zur Fahrradmitnahme oder zu Einrichtungen an Bahnhöfen und Stationen zur Vernetzung der Verkehrsmittel im Rahmen der Verordnung erforderlich sind, und diese gegebenenfalls im weiteren Normsetzungsverfahren einzubringen.
- 5. Er bittet außerdem zu prüfen, ob ein Anspruch auf Fahrkartenerwerb im Zug ohne Aufpreis, wie er in Artikel 10 Absatz 5 vorgesehen ist, für alle Fahrgäste unabhängig von etwaigen Mobilitätseinschränkungen geschaffen werden könnte. Wenn ein Fahrkartenerwerb am Abfahrtsbahnhof nicht möglich ist, da kein Fahrkartenschalter oder funktionsfähiger, zugänglicher Fahrkartenautomat vorhanden ist, erscheint es unbillig, den Fahrgast mit Zusatzkosten zu belasten. Dabei spielt es keine Rolle, ob der von der fehlenden Möglichkeit des Fahrkartenerwerbs am Abfahrtsbahnhof betroffene Fahrgast in seiner Mobilität eingeschränkt ist oder nicht.
- 6. Der Bundesrat bittet außerdem die Bundesregierung, sich in den weiteren Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die Rechte der Fahrgäste auch bei Fahrten, die sich aus einzelnen Abschnitten zusammensetzen (Reisekette), möglichst ohne Einschränkungen gewährleistet werden. Andernfalls drohen die Fahrgastrechte dann leerzulaufen, wenn der Fahrgast auf Grund einer Verzögerung im vorangehenden Reiseabschnitt seinen Anschlusszug verpasst und seinen Zielort mit erheblicher Verspätung erreicht. Daher sollte die Verpflichtung zum Angebot von Durchgangsfahrkarten gestärkt werden. Zugleich sollte die in Artikel 10 Absatz 6 vorgesehene Möglichkeit, Fahrgastrechte bei Verzögerungen in der Reisekette durch eine ausdrückliche schriftliche Mitteilung auszuschließen, wenigstens auf solche Fahrten beschränkt werden, bei denen die einzelnen Beförderungen von unterschiedlichen, nicht miteinander verbundenen Eisenbahnunternehmen durchgeführt werden.
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass es beim bewährten System der Entschädigung von Verspätungen und Ausfällen nicht zu einer Absenkung des Verbraucherschutzniveaus kommen darf. Insbesondere in Artikel 17 ergibt sich mit dem neu eingeführten Absatz 8 ein neuer Ausnahmetatbestand in Hinblick auf Fälle der "höheren Gewalt" entgegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vergleiche Urteil vom 26. September 2013, Aktenzeichen: C-509/11) zur bisherigen Rechtslage. Der Bundesrat erkennt die Notwendigkeit einer Harmonisierung der Ausnahmeregelungen für andere Verkehrsträger an, fordert aber eine den Ausnahmetatbestand äußerst einschränkende Formulierung der "höheren Gewalt".
Er regt daher an, im neu eingefügten Absatz 8 von Artikel 17 des Verordnungsvorschlags die unbestimmten Rechtsbegriffe zur Beschreibung von Fällen höherer Gewalt zu konkretisieren und dabei weiter einzuschränken. Hierbei könnte das Entfallen der Entschädigungspflicht für Verspätungen an außergewöhnlich schlechte und extreme Witterungsbedingungen oder große und außergewöhnliche Naturkatastrophen geknüpft werden.
- 8. Der Bundesrat regt weiter an, grundsätzlich alle Eisenbahnunternehmen, Fahrkartenverkäufer, Bahnhofsbetreiber und Infrastrukturbetreiber von Bahnhöfen zu verpflichten, ein Beschwerdeverfahren und eine Beschwerdestelle einzurichten. Bei geringer frequentierten Bahnhöfen (mit weniger als 10 000 Fahrgästen pro Tag) kann dieser Pflicht auch durch eine Kooperation untereinander, beispielsweise durch die Einrichtung einer oder mehrerer zentraler Beschwerdestellen, nachgekommen werden.
- 9. Er begrüßt ausdrücklich die im Verordnungsvorschlag in den Artikeln 32 fortfolgende neu vorgesehenen gesetzlichen Vorgaben zur Einrichtung und zur Arbeit der nationalen Durchsetzungsstellen.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 10. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.