Der Bundesrat hat in seiner 842. Sitzung am 14. März 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten der EU, kann aber nach wie vor keinen substanziellen Mehrwert durch eine Integration der Hypothekarkreditmärkte erkennen. Auf die Stellungnahme des Bundesrates vom 25. November 2005 zum Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Hypothekarkredit in der EU, KOM (2005) 327 endg. - BR-Drucksache 744/05(B) - wird ausdrücklich Bezug genommen.
Der Bundesrat begrüßt vor diesem Hintergrund, dass die Kommission nach wie vor keine Vorfestlegung im Hinblick auf ein etwaiges gesetzgeberisches Tätigwerden getroffen hat, sondern erst weitere Untersuchungen und Konsultationen mit den Beteiligten durchführen will. Soweit die Kommission im Hinblick auf eine grenzübergreifende Kreditvergabe gleichwohl Hemmnisse durch unterschiedliche Rechts- und Verbraucherschutzvorschriften sieht, werden etwaige konkrete Vorschläge der Kommission zu deren Beseitigung zu gegebener Zeit einer eingehenden Prüfung zu unterziehen sein und der vertieften Erörterung bedürfen. Dabei werden jeweils auch das Bestehen einer Kompetenz der EU sowie die Wahrung von Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip zu untersuchen sein. Im Interesse der Verbraucher sollte vorrangig darauf geachtet werden, dass das bereits erreichte Schutzniveau nicht abgesenkt wird und die Stabilität des Finanzsystems sichergestellt ist.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die grundlegende Aussage der Kommission, dass im Einklang mit den Grundsätzen der besseren Regulierung für alle Bereiche eine eingehende Folgenabschätzung verschiedener Politikoptionen vorgenommen wird und dass nicht über den Mehrwert einer etwaigen Richtlinie entschieden werden kann, bevor die Ergebnisse dieser Folgenabschätzung aufgrund von Konsultationen mit den betroffenen Interessengruppen vorliegen. In Anbetracht dieser Grundsätze fordert der Bundesrat, nicht schon vor Abschluss der Konsultationen zur Integration der Hypothekarkreditmärkte eine Richtlinie gegenüber einem Verhaltenskodex zu favorisieren.
- 3. Der Bundesrat begrüßt die Einschätzung der Kommission, dass Verbraucher in den Mitgliedstaaten Hypothekarkredite in erster Linie bei Anbietern in ihrer Nähe aufnehmen und eine Änderung des Verbraucherverhaltens nicht zu erwarten ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht verständlich, warum auf der anderen Seite davon ausgegangen wird, dass weitere Integrationsschritte zu einem Wachstum des EU-BIP von 0,7% führen würden. Diese aus Annahmen und Modellrechnungen geschätzten Wachstumspotentiale erscheinen nicht plausibel. Es sollte kein Regelungsvorhaben in die Wege geleitet werden, ohne zuvor den Bedarf und das Potenzial in diesem Marktsegment sorgfältig eruiert zu haben.
- 4. Zwar kommt den europäischen Hypothekarkreditmärkten mit einem Volumen von 47 % des europäischen BIP eine große makroökonomische Bedeutung zu, aber die in dem Weißbuch herangezogenen Schlussfolgerungen aus der London Economics Studie halten einer kritischen Prüfung nicht stand. Die dort in Bezug auf den Immobilienmarkt in Großbritannien dargestellten makroökonomischen Hebeleffekte setzen stetig steigende Immobilienpreise voraus, die zugunsten der Eigentümer einen dauerhaften Wertzuwachs generieren, welcher wiederum abgeschöpft und in den privaten Konsum investiert werden kann (equity release; so genannte Kapitalbeschaffungskredite). Flankiert wurde dieser Mechanismus von einem substantiellen Subprime Markt. Dessen Wachstumsraten haben sich als nicht nachhaltig erwiesen.
