Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Grünbuch der Kommission: Umstrukturierung und Antizipierung von Veränderungen - Lehren aus den jüngsten Erfahrungen KOM (2012) 7 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache. 486/08 (PDF) = AE-Nr. 080511,
Drucksache. 113/10 (PDF) = AE-Nr. 100144,
Drucksache. 616/10 (PDF) = AE-Nr. 100788,
Drucksache. 694/10 (PDF) = AE-Nr. 100869,
Drucksache. 786/10 (PDF) = AE-Nr. 100992,
Drucksache. 114/11 (PDF) = AE-Nr. 110123,
Drucksache. 803/11 (PDF) = AE-Nr. 110966 und AE-Nr. . 080910, 111061

Brüssel, den 17.1.2012 KOM (2012) 7 endgültig
{SEK(2012) 59 endgültig}

Grünbuch
Umstrukturierung und Antizipierung von Veränderungen: Lehren aus den jüngsten Erfahrungen

1. Einleitung: Proaktives umstrukturieren für Wettbewerbsfähigkeit Wachstum in der Zukunft

Das vorliegende Grünbuch befasst sich in erster Linie mit Unternehmensumstrukturierungen und ihren sozialen Folgen - ein Thema, bei dem sich viele europäische Bürgerinnen und Bürger Sorgen machen. Umstrukturierungen sind ein entscheidender Faktor für Beschäftigung und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft.

Mit diesem Grünbuch sollen erfolgreiche Praktiken und Strategien im Bereich der Umstrukturierungen und der Anpassung an Veränderungen ermittelt werden, um als Bestandteil der Strategie Europa 20201 und insbesondere der Leitinitiative "Industriepolitik" vom Oktober 20102, sowie der im November 2010 verabschiedeten "Agenda für neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten"3 Beschäftigung, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Ziel des Grünbuchs ist es auch, im Wege der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen von Umstrukturierung und Anpassung an Veränderungen für stärkere Synergieeffekte zwischen den einschlägigen Akteuren zu sorgen; im Grünbuch finden zudem wichtige Arbeiten Berücksichtigung, die die Europäische Kommission, die Sozialpartner, die Regionen, die Mitgliedstaaten und viele andere Beteiligte in jüngerer Zeit geleistet haben4.

Die Kommission möchte diese politische Debatte auf einer neuen Grundlage führen und dabei den Lehren aus der Wirtschaftskrise, den tiefgreifenden globalen Veränderungen in Wirtschaft und Wettbewerb sowie der Strukturreformagenda, die derzeit in der EU durchgeführt wird, Rechnung tragen.5

Vor diesem Hintergrund wird sich die Kommission auf die Ergebnisse dieser Konsultation stützen, um neue Möglichkeiten für eine bessere Verbreitung von bewährten Verfahren sowie für eine effizientere Umsetzung - auch auf EU-Ebene - in Betracht zu ziehen und sich damit sowohl akuter Belange im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise als auch langfristiger Wettbewerbsfähigkeitsziele gemäß der Leitinitiative "Industriepolitik" anzunehmen. Die Kommission wird die Ergebnisse der Konsultation zum Grünbuch in die wiederbelebte Flexicurity-Agenda einfließen lassen - auch im Hinblick auf eine neue Debatte auf EU-Ebene über ein mögliches Konzept und einen Rahmen für Umstrukturierungen.

In der Leitinitiative zur Industriepolitik hielt die Kommission insbesondere Folgendes fest:

"Aktualisierte Orientierungshilfen in Bezug auf Restrukturierung leisten einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der Fähigkeiten von Unternehmen und Arbeitnehmern, sich einem schnell wandelnden wirtschaftlichen Umfeld anzupassen." Eine solche Aktualisierung könnte zudem "den Übergang von rein reaktiven Maßnahmen hin zu antizipativeren Strategien [...] fördern" 6.

Das Grünbuch wird begleitet und unterstützt von dem Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen "Restructuring in Europe 2011" (Umstrukturierung in Europa 2011). Dieses Arbeitsdokument enthält Folgendes: Beschreibung der Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf die Arbeitsmärkte sowie der Reaktionen der verschiedenen Stakeholder, Darstellung der EU-Maßnahmen in den Bereichen Antizipierung des Qualifikationsbedarfs und Ausbau von Kompetenzen, Herausstellung der Rolle der einschlägigen EU-Fonds bei der Unterstützung von Umstrukturierungsprozessen sowie der Wirkung von Umstrukturierung in EU-Regionen, Herausstellung der Bedeutung von Strategien "intelligenter Spezialisierung"7, Analyse der Rolle des sozialen Dialogs, von Rechtsinstrumenten und Unterstützungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich, Umreißung der Herausforderungen und der entsprechenden Antworten der EU und Hervorhebung einiger Erkenntnisse der letzten Jahre in Sachen Antizipierung und Management von Änderungen und Umstrukturierung.

Lehren aus der Krise

Die europäische Wirtschaft erholt sich nur schwer von der tiefsten Rezession seit Jahrzehnten. Die Rezession hatte einen starken Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität in der EU zur Folge, was mit dem Verlust von Millionen Arbeitsplätzen und hohen menschlichen Kosten verbunden war. Zudem übte sie einen enormen Druck auf die öffentlichen Finanzen aus und führte in den Mitgliedstaaten zu strengeren finanzpolitischen Auflagen.

Die Aussichten für den EU-Arbeitsmarkt, der sich während der Rezession von 2008-2009 als durchaus belastbar erwies und auf dem Ende 2010 bereits wieder Arbeitsplätze entstanden, haben sich deutlich verschlechtert und fallen je nach Land weiterhin sehr unterschiedlich aus. In vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften war die Schaffung von Arbeitsplätzen bislang nicht ausreichend, um die während der Krise freigesetzten Arbeitskräfte wieder einzustellen.

Außerdem gehen die Folgen der Rezession in zunehmendem Maße mit Befürchtungen einher, dass die Auswirkungen auf die Arbeitslosenquoten dauerhaft sein könnten.

Neben der divergierenden BIP-Entwicklung lassen sich die unterschiedlichen Arbeitslosenquoten in den Mitgliedstaaten u.a. anhand folgender Faktoren erklären: unterschiedliche Anpassung der Arbeitszeiten, unterschiedlicher Bedarf nach Umverteilung von Arbeitskräften auf andere Wirtschaftszweige zu verteilen (z.B. aus der Baubranche in andere Branchen), unterschiedliche Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung (insbesondere Ausbildungsmodelle), unterschiedliche wirtschaftliche und institutionelle Startbedingungen sowie verschiedene Strategien zur Bekämpfung der Rezession.

Trotz der äußerst nachteiligen Markt- und Finanzlage haben sich - im Großen und Ganzen - Unternehmen und Arbeitskräfte europaweit kreativ und innovativ im Rahmen konstruktiver und effektiver Umstrukturierungsprozesse engagiert, um den Stellenabbau einzudämmen, wobei sie oftmals von Behörden und der Europäischen Kommission unterstützt wurden.

In der im November 2008 angenommenen Mitteilung der Kommission über ein "Europäisches Konjunkturprogramm" (KOM (2008) 800 endg.) ist ein Rahmen für ein koordiniertes und politikfelderübergreifendes Vorgehen auf EU-Ebene sowie für die Mobilisierung verfügbarer Instrumente zur Unterstützung der europäischen Wirtschaft vorgesehen. In diesem Zusammenhang kommt der Kohäsionspolitik besondere Bedeutung zu, da sie das Hauptinstrument auf EU-Ebene für Investitionen in Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung ist.8

Die Angemessenheit dieser Maßnahmen muss nun dringend im Lichte der Ungewissheit über den Verlauf des gegenwärtigen Aufschwungs und über die neuen Risiken, die auf uns zukommen, analysiert werden.

