A. Problem und Ziel
Mit dem Gesetz soll im Bundesfreiwilligendienstgesetz neben dem Bundesfreiwilligendienst ein zweites, niedrigschwelligeres Format verankert werden, das im Unterschied zu anderen Freiwilligendiensten nicht sozialversicherungspflichtig ist und keinen Anspruch auf Taschengeld auslöst. Die Zahlen aus der Evaluation der Generationsübergreifenden Freiwilligendienste und der Freiwilligendienste aller Generationen belegen, dass das Format vor allem den Erwartungen älterer Menschen, die sich in einem Freiwilligendienst engagieren möchten, entgegenkommt. 64 % der Engagierten im Freiwilligendienst aller Generationen sind älter als 50 Jahre. Im Zuge der demographischen Entwicklung ist mit einer wachsenden Zahl älterer Menschen zu rechnen, die sich gerne in einem Freiwilligendienst engagieren möchten, der im Zeitaufwand unter 20 Stunden in der Woche liegt, aber vergleichbar anderen Freiwilligendiensten Anerkennung durch Qualifizierung bietet.
B. Lösung
Der Freiwilligendienst aller Generationen wird als zweite Säule im Bundesfreiwilligendienstgesetz verankert, um die Dienstform nachhaltig bundesweit zu etablieren.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Bei einer Finanzierung pro Platz in Höhe von bis zu 100 Euro monatlich entstehen bei 5.000 Plätzen bis zu 6 Mio. Euro Kosten jährlich, bei 10.000 Plätzen bis zu 12 Mio. Euro Kosten jährlich im Bundeshaushalt.
E. Sonstige Kosten
Verwaltungskosten bei Bund und Ländern.
Gesetzesantrag der Länder Hessen, Rheinland-Pfalz
Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Bundesfreiwilligendienstgesetzes um Regelungen des Freiwilligendienstes aller Generationen
Der Hessische Ministerpräsident
Wiesbaden, den 19. Mai 2012
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat gemeinsam mit der Landesregierung von Rheinland-Pfalz beschlossen, dem Bundesrat den anliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Bundesfreiwilligendienstgesetzes um Regelungen des Freiwilligendienstes aller Generationen mit dem Antrag zuzuleiten, die Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschüssen in der 22. KW zur Beratung zuzuweisen, mit dem Ziel, die Plenarsitzung am 15. Juni 2012 zu erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier
Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Bundesfreiwilligendienstgesetzes um Regelungen des Freiwilligendienstes aller Generationen
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Bundesfreiwilligendienstgesetzes
- 1. Die Überschrift wird wie folgt gefasst:
"Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst und den Freiwilligendienst aller Generationen".
- 2. Dem § 1 wird folgende Überschrift vorangestellt:
"Abschnitt 1
Bundesfreiwilligendienst". - 3. Nach § 17 wird die Überschrift:
"Abschnitt 2
Freiwilligendienst aller Generationen"und werden die folgenden §§ 18 bis 21 eingefügt:
" § 18 Ziel des Freiwilligendienstes aller Generationen
- (1) Der Freiwilligendienst aller Generationen soll Bürgerinnen und Bürgern Möglichkeiten und Wege zu verbindlich organisiertem bürgerschaftlichem Engagement eröffnen. Er wird als überwiegend praktische Tätigkeit geleistet und ist arbeitsmarktneutral auszugestalten. § 1 und § 3 Absatz 1 gelten entsprechend.
- (2) Der Freiwilligendienst aller Generationen wird in einem Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden für die Dauer von mindestens sechs und maximal 24 Monaten geleistet.
§ 19 Freiwillige des Freiwilligendienstes aller Generationen
- (1) Freiwillige im Sinne des Freiwilligendienstes aller Generationen sind Personen, die nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im zeitlichen Umfang gemäß § 18 als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Die Ausgestaltung des Freiwilligendienstes aller Generationen soll sich an den individuellen Lebenslagen der Freiwilligen orientieren. Den Freiwilligen sollen durch die Ableistung eines Freiwilligendienstes aller Generationen keine Nachteile entstehen. Der Dienst kann wegen der Veränderung der Lebenssituation des Freiwilligen, wie z.B. der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jederzeit beendet werden. Näheres ist in der Vereinbarung zwischen Freiwilligem und Träger zu regeln.
- (2) Die Freiwilligen eines Freiwilligendienstes aller Generationen haben Anspruch auf
- a) die Sicherstellung einer kontinuierlichen Betreuung und Qualifizierung durch Bildungs- und Weiterbildungsangebote der jeweiligen Träger. Freiwillige haben einen Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen im Umfang von mindestens 60 Stunden pro Jahr und 5 Stunden pro Monat. Die Qualifizierungsmaßnahmen sollen sich an den Bedürfnissen der Freiwilligen und an den jeweiligen Einsatzfeldern orientieren. Die Freiwilligen sollen Möglichkeiten zur Neuorientierung und zu individueller Erprobung erhalten.
