Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

950. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2016

A

Der federführende Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 1 Absatz 3 Nummer 2 AsylbLG)

In Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b ist § 1 Absatz 3 Nummer 2 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung geht nicht weit genug, da sie den Personenkreis, dem subsidiärer Schutz gemäß § 4 AsylG zuerkannt wurde, ausschließt. Die Anerkennung der Asylberechtigung im Sinne von § 2 AsylG, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 AsylG und die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG beruhen auf Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Diese Entscheidungen sind für sich genommen jeweils vom Antragsteller anfechtbar. Eine mögliche Anfechtung einer Teil-Entscheidung des Bundesamtes wirkt sich nicht auf den positiven Teil der Feststellung des Bundesamtes aus. Personen, die als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt wurden, haben einen Anspruch auf Erteilung eines entsprechenden Aufenthaltstitels und ebenfalls Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII. Es ist daher sachgerecht, den leistungsrechtlich relevanten Rechtskreiswechsel für diesen Personenkreis entsprechend den für Asylberechtigte und Flüchtlinge geltenden Regelungen auszugestalten.

2. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 1 Absatz 3 Nummer 2 AsylbLG)

In Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b § 1 Absatz 3 Nummer 2 sind nach dem Wort "anerkennt" die Wörter ", ihm nach § 4 des Asylgesetzes subsidiären Schutz zuerkennt" einzufügen.

Begründung:

Durch die im Gesetzentwurf vorgesehene Neuregelung des § 1 Absatz 3 Nummer 2 AsylbLG wird bei dem Rechtskreiswechsel vom AsylbLG in das SGB II und SGB XII lediglich die Rechtstellung eines Ausländers, dem die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuerkannt wurde, der Rechtsstellung eines Asylberechtigten angeglichen, der nach § 2 AsylG anerkannt wurde.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann aber bei einem unbeschränkten Asylantrag und positiver Entscheidung den Ausländer als Asylberechtigten oder Flüchtling anerkennen oder ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuerkennen.

Dabei ist die Bestandskraft für jeden (für sich selbständigen) Teil der Entscheidung separat zu beurteilen. Mithin wird jede Teilentscheidung in Ermangelung einer Beschwer sofort bestandskräftig; der Statuswechsel tritt unmittelbar ein.

Eine Unterscheidung zwischen den Anerkennungsentscheidungen in Bezug auf den Zeitpunkt des Rechtskreiswechsels ist nach dem Ausländerrecht nicht angezeigt.

§ 1 Absatz 3 Nummer 2 AsylbLG-E ist daher auch auf Personen zu erstrecken, denen subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG zuerkannt wurde.

3. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 3 Absatz 3 Satz 3 AsylbLG)

In Artikel 1 Nummer 4 § 3 Absatz 3 Satz 3 sind die Wörter "bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen," zu streichen.

Begründung:

Der Satzteil kann gestrichen werden, da sich § 3 Absatz 3 AsylbLG ausschließlich mit der Leistungserbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen befasst. Insofern ist ein erneuter Verweis auf diesen Umstand überflüssig.

4. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 3a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe

In Artikel 1 Nummer 5 ist § 3a Absatz 1 Nummer 1 wie folgt zu ändern:

Folgeänderung:

In Artikel 1 Nummer 3 § 2 Absatz 1 Satz 2 ist Nummer 1 zu streichen.

Begründung:

Artikel 1 Nummer 5 (§ 3a AsylbLG) sieht eine Staffelung der Bedarfssätze für erwachsene, nicht in einem Paarhaushalt lebende Leistungsberechtigte vor, die davon abhängt, ob diese in einer Wohnung oder in einer Gemeinschaftsunterkunft leben.

Die einschlägige Begründung des Gesetzentwurfs, dass die Bedarfe erwachsener Leistungsbezieher in Gemeinschaftsunterbringung - unabhängig davon, ob diese in einer Paarbeziehung leben oder nicht - mit den (geringeren) Bedarfen von Paarhaushalten in Wohnungen aufgrund vermuteter ähnlicher Einspareffekte gleichgesetzt werden könnten, wird in keiner Weise abgeleitet. Sie ist realitätsfern, da die Asylsuchenden in Gemeinschaftsunterbringung eine in jeder Hinsicht heterogene Gruppe darstellen (aus unterschiedlichen Kulturkreisen, mit unterschiedlichen Ess-Gewohnheiten et cetera). Daneben werden die technischräumlichen Gegebenheiten der Unterbringung, die dem gemeinsamen Wirtschaften entgegenstehen, nicht berücksichtigt. Die spezielle (abgesenkte) Bedarfsstufe für Leistungsbezieher/innen in Gemeinschaftsunterbringung, die nicht in einer Paarbeziehung leben, basiert auf sachlich nicht gerechtfertigten Annahmen und ist aufzuheben.

5. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 3a Absatz 2 Nummer 2 AsylbLG)

In Artikel 1 Nummer 5 ist § 3a Absatz 2 Nummer 2 wie folgt zu fassen:

"2. erwachsene Leistungsberechtigte je 168 Euro, wenn sie in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes als Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenleben; "

Begründung:

In § 3a Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b AsylbLG-E sieht der Gesetzentwurf eine Leistungskürzung des Geldbetrags für den notwendigen Bedarf mit Ausnahme der Bedarfe für Unterkunft, Heizung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie vor. Von der Kürzung sind demnach die Bedarfe Ernährung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter für den Haushalt betroffen (vergleiche § 3 Absatz 1 Satz 1 AsylbLG-E). Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oder Aufnahmeeinrichtungen für die Bewohner bei diesen Bedarfen Einspareffekte zur Folge habe, die denen in Paarhaushalten vergleichbar seien. Durch ein erwartetes gemeinsames Wirtschaften müssten haushaltsbezogene Aufwendungen nicht von jedem Leistungsberechtigten allein getragen werden, sondern würden auf die Gemeinschaft der Bewohnung aufgeteilt.

Nach hiesiger Ansicht kann demgegenüber nicht davon ausgegangen werden, dass die Bewohner gemeinsam wirtschaften und beispielweise einen gemeinsamen Einkauf tätigen. Anders als in einer eheähnlichen Wohngemeinschaft (§ 3a Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a AsylbLG-E), leben Bewohner einer Gemeinschaftsunterkunft oder einer Aufnahmeeinrichtung gerade nicht freiwillig zusammen. Es handelt sich vielmehr um eine Zwangsgemeinschaft, in der ein gemeinsames Wirtschaften zwar möglich, aber keinesfalls zu erwarten ist. Die wohl vorherrschende Einsparung durch die gemeinsame Nutzung von Wohnraum und Gebrauchsgütern wird bereits durch die Herausnahme dieser Leistungen aus dem Leistungskatalog abgeschöpft.

Die geplante Einstufung in die Regelbedarfsstufe 2 bewirkt eine zehnprozentige Leistungskürzung, die nicht auf objektiv feststellbaren Minderbedarfen beruht. Daher sollte die geplante Änderung aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden.

6. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 3a AsylbLG)

Der Bundesrat stellt fest, dass in § 3a AsylbLG-E eine geeignete Regelung zur Anrechnung von Sachleistungen auf den monatlichen Geldbetrag fehlt.

Der Bundesrat fordert daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Anrechnungsmethodik bei Sachleistungsgewährung durch Verweis auf § 27a Absatz 4 Sätze 2 und 3 SGB XII festzuschreiben sowie eine Fortschreibung der Abzugsbeträge für Einzelpositionen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) innerhalb der Bedarfsabteilungen durch den Gesetzgeber vorzusehen.

Begründung:

Das Asylbewerberleistungsgesetz ist in weiten Teilen geprägt durch das Prinzip des Sachleistungsvorrangs. Erbrachte Sachleistungen sind demnach vom monatlichen Geldbetrag abzuziehen, um eine doppelte Bedarfsdeckung zu vermeiden.

Der Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (RBEG-E) sieht in § 27a Absatz 4 Sätze 2 und 3 SGB XII-E für Fälle anderweitiger Bedarfsdeckung vor, dass die in den §§ 5 und 6 RBEG-E für den betreffenden Bedarf ausgewiesenen Einzelbeträge der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013, getrennt nach Abteilungen, auf den Regelsatz anzurechnen sind.

Dieses Anrechnungsverfahren sollte auf die Gewährung von Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mit der Maßgabe übertragen werden, dass auch die Beträge der in den Bedarfsabteilungen enthaltenen Einzelpositionen durch den Gesetzgeber fortgeschrieben werden.