Herausforderungen im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit

Technologischer Fortschritt und Innovation verkürzen mittelfristig den Lebenszyklus eines Produkts und zwingen Unternehmen und Arbeitnehmer dazu, sich ständig anzupassen. Zudem intensiviert sich der Wettbewerbsdruck für europäische Unternehmen durch Änderungen in der internationalen Arbeitsverteilung und den Markteintritt starker Unternehmen aus Schwellenländern, insbesondere derjenigen, die sich auf die oberen Marktsegmente spezialisieren. Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft, die Beibehaltung der einschlägigen Tätigkeiten und Arbeitsplätze sowie die Entwicklung neuer Produkte und die damit zusammenhängenden Arbeitsmöglichkeiten hängen immer stärker von der Fähigkeit europäischer Unternehmen ab, ihre Wettbewerbsgrundlage durch Innovation sowie schnelle und reibungslose Anpassung an Veränderungen zu verbessern. In diesem Sinne können technologische Veränderungen und Innovationen die Unternehmen und Arbeitnehmer zu Anpassungsstrategien zwingen, doch gibt es auch Anzeichen dafür, dass Innovationen - wenn sie mit Forschungs- und Bildungsmaßnahmen kombiniert werden - für Europa eine effektive Möglichkeit zur Überwindung der Krise darstellen können. Die Kommission hat die Leitinitiative "Innovationsunion" im Jahr 2010 auf den Weg gebracht und im Jahr 2011 über den Stand der Innovationsinitiative berichtet.9

Unternehmen lenken Ressourcen aus Branchen und Sektoren, die traditionelle Waren und Dienstleistungen mit im Allgemeinen nur geringer Elastizität der Nachfrage gegenüber dem Welteinkommen produzieren, in Sektoren und Branchen mit höherem Technologie- und Wissensgehalt um, die in der Regel eine hohe Elastizität der Nachfrage gegenüber dem Welteinkommen aufweisen. Die Wettbewerbsfähigkeit der EU hängt von ihrer Fähigkeit ab, innovativen und rasch wachsenden Unternehmen, die eine wichtige Rolle für die nachhaltige Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen spielen, gute Rahmenbedingungen zu bieten.10 Sie hängt auch von der Fähigkeit ab, in Europa eine produktive Basis zu erhalten und weiterzuentwickeln, die die Dienstleistungswirtschaft unterstützt.

Unternehmen müssen sich an die Internationalisierung der Weltproduktion anpassen können und sich den Wettbewerbsherausforderungen stellen. Hindernisse für eine derartige Anpassung könnten langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung beeinträchtigen. Rahmenbedingungen, wie sie in der Leitinitiative "Industriepolitik" hervorgehoben werden, sind für eine erfolgreiche wirtschaftliche Anpassung von entscheidender Bedeutung. Die frühzeitige Einbeziehung aller relevanten Stakeholder ist wichtig für den Erfolg der Anpassungsmaßnahmen. Besonders wichtig ist ein angemessener Zugang zu Finanzmitteln, da Investitionen aufgrund fehlender Kreditmöglichkeiten und eines begrenzten Zugangs zu Finanzmitteln aufgeschoben oder gänzlich gestoppt werden können. In diesem Bereich müssen bewährte Verfahren identifiziert und verbreitet werden.

Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern - Unternehmen im Mittelpunkt des Umstrukturierungsprozesses

Entwicklung von Humanressourcen und Kompetenzausbau sind von größter Bedeutung in diesem Kontext. Daher muss die EU die jüngsten Erfahrungen nutzen und ihre globale Wettbewerbsfähigkeit verbessern, damit sie stärker aus der Krise hervorgeht und zu einer intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wirtschaft mit einem hohen Maß an Beschäftigung, Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Zusammenhalt wird.

Die positive Exportleistung einiger Mitgliedstaaten zeigt, dass der Erfolg auf globalen Märkten nicht allein von der Preiswettbewerbsfähigkeit, sondern auch von anderen Faktoren abhängt, wie z.B. sektororientierte Produktspezialisierung, Innovation und Qualifikationsniveaus. Die Schwächen, die vor der Krise in diesen Bereichen bestanden, treten nun deutlich zutage.

Die EU hat im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ein starkes Beschäftigungs- und Sozialschutzsystem aufgebaut, das zusammen mit einem relativ hohen Bildungsniveau die Grundlage für ihren bisherigen wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand gewesen ist. Neue Akteure der globalen Wirtschaft und sich schnell verändernde Geschäftsumfelder fordern dieses System jedoch heraus, das bislang mit Erfolg Wachstum generiert und Arbeitsplätze geschaffen hat. Es wird immer deutlicher, dass dieses System ohne Wandel nicht hinreichend dafür sorgen kann, dass Ressourcen, insbesondere Humanressourcen, schnell und reibungslos aus im Niedergang befindlichen Branchen abgezogen werden und in neuen Tätigkeitsfeldern Verwendung finden können. Außerdem ist es immer weniger geeignet, den Arbeitskräften, deren Stelle in Gefahr ist, eine echte Chance zur beruflichen Weiterentwicklung zu bieten, da es ihre Fähigkeit zur Anpassung an Veränderungen nicht fördert.

Die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise und die damit verbundene Notwendigkeit struktureller Veränderungen machen es wichtiger denn je, sich derartiger Schwachpunkte anzunehmen. Im Einklang mit dem Flexicurity-Ansatz und der Strategie Europa 2011 ist die Kommission bestrebt, die fortlaufende Anpassung von Unternehmen an sich rasch verändernde wirtschaftliche Umstände zu fördern und gleichzeitig im Wege geeigneter Unterstützungsmaßnahmen ein hohes Beschäftigungs- und Sozialschutzniveau anzuvisieren. Dringend benötigt werden Maßnahmen, die eine Reallokation der Ressourcen zwischen Unternehmen und Beschäftigungen unterstützen. Diese Maßnahmen umfassen die Änderung von Bestimmungen zum Kündigungsschutz und von Praktiken zur Unternehmensumstrukturierung, damit diese einer Reallokation von Ressourcen hin zu Tätigkeiten mit einem größeren Mehrwert und einem stärkeren Wachstumspotenzial nicht entgegenstehen, aber auch angemessene Schulungs- und Aktivierungsmaßnahmen, die freigesetzte Arbeitskräfte zusammen mit angemessenen Unterstützungssystemen auf dem Weg in andere Arbeitsstellen und Berufe begleiten.

Umstrukturierungen sind alltägliche Vorgänge für Unternehmen, Arbeitskräfte, Behörden und andere Stakeholder. In der jüngeren Vergangenheit hat die EU sehr viel Energie und Mühe in politische Strategien investiert, die die Anpassung an Veränderungen und Umstrukturierungen erleichtern. Ungeachtet der guten Arbeit, die die europäischen Sozialpartner im Anschluss an vorangegangene Konsultationen der Kommission in diesem Bereich geleistet haben, muss die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen, Arbeitskräften und Regionen weiter verbessert werden.

Die Rolle der regionalen und lokalen Behörden bei der wirtschaftlichen und sozialen Umstellung

Die Krise traf ganze Industriezweige und damit auch ganze Regionen über Landesgrenzen hinweg. Dies hat die anhaltenden inter- und intraregionalen Ungleichheiten verstärkt, die den Binnenmarkt unterminieren.

Es ist davon auszugehen, dass ein proaktives und dynamisches Umstrukturieren gefördert wird, wenn Behörden bei Umstrukturierungs- und Antizipierungsmaßnahmen unterstützend eingreifen, indem sie die Koordinierung zwischen Unternehmen und externen Stakeholdern erleichtern.

Die Regionen spielen neben den Mitgliedstaaten eine entscheidende Rolle bei der Förderung intelligenter Spezialisierung; zudem sollten Möglichkeiten zur Verstärkung dieser Rolle weiter untersucht werden.

Auch der öffentliche Dienst ist ein wichtiger Arbeitgeber

Obgleich der industrielle Sektor im Mittelpunkt dieses Grünbuchs steht, dürfen die Auswirkungen der Krise auf den öffentlichen Sektor hier nicht ganz ausgeklammert werden, denn der öffentliche Sektor spielt als Arbeitgeber und Dienstleister eine wichtige Rolle.

Im Vergleich zu anderen Sektoren ist die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (einschließlich der öffentlichen Verwaltung sowie in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales) in den letzten drei Jahren erheblich gestiegen; hier sind circa 2 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden. Im Herbst 2010 verlangsamte sich das Wachstum jedoch, und im ersten Quartal des Jahres 2011 war der Trend wieder rückläufig. Wahrscheinlich ist dies auf die Ausgabenkürzungen im öffentlichen Sektor zurückzuführen 12. Diese Kürzungen im öffentlichen Sektor werden sich in erster Linie auf Frauen auswirken, die sowohl als Arbeitnehmerinnen als auch als Hauptnutzer von Angeboten im Bereich der Kinderbetreuung und Altenpflege betroffen sind.

Die Leistung des öffentlichen Dienstes kann für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wertvoller sein, als man angesichts seiner Kosten und Produktivität annehmen mag (z.B. weil er zu großen Mehrwerten für die Verbraucher oder zu Verbesserungen bei der gesamten Faktorproduktivität in anderen Sektoren führt). Dies gilt etwa für Dienstleistungssektoren in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Kinder- und Altenbetreuung oder Personenbeförderung.

