Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten - COM (2018) 244 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis:
Drucksache 004/12 (PDF) = AE-Nr. 120015 Europäische Kommission

Brüssel, den 26.4.2018 - COM (2018) 244 final 2018/0115 (NLE)

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten

{SWD(2018) 149 final}

Begründung

1. Hintergrund des Vorschlags

- Gründe und Ziele des Vorschlags

Impfungen gehören zu den größten Errungenschaften der Medizin. Impfungen retten Leben, schützen unsere Gesellschaften, verhindern Krankheiten und tragen zu einer höheren Lebenserwartung bei. Bevor es Impfstoffe gab, starben viele Kinder sehr früh oder waren lebenslang behindert. Dank Impfungen wurden die Pocken ausgerottet und die Kinderlähmung nahezu beseitigt, und es konnte verhindert werden, dass unzählige Menschen an vielen anderen Erkrankungen wie Masern, Diphtherie oder Meningitis sterben.

Weltweit werden durch Schutzimpfungen jährlich 2,7 Millionen Menschen vor Masern, zwei Millionen gegen neonatalen Tetanus und eine Million gegen Keuchhusten geschützt. In Europa schützt die Impfung gegen die saisonale Grippe jedes Jahr etwa zwei Millionen Menschen vor einer Grippeerkankung.

Und dennoch sterben, wie Kommissionspräsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union am 13. September 2017 betonte, in der Europäischen Union auch heute noch Kinder an Krankheiten wie Masern, die durch Impfungen eigentlich leicht verhütet werden könnten. Dies ist nicht hinnehmbar.

Aufgrund von Impfmüdigkeit, Impfskepsis, steigenden Kosten für neue Impfstoffe sowie Produktions- und Lieferengpässen bei Impfstoffen in Europa sind Impfprogramme in letzter Zeit immer anfälliger geworden.

Dieser Vorschlag ist ein Aufruf zum gemeinsamen Handeln, um die Durchimpfungsraten zu erhöhen und sicherzustellen, dass jeder in der Europäischen Union Zugang zu Impfungen erhält, dass Ungleichheiten beseitigt und Immunisierungslücken geschlossen werden. Auf die Fragen und Zweifel, die von Bürgerinnen und Bürgern in ganz Europa zum Thema Impfen geäußert werden, müssen die Mitgliedstaaten und das Gesundheitswesen dringend eingehen und angemessen reagieren. Der vorliegende Vorschlag ist ein gemeinsamer Versuch, diesen Bedenken zu begegnen.

Mehrere EU-Mitgliedstaaten und ihre Nachbarländer sind gegenwärtig mit beispiellosen Ausbrüchen von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten konfrontiert, deren Ursache in der unzureichenden Durchimpfung der Bevölkerung liegt. Allein 2017 gab es in der EU 14 000 Neuansteckungen mit Masern, das sind dreimal so viele wie 2016. In den letzten beiden Jahren starben 50 Menschen an Masern und zwei an Diphtherie. Europa schafft es nicht, gemäß den vereinbarten Zielen der WHO die Masern zu eliminieren.

Das Risiko einer Wiedereinführung des Poliovirus in die EU besteht weiter und gefährdet den Status der Poliofreiheit der Union. Die Durchimpfungsraten in Bezug auf die saisonale Grippe bei älteren Menschen liegen weit unter dem Zielwert von 75%, der in der Empfehlung des Rates zur Impfung gegen die saisonale Grippe von 2009 festgelegt wurde. Die Durchimpfungsrate in Bezug auf die saisonale Grippe bei älteren Bevölkerungsgruppen ist in den vergangenen Jahren in den meisten EU-Mitgliedstaaten sogar gesunken.

Die nationalen Impfprogramme der Mitgliedstaaten werden unterschiedlich geplant, organisiert und durchgeführt, obwohl alle EU-Länder mit denselben Problemen ringen: sinkende Durchimpfungsraten, Lieferengpässe und wachsende Impfskepsis.