Im Einzelnen:
Ziffer 3.2 Das Produktangebot erweitern
- 5. Gegen das Ziel der Kommission, das bestehende Produktangebot zu erweitern und neuen Kundenschichten Zugang zu Hypothekarkrediten zu ermöglichen, ist im Grundsatz nichts einzuwenden. Ob allerdings eine bloße Erweiterung der Produktpalette ohne flankierende präventive Maßnahmen tatsächlich einen messbaren Vorteil für den Verbraucher bringt und insbesondere sein Vertrauen in grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen stärkt, erscheint zweifelhaft. Wie auch die Kommission ausführt, müssen daher mögliche, aus einer Angebotserweiterung erwachsende Vorteile sorgfältig abgewogen werden gegen mögliche Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und Gefahren für den Verbraucherschutz.
Ziffer 3.3 Das Verbrauchervertrauen erhöhen
- 6. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung der Kommission, das Verbrauchervertrauen zu erhöhen. Dies gilt insbesondere für die Einschätzung, dass Verbraucher, um eine richtige Entscheidung treffen zu können, klare, korrekte, vollständige und vergleichbare Angaben über die verschiedenen Hypothekarprodukte benötigen. Leitbild sollte hierbei der mündige, d. h. verständige und kritische Verbraucher sein, der bei entsprechender Information und Beratung seine Interessen eigenverantwortlich und in wirtschaftlicher Hinsicht vernünftig ausüben kann.
- 7. Ein Übermaß an Information und Beratung kann den Verbraucher hingegen überfordern und damit letztlich das Ziel des Verbraucherschutzes verfehlen. Soweit die Kommission für hohe Standards bei der Hypothekarkreditberatung eintritt, ist dies im Grundsatz zwar zu begrüßen. Der Bundesrat hält aber insoweit an seiner Auffassung fest, dass für die Vorgabe verpflichtender Standards kein Erfordernis besteht.
Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass eine verantwortliche Vergabe von Hypothekarkrediten zur Stärkung des Verbrauchervertrauens beitragen kann. Soweit die Kommission erwägt, zur Prüfung der Fähigkeit des Kreditnehmers zur Rückzahlung der anfallenden Raten gegebenenfalls auf die Abfrage von Datenbanken zurückzugreifen, hat sich in der Bundesrepublik Deutschland die Kredit gebende Wirtschaft seit Jahrzehnten in einer Gemeinschaftseinrichtung - auf Bundesebene der SCHUFA Holding AG, die auch in der Region präsent ist - zusammengeschlossen, die Kreditdaten vorrätig hält und pflegt. Hoheitliche Eingriffe in diesen privatrechtlich organisierten Informationsaustausch, etwa durch Schaffung eines unbeschränkten Zugangs zu solchen Datenbanken auch für Kreditinstitute, die sich nicht vertraglich anschließen wollen, erscheinen nicht gerechtfertigt.
Ziffer 3.4 Die Kundenmobilität fördern
- 8. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz das Ziel der Kommission, die Kundenmobilität durch Initiativen zur Schaffung transparenter Preise, insbesondere durch klare und vergleichbare vorvertragliche Verbraucherinformationen sowie Lösungen im Hinblick auf beeinträchtigende Geschäftspraktiken zu fördern. Etwaige rechtliche Rahmenbedingungen müssten jedoch den Zielrichtungen der verschiedenen Marktteilnehmer Rechnung tragen und unterschiedliche Interessen, insbesondere von Unternehmen und Verbrauchern, zu einem angemessenen Ausgleich bringen. Auch hier gilt, dass ein Übermaß an Information zur Belastung des Unternehmers werden, den Verbraucher überfordern und damit letztlich das Ziel des Verbraucherschutzes verfehlen könnte. Das richtige Maß für Inhalt und Umfang der Informationspflichten muss sich als Ergebnis des Interesses des Verbrauchers an umfassender Information einerseits und Klarheit und Übersichtlichkeit der Information andererseits ergeben. Auch dürfen Unternehmen nicht mit Bürokratiekosten überlastet werden.