Durch öffentliche Unternehmen oder die Erteilung von Konzessionen sind staatliche Behörden für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Beschäftigung im Dienstleistungssektor verantwortlich. Abgesehen von der allgemeinen Verantwortung, die sie für die Wirtschaft tragen, sollten sie die Voraussetzungen schaffen für eine reibungslose Weitergabe von Wissen und für den bestmöglichen Einsatz der Arbeitskräfte in den Sektoren, für die sie verantwortlich sind. Gleichzeitig müssen sie weiterhin die öffentlichen Finanzen konsolidieren, was sich natürlich auf die Tätigkeiten und die Beschäftigung im öffentlichen Sektor auswirkt. Umstrukturierungen, die Effizienzgewinne herbeiführen, sind auch im öffentlichen Sektor von zunehmender Bedeutung. Dies unterstreicht, wie wichtig im öffentlichen Sektor Umstrukturierungsstrategien sind, die die besondere Rolle des öffentlichen Dienstes angemessen berücksichtigen, auch im Hinblick auf seinen Beitrag zur Produktivität im Privatsektor.

Vor diesem Hintergrund kann man sich die Frage stellen, wie antizipative und langfristige strategische Ansätze für die Bewältigung von Veränderungen und Umstrukturierungen im Rahmen der derzeitigen Konsolidierungsmaßnahmen auf den öffentlichen Sektor angewandt werden können. Wichtig wäre zudem, den Umstrukturierungsbedarf von Schlüsselbereichen des öffentlichen Dienstes, wie des Gesundheitswesens, zu berücksichtigen, und deren Nachhaltigkeit angesichts der steigenden Nachfrage sicherzustellen.

2. Lehren aus der Krise

Die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft wurden im Jahr 2009 deutlich spürbar, als das BIP beiderseits des Atlantiks im Jahresdurchschnitt in einem zuvor nicht dagewesenen Umfang zurückging. Der Arbeitsmarkt in Europa erwies sich unmittelbar nach der Rezession als sehr belastbar, was insbesondere auf die starke Anpassung der geleisteten Arbeitsstunden zurückzuführen ist. Seit der zweiten Jahreshälfte 2009 kam es jedoch auf breiter Ebene zu Entlassungen und die Arbeitslosigkeit nahm in den meisten EU-Ländern rasant zu, wenn auch mit großen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. Im ersten Halbjahr 2010 gewann der Aufschwung an Dynamik, stagnierte jedoch im weiteren Jahresverlauf, was auch auf das Wegfallen vorübergehender Faktoren, wie etwa der außerordentlichen Anreize, zurückzuführen war. Trotz Produktionsaufschwung dauerte es noch bis Ende 2010, bis sich auch ein Beschäftigungswachstum einstellte; die Arbeitslosenzahlen blieben bei den hohen Werten aus 2009.13

Der Gesamttrend bei der Beschäftigung reflektiert unterschiedliche branchenabhängige Muster. Zunächst waren vom Anstieg der Arbeitslosigkeit hauptsächlich Branchen betroffen, die dem Konjunkturzyklus am stärksten ausgesetzt sind und die nur begrenzt auf die Anpassung der Arbeitszeit zurückgreifen konnten - hier ist insbesondere das Baugewerbe zu nennen -, mittlerweile gibt es jedoch Anzeichen, dass sich dieser Anstieg zum Teil verfestigt. Trotz des umfassenden Einsatzes von Kurzarbeit gingen die Beschäftigungszahlen auch im verarbeitenden Gewerbe zurück und blieben während des Aufschwungs rückläufig. Diese Entwicklungen könnten auf die Anpassungsmaßnahmen zurückzuführen sein, die im Zuge der weltweiten Rezession aufgrund von Kapazitätsüberschüssen in bestimmten Branchen ergriffen wurden, sowie auf den Umstand, dass bei einem während der Rezession einsetzenden Rückgang des BIP die Gefahr besteht, dass er von Dauer sein könnte.

Die Notwendigkeit, Arbeitskräfte aus Branchen mit niedriger Produktivität abzuziehen und in Branchen mit hoher Produktivität einzusetzen, kann tatsächlich zu längerer Arbeitslosigkeit und einer hohen strukturellen Arbeitslosenquote führen, was sich wiederum negativ auf das Humankapital auswirkt und somit anhaltende Arbeitslosigkeit befördert. 14

Die Geschwindigkeit, mit der die Arbeitslosigkeit auf das Niveau vor der Krise zurückgeht, wird nicht nur von den Wachstumsaussichten und den verschiedenen wirtschaftlichen und institutionellen Startbedingungen abhängen, sondern auch von der Notwendigkeit sektoraler Reallokation und der Fähigkeit der Unternehmen, die Arbeitskosten direkt oder durch Anpassung der Arbeitszeit zu verringern. Sie wird auch vom Vorhandensein unterstützender politischer Rahmenbedingungen abhängen, zu denen u.a. folgende gehören: Leistungssysteme für Arbeitslose und Aktivierungsmaßnahmen, die den Arbeitslosen Anreize bieten, wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen; Lohnfestlegungsrahmen, die eine Lohnanpassung unterstützen, Steuersysteme, die der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich sind, gezielte aktive Arbeitsmarktmaßnahmen und Schulungsmaßnahmen, die Arbeitsmarktübergänge und den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose erleichtern.

Die Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise haben gezeigt, dass sich europaweit Unternehmen und Arbeitskräfte trotz der äußerst nachteiligen Markt- und Finanzlage im Großen und Ganzen konstruktive und effektive Umstrukturierungsprozesse eingeleitet haben, um den Stellenabbau im Wege innovativer Maßnahmen einzudämmen.

Wie aus Daten des Berichts des "European Restructuring Monitor" (ERM) von 2009 über Umstrukturierung in der Rezession ("Restructuring in recession")15 hervorgeht, haben zahlreiche Unternehmen in ganz Europa als Reaktion auf die Krise Initiativen ergriffen, um Arbeitsstellen zu erhalten, allen voran verschiedene Maßnahmen zur Verringerung der Arbeitszeit (siehe Kasten). Diese umfassen Produktionsstopps, verpflichtenden Jahresurlaub, kürzere Arbeitswochen oder -tage, bessere Nutzung von Arbeitszeitkonten, abwechselnden Urlaub, Langzeiturlaub. In einigen Unternehmen wurde das Lohnniveau gesenkt, wobei vorübergehende Kürzungen um 10 % bis 20 % nicht unüblich waren. Die meisten Unternehmen machten von diesen Maßnahmen in unterschiedlicher Kombination Gebrauch; in intensiven Verhandlungen wurden die verschiedensten Kompromisse erzielt - z.B. niedrigere Löhne gegen Unternehmensbeteiligung. Abfindungen, oft in Verbindung mit vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand, sind ebenfalls weit verbreitet.

Mehr denn je spielten der soziale Dialog und die Tarifverhandlungen eine entscheidende Rolle bei der Anpassung der Produktion, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen an die sich rasch verändernden und schwierigen Umstände während der Krise.

Die Behörden ihrerseits weiteten ihr Instrumentarium zur Förderung des Wiedereinstiegs in den Arbeitsmarkt der während der Krise entlassenen Arbeitskräfte aus. Im frühen Stadium der Krise verbesserten Mitgliedstaaten die Reaktionsschnelligkeit der öffentlichen Arbeitsverwaltungen und deren Dienstleistungsangebot. Jedoch veranlasste die lange Dauer des Abschwungs einige Regierungen dazu, die Ausgaben zu verringern und Ressourcen in der öffentlichen Verwaltung, einschließlich der öffentlichen Arbeitsverwaltung, einzusparen. 16 Einige Mitgliedstaaten haben spezielle Vermittlungsstellen eingerichtet oder bestehende ausgebaut. Diese Stellen haben in der Regel viele Stakeholder, darunter der Staat, regionale Behörden, die Sozialpartner und andere lokale Akteure. Ihre Effizienz, die auf ihre Spezialisierung auf die Stellenvermittlung zurückzuführen ist, und das große Vertrauen, das sie infolge der Einbindung mehrerer Stakeholder genießen, machen sie zu einem wertvollen Instrument im Umgang mit dem Abschwung.

