Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates - Geburtshilfe vor Ort stärken

Der Bundesrat hat in seiner 983. Sitzung am 29. November 2019 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst

Anlage
Entschließung des Bundesrates - Geburtshilfe vor Ort stärken

Begründung:

Zu Nummer 1:

In Deutschland kommen mehr als 98 Prozent der Kinder im Krankenhaus zur Welt; zudem steigen seit einiger Zeit die Geburtenzahlen wieder deutlich an. Die geburtshilfliche Versorgung hat daher einen großen und wachsenden Stellenwert. Dabei kommt der Versorgung durch Hebammen und Gynäkologinnen und Gynäkologen eine zentrale Bedeutung zu. Gleichzeitig ist aber festzustellen, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Geburtshilfen geschlossen wurden. Fast jedes zweite Krankenhaus mit einer Geburtshilfeabteilung hat Schwierigkeiten, offene Hebammenstellen zu besetzen. Es gibt zu wenige Hebammen-Planstellen in den Kreißsälen, um eine angemessene Hebammenbetreuung während der Geburt sicherzustellen. Zusätzlich können im Durchschnitt schon jetzt in jedem Kreißsaal 1,6 Hebammen-Planstellen nicht besetzt werden.

Zu Nummer 2:

Infolge der Personalsituation werden häufig zwei, drei oder noch mehr Gebärende zeitgleich von einer einzelnen Hebamme betreut, wie unter anderem in einem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages festgestellt wird. Dies hat negative Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten und gefährdet potenziell auch die Patientinnen- und Patientensicherheit. Daher müssen die Arbeitsbedingungen von Hebammen dringend verbessert werden. Darüber hinaus ist der regelmäßige Besuch von Fortbildungen unerlässlich.

Zu Nummer 3:

Bereits im Rahmen der 91. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) 2018 am 20./21. Juni 2018 in Düsseldorf haben die Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder das Bundesministerium für Gesundheit aufgefordert, eine Evaluation der Wirksamkeit des Sicherstellungszuschlags zum Ausgleich der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen in Auftrag zu geben, um der Frage nachzugehen, ob das derzeitige Verfahren geeignet ist, über das Niveau des Sicherstellungszuschlags die steigenden Haftpflichtprämien aufzufangen.

Die von der GMK geforderte Evaluation der Wirksamkeit des Sicherstellungszuschlags liegt indes bisher nicht vor. Die Entwicklung der Haftpflichtproblematik sollte weiterhin aufmerksam verfolgt werden. Es besteht ohne eine umfassende Evaluation die Befürchtung, dass die bisherigen Regelungen nicht geeignet sind, das Problem der existenzgefährdenden Belastung der Hebammen durch drastisch steigende Haftpflichtprämien in ausreichendem Maße zu lösen.

Zu Nummer 4 und 5:

Vor dem Hintergrund der unzureichenden Personalausstattung in den Kliniken sind dringend Maßnahmen des Bundesgesetzgebers erforderlich, um die Arbeitsbedingungen in der Geburtshilfe zu verbessern.

Mit einem besseren Personalschlüssel für Hebammen, der sich an den Bedürfnissen der Frauen und Kinder orientiert, wird die Arbeit in der klinischen Geburtshilfe für Hebammen wieder attraktiver und der Personalmangel kann damit effektiv bekämpft werden. Ein weiterer Ansatzpunkt könnte sein, Hebammen zum Beispiel von Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Dies könnte in Modellvorhaben erprobt werden.

Vor dem Hintergrund der benannten Probleme in der stationären Hebammenversorgung würde eine Ausweitung der Regelungen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes auf angestellte Hebammen zu einer nachhaltig spürbaren Entlastung und Sicherstellung der Versorgung in der Geburtshilfe führen, da hieraus unmittelbar der Anreiz einer vermehrten Einstellung von Hebammen und damit ein besserer Betreuungsschlüssel für die werdenden Mütter folgt. Zur Verbesserung der Stellensituation müssen die Tarifsteigerungen für Hebammen vollständig von den Kostenträgern refinanziert werden.

Eine noch weitergehende Reduzierung der klinischen Geburtshilfen lässt befürchten, dass die flächendeckende Versorgung nicht mehr gewährleistet werden kann. Dies könnte bei einer signifikanten Zahl von Schwangeren dazu führen, dass die vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegte Transportentfernung zur nächstgelegenen Geburtshilfe von 40 Minuten überschritten würde. Der vorzulegende Gesetzentwurf der Bundesregierung muss daher nachhaltig dazu beitragen, die klinischen Geburtshilfen zu stabilisieren, nicht zuletzt um gleichwertige Lebensverhältnisse auch in ländlichen Regionen gewährleisten zu können.