906. Sitzung des Bundesrates am 1. Februar 2013
A
Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 6 (Wrackbeseitigungskostendurchsetzungsgesetz)
Artikel 6 ist zu streichen.
Begründung:
Das in Artikel 6 enthaltene Gesetz über die Durchsetzung von Kostenforderungen aus dem Internationalen Übereinkommen von 2007 über die Beseitigung von Wracks (Wrackbeseitigungskostendurchsetzungsgesetz) dient nicht der Umsetzung des Nairobi-Übereinkommens in deutsches Recht - eine Transformationsvorschrift fehlt -, sondern ist als reines Ausführungsgesetz zu verstehen, das bezweckt, die in den Artikeln 9 bis 12 des Nairobi-Übereinkommens enthaltenen Regelungen über die Wrackbeseitigung und den Kostenersatz innerstaatlich als privatrechtlich zu qualifizieren. Hintergrund dafür ist die Befürchtung, dass der Bund Wrackbeseitigungskostenforderungen, wenn es sich hierbei um öffentlichrechtliche Forderungen handelte, angesichts der Beschränkung der EuGVVO und des Luganer Übereinkommens auf zivilrechtliche Ansprüche im Ausland praktisch nicht vollstrecken könnte. Allerdings ist die Einordnung der Ansprüche als zivilrechtlich und die Zuweisung zu den Zivilgerichten mit der Systematik der deutschen Rechtsordnung nicht in Einklang zu bringen; zudem kann das Ziel, die Vollstreckbarkeit der Forderungen im Ausland zu sichern, auch durch die Regelungen in Artikel 6 nicht erreicht werden:
- a) Bei den Kostenersatzforderungen der öffentlichen Hand gemäß Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 12 Absatz 10 des Nairobi-Übereinkommens handelt es sich um genuin öffentlichrechtliche Forderungen. Wie die Begründung des Gesetzentwurfs selbst zutreffend ausführt, stellt die Wrackbeseitigungspflicht der Schifffahrtspolizeibehörde hoheitliches Handeln zum Zwecke der Gefahrenabwehr dar; es handelt sich mithin um klassische Eingriffsverwaltung, bei der die Behörde im Wege der Ersatzvornahme anstelle des nach Artikel 9 Absatz 2 des Übereinkommens vorrangig zur Wrackbeseitigung verpflichteten Schiffseigentümers tätig wird. De facto handelt es sich damit um eine Materie, die innerstaatlich regelmäßig im Verwaltungsvollstreckungsrecht geregelt wird, das seinerseits unstreitig als öffentlichrechtlich zu qualifizieren ist. Gleiches gilt für den Anspruch auf Ersatz der Ersatzvornahmekosten, der nach allgemeinen Regeln als akzessorisch zu behandeln ist. Handelt es sich damit um öffentlichrechtliche Sachverhalte, so sind Streitigkeiten hierüber auch nicht den Zivilgerichten zuzuweisen, sondern gehören nach der Grundregel des § 40 Absatz 1 VwGO zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte.
- b) Der Versuch, die Materie gleichwohl durch Gesetz für privatrechtlich zu erklären und den Zivilgerichten zuzuweisen, um damit gegebenenfalls die Vollstreckbarkeit im Ausland zu sichern, kann keinen Erfolg haben. In Betracht käme eine Auslandsvollstreckung ohnehin nur, soweit entsprechende internationale Übereinkommen dies absichern, d.h. lediglich im Anwendungsbereich der EuGVVO und des (gleichlautenden) Luganer Übereinkommens. Diese erfassen den Wrackbeseitigungskostenanspruch des Nairobi-Überreinkommens aber gerade nicht. Nach Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 EuGVVO ist die Verordnung nur in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. In Satz 2 ist klargestellt, dass die Verordnung verwaltungsrechtliche Angelegenheiten nicht erfasst. Für die Einordnung des Anspruchs als zivil- oder öffentlichrechtlich kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings ausschließlich auf die wahre Natur des Anspruchs an, mithin darauf, ob - wie hier - ein Handeln der Behörde in Ausübung hoheitlicher Befugnisse zugrunde liegt. Dies hat der EuGH wiederholt entschieden, und zwar auch und gerade für die hier in Rede stehende Konstellation des Kostenersatzes für behördliche Wrackbeseitigungsmaßnahmen aufgrund eines internationalen Übereinkommens. So hat der EuGH den aus dem Ems-Dollart-Übereinkommen folgenden Anspruch der niederländischen Wasserstraßenverwaltung gegen den Schiffseigentümer auf Ersatz der Wrackbeseitigungskosten in der Entscheidung zur Rechtssache Rüffer (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1980, C-814/97, Rnr. 9 und 16) ausdrücklich als öffentlichrechtlich qualifiziert. Es ist denkbar, dass der EuGH im Falle des Nairobi-Übereinkommens entsprechend entscheiden könnte.
- c) Hinzu kommt schließlich, dass die vom Nairobi-Übereinkommen erfassten Kostenforderungen gegen den Wrackeigentümer nach Artikel 10 Absatz 3 des Übereinkommens "nur nach Maßgabe dieses Übereinkommens geltend gemacht werden können". Infolgedessen dürfte es den Vertragsstaaten verwehrt sein, die Anspruchsvoraussetzungen oder den Anspruchsinhalt durch nationales Recht zu modifizieren. Die geschieht aber, wenn § 2 Wrackbeseitigungskostendurchsetzungsgesetz-E bestimmt, dass auf den Kostenersatz nach den Artikel 10, 11 und 12 des Übereinkommens die §§ 683 und 670 BGB anzuwenden sind, und sei es auch nur auf Rechtsfolgenseite.
B
- 2. Der federführende Verkehrsausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.