Kürzere Wochenarbeitszeiten, oft mit umfangreicher öffentlicher Unterstützung, waren wahrscheinlich die innovativste Antwort auf die Krise. Allgemein erhielten Arbeitnehmer einen Ausgleich für die nicht gearbeiteten Stunden, sowohl in Ländern mit öffentlichen Systemen als auch in Ländern, in denen die Arbeitszeitverringerung durch eine Tarifvereinbarung geregelt wurde; im erstgenannten Fall wurde der entsprechende Tariflohn durch die Behörden aufgestockt. In der freien Zeit werden in sehr unterschiedlichem Ausmaß Schulungen angeboten; auch bei der Weiterzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen während der Kurzarbeit gibt es große Unterschiede.

Während der Rezession von 2008-2009 war die Verringerung der Arbeitszeit die Hauptstrategie der Unternehmen zur Kosteneinsparung. Jedoch ist es nicht immer möglich, auf eine Krise mit Arbeitszeitverringerung zu reagieren. In den Betrieben kann die Arbeitszeit vorübergehend reduziert werden, wenn Arbeitszeitkonten im Plus sind. Außerdem verlieren Kurzarbeitsregelungen ihre Wirksamkeit, wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften langfristig gering bleibt. Eine zu späte Rücknahme dieser Regelungen kann erhebliche Kosten verursachen, wenn Arbeitskräfte zu lange an Wirtschaftstätigkeiten gebunden werden, die sich im Niedergang befinden, und dadurch die notwendige Umverteilung der Ressourcen verhindert, das Wachstumspotenzial beeinträchtigt und der Wettbewerb verzerrt wird. Schließlich hängt die Verfügbarkeit staatlich finanzierter Maßnahmen von der Finanzlage der öffentlichen Haushalte ab, die sich in mehreren Ländern verschlechtert hat.

Bei der Analyse dieser Mechanismen muss unbedingt berücksichtigt werden, dass sie - unter wirtschaftlichen wie sozialen Gesichtspunkten - je nach den verschiedenen nationalen und sektoralen Kontexten ganz unterschiedliche Effizienz und Wirkung entfalten. Jegliche Schlussfolgerungen zu ihrer Geeignetheit und/oder Übertragbarkeit auf andere Kontexte sollten daher eine Analyse der Erfolgsfaktoren umfassen.

Arbeitszeitverringerung und Kurzarbeitsregelungen - einige Fakten

Die Analyse der Maßnahmen, die in den Bereichen Beschäftigung und Arbeitszeit als Reaktion auf den Produktionsrückgang ergriffen wurden, zeigt, dass die Arbeitsmarktanpassungen der Mitgliedstaaten in der schlimmsten Phase der Krise stark auseinandergingen. Kam es in einigen Ländern sofort zu Entlassungen, so reduzierten Arbeitgeber in anderen Ländern - bisweilen mit staatlicher Unterstützung in Form von Kurzarbeitsregelungen - zunächst die Arbeitszeit der Arbeitnehmer.

Das folgende Schaubild zeigt, dass Arbeitszeitverkürzungen in der EU im ersten Quartal 2009, als die Produktion einen konjunkturellen Tiefstand erreichte, am häufigsten zum Einsatz kamen. Infolge des Aufschwungs nahm auch die durchschnittliche Arbeitszeit zu, was ein Anzeichen für weniger Kurzarbeit und in einigen Fällen für Anpassungen der Personalstärke ist.

Tabelle: Vierteljährliche Entwicklung der Beschäftigtenzahlen und der durchschnittlichen Arbeitszeit im Fertigungsbereich in der EU (saisonbereinigt)

Quelle: Eurostat

Die Entwicklungen in den Mitgliedstaaten zeigen, dass mehrere Länder im ersten Quartal 2009 intensiv die Möglichkeit der Arbeitzeitverringerung genutzt haben. Vor allem in Deutschland, Belgien und Österreich kam es zu bedeutenden Arbeitszeitverkürzungen, wodurch diese Länder das gleiche Beschäftigungsniveau wie im Vorjahr halten konnten.

Tabelle: Veränderung des Beschäftigungsniveaus und der durchschnittlichen Arbeitszeit im Fertigungsbereich vom ersten Quartal 2008 zum ersten Quartal 2009 (saisonbereinigt)

Quelle: Eurostat (Daten für Italien sind nicht verfügbar)

Es gibt gewisse Hinweise darauf, dass durch die Kurzarbeitsregelung der Stellenabbau und der damit verbundene Anstieg der Arbeitslosigkeit in den betreffenden Volkswirtschaften verringert werden konnte. Weiterhin sind solche Regelungen vorteilhaft für Unternehmen, da sie hochqualifizierte oder speziell ausgebildete Arbeitnehmer während eines wirtschaftlichen Abschwungs behalten können.

Eine von der Kommission durchgeführte Analyse17 ergab, dass diese Regelungen die negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Beschäftigung wirksam abgeschwächt haben, und dass es notwendig war, solche Maßnahmen nach der Krise rechtzeitig zurückzufahren. In der Studie wird auch auf das Risiko hingewiesen, dass durch längerfristige Kurzarbeit - zumal wenn die Reallokationskosten niedrig und die Umstrukturierungsanreize hoch sind - die Nachfrage in Branchen gefördert wird, die im Niedergang begriffen sind, wodurch möglicherweise deren Umstrukturierung verzögert wird. Dadurch, dass sie eine Verzögerung der Reallokation bedingen, stehen Kurzarbeitsregelungen einem Produktivitätszuwachs und damit einhergehenden Lohnanstiegen im Wege. Im Sinne einer möglichst hohen Effektivität sollten diese Regelungen an ein effizientes Leistungssystem für Arbeitslose gekoppelt sein, das die Umsetzung von Arbeitskräften fördert. Für diese Annahme spricht auch eine aktuelle OECD-Studie18, in der es heißt, dass Kurzarbeitsregelungen eine wirtschaftlich relevante Auswirkung auf den Erhalt von Arbeitsplätzen während des Abschwungs hatten, wobei die größten Auswirkungen in Deutschland und Japan für Arbeitnehmer mit unbefristeten Arbeitsverträgen zu verzeichnen waren. Mit diesen Regelungen wurden große Erfolge beim Erhalt von Arbeitsplätzen in den betreffenden Volkswirtschaften erzielt.

Im Einklang mit den Empfehlungen des Europäischen Konjunkturprogramms verabschiedeten die Mitgliedstaaten umfassende Konjunkturpakete, um die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Gesamtnachfrage einzudämmen und einen übermäßigen Abbau von Arbeitsplätzen als Reaktion auf einen vorübergehenden Produktionsrückgang zu verhindern. Neben der Kurzarbeit ergriffen mehrere Mitgliedstaaten auch Maßnahmen zur Erhöhung der bei Arbeitslosigkeit gezahlten Leistungen und zur Ausweitung des Bezieherkreises.

Zu den kurzfristigen Maßnahmen zählte auch die direkte Unterstützung von Unternehmen, etwa durch Kredite oder Garantien zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzmitteln, durch Senkung der Sozialabgaben, Systeme zur Schaffung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor, verstärkte aktive Arbeitsmarktmaßnahmen und durch Schulungen, die sich oft gezielt an freigesetzte Arbeitnehmer richteten.

Ab 2010 führte der einsetzende Aufschwung zusammen mit strengeren finanziellen Auflagen zu einer Neufestlegung der politischen Prioritäten. Die Reformen werden sich an den Gegebenheiten orientieren müssen, die durch ein allmählich anziehendes Wachstum, aber auch durch eine hohe und langfristige Arbeitslosigkeit bestimmt sind, wodurch der Faktor Arbeit noch nicht vollumfänglich zum Wachstumspotenzial beitragen kann. Der Schwerpunkt muss auf Steuer- und Leistungssystemen liegen, die gewährleisten, dass Arbeit sich lohnt, auf Aktivierungsmaßnahmen, die Arbeitslose, die wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, belohnen, auf Kündigungsschutzsystemen, die ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Flexibilität herstellen, sowie auf Lohnentwicklungen, die den Ausgleichs- und Anpassungsbedürfnissen der Wirtschaft entsprechen. Viele der Sofortmaßnahmen, die zu Beginn der Finanzkrise in Bezug auf den Arbeitsmarkt getroffen wurden, sind nach und nach ausgelaufen. Aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Schulungsmaßnahmen wurden verstärkt; einige Länder begannen mit der Reform ihrer Kündigungsschutzbestimmungen, um die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern und der Arbeitsmarktsegmentierung entgegenzuwirken.

Sind die oben genannten Maßnahmen und Praktiken in Bezug auf Umstrukturierungen - unter besonderer Berücksichtigung von Kurzarbeitsregelungen während der Krise - geeignet? Kann mit ihnen einer langfristig niedrigen Nachfrage begegnet werden? Was können die Mitgliedstaaten, die Kommission oder die Sozialpartner schließlich tun, um bewährte Verfahren in diesem Bereich auszutauschen, zu verbreiten und ihre Anwendung auf breiterer Ebene zu fördern?

