968. Sitzung des Bundesrates am 8. Juni 2018
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Kommission zur Verbesserung der Transparenz und Nachhaltigkeit der Risikobewertung der EU im Bereich des Lebensmittelrechts. Er teilt das Ansinnen der Kommission, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Studien und somit das Vertrauen in das Risikobewertungssystem der Union zu stärken.
- 2. Die Kommission reagiert damit auf die erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative "Verbot von Glyphosat und Schutz von Menschen und Umwelt vor giftigen Pestiziden". Den vorliegenden Verordnungsvorschlag hatte die Kommission in ihrer Mitteilung zur Europäischen Bürgerinitiative angekündigt und zeigt damit, dass sie die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger aufgreifen und das Vertrauen in die EU stärken möchte.
- 3. Der Bundesrat unterstützt ausdrücklich die von der Kommission genannten Ziele des Vorschlags: Verschärfung und Präzisierung der Transparenzvorschriften, Stärkung der Vorkehrungen zur Gewährleistung von Zuverlässigkeit, Objektivität und Unabhängigkeit der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bei ihrer Risikobewertung verwendeten Studien, die Verbesserung von Funktion und Verwaltung der EFSA, die Stärkung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, die Förderung der EFSA, um in ihren Arbeitsbereichen ein hohes Maß an wissenschaftlichem Fachwissen aufrechtzuerhalten, sowie die Ausarbeitung einer umfassenden und wirksamen Risikokommunikationsstrategie.
Zu den einzelnen Vorschriften
- 4. Der Bundesrat bittet jedoch die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass die im Folgenden genannten Änderungen berücksichtigt werden.
- 5. Die in Artikel 1 Absatz 1 des Verordnungsvorschlags vorgesehene Einfügung von Abschnitt 1a in Kapitel II wird als nicht sinnvoll platziert angesehen. Kapitel II betrifft das allgemeine Lebensmittelrecht, Abschnitt 1 die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts. Die detaillierte Beschreibung der Risikokommunikation passt an dieser Stelle nicht in die Systematik, sondern sollte hinter dem Kapitel III EFSA verortet werden.
Damit wäre die chronologische Abfolge von der Beschreibung der Risikobewertung über das Risikomanagement bis hin zur Risikokommunikation gegeben. In jedem Fall muss bei Erwähnung "der Behörde", mit der die EFSA gemeint ist, auf "die Behörde gemäß Artikel 22" Bezug genommen werden.
- 6. Der neue Artikel 8c des Verordnungsvorschlags ist abzulehnen. Den Mitgliedstaaten werden nicht ausreichend Beteiligungs- und Einflussmöglichkeiten eingeräumt. Eine Übertragung der Befugnis, delegierte Rechtsakte zu erlassen, mit denen ein allgemeiner Plan für die Risikokommunikation erstellt wird, wird in der geplanten Form als nicht erforderlich angesehen. Die Ziele der Maßnahmen können von den Mitgliedstaaten sowohl auf zentraler, regionaler und lokaler Ebene im Hinblick auf Umfang und Wirkung ausreichend verwirklicht werden. Die Beschreibung des Plans ist unkonkret, die verwendeten Begrifflichkeiten werden nicht erläutert, zum Beispiel "Schlüsselfaktoren", "geeignete wichtigste Tools", "Kanäle" oder "geeignete Mechanismen", so dass die Ausgestaltung der Befugnis nicht transparent ist.
- 7. Der Bundesrat sieht die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte kritisch, mit denen ein allgemeiner Plan für die Risikokommunikation über Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Lebensmittelkette erstellt werden soll. Die Erstellung eines Plans für die Risikokommunikation ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz und betrifft wesentliche Aspekte der Verordnung. Das Vorhaben sollte daher im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und nicht mittels delegierter Rechtsakte umgesetzt werden.
- 8. Die Änderungen hinsichtlich der Ernennung der Mitglieder der wissenschaftlichen Gremien im neuen Artikel 28 Absatz 5a des Verordnungsvorschlags verpflichten die Mitgliedstaaten zur aktiven Benennung von Sachverständigen. Ein Interessenbekundungsverfahren wie für Mitglieder des wissenschaftlichen Ausschusses über einen Aufruf im Amtsblatt der EU findet nicht mehr statt, sondern muss künftig auf Ebene der Mitgliedstaaten initiiert werden. Da erhebliche Zweifel bestehen, dass diese Maßnahmen zur Stärkung des Systems, zur Unabhängigkeit der Risikobewertung und zu einer Steigerung der Bewerberzahl führen, wird auch diese Verfahrensmodifikation abgelehnt.