Für die niedrigen Durchimpfungsraten und vermeidbaren Immunisierungslücken gibt es mehrere Ursachen:

Impfskepsis und schwindendes Vertrauen. Irrige Annahmen über das Impfen haben bewirkt, dass sich der Schwerpunkt der öffentlichen Wahrnehmung verlagert hat und nicht mehr die Vorteile des Impfens im Vordergrund stehen, sondern Wissenschaftsskepsis und die Furcht vor möglichen Nebenwirkungen. Bei dieser zunehmenden Zurückhaltung sind gleich mehrere Faktoren im Spiel: ein Mangel an verlässlichen Informationen, zuweilen auch Misstrauen gegenüber den Anbietern verfügbarer Informationen, eine geringere Akzeptanz potenzieller Risiken, die mit der Verabreichung von Impfstoffen an gesunde Menschen (insbesondere Kinder) verbunden sein könnten, ein fehlendes Bewusstsein dafür, dass Impfungen neben dem individuellen Nutzen auch Vorteile für die Gemeinschaft haben, sowie in den Medien ausgetragene und durch Desinformation noch geschürte Kontroversen über Impfsicherheit. Da durch Impfung vermeidbare Krankheiten dank routinemäßiger Impfungen in der Vergangenheit zurückgegangen sind, sind vielen Bürgerinnen und Bürgern die lebensrettende Dimension des Impfens und die Risiken des Nichtimpfens nicht in ausreichendem Maße bewusst.

Impfpolitische Maßnahmen und Programme weisen von Land zu Land große Unterschiede auf, was die Auswahl der Impfstoffe, die Art des verwendeten Impfstoffs, die Anzahl der verabreichten Impfdosen und die zeitlichen Abstände angeht. Diese Abweichungen zwischen den Mitgliedstaaten gehen häufig auf soziale, wirtschaftliche oder historische Faktoren zurück oder hängen einfach damit zusammen, wie das Gesundheitswesen auf nationaler Ebene organisiert ist. In Kombination mit der wahrgenommenen Umstrittenheit von Impfungen als solche tragen diese Unterschiede zwischen den Ländern jedoch zu der wachsenden Impfskepsis bei. Auch die rapide Verbreitung von Desinformation durch Online-Medien und militante Impfgegner hat falsche Vorstellungen verstärkt. Darüber hinaus sind viele EU-Bürger, die im Laufe ihres Lebens Wohnsitze in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, angesichts der unterschiedlichen nationalen Impfkalender verunsichert und wissen nicht, wann welche Impfung erfolgen sollte, was dazu führen kann, dass ihre Kinder nicht den vollen Impfschutz erhalten.

In einigen Ländern kommt es auch aufgrund von Problemen mit Angebot und Nachfrage zu Impfstoffengpässen. Die Investitionen in Impfstoffe sind in der EU zurückgegangen, vorgeblich wegen der fragmentierten und zum Teil unkalkulierbaren Nachfrage. Außerdem gibt es nach wie vor rechtliche Schwierigkeiten, wenn es um den grenzüberschreitenden Austausch von Impfstoffen in Krisensituationen geht. Gleichzeitig werden die Produktionskapazitäten durch lange Lieferzeiten begrenzt; die Beschaffung ist oftmals umständlich und ineffizient, und die mangelnde Vorausplanung führt in Kombination mit den großen Abweichungen zwischen den Impfkalendern zu einer unkalkulierbaren Nachfrage. Auch der demografische Wandel der Zielpopulation aufgrund von Zuwanderung und Alterung der Bevölkerung behindert eine exakte Planung.

Infolgedessen haben einige Mitgliedstaaten Probleme mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen oder sind mit hohen Impfstoffkosten konfrontiert, was wiederum bedeutet, dass es häufig keine oder zu geringe nationale Vorräte gibt. Wenn nun in dieser Situation ein Mitgliedstaat allein nicht in der Lage ist, einen Ausbruch zu kontrollieren, kann sich die entsprechende Krankheit rasch über die Grenzen hinweg auch in anderen Mitgliedstaaten ausbreiten und somit die Gesundheit und Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der gesamten Union bedrohen.