3. Herausforderungen IM Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit: Bedeutung der Förderung der wirtschaftlichen Industriellen Anpassung

Unterschiedliche Anpassungsmöglichkeiten für Unternehmen

Anpassung macht für Unternehmen einen Teil des Wettbewerbs aus. Es ist für sie eine Möglichkeit, ihre Produktivität zu verbessern. Die Notwendigkeit fortlaufender Anpassung ergibt sich aus folgenden Faktoren: technologische Änderungen, Innovation, verschärfter Wettbewerb und Markteintritt neuer Konkurrenten, verändertes Verbraucherverhalten, Änderungen der Rechtsvorschriften, Verfügbarkeit und Kosten von Ressourcen von anderen

Inputs, Marktzugang usw. 19 Der Anpassungsdruck, den es bereits in normalen Zeiten geben kann, nimmt während eines langen Zeitraums schwacher Wirtschaftsleistung zu. Unternehmen, die sich nicht an die veränderten Bedingungen anpassen können, verlieren langfristig ihre Konkurrenzfähigkeit.

Anpassung kann demnach als ein Prozess der Reallokation von Ressourcen verstanden werden, wobei bestehende Produktionsstrukturen auf den Prüfstand gesetzt und möglicherweise durch neue, effizientere und wettbewerbsfähigere Strukturen und Unternehmen ersetzt werden. Durch das stetig höhere Qualifikationsniveau einer zunehmend kapital- und technologieintensiven industriellen Basis und vor dem Hintergrund der komplexer werdenden globalen Beschaffung und der Notwendigkeit, globale Wachstumsmärkte zu bedienen, wird die Wirtschaft der EU noch stärker in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden.

Eine solche Anpassung kann folgende Formen annehmen: Änderung der Unternehmenstätigkeiten, z.B. Erweiterung oder Eingrenzung des Betätigungsfeldes, Verschiebung der eigenen Position in der Wertschöpfungskette, Spin-offs und Binnenunternehmertum, neuer Gebrauch von Vermögenswerten, Bilanzierung, Kompetenzausbau und Weiterbildung und/oder organisatorische Änderungen in der Unternehmensverwaltung. Konkret entstehen neue Geschäftmodelle, die den Fertigungsbereich enger mit dem Dienstleistungsbereich verbinden. Die Entwicklung innovativer Lösungen, z.B. ressourceneffizientere Produktionsmethoden oder neue Technologien, wie etwa fortgeschrittene Werkstoffe und Nanotechnologie, können sich u.a. auf Auslagerungsentscheidungen auswirken. Dies sind einige der Aktivitäten, die in die tägliche Geschäftsdynamik einfließen müssen, wenn ein gesundes Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben will.

Notwendige Rahmenbedingungen für eine effiziente Anpassung

Unternehmen und Branchen kennen in der Regel ihren Umstrukturierungsbedarf am besten. Um eine effiziente Anpassung durchführen zu können, benötigen Unternehmen ein Umfeld mit angemessenen Rahmenbedingungen, die eine solche Anpassung ermöglichen. Hindernisse für eine derartige Anpassung werden sich langfristig negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung auswirken.

Der Binnenmarkt muss dazu beitragen, Rahmenbedingungen festzulegen und europaweit Chancen zu schaffen. Das Funktionieren des Arbeitsmarktes und die Mobilität sind ein wichtiger Aspekt in diesem Rahmen. Weitere wichtige Aspekte für Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt sind: Funktionieren der Kapitalmärkte (Zugang zu Finanzmitteln), Intensität des Wettbewerbs auf Produktmärkten, Effizienz von F&E und Innovationssystemen, Unternehmensumfeld, Mechanismen für Wissenstransfer und die Einführung von Technologien, ein effektives Bildungssystem und Weiterbildung sowie allgemeine gesellschaftliche Herausforderungen. Hierbei handelt es sich nicht nur um regulatorische Aspekte. Die Binnenmarktakte und die Leitinitiative "Innovationsunion" zielen darauf ab, entsprechende Hindernisse systematisch zu beseitigen und es den Unternehmen so zu ermöglichen, gute Ideen schneller auf den Markt zu bringen, sich anzupassen und zu

Umstrukturierung

Umstrukturierungsmaßnahmen können ein einziges Unternehmen betreffen, sich auf seine laufende Geschäftsentwicklung beziehen oder im Zusammenhang mit der Erfolglosigkeit früherer Investitionen stehen. Sie können sich auch auf eine ganze Branche oder einige ihrer Segmente beziehen. Zudem gibt es klare Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen, wobei einige dem oben beschriebenen Druck stärker ausgesetzt sind als andere. So sind etwa die Bereiche Ausrüstungsgüter, Chemikalien, Kraftfahrzeuge oder elektrische Maschinen stark vom globalen Wettbewerb und der technologischen Entwicklung betroffen. Dies wirkt sich auf ihren Bedarf an effizienter Umstrukturierung aus.

Ein aktuelles Beispiel dafür, wie Unternehmen und Branchen in einem wirtschaftlich und sozial schwierigen Kontext Umstrukturierungen angehen, wird für den Fall der Automobilindustrie im am 2. Dezember 2011 angenommenen Zwischenbericht der hochrangigen Gruppe CARS 21 geschildert (vgl. beigefügtes Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen "Umstrukturierung in Europa 2011 "20).

Einige Umstrukturierungsmaßnahmen (z.B. Schließung bestimmter Teile der Lieferketten, vorübergehende Freisetzung von Arbeitskräften) werden sich negativ auf das unmittelbare Wirtschaftsumfeld auswirken. Hier sind die Entscheidungsträger gefragt, eine wirksame politische Antwort zu finden, die jedoch eine notwendige, effizienzsteigernde Umstrukturierung weder verzögert noch blockiert. Sie sollten vielmehr Maßnahmen vorsehen, die die Neuverteilung von Ressourcen auf verschiedene Unternehmen/Branchen begünstigen.

Von entscheidender Bedeutung ist insbesondere bei wirtschaftlichen Tätigkeiten der Zugang zu Finanzmitteln, da notwendige Anpassungen, die Investitionen erfordern, durch einen begrenzten Zugang zu externen Finanzierungsquellen verzögert oder gestoppt werden können. Ein solcher Zugang zu Finanzmitteln hängt nicht nur von den Kapitalmärkten oder öffentlicher finanzieller Unterstützung ab, sondern auch von anderen regulatorischen Faktoren wie Unternehmensbesteuerung oder Insolvenzvorschriften. Langwierige und beschwerliche Insolvenzverfahren können "schuldlos" gescheiterte Unternehmer vom Wiedereinstieg in die Geschäftswelt abhalten und somit den Erhalt bestehender bzw. die Schaffung neuer Stellen verhindern, obwohl es solide Belege dafür gibt, dass solche Unternehmen im zweiten Anlauf ein schnelleres Wachstum verzeichnen und widerstandsfähiger sind als traditionelle Unternehmensgründungen. 21

In der Kommissionsmitteilung "Vorfahrt für KMU in Europa - Der "Small Business Act" für Europa"22 von 2008 und in der Folgemitteilung "Überprüfung des "Small Business Act" für Europa"23 von 2011 werden die Mitgliedstaaten aufgerufen, dieses Problem im Wege zweier spezifischer Maßnahmen anzugehen. So werden die Mitgliedstaaten in der Mitteilung von 2008 ersucht, "die Dauer der für die Auflösung eines Unternehmens vorgesehenen rechtlichen Verfahren bei nicht betrügerischer Insolvenz möglichst auf ein Jahr zu beschränken" und in der Mitteilung von 2011 werden sie dazu aufgerufen, die Empfehlung "zur Förderung einer zweiten Chance für Unternehmer durch Begrenzung der Tilgungs- und Entschuldungsfrist für einen ehrlichen Unternehmer nach einer Insolvenz auf drei Jahre bis 2013 umzusetzen".

Staatliche Beihilfen 24 spielen in einigen Umstrukturierungsfällen eine Rolle. Diese Beihilfen sind zulässig für Unternehmen, die für tragfähig erachtet werden, sich jedoch in Schwierigkeiten befinden und ohne öffentliche Unterstützung zahlungsunfähig würden, da sie von privater Seite kein Kapital erhalten. Diese Hilfen greifen folglich nur in Extremsituationen, in denen die Unternehmen möglicherweise nicht rechtzeitig auf ein sich veränderndes Umfeld reagiert haben.

