949. Sitzung des Bundesrates am 14. Oktober 2016
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für die Überwachung von Treibhausgasemissionen sowie für die Berichterstattung über diese Emissionen und über andere klimaschutzrelevante Informationen zur Kenntnis.
- 2. Der Bundesrat begrüßt den Verordnungsvorschlag für eine verbindliche Festlegung nationaler Verpflichtungen zur Treibhausgasreduktion für den Zeitraum 2021 bis 2030 für die nicht dem Emissionshandel unterfallenden Bereiche. Auf den Sektor, der nicht dem Europäischen Emissionshandelssystem unterliegt (sogenannter Nicht-EHS-Sektor), entfallen circa 60 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit der vorgeschlagenen Verordnung die Bereiche adressiert werden (Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfall), die bisher nur sehr geringe Treibhausgasminderungen erbracht haben oder sogar aufwachsende Emissionen im Vergleich zu 1990 verzeichnen. Aus Sicht des Bundesrates sind daher besonders große Anstrengungen erforderlich.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass die im Klimagipfel von Paris zugesagten Klimaziele einen grundlegenden Umbau der gesamten Wirtschaftsstruktur erfordern. Dies wird ein grundlegendes Umsteuern auf Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energien einschließlich nachwachsender Rohstoffe zur Folge haben, um das bislang vor allem auf fossile Kohlenstoffquellen ausgerichtete System abzulösen.
- 4. Nach Auffassung des Bundesrates sind die Emissionsreduktionziele für den Nicht-EHS-Sektor darüber hinaus zu gering. Der Verordnungsvorschlag basiert weiterhin auf der EU-Reduktionsverpflichtung aus dem Oktober 2014. Diese sieht eine Treibhausgasreduktion von 40 Prozent bis 2030 auf Basis des Jahres 1990 vor, wobei vom Nicht-EHS-Sektor eine Reduktion von 30 Prozent gegenüber dem Stand des Jahres 2005 erbracht werden soll. Die niedrigen Emissionsreduktionen für den Nicht-EHS-Sektor stehen hiermit nicht im Einklang und berücksichtigten daher nicht die Ergebnisse des Pariser Klimaübereinkommens und der Bestrebung, den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2* C, möglichst auf 1,5* C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Der Bundesrat weist daher darauf hin, dass die Erreichung dieser Ziele eine Verstärkung der europäischen Anstrengungen erforderlich macht und die Reduktionsverpflichtungen des vorliegenden Verordnungsvorschlags an die Ziele des Pariser Klimaübereinkommens anzupassen sind.
Hauptempfehlung
- 5. Der Bundesrat spricht sich daher für eine generelle Anhebung des Reduktionsziels aus und eines Ziels von Minus 45 Prozent für den Nicht-EHS-Sektor bis 2030.
Hilfsempfehlung zu Ziffer 5
- 6. Der Bundesrat spricht sich daher für eine substanzielle Anhebung des allgemeinen Reduktionsziels sowie für eine entsprechende Anhebung des Reduktionsziels für den Nicht-EHS-Sektor bis 2030 aus.
- 7. Der Bundesrat bedauert, dass die in der vorgeschlagenen Verordnung vorgesehene Überprüfung der Zielerreichung im Jahr 2024 bzw. 2029 nicht parallel zu der des Pariser Klimaübereinkommens gestaltet ist. Er befürchtet, dass auf dieser Grundlage den in Paris eingegangenen Transparenzverpflichtungen nur unzureichend Rechnung getragen werden kann.
- 8. Der Bundesrat bedauert zudem, dass der Vorschlag keine abschließende Klarheit darüber schafft, wie die regelmäßige Aktualisierung und gegebenenfalls Verstärkung der Maßnahmen nach Artikel 14 des Pariser Übereinkommens in der EU-Gesetzgebung realisiert wird. Vor dem Hintergrund, dass insbesondere der Nicht-EHS-Sektor in der Vergangenheit nicht die Reduktionsbeiträge geleistet hat, die notwendig wären, hält der Bundesrat es für erforderlich hier frühzeitig Klarheit zu schaffen, mit welchen Maßnahmen die Kommission auf eine etwaige Zielverfehlung reagieren will. Darüber hinaus vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass es eines früheren Zeitpunkts und eines engeren Rhythmus der Evaluierung bedarf, um gegebenenfalls zeitnah weitere wirksame Maßnahmen ergreifen zu können.
- 9. Die Handelbarkeit der Emissionsrechte zwischen den Mitgliedstaaten (bis zu 5 Prozent der jährlichen Emissionszuteilung) kann zu einem Ungleichgewicht zwischen den Ländern führen, da somit in einigen Ländern nicht der maximal zu erzielende Minimierungseffekt erreicht wird und die einzelstaatlichen Zielsetzungen unterlaufen werden. Insgesamt werden die Anreize dadurch weiter abgesenkt. Die Regelung sollte daher ersatzlos gestrichen werden.
- 10. Der Verordnungsvorschlag sieht eine Reihe von Flexibilitätsregelungen vor. Die Mitgliedstaaten können überschüssige Emissionszuteilungen auf die nachfolgenden Jahre bis 2030 übertragen sowie unter bestimmten Umständen an andere Mitgliedstaaten übertragen. Zusätzlich wurde als weitere Möglichkeit vorgeschlagen, dass einige Mitgliedstaaten Zertifikate des EU-Emissionshandelssystems löschen und dieses als Beitrag zur Lastenteilung anrechnen lassen können. Diese verschiedenen Flexibilitätsregelungen drohen einer wirksamen Reduzierung der Treibhausgas-(THG)-Emissionen entgegenzustehen und die Zielsetzung aufzuweichen.