- b) die Absicherung durch eine Unfallversicherung und eine Haftpflichtversicherung, die durch den Träger erfolgt.
- (3) Die Erstattung der Aufwendungen der Freiwilligen erfolgt in der Regel durch die Einsatzstellen. Es besteht kein Anspruch auf ein Taschengeld gemäß § 2 Absatz 4 dieses Gesetzes.
- (4) Auf eine Tätigkeit im Rahmen des Freiwilligendienstes aller Generationen im Sinne dieses Gesetzes sind die Arbeitsschutzbestimmungen und das Jugendarbeitsschutzgesetz entsprechend anzuwenden.
§ 20 Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen
- (1) Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen tätigen Freiwilligen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren. Die zuständigen Landesbehörden leiten die Anträge der Träger auf Anerkennung der Zuwendungsberechtigung mit einer Stellungnahme versehen an die zuständige Bundesbehörde weiter, die auf dieser Grundlage die beantragenden Träger als zuwendungsberechtigt anerkennt. Die Anträge auf eine Förderung pro Platz für den Einsatz von Freiwilligen werden dann bei der zuständigen Bundesbehörde gestellt. Wenn die Anerkennungsvoraussetzungen nicht mehr zutreffen, kann die zuständige Bundesbehörde im Einvernehmen mit der zuständigen Landesbehörde die Anerkennung als zuwendungsberechtigter Träger widerrufen.
- (2) Der Freiwilligendienst aller Generationen wird finanziert im Wege einer Finanzierung je Freiwilligem und Monat. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen der im Haushaltsplan des Bundes vorgesehenen Mittel. Der Förderbetrag kann verwendet werden für Qualifizierung, Begleitung, Beratung und Koordinierung der Freiwilligen, in Ausnahmefällen auch für die Erstattung der Aufwendungen der Freiwilligen.
§ 21 Beirat
- (1) Bei dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird ein Beirat für den Freiwilligendienst aller Generationen gebildet. Der Beirat berät das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Fragen des Freiwilligendienstes aller Generationen.
- (2) Dem Beirat gehören an:
- 1. drei Vertreterinnen oder Vertreter von Freiwilligen im Freiwilligendienst aller Generationen,
- 2. drei Vertreterinnen oder Vertreter der Liga der Wohlfahrtsverbände, die jeweils einen Träger vertreten, der einen Freiwilligendienst aller Generationen eingerichtet hat,
- 3. je ein Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände,
- 4. drei Vertreterinnen oder Vertreter der Länder und 5. eine Vertreterin oder ein Vertreter der kommunalen Spitzenverbände."
Artikel 2
Inkrafttreten
Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
Der Freiwilligendienst aller Generationen, wie er in Folge des Generationsübergreifenden Freiwilligendienstes etabliert und gefördert wurde und inzwischen auch in der Unfallversicherung in § 2 SGB VII als Format gesetzlich verankert ist, hat in der Vergangenheit bemerkenswert viele Menschen erreicht, die noch keinen Zugang zu bürgerschaftlichem Engagement gefunden hatten. Das Profil des Dienstes ist besonders attraktiv für ältere Menschen, die einen Dienst mit einem festen Rahmen, allerdings ohne eine Ganztags- oder Halbtagsverpflichtung, wie es der Bundesfreiwilligendienst vorsieht, übernehmen möchten. Der letzte Freiwilligensurvey von 2009 hat gezeigt, dass ein Drittel der älteren Menschen zum Engagement bereit ist. Die demographische Entwicklung macht es notwendig, Anstrengungen vielfältiger Art zu unternehmen, damit diese Engagementbereitschaft auch zu ausgeübtem Engagement werden kann. Das Format des Freiwilligendienstes aller Generationen hat sich auch bewährt für Menschen in Umbruch- und Übergangsituationen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 Nummer 1
Damit wird klargestellt, dass das Gesetz zwei verschiedene Freiwilligendienste in zwei Abschnitt en regelt, den Bundesfreiwilligendienst in Abschnitt 1 und den Freiwilligendienst aller Generationen in Abschnitt 2.
Zu Artikel 1 Nummer 2.
Siehe Begründung zu Artikel 1 Nummer 1.
Zu Artikel 1 Nummer 3
Hiermit wird deutlich gemacht, dass nach § 17 die Regelungen zum Freiwilligendienst aller Generationen in einem neuen Abschnitt beginnen.