Des Weiteren soll der Geschäftsführende Direktor künftig die Auswahl der Mitglieder der wissenschaftlichen Gremien vornehmen und die Liste dem Verwaltungsrat zur Ernennung vorlegen. Diese Form einer Vorauswahl steht dem erklärten Ziel eines transparenten Vorgehens entgegen und ist ebenfalls abzulehnen.
- 9. Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag zur Erstellung eines Unionsregisters der Studien (Artikel 32b des Verordnungsvorschlags), die von Unternehmern im Zusammenhang mit der Beantragung einer Zulassung unter dem Lebensmittelrecht der Union in Auftrag gegeben wurden. Die Unternehmer sollen unverzüglich den Gegenstand jeder Studie, die sie im Zusammenhang mit dem Zulassungsantrag in Auftrag gegeben haben, melden. Somit kann erreicht werden, dass alle im Rahmen der Zulassung in Auftrag gegebenen Studien bei einer Bewertung durch die EFSA berücksichtigt werden können, unabhängig von ihrem Ergebnis. Darin sieht der Bundesrat einen wichtigen und notwendigen Beitrag zu Erhöhung der Transparenz.
- 10. Der Verordnungsvorschlag sieht vor, dass die EFSA die praktischen Vorkehrungen zur Umsetzung der Meldepflichten in ihren internen Regeln festlegt. Dazu gehören auch die Maßnahmen bei einem Verstoß gegen die Meldepflicht. Diese Maßnahmen müssen verhältnismäßig, aber auch ausreichend wirksam und abschreckend sein, um einem Verstoß vorzubeugen. Aufgrund der Bedeutung sowohl positiver als auch negativer Studienergebnisse für den Ausgang eines Zulassungsverfahrens sowie des allgemeinen öffentlichen Interesses sollten die Maßnahmen nicht von der EFSA festgelegt werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass in die Verordnung Maßnahmen zur Sanktionierung von Verstößen aufgenommen werden. Beispielsweise kann ein Verstoß gegen die Meldepflicht mit einem Ruhen des Zulassungsverfahrens für einen bestimmten Zeitraum geahndet werden.
- 11. Zur Erhöhung der Transparenz und zur Stärkung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger sieht der Verordnungsvorschlag vor, dass die EFSA wissenschaftliche Daten und Studien zur Stützung von Zulassungsanträgen unter dem Lebensmittelrecht öffentlich zugänglich macht. Angesichts des öffentlichen Interesses ist dies begrüßenswert. Gleichzeitig wird in Artikel 39 des Verordnungsvorschlags umfassender Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eingeräumt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für eine angemessene Berücksichtigung des öffentlichen Interesses für den Schutz der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt einzusetzen.
- 12. Der Bundesrat unterstützt die Absicht der Kommission zur Gewährleistung von Zuverlässigkeit, Objektivität und Unabhängigkeit der von der EFSA bei ihrer Risikobewertung verwendeten Studien und begrüßt ausdrücklich die Einführung eines zusätzlichen Überprüfungsinstruments. Es sollen zusätzliche Studien mit dem Ziel in Auftrag gegeben werden können, um die im Rahmen der Risikobewertung herangezogenen Nachweise zu überprüfen, um auf spezifische Fälle von großer gesellschaftlicher Bedeutung einzugehen, in denen die Sicherheit umstritten ist.
- 13. Der Bundesrat bittet die Kommission, über die bereits vorgelegten Änderungen hinaus zu prüfen, ob und wie eine stärkere Trennung von Auftraggebern und Forschungsinstituten erreicht werden kann. Eine Stärkung der Rolle der EFSA bei der Auswahl und Beauftragung von Laboratorien könnte eine Möglichkeit darstellen. Ebenso könnte eine unabhängige Auftragsvergabe für eine stärkere Trennung sorgen, bei der die Studien aus zentral zu vergebenden, von den Auftraggebern zu entrichtenden Gebühren finanziert werden.
- 14. In den neuen Artikeln 32a bis 32e des Verordnungsvorschlags werden Begriffe wie "Zulassung", "Zulassungsantrag" und "Zulassungssystem" genannt. Gemeint ist hier eine stoffliche Zulassung, die von dem Zulassungsbegriff für Betriebe gemäß Artikel 31 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 zu unterscheiden ist. Dies wäre zu verdeutlichen.
- 15. Der neue Artikel 32d des Verordnungsvorschlags sieht Kontrollen der Kommission bei den Labors, die im Zulassungsantrag genannt werden, vor. Begründet wird dies mit der zusätzlichen Gewähr, die Öffentlichkeit von der Qualität der Studien zu überzeugen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Kontrollen von Seiten der Kommission durchgeführt werden sollen. Die Ziele dieser Maßnahme können von den Mitgliedstaaten sowohl auf zentraler, regionaler und lokaler Ebene im Hinblick auf Umfang und Wirkung ausreichend verwirklicht werden.
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- 16. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.