Die Kommission richtet folgende Fragen an die Stakeholder:

4. Anpassungsfähigkeit von Unternehmen Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern als Herausforderung - Unternehmen IM Mittelpunkt des Umstrukturierungsprozesses

Der EU ist es gelungen, die produktive Basis ihrer Wirtschaft in den schlechtesten Jahren des Abschwungs zu bewahren. Angesichts der unsicheren aktuellen makroökonomischen Bedingungen wird jedoch die Fähigkeit der europäischen Wirtschaft, wettbewerbsfähig zu bleiben und Arbeitsplätze zu erhalten, in steigendem Maße von Innovation sowie schneller und problemloser Anpassung an den Wandel abhängen. Dieser hängt zusammen mit dem technologischen Fortschritt, dem Wandel von Handelsstrukturen, der Weiterentwicklung des Rechtsrahmens sowie Veränderungen von Geschäftsmodellen und des Verbraucherverhaltens. In dieser Hinsicht muss die EU ihre Wirtschaft durch ihre Maßnahmen in verschiedenen Politikbereichen unterstützen. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Umstrukturierung und des sozialen Wandels, die durch die notwendige umfassende Anpassung an umweltpolitische, wirtschaftliche, technologische, marktpolitische und gesellschaftliche Herausforderungen ausgelöst und durch die starke Rezession beschleunigt wurden, ist enorm. Im Bereich der Beschäftigung wird dieser Prozess sowohl die Schaffung als auch die Streichung, vor allem jedoch die Umgestaltung von Arbeitsplätzen einschließen (neue Aufgaben, neue Qualifikationsprofile, neue Arbeitsorganisation). Qualifizierte Arbeitskräfte bilden einen Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft - man darf diesen Faktor jedoch nicht als selbstverständlich voraussetzen, sondern es bedarf eines proaktiven Ansatzes, um ihn zu erhalten.

Für eine reibungslose Anpassung an Veränderungen muss natürlich der Qualifikationsbedarf antizipiert und angemessen in Humankapital investiert werden. Im Hinblick auf intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum muss unbedingt gewährleistet werden, dass Unternehmen über angemessen qualifizierte Arbeitskräfte verfügen, um Qualifikationsdefiziten und Diskrepanzen zwischen Qualifikation und Bedarf vorzubeugen. Für die Aufrechterhaltung einer hohen Beschäftigung ist es zudem entscheidend, künftige Qualifikationsanforderungen zu antizipieren (z.B. Bedarf an ökologischen Kompetenzen und Kompetenzen in den Bereichen Gesundheit und Soziales) und die Bildungs- und Ausbildungssysteme, Lehrpläne und Qualifikationen in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern entsprechend anzupassen sowie für Arbeitskräfte, die bereits in der betreffenden Branche tätig sind, im Rahmen des lebenslangen Lernens qualitativ hochwertige Umschulungen vorzusehen. Im Fall von Fachkräftemangel sollten Unternehmen bereit sein, ausländische Talente anzuwerben. Vor diesem Hintergrund sind Investitionen in IKT- und digitale Kompetenzen unbedingt erforderlich. Die Herstellung neuer energieeffizienter Halbleiter, Dienstleistungen im Bereich Cloud Computing, CyberSicherheit und Virtualisierungsanwendungen sind Gebiete, in denen neue Arbeitsstellen entstehen. Folglich wird es eine große Nachfrage nach Personen geben, die für diese Bereiche qualifiziert sind, und spezifische Initiativen zu "eSkills" sollten gefördert werden.

Aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise und der damit verbundenen Beschleunigung des Wandels - mit der einhergehenden Notwendigkeit, in bestimmten Branchen Umstrukturierungen durchzuführen und Arbeitskräfte in neue Branchen umzulenken - ist es wichtiger denn je, dass Europa sich der Schwächen in Bezug auf die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern annimmt.

Die Kommission ist bestrebt, die fortlaufende Anpassung von Unternehmen an sich rasch verändernde wirtschaftliche Umstände zu fördern und gleichzeitig im Wege geeigneter Unterstützungsmaßnahmen ein hohes Beschäftigungs- und Sozialschutzniveau anzuvisieren. Dringend benötigt werden Maßnahmen, die die Reallokation von Ressourcen zwischen Unternehmen und Wirtschaftszweigen unterstützen, sowie Maßnahmen, die stärker auf hochqualifizierte, jedoch in zunehmendem Maße arbeitslose junge Menschen setzen. Eine bessere Antizipierung und Durchführung von Umstrukturierungen würde es Arbeitnehmern und Unternehmen erleichtern, sich den Umstellungen anzupassen, die durch Überkapazitäten, Modernisierung und strukturelle Anpassung hervorgerufen werden.

Die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter sind die Hauptakteure, die auf der Unternehmensebene über vorausschauende Umstrukturierungsstrategien diskutieren. Solche Umstrukturierungen werden von politischen Maßnahmen begleitet, die wirtschaftliche Umstellungen und berufliche Übergänge erleichtern und somit sozialen Härten vorbeugen sowie neue Kompetenzen und Beschäftigungsmöglichkeiten fördern sollen. Damit die Reallokation von Faktoren im Bedarfsfall einfacher vonstatten geht, sollten politische Maßnahmen in der Tat darauf abzielen, dass starre Arbeitsmarkt- und Kompetenzstrukturen die Anpassung und das Wirtschaftswachstum nicht behindern.

Parallel dazu muss den sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen von Arbeitsplatzunsicherheit, Anpassungsdruck, Arbeitsplatzverlust und langfristiger Arbeitslosigkeit mit einem effektiven Ansatz begegnet werden, der den Arbeitnehmern die Anpassung an Veränderungen am Arbeitsplatz bzw. die rasche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglicht sowie die negativen gesundheitlichen Auswirkungen von Übergängen abschwächt. Auf Unternehmens- und Branchenebene entstehen in diesem Bereich neue Praktiken - auch in Krisenzeiten.

Die Tatsache, dass sich die Faktoren, die Veränderungen vorantreiben, vermehrt haben, wirkt sich nachhaltig darauf aus, wie die Sozialpartner und öffentliche Behörden diese Problematik angehen. In mehreren Mitgliedstaaten gab es in jüngerer Vergangenheit eine klare Entwicklung weg von rein korrektiven Strategien und hin zu präventiven Maßnahmen, d.h. eine Entwicklung zu einer proaktiveren Strategie, die dazu beiträgt, die sozialen Auswirkungen von Umstrukturierungen zu minimieren. Im Rahmen präventiver Strategien werden die Risiken, die mit Umstrukturierungen verbunden sind, berücksichtigt, so dass sich als Ergebnis sowohl eine positive berufliche Mobilität der betroffenen Arbeitskräfte als auch eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen einstellen kann.

Die Beobachtung der Umstrukturierungsprozesse in Europa zeigt jedoch, dass die Praktiken in diesem Bereich bisweilen eher reaktiver als antizipativer oder proaktiver Natur sind. So kann es passieren, dass entsprechende Maßnahmen im Entscheidungsprozess zu spät kommen und externe Stellen nicht früh genug eingeschaltet werden, so dass diese die sozialen Auswirkungen der Umstrukturierung nicht auffangen können.

Eine passive Einstellung und eine ablehnende Haltung gegenüber Veränderungen verursachen sehr hohe wirtschaftliche Kosten und wirken sich negativ auf Investitionen und das Wirtschaftswachstum aus. Es ist daher wichtig, die Vertrauensgrundlagen zu schaffen, auf denen alle Teile der Gesellschaft (Unternehmen, Arbeitskräfte und ihre Vertreter, Behörden usw.) dynamisch voranschreiten können.

Ist beim Umgang mit Veränderungen und Umstrukturierungen ein antizipativer Ansatz durchführbar?

Wie können die bestehenden Orientierungshilfen und Leitfäden zum Thema Umstrukturierung vor dem Hintergrund der aus der Krise gezogenen Lehren und der neuen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen verbessert werden? Wie können die aus der Krise gezogenen Lehren verbreitet und umgesetzt werden?

