948. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2016
A
- 1. Der Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 7. Juli 2016 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgendem Grund einberufen wird:
Zu Artikel 1 (§ 37 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1, Absatz 3, Absatz 6, Absatz 7 und Absatz 8 ProstSchG) und Artikel 7 Absatz 2 (Inkrafttreten)
Das Gesetz ist wie folgt zu ändern:
- a) In Artikel 1 ist § 37 wie folgt zu ändern:
- aa) Absatz 1 ist wie folgt zu fassen:
(1) Personen, die bereits vor dem 1. Januar 2018 der Prostitution nachgegangen sind, haben ihre Tätigkeit bis zum 30. Juni 2018 erstmals anzumelden."
- bb) Absatz 2 Satz 1 ist wie folgt zu fassen:
"Wer vor dem 1. Januar 2018 ein Prostitutionsgewerbe betrieben hat, hat dies der zuständigen Behörde bis zum 1. März 2018 anzuzeigen und einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis bis zum 30. Juni 2018 vorzulegen."
- cc) In Absatz 3, Absatz 6, Absatz 7 und Absatz 8 ist die Angabe "31. Dezember 2017" jeweils durch die Angabe "30. Juni 2018" zu ersetzen.
- aa) Absatz 1 ist wie folgt zu fassen:
- b) In Artikel 7 Absatz 2 ist die Angabe "1. Juli 2017" durch die Angabe "1. Januar 2018" zu ersetzen.
- a) In Artikel 1 ist § 37 wie folgt zu ändern:
Begründung:
Nach Artikel 7 soll das Prostituiertenschutzgesetz zum allergrößten Teil am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Nach dem gegebenen Zeitplan bleibt den Ländern damit ein Dreivierteljahr, um landeseinheitliche Regelungen zur Ausführung des Gesetzes zu schaffen. Diese Zeit ist zu kurz bemessen. Denn auf Landesebene sind die notwendigen Umsetzungsstrukturen und -fragen zu klären und gegebenenfalls in vollständig zu durchlaufenden Gesetzgebungsverfahren in Landesausführungsgesetzen zu regeln. Soweit eine Aufgabenübertragung auf die kommunale Ebene erfolgen soll, ist zudem die notwendige Konnexitätsprüfung unter Beachtung der landesrechtlichen Anhörungsrechte und Fristen durchzuführen.
Das in ihrer Gegenäußerung auf die Stellungnahme des Bundesrates geäußerte Interesse der Bundesregierung an einem möglichst zügigen Inkrafttreten der Regelungen berücksichtigt nicht das Interesse der Länder und Kommunen an einer möglichst reibungslosen Ausführung des Gesetzes. Angesichts der Komplexität der durch das Gesetz berührten Rechtsmaterien erscheint eine Durchführung der notwendigen Abstimmungs- und Beteiligungsverfahren sowie Vorbereitungsarbeiten durch die Länder bis zum 1. Juli 2017 unrealistisch.
Die Änderungen in Artikel 1 (§ 37 ProstSchG) sind notwendige Folgeänderungen der Änderung des Inkrafttretens in Artikel 7.
B
- 2. Der Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
- a) Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die im Gesetz enthaltene Regulierung des Prostitutionsgewerbes als wichtigen und notwendigen Schritt zur Verbesserung der Situation von Menschen, die in der Prostitution tätig sind. Die Einführung einer Erlaubnispflicht, die sich auf Betreiberzuverlässigkeit, Betriebskonzepte und Mindestanforderungen an gesundheitliche, hygienische und räumliche Arbeitsbedingungen bezieht, ist eine notwendige Ergänzung des Prostitutionsgesetzes von 2002. Sie entspricht auch den Forderungen des Bundesrates, die dieser bereits mit Beschluss vom 11. April 2014 formuliert hat (vgl. BR-Drucksache 071/14(B) ).
- b) Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass die vorgesehene Anmeldepflicht und die Pflicht zur gesundheitlichen Beratung von Prostituierten nicht nur von Interessenvertretungen der Menschen in der Prostitution selbst, sondern auch von wichtigen Verbänden wie dem Deutschen Juristinnenbund, dem Deutschen Frauenrat, der Diakonie Deutschland oder der Deutschen Aidshilfe als stigmatisierend und in ihrer Ausgestaltung als rechtlich bedenklich abgelehnt werden. Danach sind diese Vorschriften nicht geeignet, das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten zu stärken; stattdessen bergen sie die Gefahr, Menschen, die sich für diese Tätigkeit entschieden haben, aber auf den Schutz durch Anonymität angewiesen sind, in die Illegalität zu treiben. Der Bundesrat erinnert daran, dass die erfolgreiche HIV-Präventionspolitik der Bundesregierung wesentlich auf der Erkenntnis basiert, dass eine Beratung zu Fragen des sexuellen Verhaltens nur zielführend ist, wenn sie freiwillig erfolgt und anonym möglich ist.
Auf dieser Basis hatten sich der federführende Bundesratsausschuss für Frauen und Jugend und der Gesundheitsausschuss übereinstimmend und grundsätzlich gegen die vorgesehene Anmeldepflicht und gegen die vorgesehene Pflicht zur gesundheitlichen Beratung von Prostituierten ausgesprochen und empfohlen, die §§ 3 bis 11 des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) zu streichen; dies insbesondere vor dem Hintergrund der in § 2 ProstSchG enthaltenen unverhältnismäßigen Ausdehnung des vom Gesetz erfassten Personenkreises.
- c) Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung seinem Vorschlag, § 11 ProstSchG mit den Bestimmungen über Anordnungen gegenüber Prostituierten ersatzlos zu streichen, abgelehnt hat. Die Auffassung der Bundesregierung, nur so könnten die gesetzlichen Vorgaben zur Anmeldung und gesundheitlichen Beratung sichergestellt werden, sowie die geltend gemachte Notwendigkeit einer sachgerechten Adressierung sind nicht geeignet, die Bedenken zu entkräften, die vom Bundesrat sowohl aus verfassungsrechtlicher als auch verwaltungspraktischer Sicht gegen diese Vorschrift geäußert wurden.
- d) Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung weder seiner Bitte nachgekommen ist, eine nachvollziehbare und vollständige Einschätzung der Kosten des Gesetzes vorzunehmen, noch auf die Forderung eingegangen ist, entstehende Kosten für Kommunen und Länder soweit als möglich zu begrenzen und mittels geeigneter Maßnahmen vollständig und dauerhaft durch den Bund zu kompensieren (vgl. BR-Drucksache 156/16(B) vom 13. Mai 2016). Der Normenkontrollrat ist nicht das geeignete Gremium um feststellen zu können, dass die Berechnung des Erfüllungsaufwandes für die Verwaltung ausreichend detailliert und nachvollziehbar ist, da er ausschließlich Informations- und Dokumentationspflichten von Bürgern und Unternehmen betrachtet, die auf Grund von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Satzungen oder Verwaltungsvorschriften bestehen.