Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Hinweis: vgl.
Drucksache 616/10 (PDF) = AE-Nr. 100788,
Drucksache 771/10 (PDF) = AE-Nr. 100957
1. Einleitung
In ihrer Strategie Europa 20201 betont die Kommission, dass Forschung und Innovation bei der Vorbereitung der Europäischen Union auf künftige Herausforderungen eine Schlüsselrolle spielen. Die Leitlinien für "Die GAP bis 2020"2 heben hervor, dass Innovation unerlässlich ist, um die Landwirtschaft in der EU für die Zukunft zu rüsten. Der "Haushalt für Europa 2020"3 beinhaltet 4,5 Mrd. EUR für Forschung und Innovation in den Bereichen Ernährungssicherheit, Biowirtschaft und nachhaltige Landwirtschaft.
Diese zentrale Rolle von Forschung und Innovation wird in der Leitinitiative der Strategie Europa 2020 "Innovationsunion"4, die das Konzept der Europäischen Innovationspartnerschaften (EIP) als neuen Weg zur Förderung der Innovation einführt, weiterentwickelt. Eine Pilot-EIP im Bereich "Aktives und gesundes Altern" wurde bereits lanciert. Außerdem wurden Vorbereitungen für die Entwicklung von EIP in den Bereichen "Rohstoffe", "Wassersparendes Europa" und "Landwirtschaft" getroffen. EIP verfolgen das Ziel, eine Brücke zwischen der Wissenschaft und der praktischen Umsetzung von innovativen Ansätzen zu schlagen. Der Rat betont, dass EIP einen klaren Schwerpunkt haben müssen und dass es wichtig ist, dass sich die Mitgliedstaaten einbringen und die bestehenden Instrumente vereinfacht werden.
Diese Mitteilung stellt das in der "Innovationsunion" festgehaltene Konzept der EIP "Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit" vor. Die EIP folgt den strategischen Leitlinien für "Europa 2020" und "Die GAP bis 2020". Sie basiert auf Beratungen mit Interessengruppen und soll die Erkenntnisse aus der Pilot-EIP im Bereich "Aktives und gesundes Altern", auch zur Entwicklung ihres "strategischen Durchführungsplans", sowie die Diskussionen im Rat und die seitens der Interessengruppen zum Ausdruck gebrachten Bedürfnisse und Ideen aufgreifen.
2. Die gesellschaftlichen Herausforderungen
Die weltweite Nahrungsmittelnachfrage wird bis 2050 voraussichtlich um 70 % steigen (FAO). Daneben wird auch die Nachfrage nach Futtermitteln, Faserstoffen, Biomasse und Biomaterialien sehr stark zunehmen. Dies wird unweigerlich eine Angebotsreaktion seitens der EU-Landwirtschaft, einem der größten Versorger der internationalen Agrarmärkte, auslösen. Der Agrarsektor der EU hat einen Anteil von 18 % an den weltweiten Nahrungsmittelausfuhren mit einem Gesamtwert von 76 Mrd. EUR. Gemessen in Produktionswerten erzeugt die EU-Landwirtschaft mehr als 40 % der gesamten Nahrungsmittel innerhalb der OECD. Natürlich sind aufgrund der sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen und technischen Entwicklung der Landwirtschaften die Beiträge der Mitgliedstaaten und Regionen zur Lebensmittelproduktion in der EU unterschiedlich hoch.
In den letzten Jahrzehnten konnten die landwirtschaftlichen Erträge beträchtlich gesteigert werden, wobei sich diese Entwicklung in den letzten Jahren in den Industriestaaten jedoch verlangsamte. Dieser Zuwachs ging teilweise zulasten der natürlichen Ressourcen und der Umwelt. 45 % der Böden in Europa haben sich verschlechtert, was sich im niedrigen Gehalt an organischen Substanzen zeigt, und fast ein Viertel der Böden ist von mäßiger bis hoher Erosion betroffen. Wertvolle Ökosysteme und die damit einhergehenden wertvollen Ökosystemleistungen sind geschädigt oder verschwunden. In den letzten 20 Jahren hat die Population der Feldvögel um 20 bis 25 % und die der auf Grasflächen lebenden Schmetterlinge um 70 % abgenommen; Bestäuber wie Bienen sind ernsthaften Bedrohungen ausgesetzt. Rund 40 % der landwirtschaftlichen Fläche ist von Nitratbelastung betroffen, wodurch Wasserressourcen bedroht werden. Die Landwirtschaft verursacht außerdem 9 % der Treibhausgasemissionen der EU.
