Der Regierende Bürgermeister von Berlin Berlin, 12. Mai 2020
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierungen von Berlin und Bremen haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates "Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativlandschaft in Deutschland sichern - Hilfen für Kulturschaffende und Kultureinrichtungen spezifisch und mittelfristig wirkend ausgestalten" zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 989. Sitzung des Bundesrates am 15. Mai 2020 zu setzen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Müller
Entschließung des Bundesrates "Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativlandschaft in Deutschland sichern - Hilfen für Kulturschaffende und Kultureinrichtungen spezifisch und mittelfristig wirkend ausgestalten"
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
- 1. Der Bundesrat sieht in den bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung eine Reihe geeigneter Ansätze, die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie abzufedern. In Teilen können auch Akteure der differenzierten Bereiche von Kunst, Kultur, Medien und Kreativwirtschaft davon profitieren.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass weite Teile der Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft zu jenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gehören, die absehbar für längere Zeiträume ihre Institutionen nicht öffnen und ihre Vorhaben nicht oder nur stark eingeschränkt fortsetzen können. Auch die schrittweise und behutsame Wiederaufnahme des Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativbetriebs kann nur unter den jeweils geltenden Bestimmungen des Infektionsschutzes umgesetzt werden. Zudem erscheinen die Entwicklungen im Publikumsverhalten unter den gegebenen Bedingungen ungewiss.
- 3. Der Bundesrat betont die eigenständige Bedeutung der institutionell, formell und ästhetisch vielfältigen Kultur für die Bürgerinnen und Bürger, für die gesellschaftlichen Diskurse und kreativen Reflektionen des Zusammenlebens und der Bedingungen dafür. Dieser Bedeutung und der Spezifik des Bereiches müssen Maßnahmen zur Unterstützung bei der Bewältigung der Corona-Krise gerecht werden.
- 4. Die wirtschaftliche Lage der Kultur- und Medienschaffenden und der Kreativ- und Kultureinrichtungen wird sich unter den absehbaren Bedingungen trotz der bestehenden Bundes- und Länderprogramme weiter verschärfen. Deshalb werden für die genannten Bereiche spezifische Regelungen erforderlich, um ihre Existenz zu sichern und eine drohende Verarmung der reichhaltigen und breiten Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativlandschaft in Deutschland nach der Corona-Krise zu verhindern.
- 5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, für selbstständige Künstlerinnen und Künstler, Kultur- und Medienschaffende und Akteure in der Kreativwirtschaft sowie Medienschaffende und Mediendienstleister ohne eigene Betriebsstätte, deren Einnahmen durch die Absage von Veranstaltungen oder Aufträgen in der Zeit der Corona-Pandemie entfallen, Regelungen zum Ausgleich ihrer substanziellen Umsatzeinbrüche zu entwickeln. Sinnvoll erscheint vor dem Hintergrund der Beschlüsse der Wirtschaftsministerkonferenz sowie die Kulturministerkonferenz und erster Ländererfahrungen, einen pauschalen Betrag i.H. vom 1.180 EUR monatlich zu gewähren.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in Abstimmung mit den Ländern ein umfassendes Programm zu Bundeshilfen für den Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativbereich auf den Weg zu bringen. Spezifische Unterstützungsmaßnahmen sind insbesondere für gemeinnützige Einrichtungen sowie für privatwirtschaftlich agierende, aber renditearme Einrichtungen der genannten Bereiche zu entwickeln, die aufgrund ihrer nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Struktur bzw. ihrer in der Regel geringen Kapitaldecke und häufig angespannten Liquidität nicht oder nicht hinreichend von den bislang aufgelegten Programmen erfasst sind.
Begründung:
Von den notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie sind weite Teile der Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft in besonderem Maße betroffen. Auch die staatlich geförderten Kultureinrichtungen werden finanziell in Bedrängnis geraten, wofür nach derzeitigem Stand auf der Ebene der Länder und der Kommunen allein die Träger einzustehen haben. Einige Länder haben daher bereits über die Soforthilfen hinaus weitere erhebliche Finanzhilfen zur Konsolidierung der kulturellen und medienbezogenen Infrastruktur auf den Weg gebracht. Diese werden aber nicht ausreichen, um die Existenz der selbstständigen Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffenden und Kreativwirtschaftlerinnen und Kreativwirtschaftler sowie Medienschaffenden und Mediendienstleisterinnen und Mediendienstleister zu sichern. Hierfür wird es weiterer gemeinsamer Anstrengungen und der Unterstützung des Bundes bedürfen. Es handelt sich um eine Sondersituation, die einen gesamtstaatlichen Kraftakt innerhalb der föderalen Ordnung erfordert.
Die genannten Gruppen konnten bislang über das Soforthilfeprogramm des Bundes nicht im erforderlichen Umfang Unterstützung erhalten, da sie keine oder nur geringe Betriebsausgaben haben. Der Vorschlag der Wirtschaftsministerkonferenz und der Kulturministerkonferenz, den Solo-Selbstständigen zum Ausgleich ihrer substanziellen Umsatzeinbrüche einen pauschalen Betrag zu gewähren, ist geeignet, den Betroffenen die benötigte Hilfe zukommen zu lassen und zugleich eine doppelte Bürokratie zu vermeiden, die entsteht, wenn die Betroffenen auf die Grundsicherung verwiesen werden und Hilfen für die (geringen) betrieblichen Kosten und solche der privaten Lebensführung an zwei unterschiedlichen Stellen beantragt werden müssen.
Je nach Anzahl der Beschäftigten werden gemeinnützige Institutionen mit ihren breit gefächerten Problemlagen, die ihnen wegen der COVID-19-Krise entstehen können, gar nicht oder nicht hinreichend vom Soforthilfeprogramm des Bundes erfasst. Da diese Einrichtungen nicht darauf ausgerichtet sind, Gewinne zu erzielen, verfügen sie auch nicht über Rücklagen, um beim Wegfall von Einnahmen Liquiditätsengpässe langfristig zu überbrücken oder Kredite zurückzuzahlen. Viele Betroffene haben einen hohen Eigenerlösanteil z.B. aufgrund von Veranstaltungen, die ggf. noch lange nicht wieder stattfinden können. Auch die aufgelegten Bürgschaftsprogramme für einen erleichterten Zugang zu Krediten und die Möglichkeit des Ausreichens von Gutscheinen anstelle von Rückerstattungen beim Ausfall von Veranstaltungen helfen hier nur für kurze Zeit bzw. verlagern das Liquiditätsproblem auf einen späteren Zeitpunkt.
Privatwirtschaftlich agierende, aber renditearme Einrichtungen mit mehr als zehn Beschäftigten werden ebenfalls allein von einem Bürgschaftsprogramm des Bundes adressiert. Diese Einrichtungen, die häufig der sogenannten Kultur- und Kreativwirtschaft zugerechnet werden, zeichnen sich durch eine in der Regel geringe Kapitaldecke und eine angespannte Liquidität aus. Kredite - auch bei einer kompletten Verbürgung durch beispielsweise Investitionsbanken - steigern zwar die Liquidität, führen aber auch zu einer Erhöhung der Verschuldung. Besonders betroffen sind hier beispielsweise Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft und Kinos, deren Geschäft vollständig weggebrochen ist und die vor allem größere Veranstaltungen und Festivals voraussichtlich für eine längere Zeit nicht mehr durchführen können. Hier sind die Existenzen vieler Branchen betroffen, die spezifische Förderprogramme benötigen.