Ziffer 4.1 Den Rechtsetzungsbedarf ermitteln
- 9. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission weiterhin keine Vorfestlegung im Hinblick auf ein etwaiges gesetzgeberisches Tätigwerden getroffen hat, sondern erst weitere Untersuchungen und Konsultationen mit den Beteiligten durchführen will. Dies gilt insbesondere für die angekündigten eingehenden Folgenabschätzungen, die auch quantitative Kosten-Nutzen-Analysen umfassen sollen.
Unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips sollten künftige Maßnahmen vor allem auf ihre voraussichtliche Effizienz und ihren voraussichtlichen Mehrwert hin untersucht werden.
- 10. Im Hinblick auf die Kompetenzen der EU sowie des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips kann ein Mehrwert dabei nur angenommen werden, wenn die Maßnahme auf Gemeinschaftsebene wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung einen deutlichen Vorteil im Vergleich zu Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten bringt. Dabei ist ein wertender Vergleich zwischen zusätzlichem Integrationsgewinn und mitgliedstaatlichem Kompetenzverlust vorzunehmen. Entsprechend sind die Gemeinschaftsbefugnisse dort nicht voll auszuüben, wo der zusätzliche Integrationsgewinn minimal, der Eingriff in die verbliebenen Zuständigkeitsbereiche der Mitgliedstaaten jedoch beträchtlich ist.
Zu Abschnitt:
Vorzeitige Rückzahlung
- 11. Der Bundesrat begrüßt nach wie vor, dass die Kommission u. a. das Produktangebot bei Hypothekarkrediten erweitern möchte. Als wichtigste Fragestellung sieht die Kommission hierbei die vorzeitige Rückzahlung von Hypothekarkrediten an. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Sensibilität und Problematik des Themas der vorzeitigen Rückzahlung anerkennt und insoweit noch keine Vorfestlegung getroffen hat, sondern die Möglichkeit einer etwaigen europäischen Regelung zunächst weiter prüfen, insbesondere Kosten und Nutzen verschiedener Optionen analysieren will.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die als Dreh- und Angelpunkt für die Integration dargestellte Regulierung der Möglichkeit vorzeitiger Rückzahlung von Hypothekarkrediten volkswirtschaftlich nachteilig ist.
Der Bundesrat hält einen gesetzlichen Anspruch des Verbrauchers auf vorzeitige Rückzahlung bei festverzinslichen Krediten für höchst problematisch. Eine solche Regelung würde die günstige Wirkung von Festzinsvereinbarungen zum Nachteil der Kreditnehmer aufheben und ließe die Kreditkosten signifikant steigen. Denn die Einführung eines jederzeitigen Kündigungsrechts würde zwangsläufig in die Konditionengestaltung der Kreditinstitute einfließen.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die zur Diskussion gestellte Regulierung der Möglichkeit vorzeitiger Rückzahlung von Hypothekarkrediten (Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf vorzeitige Rückzahlung, Einführung von Obergrenzen für Vorfälligkeitsentschädigungen usw.) aus Sicht der Kreditinstitute die Rentabilität von Festzinsdarlehen beeinträchtigt. Somit werden die Konditionen für potentielle Kreditnehmer/Wohnungseigentumserwerber verschlechtert. Folglich werden die Zinsen für Festzinsdarlehen steigen oder/und die Kreditinstitute sich vertraglich ebenfalls ein Kündigungsrecht einräumen lassen. Außerdem wird der Marktanteil der Festzinsdarlehen geschwächt, was wiederum die Stabilität des deutschen Immobilienmarkts, zu der die in Deutschland üblichen Festzinsdarlehen erheblich beitragen, beeinträchtigt.