- 11. Der Bundesrat begrüßt die Anpassung des Bemessungszeitraums aufgrund der durchschnittlichen THG-Emissionen der Mitgliedstaaten in den Jahren 2016, 2017 und 2018. Dies erhöht die Genauigkeit und es gelingt dadurch besser, den Emissionsminderungsbeitrag des Nicht-EHS-Sektors an die Ziele der Klima- und Energiepolitik der EU bis 2030 anzupassen.
- 12. Der Bundesrat befürwortet darüber hinaus, dass als Startpunkt des linearen Reduktionspfades für die einzelnen Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2030 der geringere Wert aus folgenden beiden Alternativen gewählt wird:
- - reale durchschnittliche Emissionen der Jahre 2016 bis 2018,
- - erlaubte Emissionen im Zieljahr 2020.
Durch die Anwendung beider Kriterien kann gewährleistet werden, dass Mitgliedstaaten, die ihre Minderungsverpflichtungen für das Jahr 2020 übererfüllen, weiterhin Minderungen erbringen müssen, während Mitgliedstaaten, die ihre Minderungsziele 2020 nicht erreicht haben, dafür nicht honoriert werden. Dies steht im Einklang mit den Beschlüssen des Europäischen Rates von Oktober 2014, wonach die Lastenteilungsentscheidung mit allen ihren Elementen fortgeführt werden soll.
- 13. Der Bundesrat stellt fest, dass die Landwirtschaft bereit ist, einen angemessenen Beitrag zu den Klimaschutzbemühungen zu leisten. Dieser Beitrag muss jedoch der Sonderrolle dieses Sektors gerecht werden: Die Landwirtschaft dient der Ernährungssicherung und kann im Rahmen der Bioökonomie auch andere wichtige Güter des täglichen Lebens, wie nachwachsende Rohstoffe, bereitstellen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass bei der Bewirtschaftung der landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie bei der Tierhaltung Emissionen - teils auf Grund natürlicher mikrobieller Umsetzungsprozesse - unvermeidbar sind. Gleichzeitig ist die Land- und Forstwirtschaft der wesentliche Sektor, mit dem diffus vorhandenes Kohlendioxid aus der Atmosphäre in Biomasse gebunden und wirtschaftlich genutzt werden kann.
- 14. Der Bundesrat ist der Überzeugung, dass die in Artikel 7 benannte zusätzliche Verwendung von Einheiten aus entwaldeten Flächen, aufgeforsteten Flächen, bewirtschafteten Ackerflächen und bewirtschaftetem Grünland für den Nettoabbau von Treibhausgasen für die Berechnung im Nicht-EHS-Sektor ausgeschlossen sein sollte. Die Übertragung von Treibhausgasminderungen des LULUCF-Sektors - Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft - auf den Nicht-EHS-Sektor zum Ausgleich nicht erfolgter Treibhausgasminderungen führt selbst mit den in der vorgeschlagenen Verordnung bestimmten Einschränkungen zu erheblichen Verzerrungen bei der Zielerreichung, wird Wettbewerbsnachteile in einigen Mitgliedstaaten nach sich ziehen und insgesamt die Erreichung der Pariser Klimaziele gefährden.
- 15. Der Bundesrat stellt fest, dass die Aufteilung der Land- und Forstwirtschaft in den Sektor LULUCF und den Sektor Landwirtschaft als Teilbereich des NichtEHS-Bereichs nur für den Zweck der Klimaberichterstattung geeignet ist, da sonst natürliche Zusammenhänge getrennt und eine isolierte Betrachtung durchgeführt werden. So ist eine auch zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen sinnvolle Nutzung von Grünland zwingend mit einer Verwertung durch Wiederkäuer verbunden. Verbesserungen in der Landnutzung (LULUCF) sollten daher auch bei den durch Wiederkäuer unvermeidlichen Emissionen angerechnet werden können.
- 16. Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat die Bunderegierung,
- - sicherzustellen, dass Verbesserungen im Bereich der extensiven Landnutzung, insbesondere Grünland, vorrangig auf etwaige Reduktionsverpflichtungen im Bereich der Tierhaltung angerechnet werden können; - darauf zu achten, dass die anrechenbare Senkenwirkung aus dem LULUCFBereich nicht zu nachlassenden Minderungsbestrebungen in den Sektoren Energie, Industrieprozesse und Produktverwendung sowie Abfall führt;
- - bei der Konzeption von künftigen Emissionsminderungsmaßnahmen auch darauf zu achten, dass die Produktion landwirtschaftlicher Produkte einschließlich deren Emissionen nicht in andere Staaten und somit ohne tatsächlichen Gesamtnutzen für den Klimaschutz verlagert werden;
- - bei der Konzeption von künftigen Emissionsminderungsmaßnahmen geeignete (Förder-)Instrumente zur Verfügung zu stellen, damit Landwirte auf freiwilliger Basis einen zusätzlichen Beitrag leisten können, und - den Bereich der Forschung zu verstärken, um wirtschaftlich sinnvolle und von der landwirtschaftlichen Praxis umsetzbare Minderungspotenziale zu identifizieren. Dies gilt auch für entsprechende Forschungsvorhaben auf europäischer Ebene und deren Finanzierung.
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- 17. Der Verkehrsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.