Auch im Bereich der Forschung und Entwicklung zu Impfstoffen gibt es Herausforderungen. Für die Entwicklung neuer, innovativer Impfstoffe und die Verbesserung bzw. Anpassung vorhandener Impfstoffe (z.B. verbessertes Sicherheitsprofil, Anpassung an unterschiedliche Altersstufen, Risikogruppen oder Pathogene) werden hohe Investitionen und umfangreiches Expertenwissen benötigt, wodurch Forschung und Entwicklung wesentlich komplexer, kostenintensiver und riskanter werden.

Schließlich ist die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln begrenzt. Derzeit wird in den EU-Ländern für das Impfen nur ein geringer Teil des Präventionsbudgets aufgewendet, das bis zu 0,5 % der Gesundheitshaushalte ausmacht, und es gibt Anhaltspunkte dafür, dass diese Ausgaben noch weiter sinken werden. Impfausgaben sollten angesichts ihrer breiten wirtschaftlichen Auswirkungen und ihres gesamtgesellschaftlichen Werts als grundlegende und intelligente Investition in die Gesundheit betrachtet werden.

Mit der vorliegenden Empfehlung des Rates soll eine engere Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen EU-Ländern, Industrie und anderen einschlägigen Interessenträgern erreicht werden, um die Durchimpfungsrate zu erhöhen, eine EU-weite Angleichung der Impfkalender zu fördern, die Erforschung und Entwicklung von Impfstoffen zu unterstützen und das Angebot, die Beschaffung und das Vorratsmanagement von Impfstoffen, auch in Krisensituationen, zu verbessern. Diese Maßnahmen sollten letztlich zu einem Rückgang der durch Impfung vermeidbaren Krankheitsfälle und zu einer Verbesserung der Gesundheitsprognosen der EU-Bürger führen sowie die gesundheitliche Sicherheit in der Europäischen Union insgesamt verbessern.

Der Vorschlag enthält Empfehlungen an die Mitgliedstaaten sowie gemeinsame Aktionen der Mitgliedstaaten und der Kommission und begrüßt die Absicht der Kommission, unter Berücksichtigung laufender VN- und anderer weltweiter Initiativen eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen.

Die Empfehlung sieht die Möglichkeit vor, ein europäisches Informationsaustausch-System einzuführen und im Zuge dessen Leitlinien zu einem einheitlichen EU-Impfkalender, einen EU-Impfpass und ein Webportal mit verlässlichen und aktualisierten Informationen über Nutzen und Sicherheit von Impfungen zu entwickeln.

Das Angebot von Möglichkeiten zur Entwicklung eines einheitlichen EU-Impfpasses würde die Kontinuität der Immunisierung von Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere von Kindern, auch beim Umzug in einen anderen Mitgliedstaat sicherstellen. Gegenwärtig ergeben sich durch die große Bandbreite an Impfkalendern und Impfpässen Praxishindernisse sowohl für die wirksame Verfolgung, Überwachung und Dokumentation der Impfgeschichte als auch für die Kommunikation zwischen verschiedenen Impfstoffherstellern innerhalb und zwischen den Mitgliedstaaten. Die Hauptprobleme sind zum Beispiel, dass Impfdokumente oft nur in der Landessprache vorliegen, dass häufig nicht nachvollzogen werden kann, welche Impfungen in welchen Dosen verabreicht wurden, dass eine Immunisierung, die bereits im Ursprungsland begonnen wurde, nicht erkannt oder nicht fortgeführt werden kann, vor allem wenn ein Kind sich mitten in einem Impfprogramm befindet, das zwar Bestandteil des Impfplans des Herkunftslandes, nicht aber des Aufnahmelandes ist. Eine EU-weit einheitliche Impfkarte mit einem vereinbarten Grundinformationsbestand für die einzelnen Impfungen könnte die Interpretation von Impfpässen erleichtern, vor allem beim Umzug in einen anderen Mitgliedstaat, und Impfhindernisse abbauen; sowohl Bürger als auch Gesundheitsdienstleister würden die einschlägigen Informationen erhalten, die sie brauchen, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung gegen durch Impfung vermeidbare Krankheiten immunisiert ist. In der 2009 durchgeführten Konsultation der Interessenträger zum Impfschutz von Kindern befürworteten 87 % der Befragten einen einheitlichen EU-Impfpass.