Der Bundesrat weist daher erneut darauf hin, dass der grundsätzliche Ausschluss der vorzeitigen Kündbarkeit von Hypothekardarlehen verbunden mit dem Prinzip der Vorfälligkeitsentschädigung bei ausnahmsweise vorzeitiger Rückzahlung die Grundlage für den langfristigen Festzinskredit ist. Darlehensnehmer wählen für die Dauer der Zinsfestschreibung niedrige Zinsen, schützen sich vor Zinserhöhungen und verpflichten sich im Gegenzug, während der Zinsfestschreibung nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses den Kredit vorzeitig zurückzuzahlen. Eine langfristige Zinsbindung bietet beiden Vertragspartnern Planungssicherheit. Für beide besteht jedoch auch das Risiko einer wirtschaftlich nachteiligen Entscheidung.
Dem festverzinslichen Hypothekarkredit kommt damit Verbraucher schützende Wirkung zu. Ein Eingriff in dieses System würde sich besonders nachteilig für den langfristig planenden und an Sicherheit und Kalkulierbarkeit interessierten Verbraucher auswirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Verbraucher bewusst für dieses Modell entscheiden, obwohl in Deutschland auch andere Produkte mit nur kurzfristiger oder ganz ohne Zinsbindung am Markt angeboten werden.
Zudem würden bei einem gesetzlichen Anspruch auf vorzeitige Kündbarkeit des Hypothekarkredits die Grundsätze des deutschen Pfandbriefsystems in Bezug auf Zinskongruenz und Barwertdeckung in Frage gestellt. Der Wegfall einer günstigen Refinanzierung müsste durch steigende Zinskosten kompensiert werden. Darlehen müssen refinanziert werden. Daher muss jede Rückzahlungsmöglichkeit vor Ablauf der Zinsbindung mit einer Vorfälligkeitsregelung verbunden werden.
Die Vorfälligkeitsentschädigung deckt den Schaden des Kreditgebers ab, der durch die vorzeitige Rückzahlung entsteht. Die Höhe des objektiv entstandenen Schadens wird in Anwendung höchstrichterlich anerkannter Berechnungsmethoden ermittelt. Es wäre nicht interessengerecht, das Marktpreisrisiko ausschließlich dem Kreditgeber aufzubürden, der im Falle steigender Zinsen ebenfalls an den Vertrag gebunden ist. Letztlich steht es in der Entscheidung jedes einzelnen Verbrauchers, ob er die Variante des langfristigen Festzinskredits wählt oder sich vertraglich kürzer bindet.
Um die Belastungen so gering wie möglich zu halten, könnten die Kreditgeber ihr Angebot an Verträgen mit langfristiger Zinsbindung verringern und somit die Produktpalette zu Lasten der Kunden einschränken. Das höhere Zinsänderungsrisiko könnte insbesondere bei langfristigen Verträgen zu steigenden Darlehenszinsen führen.
- 12. Eine Obergrenze für eine Vorfälligkeitsentschädigung würde das Angebot von Festzinsdarlehen einschränken. Die angestrebte Produktvielfalt ginge damit verloren.
Ein gesetzlicher Anspruch auf vorzeitige Rückzahlung muss in diesem Zusammenhang nicht eingeführt werden. Generell kann ein solches Recht den Vertragsverhandlungen überlassen werden. Für besondere Fälle räumt bereits das allgemeine Vertragsrecht einen Anspruch auf vorzeitige Rückzahlung gegen Vorfälligkeitsentschädigung ein.
Der Bundesrat befürchtet, dass ein Eingriff in das System des festverzinslichen Hypothekarkredits dieses vielfach genutzte und anerkannte Finanzprodukt zunehmend vom Markt verdrängen könnte.
- 13. Die Subprime-Krise hat verdeutlicht, dass im Hypothekarbereich weltweit variable Zinsvereinbarungen dominieren und diese Kredite - verstärkt durch die Konstellation einer "hohen Beleihungsrelation auf Zeitwertbasis" - deutlich höhere Ausfallraten als Festzinskredite aufweisen. Die in Deutschland verbreiteten längeren Zinsbindungsfristen ("Langfristkultur") leisten daher einen wichtigen Beitrag zur Finanzstabilität. Der Verzicht auf eine Vorfälligkeitsentschädigung würde zudem das deutsche Pfandbriefsystem erheblich tangieren, wenn nicht sogar in Frage stellen, da vermutlich die Deckungsmassen erodieren würden.