5. Erzeugung von Synergieeffekten im Zuge des wirtschaftlichen Wandels

Die Kommission wüsste gerne die Meinungen der Stakeholder zu bewährten Verfahren und möglichen Synergieeffekten in folgenden Bereichen:

(a) Antizipierung von Umstrukturierungsprozessen Langfristige strategische Planung

Die Antizipierung von Veränderungen ist erfolgreicher, wenn sie wirksam in die langfristigen Strategien der Unternehmen und Regionen zur Sicherung und Stärkung von Nachhaltigkeit und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit eingebettet ist und eine innovationsgerichtete Kultur gefördert wird. Außerdem könnten Unternehmen und Behörden dadurch, dass sie in ihrer langfristigen strategischen Planung Veränderungen antizipieren, neu entstehende Möglichkeiten nutzen, Wachstum generieren und Arbeitsplätze schaffen. Ein positives Beispiel hierfür ist die Entwicklung kohlenstoffarmer und ressourceneffizienter Technologien, die sich EU-weit in verschiedenen Regionen als Faktor für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung erwiesen haben.

Eine langfristige strategische Planung umfasst auf der Unternehmensebene Zielsetzungen in den Bereichen Humanressourcen, Beschäftigung sowie Kompetenzen, um eine fortlaufende Weiterentwicklung der Fertigkeiten und Kompetenzen der Arbeitskräfte zu gewährleisten. Dadurch können die Produktivität und somit die Wettbewerbsfähigkeit und die Rentabilität des Unternehmens sowie seine Anpassungs- und Innovationsfähigkeit gesteigert werden. Ferner kann so die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer erhöht sowie ihre unternehmensinterne und -externe Mobilität gefördert werden.

Lokale und regionale Behörden können ebenfalls eine bedeutende Rolle bei der Verbesserung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit ihrer Regionen spielen, insbesondere durch die Entwicklung von Strategien "intelligenter Spezialisierung".

Wie können Akteure zu einem langfristigen strategischen und innovativen Ansatz beim Management von Veränderungen ermutigt werden, durch den auch Beschäftigungs- und Kompetenzfragen abgedeckt sind? Wie lassen sich die Synergieeffekte zwischen Unternehmen, lokalen Behörden und anderen lokalen Akteuren verbessern?

Wie sollten spezifische Verantwortlichkeiten und Aufgaben in diesem Bereich zwischen Unternehmen, Sozialpartnern und Behörden verteilt werden?

Frühzeitige Antizipierung des Bedarfs an Arbeitskräften und Qualifikationen

Einige Unternehmen entwickeln - in Zusammenarbeit mit Arbeitnehmervertretern und/oder berufsbildenden/ausbildenden Einrichtungen - Mechanismen zur vorausschauenden Planung des Arbeitskräfte- und Qualifikationsbedarfs. Öffentliche Arbeitsverwaltungen und sektorale Organisationen übernehmen ebenfalls eine wichtige Aufgabe bei der Umschulung von Arbeitnehmern, die ihren Beruf oder die Branche wechseln müssen, und erleichtern somit die Umlenkung von Arbeitskräften auf andere Unternehmen und Branchen.

Um die richtige Art von Ausbildung und die benötigten Qualifikationen identifizieren und die Frage klären zu können, wo diese künftig zu finden sein werden, müssen alle beteiligten Partner - auch im Hinblick auf die Vorbereitung auf den demografischen Wandel - eng zusammenarbeiten. Wie sich zeigt, ist eine gut strukturierte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Berufsschulen in dieser Hinsicht sehr erfolgreich. Hier können auch Initiativen auf lokaler Ebene eine wichtige Rolle spielen, wie z.B. Kompetenzpartnerschaften mit regionalen und lokalen Behörden in enger Zusammenarbeit mit externen Partnern, einschließlich Universitäten und anderer allgemein- und berufsbildender Einrichtungen, Technologieinstitute, Innovationszentren und Entwicklungseinrichtungen sowie Gesundheitsdienstleister und Einrichtungen der sozialen Sicherheit. Unternehmen können ferner einen Beitrag zu Beobachtungsstellen für Beschäftigung und Qualifikationen leisten und sich an anderen relevanten Initiativen in der Region und/oder in der betreffenden Branche beteiligen.

Wie lassen sich wirksame Verfahren zur Antizipierung des Arbeitskräfte- und Qualifikationsbedarfs in Unternehmen weiter fördern? Wie können Ausbildungsmaßnahmen zu einer festen Größe des Personalmanagements werden?

Wie können Synergieeffekte zwischen den Maßnahmen von Unternehmen und den Initiativen des öffentlichen Sektors im Hinblick auf angemessene Strategien in den Bereichen Beschäftigung und Qualifikationen gefördert werden?

(b) Vorbereitung und Bewältigung von Umstrukturierungsprozessen Frühzeitige Vorbereitung

Zeit ist im Hinblick auf ein gutes Management von Umstrukturierungsprozessen ein entscheidender Faktor. Soweit möglich sollte den Umstrukturierungsprozessen eine angemessene Vorbereitung unter Einbeziehung aller relevanten Stakeholder vorangehen, um negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, Gesellschaft und Regionen zu verhindern bzw. diese abzufedern. Branchenumfassende Maßnahmen in den Bereichen Verteidigung, Kraftfahrzeugteile und Telekommunikation sind hier gute Beispiele.

Die Vorbereitung sollte idealerweise so bald wie möglich erfolgen und mit den entsprechenden Maßnahmen sollte begonnen werden, sobald der Umstrukturierungsbedarf erkannt wurde, wobei gegebenenfalls die Methoden und Verfahren zu berücksichtigen sind, die auf Ebene der Branche, der Region oder des Unternehmens vereinbart wurden. Durch einen frühzeitigen Beginn wird die Annahme von Maßnahmen erleichtert, mit denen die wirtschaftlichen, sozialen und regionalen Auswirkungen der Umstrukturierung auf ein Minimum begrenzt werden sollen.

Wie können Unternehmen und ihre Arbeitnehmer zu einer frühzeitigen und angemessenen Vorbereitung auf Umstrukturierungsprozesse, die der Akzeptanz von Veränderungen förderlich ist, bewogen werden? Welche bewährten Verfahren gibt es in diesem Bereich?

Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und gemeinsame Beurteilung der Sachlage

Es ist wichtig, im Wege fortlaufender, offener Kommunikation zwischen allen betreffenden Stakeholdern Vertrauen aufzubauen und zu einer gemeinsamen Beurteilung der Sachlage zu gelangen. Die Unternehmen sollten vor dem Hintergrund sämtlicher einschlägigen Interessen ihre langfristigen strategischen Ziele und Anforderungen bzw. ihre kurzfristigen Sachzwänge soweit wie möglich erklären - ebenso wie geplante Maßnahmen und andere mögliche Optionen.

Durch soziale Verantwortung und einen transparenten Ansatz der Unternehmen können alle Stakeholder - insbesondere die Arbeitnehmervertreter - dazu ermutigt werden, bei der Suche nach Lösungen zusammenzuarbeiten, die den Interessen beider Parteien gerecht werden, ohne unnötige Verzögerungen und Unsicherheiten entstehen zu lassen.

Inwieweit können gegenseitiges Vertrauen und eine gemeinsame Beurteilung der Sachlage für eine angemessene Bewältigung von Umstrukturierungen von Belang sein? Wie kann dies in Unternehmen und in einem weiter gefassten Kontext gefördert werden?

Minimierung der sozialen Auswirkungen

Unternehmen, die umstrukturieren müssen, fassen bei ihren Bestrebungen zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihres langfristigen wirtschaftlichen Erfolgs normalerweise erst dann Entlassungen ins Auge, wenn alle anderen Alternativmaßnahmen bereits berücksichtigt wurden. Unternehmen sind zudem oft bestrebt, geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu finden und umzusetzen. Arbeitnehmervertreter sollten Verhandlungen über flexible Lösungen, die eine Alternative zu Entlassungen darstellen, offen gegenüberstehen.

Die Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass dem bestehenden System eine gewisse Flexibilität eigen ist. Viele Unternehmen in ganz Europa haben vorübergehende Maßnahmen ergriffen, um Arbeitsplätze zu erhalten, wie etwa Verkürzung der Arbeitszeit, Produktionsstopps, Zwangsurlaub, kürzere Arbeitswochen oder -tage, bessere Nutzung von Arbeitszeitkonten, Urlaubsrotation, Langzeiturlaub.

Unternehmen, lokale Behörden und alle anderen relevanten Stakeholder, einschließlich Gesundheitsdienstleister und Einrichtungen der sozialen Sicherheit, können - wenn Entlassungen unumgänglich sind bzw. eine Reihe alternativer Optionen beschlossen wurde - ermutigt werden, zusammenzuarbeiten und Vorkehrungen für die betroffenen Arbeitnehmer zu treffen, so dass diese ihre Beschäftigungsfähigkeit verbessern und so schnell wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt eintreten können.