In der Land- und Forstwirtschaft wurden große Fortschritte dabei erzielt, die landwirtschaftliche Erzeugung mit der Notwendigkeit, natürliche Ressourcen nachhaltig zu bewirtschaften und die Umwelt zu schützen, in Einklang zu bringen. Diese positiven Entwicklungen könnten jedoch durch die zunehmende landwirtschaftliche Erzeugung, die aufgrund des Anstiegs der weltweiten Nachfrage zu erwarten ist, untergraben werden. Sollte dieser Produktionsanstieg tatsächlich auf Grundlage bestehender Praktiken erfolgen, könnten die natürlichen Ressourcen und die Umwelt weiter geschädigt werden.
Diese Phänomene betreffen nicht allein die technologisch fortschrittlichsten Bereiche der Landwirtschaft in der EU. Europa hat auch ein riesiges Potenzial in Bereichen, die durch kleine und traditionelle landwirtschaftliche Betriebe gekennzeichnet sind. Wenn diese Betriebe jedoch weiter dem althergebrachten Entwicklungsmuster folgen, werden bestehenden, häufig artenreichen Lebensräumen und der Biodiversität sowie Bodenfunktionalität und Wasserressourcen große Umweltschäden zugefügt werden.
Eine Veränderung der Wachstumsmuster ist erforderlich, um eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Erzeugung von Lebens- und Futtermitteln, Faserstoffen, Biomasse und Biomaterialien zu gewährleisten. Um dies zu erreichen, müssen eine leistungsfähige Versorgung und eine Verringerung der hohen Nachernteverluste Hand in Hand gehen. Ebenso müssen die Anpassung an den Klimawandel, die vernünftige Nutzung der Biodiversität sowie die Wiederherstellung der Ökosysteme und der Ökosystemleistungen einbezogen werden. Die Besonderheiten jedes Gebiets sowie das durch die genetische Vielfalt gegebene Potenzial müssen berücksichtigt werden, damit wir unsere breite genetische Grundlage mit unterschiedlichen - neuen und alten - landwirtschaftlichen Bewirtschaftungspraktiken kombinieren und einen besseren Einsatz und bessere Nutzung unserer begrenzten Ressourcen sicherstellen können. Die Nahrungsketten sind vielfältig, und ihre Besonderheiten müssen berücksichtigt werden. "Lange" Versorgungsketten beinhalten Aspekte wie Haltbarmachung und Lagerung, während bei "kurzen" Versorgungsketten der Schwerpunkt auf der lokalen Lebensmittelversorgung und besonderen Qualitätsmerkmalen liegt. Bei all dem müssen die Verbraucher im Mittelpunkt stehen, während gleichzeitig sichergestellt werden muss, dass sichere, hochwertige und nachhaltig erzeugte Lebensmittel produziert werden.
Diese Ertragsteigerung muss mit einer verbesserten wirtschaftlichen Rentabilität für Primärerzeuger einhergehen, deren Anteil an der Wertschöpfung in der Nahrungskette in den letzten zehn Jahren zurückgegangen ist. Wenn landwirtschaftliche Betriebe nicht rentabler werden, wird die ökologische Nachhaltigkeit zu einer noch größeren Herausforderung werden.
Eine gesteigerte und nachhaltige landwirtschaftliche Erzeugung kann nur erreicht werden, wenn auf allen Ebenen mehr Forschungs- und Innovationsanstrengungen unternommen werden. Forscher und Interessengruppen haben wiederholt auf die Lücke zwischen der Bereitstellung von Forschungsergebnissen und der Umsetzung innovativer Ansätze in die landwirtschaftliche Praxis hingewiesen. Es dauert zu lange, bis neue Ansätze an der Basis ankommen und dem Wissenschaftssektor werden die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Praxis nicht hinreichend kommuniziert. Daher können wichtige Innovationen nicht im notwendigen Maße umgesetzt werden und relevante Forschungsbereiche erhalten oft nicht die erforderliche Aufmerksamkeit.
Für eine erhöhte Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft ist in erster Linie eine verbesserte Ressourceneffizienz erforderlich, um den Wasser- und Energieverbrauch sowie den Einsatz von Düngemitteln (besonders Phosphor und Stickstoff) und Schädlingsbekämpfungsmitteln bei der Erzeugung zu senken. Außerdem müssen entsprechend den Leitlinien des "Fahrplans für ein ressourcenschonendes Europa"5 erneuerbare Energieträger verstärkt genutzt und Abfälle verringert werden. Nachhaltigkeit erfordert weniger Umweltverschmutzung, den Schutz der Wasserqualität und der Bodenfunktionalität, die Erhaltung der Biodiversität und der Ökosystemleistungen sowie eine Verringerung der Treibhausgasemissionen. Die Lösungen müssen über die einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe hinausgehen und auch den breiteren geografischen Raum, darunter Wälder und Naturschutzgebiete, einbeziehen. Geeignete Technologien, IKT und Satellitennavigation sowie neue Managementmethoden bieten ein großes Entwicklungspotenzial. Die Bereiche allgemeine und berufliche Bildung sind für die Entwicklung der erforderlichen Fähigkeiten entscheidend. Die Stärkung der Stellung der Landwirte in der Versorgungskette erfordert innovative Ansätze, die Transparenz, Informationsgehalt und Managementkapazität erhöhen sowie neue Qualitätsprodukte liefern.