In der Empfehlung wird darüber hinaus die Einrichtung eines virtuellen Registers mit Daten zu Impfstoffbedarf und -beständen angeregt, damit die Mitgliedstaaten und die Kommission bei Krankheitsausbrüchen oder kritischen Engpässen verfügbare Impfstoffbestände prüfen und Überschüsse austauschen können. Des Weiteren sollten gemäß der Empfehlung Möglichkeiten der Bildung eines physischen Vorrats an Impfstoffen geprüft werden, die bei virulenten Krankheitsausbrüchen oder weltweiten Impfstoffengpässen zur Verfügung stehen würden. Auch eine Impfkoalition ist vorgesehen, in der sich Vertreter aus Verbänden der im Gesundheitsbereich Beschäftigten und entsprechenden Studierendenvereinigungen gemeinsam für eine Erhöhung der Durchimpfungsrate in Europa einsetzen.

Die Prüfung von Möglichkeiten für einen physischen Vorrat an Impfstoffen wurde vorgeschlagen, weil derzeit in vielen EU-Mitgliedstaaten wichtige Impfstoffe knapp sind. Jeder Mitgliedstaat muss über Bereitschaftspläne verfügen, weshalb die Empfehlung den Aufruf enthält, die Vorhersageverfahren zu verbessern. Um den Mitgliedstaaten zu helfen, kurzfristige Engpässe, etwa aufgrund von Krankheitsausbrüchen, unterschätztem Bedarf, Produktionsausfällen oder außergewöhnlichen Ereignissen wie Migrantenströmen aufzufangen, wären konzertierte EU-Hilfsmaßnahmen sehr von Vorteil. Eine 2015 vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten durchgeführte Risikobewertung zu Impfstoffengpässen kommt zu dem Schluss, dass gegenwärtig in der EU und im EWR häufiger Impfstoffengpässe auftreten als in der Vergangenheit, und es daher ratsam sei, dass die Länder Bestände für routinemäßige Impfprogramme anlegen, um bei zukünftigen Engpässen Immunisierungsunterbrechungen zu vermeiden. Manche Mitgliedstaaten haben bereits bei der Kommission Impfstoffe angefragt, um mithilfe des EU-Gesundheitssicherheitsausschusses Engpässe zu überwinden. Allerdings sehen die aktuellen EU-Instrumente zur Finanzierung des Gesundheitswesens keine Beschaffung von Impfstoffen vor. Daher plant die Kommission nun eine Zusammenarbeit mit Experten aus den Mitgliedstaaten und einen Dialog mit der Industrie, um Möglichkeiten für eine Bevorratung auf EU-Ebene auszuloten; dabei soll auch der an die Kommission und die Mitgliedstaaten gerichtete Aufruf des Europäischen Parlaments Berücksichtigung finden, Lösungen für eine bessere Impfstoffversorgung und -verfügbarkeit zu entwickeln, die auch die Anlegung von Impfstoffvorräten umfassen.

- Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

Die Empfehlung des Rates zu Impfungen entspricht den bestehenden Strategien im Impfbereich und gestaltet diese weiter aus. Die Empfehlung will politische

Orientierung für die Umsetzung bestehender Politikinstrumente auf Mitgliedstaatenebene und für deren bessere Koordinierung geben; zu diesen Instrumenten gehören die Empfehlung des Rates zur Impfung gegen die saisonale Grippe (2009), die Schlussfolgerungen des Rates zum Impfschutz von Kindern (2011) sowie die Schlussfolgerungen des Rates zu Impfungen als wirksames Instrument für die öffentliche Gesundheit (2014).