- 14. Eine Übertragung der Regelungen zur vorzeitigen Rückzahlung beim Verbraucherkredit auf den Hypothekarkredit ist daher unbedingt zu vermeiden. Die komplexen und in ihren Auswirkungen noch nicht absehbaren Bestimmungen zum Verbraucherkredit können keinesfalls als Vorbild für die Festlegung entsprechender Regelungen für Hypothekarkredite dienen. Dies verbietet sich schon im Hinblick auf die deutlich höheren Volumina und die erheblich längeren Laufzeiten von Hypothekarkrediten.
Zu Abschnitt:
Qualität und Vergleichbarkeit von Informationen verbessern
- 15. Der Bundesrat begrüßt die Bestrebungen der Kommission, die Vergleichbarkeit des effektiven Jahreszinses zu harmonisieren, um eine Irreführung des Verbrauchers durch unterschiedliche Berechnungsmethoden und Kostengrundlagen zu vermeiden. Hierbei sollte jedoch auf eine Übereinstimmung mit den entsprechenden Regelungen in der Verbraucherkreditrichtlinie hingewirkt werden. Im Falle der Berechnung des effektiven Jahreszinses für Hypothekarkredite wäre zu beachten, dass spezifische in diesem Darlehenssegment entstehende Kosten, wie z.B. Notar- und Grundbuchgebühren sowie Prämien für Kapitallebensversicherungen, die der späteren Tilgung des Kredits dienen, von den Kreditinstituten nicht beziffert werden können. Eine Einbeziehung in die Berechnung des effektiven Jahreszinses ist demzufolge nicht möglich, ein Ausweis dieser Kosten könnte lediglich der Art nach erfolgen.
Auch eine Verbesserung von Qualität und Vergleichbarkeit von sonstigen Informationen ist im Grundsatz zu begrüßen.
- 16. Der Bundesrat stimmt der grundlegenden Bewertung der Kommission zur hohen Bedeutung vorvertraglicher Informationen in strukturierter Form zu, da nur ein umfassend informierter Verbraucher eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen kann. Dies fügt sich in das von der Kommission in ihrer Finanzdienstleitungspolitik festgelegte Leitbild des "mündigen Verbrauchers" ein.
- 17. Die Einschätzung der Kommission, dass der Verhaltenskodex über vorvertragliche Informationen für wohnungswirtschaftliche Kredite vom 5. März 2001 veraltet sei und nicht als vollwertiger Ersatz für verbindliche Vorschriften dienen könne, teilt der Bundesrat nicht. Die deutsche Kreditwirtschaft hat den Kodex in den letzten Jahren mit großem Aufwand erfolgreich implementiert und sich mit Nachdruck für ein Festhalten am Verhaltenskodex eingesetzt. Vor dem Hintergrund dieser flächendeckenden und erfolgreichen Implementierung des Kodexes sind die vergleichsweise ungünstigen Umfrageergebnisse für den deutschen Markt bezüglich Verbraucherinformationen nicht nachvollziehbar.
- 18. Allerdings erscheint hier weiterhin das Europäische Standardisierte Merkblatt, mit dem EU-weit einheitliche vorvertragliche Informationen sichergestellt werden sollen, als umfassend und ausreichend. Es stellt sicher, dass keine Informationsüberfrachtung erfolgt. Die in diesem Verhaltenskodex enthaltenen Informationspflichten sollten noch mit Informationspflichten abgeglichen werden, die sich aus sonstigen Richtlinien, z.B. der Fernabsatzfinanzdienstleistungs- oder der Verbraucherkreditrichtlinie, ergeben.