Ohne die Fortschreibung der auf die Einzelpositionen entfallenden Beträge entstehen den Ländern erhebliche Mehrkosten. Folge ist zudem eine ungerechtfertigte Überzahlung, da diese bis zum Erscheinen der nächsten EVS in fünf Jahren nur mit dem in der EVS 2013 angegebenen Betrag angerechnet werden könnten. Gleichzeitig steigt aber jährlich der fortzuschreibende Regelbedarf.

Damit ergibt sich auch eine Besserstellung gegenüber Leistungsempfängern nach SGB II und SGB XII, die ausschließlich Geldleistungen zur Deckung ihres Leistungsanspruches erhalten. Denn Asylbewerber erhalten Sachleistungen in Höhe des Bedarfs und zusätzlich noch eine Geldleistung, die ausschließlich auf den methodisch unterschiedlichen Fortschreibungsansätzen des Bundes für Gesamtbedarf und Abteilungen bzw. Einzelpositionen beruht.

Durch die gesetzliche Normierung des Sachleistungsprinzips im Asylbewerberleistungsgesetz liegt es in der Verantwortung des Bundes, auch die Abteilungen und Einzelpositionen regelmäßig fortzuschreiben und hierfür ein geeignetes Verfahren zu finden.

7. Zu Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b (§ 7 Absatz 3 AsylbLG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob neben einem Freibetrag für Einnahmen aus ehrenamtlichen Tätigkeiten auch ein Freibetrag für Einnahmen aus einer Tätigkeit im Rahmen des Bundesfreiwilli- gendienstes, eines Freiwilligen Sozialen [oder Ökologischen] Jahres eingeführt werden kann.

Begründung:

Auch die Tätigkeiten im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes, des Freiwilligen Sozialen [oder Ökologischen] Jahres stellen einen wichtigen Schritt zu einer gelungenen nachhaltigen Integration dar und sollten ebenso wie ehrenamtliche Tätigkeiten privilegiert werden. [Der Bundesfreiwilligendienst hat den Charakter eines institutionell verselbständigten Ehrenamtes. Er umfasst die Kinder- und Jugendhilfe, Jugendarbeit, Wohlfahrts-, Gesundheits- und Altenpflege, Behindertenhilfe, Umwelt- und Naturschutz, Sport, Integration, Kultur- und Denkmalpflege, Bildung aber auch den Zivil- und Katastrophenschutz, also Kernmaterien typischen ehrenamtlichen Engagements. Die Einbeziehung auch von Asylbewerberleistungsgesetz-Leistungsempfängerinnen und -empfängern ist konsequent und mit Blick auf die durch das Integrationsgesetz eingeführten Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen nach § 5a AsylbLG geboten; auch hier geht es - neben dem gesellschaftlichen Engagement - um die Heranführung an die Arbeitswelt, da die Betreffenden nicht nur die Sprache, sondern auch diverse "Softskills" erlernen, die für die weitere Integration in die Bundesrepublik Deutschland sinn- und wertvoll sind.]

8. Zu Artikel 1a - neu - (§ 93 Absatz 8 Satz 1 Nummer 6 - neu - AO)

Nach Artikel 1 ist folgender Artikel einzufügen:

'Artikel 1a
Änderung der Abgabenordnung

§ 93 Absatz 8 Satz 1 der Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch [...] geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Begründung:

Leistungsempfängern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ist die Eröffnung eines Bankkontos für den bargeldlosen Zahlungsverkehr zuletzt erheblich erleichtert worden, ohne dass die Möglichkeit eines Kontenabrufverfahrens zur Verhinderung von Sozialbetrug in der Abgabenordnung (AO) verankert worden wäre. Derartige Kontenabrufverfahren sind nach § 93 Absatz 8 AO bei berechtigten Zweifeln an der Bedürftigkeit eines Empfängers von Leistungen der Grundsicherung, für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch, von Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, von Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz sowie von Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz zulässig. Insoweit liegt trotz vergleichbarer Sachverhalte eine ungerechtfertigte Besserstellung von Leistungsempfängern nach dem AsylbLG vor. Diese wird durch die Aufnahme der für die Leistungen nach dem AsylbLG zuständigen Verwaltungen in den Katalog des § 93 Absatz 8 AO beseitigt.

B