Die Empfehlung berücksichtigt außerdem den Bericht über die Durchführung des Beschlusses Nr. 1082/2013 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden

Gesundheitsgefahren (2015), den Bericht über die hochrangige Anhörung über die Umsetzung der Empfehlung des Rates zur Impfung gegen die saisonale Grippe (2015), den Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes Nr. 028/2016 "Der Umgang mit schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren in der EU" (2016), den Abschlussbericht des hochrangig besetzten SANTE-Workshops "Seeking new partnerships for EU action on vaccination" (Mai 2017), die gemeinsame Beschaffungsvereinbarung für die Beschaffung medizinischer Gegenmittel sowie die Ziele der über das Gesundheitsprogramm kofinanzierten gemeinsamen Maßnahme zur Impfung (Beginn 2018).

Die Empfehlung entspricht sowohl den Maßnahmen und der Politik der EU im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz als auch den Grundsätzen der europäischen Säule sozialer Rechte, insbesondere Grundsatz 10 zu Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und Grundsatz 16 zum universellen Recht auf Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung.

- Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

Die Empfehlung nutzt Synergieeffekte mit verwandten EU-Maßnahmen und - Strategien, wie z.B. der Europäischen Sicherheitsagenda, der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, dem Europäischen Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen im Rahmen des Konzepts "Eine Gesundheit", der Mitteilung zur digitalen Transformation im Gesundheits- und Pflegebereich (Communication on digital transformation of health and care), der Mitteilung der Kommission zur Bekämpfung von Desinformation im Internet, aktuellen und zukünftigen EU-Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation sowie den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds.

2. Rechtsgrundlage, Subsidiarität und Verhältnismässigkeit

- Rechtsgrundlage

Gemäß Artikel 168 Absatz 1 AEUV wird bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt. Die Tätigkeit der Union ergänzt die Politik der Mitgliedstaaten und ist auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von Humankrankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der körperlichen und geistigen Gesundheit gerichtet.

Gemäß Artikel 168 Absatz 6 AEUV kann der Rat auf Vorschlag der Kommission für die in diesem Artikel genannten Zwecke Empfehlungen zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit, insbesondere zur Bekämpfung weit verbreiteter schwerer Krankheiten und zur Beobachtung, frühzeitigen Meldung und Bekämpfung schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren, erlassen. Durch

Impfung vermeidbare Krankheiten werden als weit verbreitete schwere Krankheiten angesehen. Bei der Tätigkeit der Union in diesem Bereich muss die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung respektiert werden.

- Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

Impfprogramme fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Doch durch Impfung vermeidbare Krankheiten treten nicht nur innerhalb von Staatsgrenzen auf. Impfdefizite eines einzelnen Mitgliedstaats gefährden die Sicherheit und Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern in der gesamten EU, und die beschriebene Immunisierungsproblematik stellt für alle Mitgliedstaaten eine Herausforderung dar. Angesichts des grenzüberschreitenden Charakters von durch Impfung vermeidbaren übertragbaren Krankheiten haben die Mitgliedstaaten eine intensivere Unterstützung auf EU-Ebene gefordert und hervorgehoben, dass EU-weite gemeinsame Maßnahmen und besser koordinierte Ansätze erforderlich seien, um die grenzüberschreitende Ausbreitung von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten einzudämmen.