Zu Artikel 1 § 18
Für den Einsatz der Freiwilligen sind selbstverständlich alle Bereiche denkbar, in denen auch Freiwilligendienste anderer Formate geleistet werden. Darüber hinaus eignet sich dieser flexible Dienst als ein Experimentierfeld für neue Aufgabenstellungen. Die Freiwilligendienste aller Generationen sollen sich auch übergreifenden Zielen, wie der Integration von Migrantinnen und Migranten widmen und eine generationen- und milieuübergreifende Solidarität befördern.
Die Vorgabe einer Mindestdauer von sechs Monaten und eines wöchentlichen Umfangs von mindestens acht Stunden stellt sicher, dass Freiwillige aller Altersgruppen - insbesondere auch ältere Menschen - den Dienst wahrnehmen können. Die Einführung einer Förderungshöchstdauer entspricht dem Anspruch von Freiwilligendiensten, eine Übergangspassage im Leben des/der Freiwilligen sinnstiftend zu begleiten bzw. zu initiieren, und ist zur Abgrenzung zum traditionellen Ehrenamt und sonstigem bürgerschaftlichem Engagement unverzichtbar.
Zu Artikel 1 § 19
Der § 19 im Abschnitt 2 umfasst die Definition des Freiwilligendienstes aller Generationen, er definiert den Personenkreis, der einen solchen Dienst ableisten kann, er macht eine schriftliche Vereinbarung zur Bedingung und schreibt fest, dass der Dienst unentgeltlich geleistet wird. Darüber hinaus regelt er den Anspruch der Freiwilligen auf Qualifizierung und Begleitung und auf Unfall- und Haftpflichtversicherung. Er betont die Flexibilität des Dienstes im Unterschied zu anderen Dienstformaten und stellt klar, dass den Freiwilligen durch ihren Dienst keine Nachteile entstehen dürfen. Der Freiwilligendienst aller Generationen ist als spezieller Freiwilligendienst in Aufgabenbereichen, die eine hohe Verlässlichkeit und eine gute Qualifizierung zur Voraussetzung haben, als zeitlich begrenzter Einsatz zu verstehen.
Die Schriftlichkeit der Vereinbarung entspricht den Planungsanforderungen von Trägern und Einsatzstellen und schützt zugleich die/den Freiwilligen vor einer unvorhergesehenen Vereinnahmung. Der Dienst erhält dadurch den Charakter einer Möglichkeit des "Ausprobierens" von Engagement ohne die erwartete oder vorausgesetzte langfristige Bindung an eine bestimmte Institution.
Zu Artikel 1 § 20
Bei der Formulierung der Anforderungen an die Träger wurden die bereits in der Unfallversicherung im § 2 SGB VII normierten Anforderungen übernommen. Der Freiwilligendienst aller Generationen hat wie auch die Jugendfreiwilligendienste die Zusammenarbeit von Trägern, Einsatzstellen und Freiwilligen als konstitutives Element.
Mit dieser Konstruktion sind insbesondere die zivilgesellschaftlichen Träger in die Verantwortung genommen, den Freiwilligendienst aller Generationen in sinnvoller Weise weiterzuentwickeln und mit ihrem Angebot sowohl Menschen in Übergangssituationen ein Angebot zum Engagement zu machen als auch gesellschaftliche Fragestellungen, die das Engagement Freiwilliger brauchen, kreativ zu lösen. Nur anerkannte Träger sind dazu berechtigt, eine Förderung zu erhalten. Die Anerkennung der Zuwendungsberechtigung sowie auch deren Aberkennung aufgrund fehlender Voraussetzungen müssen im Einvernehmen mit den zuständigen Landesbehörden erfolgen.
Die Qualifizierung, Anerkennung, Begleitung, Versicherung von Freiwilligen zählen zu den Pflichten von Trägern. Die Anerkennung der Zuwendungsberechtigung von bereits in den Ländern anerkannten Trägern bürgt für die Einhaltung von Qualitätsstandards und reduziert den Verwaltungsaufwand für die Durchführung des Freiwilligendienstes.
Die Förderung von Plätzen im Freiwilligendienst aller Generationen sollte in der Verteilung auf die Länder analog des Königsteiner Schlüssels erfolgen. Die Erstattung der Aufwendungen für die Freiwilligen soll in der Regel durch die Träger bzw. die Einsatzstellen erfolgen. Nur in Ausnahmefällen (z.B. bei kleinen finanzschwachen Trägern/Einsatzstellen) kann dies aus den Fördermitteln erfolgen.
Zu Artikel 1 § 21
Die Weiterentwicklung des Freiwilligendienstes aller Generationen soll von einem Beirat fachkundig begleitet werden.
Zu Artikel 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.