- 19. Vor einer legislativen Regelung der Informationspflichten sollte für jeden Bereich überlegt werden, ob nicht eine ausreichende Harmonisierung auch über freiwillige Selbstverpflichtungen erreicht werden kann. Solche Selbstverpflichtungen tragen nicht nur im Sinne der Better Regulation zur Deregulierung bei, auch Änderungen und Anpassungen an aktuelle Entwicklungen könnten schneller und unbürokratischer erfolgen. Ein Ersatz des Kodexes durch verbindliche Vorschriften könnte die Glaubwürdigkeit von freiwilligen Selbstverpflichtungen als Binnenmarktinstrumentarium erheblich beschädigen.
- 20. Das Anliegen der Kommission wird unterstützt, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen so frühzeitig zukommen zu lassen, dass er verschiedene Angebote einholen und diese vergleichen kann. Dies sollte allerdings nicht zur Einführung einer verbindlichen Wartezeit zwischen Information und Vertragsabschluss führen, da dies dem Leitbild des mündigen Verbrauchers widerspräche.
Zu Abschnitt:
Eine verantwortliche Kreditvergabe und -aufnahme fördern
- 21. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass ein hohes Maß an Vertrauen für einen grenzüberschreitenden Hypothekarkreditmarkt von besonderer Bedeutung ist. Auf der anderen Seite ist nicht verständlich, was die Kommission in diesem Kontext mit einer verantwortlichen Kreditvergabe meint. Hierzu wäre eine Klarstellung der Kommission wünschenswert. Hier gilt das oben zu Ziffer 3.3. Dargelegte entsprechend.
- 22. Schließlich begrüßt der Bundesrat die Feststellung der Kommission, dass für Hypothekarkreditgeber keine gesetzliche Verpflichtung zur Kundenberatung bestehen soll. Die Erfüllung der vorvertraglichen und vertraglichen Informationspflichten durch den Kreditgeber versetzt einen Bankkunden in ausreichendem Maße in die Lage, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.
Der Festlegung von Beratungsstandards kann nur dann zugestimmt werden, wenn diese zu einer individuellen Beratung in hoher Qualität führen sollen. Abzulehnen wären dagegen Beratungsstandards im Sinne der Festlegung einer Standardberatung. Der Bundesrat begrüßt daher, dass die Kommission es als entscheidend ansieht, dass der Verbraucher Zugang zu einer seinem individuellen Profil entsprechenden Beratung erhält.
Ziffer 4.2 Bewertung, Grundbuchregister und Zwangsvollstreckung
- 23. Der Bundesrat weist auf die Schwierigkeiten hin, die mit der Nutzung von Bewertungsgutachten aus dem Ausland einhergehen können im Hinblick auf die Frage der notwendigen Ortskenntnis des Sachverständigen sowie das Erfordernis von Übersetzungen, die kaum zur Verfahrensbeschleunigung beitragen dürften.
Ziffer 4.5. Weitere Untersuchungen
- 24. Soweit sich die Kommission dafür ausspricht, das Hypothekarkreditgeschäft auch Nichtbanken zu gestatten, ist der Bundesrat der Auffassung, dass im Hinblick auf die hohen bankaufsichtsrechtlichen bzw. pfandbriefrechtlichen Anforderungen, die für das Betreiben des Hypothekarkreditgeschäfts an die deutschen Kreditinstitute gestellt werden, eine grundsätzliche Öffnung dieses Geschäftsbereichs für ausländische Nichtbanken unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten problematisch ist. Insbesondere müsste hierbei die Kommission im Detail darlegen, wie sie erreichen will, dass bei einer solchen Öffnung die verantwortliche Kreditvergabe, die Finanzstabilität und die wirksame Beaufsichtigung keinerlei Schaden nehmen. Eine Vergabe von Hypothekarkrediten durch Institute, die nicht oder nur eingeschränkt den Vorschriften der Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen, lehnt der Bundesrat strikt ab. Einer Verwässerung der bestehenden hohen bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen im Sinne eines "Aufsichtsregimes light" für Nichtbanken muss von Anfang an deutlich entgegengetreten werden.