Eine Verstärkung der Zusammenarbeit von Akteuren aller einschlägigen Sektoren auf EU-Ebene, u.a. der Gesundheitsbehörden, der Impfstoffindustrie, der Forschung und Innovation sowie des Gesundheitswesens, stellt einen eindeutigen Mehrwert dar. Eine Empfehlung des Rates ist angewiesen auf das Engagement, die Bereitschaft und die Unterstützung der Mitgliedstaaten. Darüber hinaus besteht zwischen den Mitgliedstaaten ein breiter Konsens über die Vorteile von Impfungen, und eine Empfehlung des Rates ermöglicht es, eine gemeinsame EU-Position zu präsentieren, die sich an einer wissenschaftlich fundierten Risikobewertung und einem entsprechenden Risikomanagement orientiert, die Auswirkungen der Impfskepsis eindämmt, öffentliches Vertrauen schafft und öffentliche Unterstützung bewirkt und die Wirksamkeit der EU-weiten Forschung und Entwicklung zu Impfstoffen verbessert. Gleichzeitig wird die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung respektiert.

- Verhältnismäßigkeit

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird in vollem Umfang eingehalten, da die vorgelegten Empfehlungen auf Maßnahmen innerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs und der Mandate der EU-Organe und der Mitgliedstaaten beschränkt sind.

- Wahl des Instruments

Das für die Initiative geeignete Instrument ist eine Empfehlung des Rates, die den Mitgliedstaaten Leitlinien dafür bietet, wie sie ihre Zusammenarbeit verstärken, die Durchimpfungsraten erhöhen und auf diese Weise die Auswirkungen und den Schweregrad von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten abmildern können.

Die Empfehlung ermöglicht der EU und den Mitgliedstaaten, auf geeigneter Ebene weiter gemeinsam an der Beherrschung der verschiedenen Dimensionen des Problems zu arbeiten.

Der wichtigste Mehrwert einer Empfehlung besteht in dem Aufruf zum Handeln und darin, die politische Unterstützung für Strategien und Maßnahmen zugunsten von Impfungen und Immunisierung anzukurbeln. Dieser zentrale Ansatz sorgt für die nötige politische Sichtbarkeit, für Sensibilisierung und neue Impulse. Gemeinsame Bemühungen aller Mitgliedstaaten und Akteure sind erforderlich, um die Durchimpfungsraten zu erhöhen, Lücken beim Impfschutz zu reduzieren und das Vertrauen in Impfungen zu stärken.

3. Ergebnisse der EX-POST-BEWERTUNGEN , der Konsultationen der Interessenträger und der Folgenabschätzungen

- Konsultationen der Interessenträger

Im Laufe des Jahres 2017 und Anfang 2018 wurden mehrere Konsultationen von Interessenträgern durchgeführt, die in diese Initiative eingeflossen sind. Dazu gehörten eine öffentliche Konsultation sowie zielgerichtete Besprechungen mit Vertretern aus den Mitgliedstaaten über die Plattform für Gesundheitspolitik (Health Policy Platform).

Zwischen dem 21. Dezember 2017 und dem 15. März 2018 wurde speziell zu diesem Thema eine öffentliche Konsultation durchgeführt, zu der 8 984 Antworten eingingen.1

Im Januar und Februar 2018 fand eine Konsultation der Interessenträger statt, zu deren Fragebogen 33 Rückmeldungen eingingen, darüber hinaus wurden sechs zielgerichtete Treffen mit Verbänden der Angehörigen der Gesundheitsberufe, internationalen Organisationen, im Gesundheitsbereich tätigen

Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftlern und der Impfstoffindustrie durchgeführt.

Es gab eine klare Forderung nach transparenteren und leichter zugänglichen Informationen über das Impfen im Allgemeinen und über die Sicherheit und die möglichen Nebenwirkungen verschiedener Impfstoffe im Besonderen. Hervorgehoben wurde zum einen die Schlüsselrolle der im Gesundheitsbereich Beschäftigten für die Aufklärung der Patienten über das Impfen, zum anderen aber auch der Umstand, dass das Thema Impfen in den Lehrplänen medizinischer Fakultäten und in der beruflichen Weiterbildung stärker präsent sein müsse. Es gab auch einen breiten Konsens darüber, dass Impfungen unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen angeboten werden sollten und die Verfahren vereinfacht werden müssten.

