Chef der Senatskanzlei Berlin Berlin, 14. März 2018
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Berlin, Brandenburg, Bremen, Thüringen haben am 13. März 2018 beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zu weiteren Verbesserungen im Ausbildungsförderungsrecht - Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 966. Sitzung des Bundesrates am 23. März 2018 zu setzen und sie anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Björn Böhning
Entschließung des Bundesrates zu weiteren Verbesserungen im Ausbildungsförderungsrecht - Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG)
Der Bundesrat möge beschließen:
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern notwendige Änderungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) zeitnah zu erörtern und auf den Weg zu bringen.
Zu den vordringlichen Änderungen zählen:
- 1. eine Grundbedarfserhöhung (§§ 12 Abs. 1 und 2 sowie 13 Abs. 1 BAföG),
- 2. die Erhöhung der Wohnbedarfsanteile für Schüler (§ 12 Abs. 2 BAföG) und der Wohnbedarfssätze für Studierende (§ 13 Abs. 2 BAföG),
- 3. die Wiedereinführung eines nachweisabhängigen Wohnbedarfszuschlages (früher §§ 8 und 9 HärteV und §§ 12 Abs. 3 und 13 Abs. 3 BAföG),
- 4. eine generelle Erhöhung der Zuschläge für Kranken- und Pflegeversicherung und im Besonderen eine deutliche, an den tatsächlichen Beiträgen orientierte Erhöhung der Kranken- und Pflegeversicherungszuschläge für Auszubildende, die das 30. Lebensjahr bereits vollendet haben (§ 13a BAföG),
- 5. die automatisierte Anpassung von Freibeträgen, Bedarfssätzen und Sozialpauschalen an die tatsächliche Entwicklung der Einkommen und Preise (Regelanpassung),
- 6. die Abschaffung der Altersgrenze (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG) oder wenigstens die Beseitigung der Restriktion nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4
- 2. Halbsatz BAföG für bedürftig gewordene Auszubildende,
- 7. die Aufnahme des Tatbestandes der Pflege naher Angehöriger in den Katalog berücksichtigungsfähiger Gründe für die Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus nach § 15 Abs. 3 BAföG,
- 8. die Berücksichtigung von Orientierungsstudien nach der Hochschulreife und vor Eintritt in einen grundständigen Studiengang im Förderungsrecht.
Begründung:
Die im Jahr 2016 durchgeführte BAföG-Novelle, in deren Rahmen eine Steigerung der Bedarfssätze und Freibeträge um jeweils 7% und eine Erhöhung der Mietpauschalen um 10% umgesetzt wurden, war zu begrüßen. Dennoch reicht die dort vorgenommene Anpassung der Bedarfssätze nicht aus.
Die vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung durchgeführte Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Deutschland 2016 (21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks) führt aus, dass die Zahl der Studierenden an Hochschulen, die aus bildungsferneren und einkommensschwächeren Schichten kommen, abnimmt und dass insbesondere die Wohnungssituation für Studierende immer schwieriger wird. Das Zurückbleiben der Bedarfssätze hinter dem tatsächlichen Bedarf und die unzureichende Anpassung der Freibeträge an die Preisentwicklung dürften ebenfalls im Schülerbereich nachzuweisen sein.
Eine Anpassung der Bedarfssätze, Freibeträge und Sozialpauschalen an die veränderten Verhältnisse der Einkommens- und Preisentwicklung, insbesondere auch an die bundesweit gestiegenen Mietkosten ist demnach dringend im Sinne der Chancengleichheit geboten.
Auch weiterhin muss gelten, dass Anspruch auf Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung besteht, wenn die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (§ 1 BAföG). Auch die Wahl des Studienortes sollte unter den Bedingungen stark unterschiedlicher und generell stark gestiegener Mietpreise nicht von den finanziellen Ressourcen der Eltern abhängen.
Aus diesem Grund muss eine schnelle Anpassung der Bedarfssätze, Freibeträge und Sozialpauschalen sowie die Wiedereinführung eines nachweisabhängigen Erhöhungsbetrages zu den Mietkosten erreicht werden.
Darüber hinaus ist eine automatisierte Anpassung der Bedarfssätze, Freibeträge und Sozialpauschalen einzuführen, die an der Entwicklung der Einkommen und Preise ausgerichtet und vom Bericht der Bundesregierung nach § 35 BAföG abgekoppelt ist.
Ein weiteres dringend zu lösendes Problem sind die unzureichenden Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung, insbesondere für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, die das 30. Lebensjahr vollendet und deutlich höhere Beiträge an die Krankenkassen zu entrichten haben, weil sie nicht mehr als Studierende versichert werden.
Ferner soll geprüft werden, ob angesichts der großen Vielfalt der Bildungsbiographien die Altersgrenze nach dem BAföG nicht aufgegeben oder zumindest angehoben werden sollte. Zumindest die Restriktion nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BAföG, nach der bedürftig gewordene Schülerinnen und Schüler sowie Studierende nur dann noch nach Überschreiten der Altersgrenze gefördert werden können, wenn sie keine nach dem BAföG förderungsfähige Ausbildung abgeschlossen haben, auch dann nicht, wenn sie infolge der eingetretenen Bedürftigkeit gerade diese Ausbildung nicht mehr beruflich verwerten können, ist abzuschaffen.
Immer häufiger pflegen auch Schülerinnen und Schüler sowie Studierende neben Schule oder Studium nahe Familienangehörige. Nach der aktuellen Gesetzeslage können Verzögerungen in der Ausbildung, die aus dieser gesellschaftlich erwünschten Tätigkeit erwachsen, nicht berücksichtigt werden. Hier sollten die Rahmenbedingungen geprüft werden, inwieweit bei zielstrebig verfolgter Ausbildung eine gleichzeitige pflegerische Tätigkeit förderungsverlängernd berücksichtigt werden kann.
Die zunehmend von den Hochschulen angebotenen Orientierungsstudien, die es den Studierenden erleichtern sollen, das für sie geeignete Fach zu finden, sollten, auch wenn sie dem Erststudium selbständig vorgeschaltet sind, in den Förderungsbereich des BAföG einbezogen und als Hochschulausbildung gefördert werden.