Es hat sich gezeigt, dass schlecht begleitete Umstrukturierungen mit den einhergehenden persönlichen und psychologischen Folgen eine signifikante negative Langzeitwirkung auf die Humanressourcen von Unternehmen haben können, wodurch diese grundlegende Ressource für Wettbewerbsfähigkeit geschwächt wird. Unternehmen und Sozialpartner aus bestimmten Branchen, die mit besonders starken Veränderungen konfrontiert sind, haben sich daher auf Leitlinien zum Umgang mit psychologischen Problemen am Arbeitsplatz geeinigt und nehmen sich diesen Problemen nun verstärkt an.

Was können Unternehmen und Arbeitnehmer tun, um die beschäftigungspolitischen und sozialen Auswirkungen von Umstrukturierungen so gering wie möglich zu halten? Welche Rolle können politische Maßnahmen bei der Erleichterung dieser Veränderungen übernehmen?

Minimierung externer wirtschaftlicher, sozialer, umweltbezogener und regionaler Auswirkungen

Die Sozialpartner haben im Rahmen ihrer Arbeit auf die Notwendigkeit hingewiesen, sich mit den territorialen Auswirkungen von Umstrukturierungsprozessen auseinanderzusetzen. Wenn eine Umstrukturierung erhebliche Auswirkungen auf eine Region hat, versuchen Unternehmen in vielen Fällen, ihre Vorbereitungsmaßnahmen mit denen aller anderen Akteure abzustimmen, um die Wiederbeschäftigungsmöglichkeiten von Arbeitnehmern zu maximieren, die wirtschaftliche und soziale Umstellung in der betroffenen Region zu fördern und neue wirtschaftliche Tätigkeiten zu entwickeln, die Arbeitsplätze schaffen.

Zu diesem Zweck besprechen Unternehmen die Maßnahmen, die vorbereitet werden, oftmals mit den regionalen oder lokalen Behörden sowie anderen relevanten Stakeholdern, einschließlich Gesundheitsdienstleister und Einrichtungen der sozialen Sicherheit. Zudem beteiligen sie sich bisweilen an bzw. leisten einen Beitrag zu speziellen Arbeitsgruppen oder Netzwerken, die auf regionaler oder sektoraler Ebene eingerichtet wurden, um die Auswirkungen der Umstrukturierung auf ein Minimum zu beschränken.

In einigen Fällen schließen die oben genannten Maßnahmen die Arbeitnehmer anderer Unternehmen, darunter KMU, in der durch die Umstrukturierungsprozesse größerer Unternehmen betroffenen Region ein. Es ist davon auszugehen, dass die Information und die Unterstützung von KMU diesen dabei hilft, ihr eigenes Unternehmen anzupassen und den Umstrukturierungsprozess zu begleiten.

Was können Unternehmen, lokale Behörden und alle anderen Stakeholder tun, um die regionalen Auswirkungen von Umstrukturierungen so gering wie möglich zu halten?

Wie können Unternehmen, die von der Umstrukturierung in einem anderen Unternehmen betroffen sind, in ihrem eigenen Anpassungsprozess unterstützt werden? Wie können insbesondere KMU bei einem Umstrukturierungsprozess besser informiert und unterstützt werden?

(c) Evaluierung und Berichterstattung

Instrumente für die regelmäßige Evaluierung und Berichterstattung in Bezug auf die Umstrukturierungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit Arbeitnehmervertretern und externen beteiligten Einrichtungen könnten sich unter bestimmten Umständen als nützlich erweisen, vor allem zur Förderung von Lernprozessen.

Welche Rolle können Evaluierung und Berichterstattung in Bezug auf durchgeführte Umstrukturierungsmaßnahmen bei der Vertiefung von Kenntnissen und der Verbesserung der Praktiken der Stakeholder spielen?

(d) Die Rolle der Sozialpartner

Da die Unternehmensleitung und die Arbeitnehmervertreter zu den Hauptakteuren gehören, die über Umstrukturierungsstrategien diskutieren, wäre es zielführend, dem sozialen Dialog eine herausragende Rolle bei der Verbreitung und Förderung bewährter Verfahren einzuräumen.

Welche Rolle könnte der soziale Dialog bei einer verbesserten Verbreitung und Förderung bewährter Verfahren für die Antizipierung und die Bewältigung von Umstrukturierungen spielen?

(e) Neubewertung des passiven Schutzes

Der Wechsel von der passiven zur aktiven Arbeitsplatzsicherung steht im Mittelpunkt des Flexicurity-Ansatzes. Eine Möglichkeit, dies umzusetzen, ist, sich von der Sicherung spezifischer Arbeitsplätze wegzubewegen und zum Schutz von Arbeitskräften während ihres gesamten Arbeitslebens überzugehen. Eine andere Möglichkeit liegt in der Erhöhung der sogenannten internen Flexibilität; diese zielt darauf ab, Arbeitsplätze durch Maßnahmen zu sichern, die eine flexible Anpassung an Veränderungen sicherstellen. Jedoch wurde diese Entwicklung in einigen Fällen nicht immer von einer Überarbeitung des bestehenden Beschäftigungsschutzsystems begleitet, insbesondere was Aufwand und Kosten betrifft.

Wie jeder andere Vorgang in Unternehmen sind Antizipierung von Veränderungen und proaktive Umstrukturierung zweifellos mit Kosten verbunden, aber auch mit einem gewissen Nutzen für alle Beteiligten: Unternehmen erhöhen ihre Anpassungsfähigkeit, Arbeitskräfte ihre Beschäftigungsfähigkeit und Regionen ihre wirtschaftliche Dynamik.

Die Kommission, die sich der großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in diesem Bereich voll und ganz bewusst ist, möchte gerne erfahren, welche Meinungen die Stakeholder (insbesondere die nationalen Behörden und Sozialpartnerorganisationen) zum möglichen Überarbeitungsbedarf einiger Elemente der Beschäftigungsschutzsysteme vertreten, und zwar vor dem Hintergrund des beabsichtigten Übergangs zur Antizipierung und zur proaktiven Beschäftigungssicherung.

6. die Rolle der regionalen lokalen Behörden

Ein proaktives und dynamisches Umstrukturieren wird oft gefördert, wenn Behörden bei Umstrukturierungs- und Antizipierungsmaßnahmen unterstützend eingreifen, indem sie die Koordinierung zwischen Unternehmen und externen Stakeholdern erleichtern. Oft schaffen, fördern und unterstützen sie auch Mechanismen, mit denen kleine und mittlere Unternehmen dazu ermutigt werden sollen, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Schließlich unterstützen Behörden auch Antizipierungsmaßnahmen und Umstrukturierungsprozesse, um deren wirtschaftliche, regionale und soziale Auswirkungen abzumildern. Nachstehend einige bewährte Verfahren in Europa.

Bewährte Verfahren in Europa:

Behörden bezuschussen bisweilen Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, einschließlich des Erwerbs übertragbarer Qualifikationen, unbeschadet der Verpflichtungen der Unternehmen, die sich aus nationalen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken ergeben.

"Intelligente Spezialisierungsstrategien" können für Regionen auch ein wichtiges Instrument in ihrem Umstrukturierungsprozess sein. 25

Auf EU-Ebene gibt es außerdem die Kohäsionspolitik, und insbesondere den Europäischen Sozialfonds, sowie den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, mit denen antizipative Aktionen und Maßnahmen zur Unterstützung von Arbeitnehmern gefördert werden, deren Arbeitsstellen durch besondere Umstrukturierungsereignisse gefährdet sind, einschließlich neu entstehender Arbeitsmarktbedürfnisse als Folge des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen und ressourceneffizienten Wirtschaft.

Wie kann eine unterstützende Rolle der Behörden - vor allem auf regionaler Ebene - bei Antizipierungsmaßnahmen sowie bei besonderen Umstrukturierungsereignissen gefördert werden, und zwar unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Traditionen in Bezug auf die Beteiligung von Behörden in Unternehmensprozessen?

Konsultation

Die Kommission ersucht alle interessierten Parteien, die Fragen in diesem Grünbuch zu beantworten und die Antworten zusammen mit etwaigen zusätzlichen Anmerkungen bis zum 30. März 2012 zu übermitteln.

Das Grünbuch und das entsprechende Antwortformular können über die Europa-Website abgerufen werden: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=333&langId=de

Die Antworten können per E-Mail an folgende Adresse gerichtet werden: EMPL-GREEN-PAPER-RESTRUCTURING@ec.europa.eu oder per Post an:

Europäische Kommission

Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration
Grünbuch zu Umstrukturierung
Referat C2
Rue Joseph II, 27
Büro 006/044
1000 Bruxelles/Brussel