Die Ergebnisse der Konsultationen sprachen dafür, dass in den Mitgliedstaaten ein großes Interesse an mehr EU-Maßnahmen in diesem Bereich besteht, zeigten aber andererseits auch das Ausmaß der Bedenken von Impfgegnern und -skeptikern sowie von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, die eine Impfpflicht ablehnen.

- Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Die Empfehlung stützt sich auf eine fundierte wissenschaftliche Grundlage und Sachkompetenz, einen überprüften wissenschaftlichen Konsens, eine anhand von Vergleichsdaten durchgeführte Analyse aktueller Impftrends und die Ergebnisse einer öffentlichen Konsultation der Interessenträger.

Durch die Zusammenarbeit mit internationalen Sachverständigengruppen wie dem Strategischen Beirat der Weltgesundheitsorganisation für Immunisierungsfragen (Strategic Advisory Group of Experts on Immunization, SAGE) und dem Europäischen Beirat für Immunisierungsfragen (European Technical Advisory Group of Experts in Immunization, ETAGE) sowie der globalen Initiative für Gesundheitssicherheit (Global Health Security Initiative) und der globalen Agenda für Gesundheitssicherheit (Global Health Security Agenda) konnte das Expertenwissen der EU ergänzt werden.

- Folgenabschätzung

Für diese Initiative ist keine Folgenabschätzung erforderlich, da diese keine neuen regulatorischen Anforderungen bewirken würde, die über das hinausgingen, was durch bereits bestehende einschlägige Politikinstrumente schon abgedeckt oder geplant ist.

- Effizienz der Rechtsetzung und Vereinfachung

Einige wichtige Auswirkungen, die man sich von der vorliegenden Empfehlung erwartet, sind eine bessere Koordinierung sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch zwischen ihnen sowie einfachere Kriterien für die Überwachung und Berichterstattung in Bezug auf das Impfen und durch Impfung vermeidbare Krankheiten.

- Grundrechte

Die Initiative stärkt den Anspruch der europäischen Bürgerinnen und Bürger auf hochwertige Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung, wie er in der europäischen Säule sozialer Rechte verankert ist.

4. Auswirkungen auf den Haushalt

Diese Empfehlung hat keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen auf den EU-Haushalt. Die gesamte Arbeit im Zusammenhang mit an die Kommission gerichteten Empfehlungen wird im Rahmen bereits vorhandener Mittel durchgeführt.

5. Weitere Angaben

- Durchführungspläne sowie Beobachtungs-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten

Die Kommission sollte die Umsetzung in den Mitgliedstaaten beobachten und die Empfehlung nach Anhörung der betroffenen Interessenträger in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten überprüfen, allerdings erst nach Ablauf eines hinreichend langen Zeitraums nach der vollständigen Umsetzung der Initiative, damit deren Auswirkungen angemessen evaluiert werden können. Die Wirksamkeit der Empfehlung könnte anhand von bestehenden und neuen Daten sowie von Informationen aus den Berichten der Mitgliedstaaten gemessen werden.

Derzeit wird eine vergleichende Bewertung des Impfschutzes in Europa jedoch u.a. durch das Fehlen standardisierter Nachverfolgungskriterien behindert. Wenn die Mitgliedstaaten dazu gebracht werden sollen, verlässliche und vergleichbare Impfstatistikdaten zu erheben und zu veröffentlichen, sind stärker standardisierte Kriterien erforderlich.

- Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags

Die Ziffern 1 bis 9 der Empfehlung sollen von den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden; sie zielen auf eine schnellere Entwicklung und Umsetzung nationaler Aktionspläne im Bereich Impfstoffe ab, damit die Zielsetzungen des Europäischen Impfaktionsplans der Weltgesundheitsorganisation erreicht werden können. Die Masernimpfung wird dabei wegen des aktuellen Ausbruchs in Europa besonders hervorgehoben. Der Vorschlag weist darauf hin, dass die Möglichkeiten zur Impfung und zur gezielten Ausrichtung auf gefährdete Gruppen einfacher und breiter gestaltet werden müssen, um Impflücken zu schließen. Die für Bildung zuständigen Behörden werden aufgefordert, in den Lehrplänen medizinischer Fakultäten und in der beruflichen Weiterbildung für alle Angehörigen der Gesundheitsberufe das Thema Impfen stärker in den Vordergrund zu stellen. In dem Vorschlag wird außerdem hervorgehoben, dass mehr Kommunikation und bewusstseinsbildende Maßnahmen zugunsten des Impfens erforderlich sind. Ein weiteres wichtiges Element des Vorschlags ist die Nutzung von Synergieeffekten mit elektronischen Gesundheitsdiensten und digitalen Technologien, um elektronische Impfpässe für alle Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen, die im Rahmen der Arbeit des Netzwerks für elektronische Gesundheitsdienste Bestandteil des grenzüberschreitenden Informationsaustauschs zwischen Gesundheitsdienstleistern sein sollten.

Die Ziffern 10 bis 16 beziehen sich auf Maßnahmen, die die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu ergreifen plant; dazu gehört auch die Einrichtung eines europäischen Systems zum Austausch von Impfinformationen, in dem gemeinsam mit den nationalen Gesundheitsbehörden Informationen und Fachwissen zum Thema Impfen zusammengetragen werden können. Im Rahmen dieses Systems könnten verschiedene Interessenträger gemeinsam Leitlinien für einen möglichen EU-weiten Kern-Impfkalender ausarbeiten, sich über übliche Methoden zur Überwachung der Durchimpfung austauschen und ein Webportal mit transparenten Erkenntnissen zum Nutzen und zu den Risiken von Impfstoffen einrichten, in dem auch zu irrigen Annahmen und Fehlinformationen rund um das Thema Impfen recherchiert werden kann. In dem Vorschlag wird auch betont, dass die bestehende Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit2, mit der sichergestellt wird, dass Beschäftigte im Gesundheitsbereich gegen bestimmte Krankheiten geimpft werden, wirksamer umgesetzt werden müsse.

Um schließlich Engpässe besser bewältigen und das Angebot erhöhen zu können, enthält der Vorschlag die Empfehlung, ein virtuelles Register mit Informationen zu Impfstoffbedarf und -beständen für Europa zu erstellen und einen Mechanismus für den Austausch von Impfstoffen zwischen Mitgliedstaaten zu entwickeln; ferner sollten die Möglichkeiten der Bildung eines physischen Vorrats an Impfstoffen, die bei Krankheitsausbrüchen oder weltweiten Impfstoffengpässen zur Verfügung stehen würden, geprüft und eine Zusammenarbeit mit der Industrie und anderen Interessenträgern angestrebt werden, um die Produktionskapazitäten für Impfstoffe in der EU zu verbessern.

In den Ziffern 17 bis 25 wird die Absicht der Kommission begrüßt, verschiedene Aktivitäten durchzuführen, u.a. Optionen für einen einheitlichen EU-Impfpass mit Standardinformationen zur Impfgeschichte vorzulegen; neben Maßnahmen zur Untersuchung der Zugangshindernisse und für einen besseren Zugang benachteiligter und sozial schwacher Gruppen zu Impfstoffen wird ein Bericht über das Thema Vertrauen in Impfstoffe in der EU gefordert; die Einberufung einer Impfkoalition mit Verbänden der europäischen Beschäftigten im Gesundheitsbereich und entsprechenden Studierendenvereinigungen, um für das Impfen zu werben sowie Partnerschaften und die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zu stärken, ist ein weiteres wichtiges Element des vorliegenden Vorschlags. 2018/0115 (NLE)

Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten

DER Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 168 Absatz 6, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, in Erwägung nachstehender Gründe:

EMPFIEHLT den Mitgliedstaaten,

BEGRÜSST die ABSICHT der Kommission, in ENGER Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten folgende Massnahmen DURCHZUFÜHREN:

BEGRÜSST die ABSICHT der Kommission,

Geschehen zu Brüssel am [...]
Im Namen des Rates
Der Präsident