Eine nachhaltige Erzeugung beinhaltet auch die Substitution von Input und Output durch intelligentes Nutzen und Recyceln von Biomasse und durch Bioraffination; außerdem müssen Nachernteverluste verringert werden. Die Herausforderung gilt für die gesamte Versorgungskette, vom Primärerzeuger bis hin zum Verbraucher. Die Verbraucher können den durch die steigende Nachfrage entstehenden Druck zu weiterer Primärproduktion durch eine Änderung ihres Konsumverhaltens verringern. Die allgemeine und berufliche Bildung bieten ein enormes Potenzial für eine Verbesserung der Ernährung, gesunde Lebensweisen und weniger Lebensmittelverschwendung. Durch die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien an kritischen Punkten in der Versorgungskette könnten Transparenz, Vertrauen und Wissen verbessert werden.
3. Förderung einer wettbewerbsfähigen nachhaltigen EU-Landwirtschaft
Ziel der EIP ist es, eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Land- und Forstwirtschaft zu fördern, die "durch weniger mehr erreicht" und im Einklang mit der Umwelt steht. Die EIP wird zur Schaffung eines wettbewerbsfähigen Primärsektors beitragen, der weltweit die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, ein breites Produktspektrum und diversifizierte Produktionssysteme, eine langfristige Versorgung mit unterschiedlichen Rohstoffen für die Herstellung von Lebensmitteln und Nichtlebensmitteln sowie eine ausgewogene Wertschöpfungskette sicherstellt.
Um die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität und des Ertrags nachhaltig zu gestalten, müssen die natürlichen Ressourcen den ökologischen Anforderungen entsprechend gut bewirtschaftet werden. Der Boden wird in diesem Zusammenhang besonders wichtig sein, da sich Erfolg und Misserfolg einer Entwicklung hin zu nachhaltigeren Erzeugungsformen zuallererst bei diesem Medium zeigen wird. Der Boden ist die grundlegende Ressource für die landwirtschaftliche Erzeugung. Flächennutzung und Wasserqualität/-menge, Biodiversität und Ökosystemleistungen greifen auf vielfältige Weise ineinander.
Der Klimawandel wirkt sich stark auf die besonders empfindliche Ressource Boden aus. Die Bodenfunktionen wie Bodenstabilität, Boden-Wasser-Kreislauf, Pufferfunktion für Nährstoffe und biotische Integrität sind grundlegende Parameter für die Bodenproduktivität. Aufgrund seiner Funktion als CO₂-Senke spielt der Boden eine entscheidende Rolle beim Klimaschutz. Landbewirtschaftungssysteme müssen der Bodenverarmung und der Erosion vorbeugen, die Bodenfunktionen stabilisieren und zu Klimaschutz und Klimaanpassung beitragen.
Im Hinblick auf diese Ziele wurden für die EIP zwei Zielindikatoren erarbeitet:
- - Als Indikator für die Förderung der Produktivität und Effizienz des landwirtschaftlichen Sektors hat die EIP zum Ziel, die jüngste Tendenz der Verlangsamung des Produktivitätszuwachses bis 20206 umzukehren.
- - Als Indikator für die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft hat die EIP das Ziel, die Funktionalität der Böden7 in Europa bis 2020 auf ein zufriedenstellendes Niveau zu bringen. Die Bodenfunktionalität umfasst die Ertragsfähigkeit des Bodens und seine Schlüsselrolle beim Klimaschutz, bei der Anpassung an den Klimawandel und der Stabilität der Ökosysteme.
Diese Zielindikatoren beziehen sich auf die Primärerzeugung; die EIP wird jedoch auch die vielen Wechselwirkungen in der gesamten Versorgungskette bis hin zum Verbraucher angehen. Die spezifischen Ziele der EIP werden während der konkreten Umsetzung der Partnerschaft ausgearbeitet im Einklang mit den Politiken, auf denen die EIP fußt.
Die operativen Ziele der EIP umfassen einen erfolgreichen Brückenschlag zwischen der modernen Forschung und Technologie und den Interessengruppen, darunter Landwirte, Vertreter aus Wirtschaft und Industrie, Beratungsdienste und NRO. Dies sollte dazu beitragen, Forschungsergebnisse in tatsächliche Innovationen und diese dann schneller in die Praxis umzusetzen, systematisch Rückmeldung aus der Praxis an die Wissenschaft hinsichtlich des Forschungsbedarfs zu geben, und einen verstärkten Wissensaustausch sowie die Sensibilisierung für die Notwendigkeit gemeinsamer Bemühungen für Investitionen in nachhaltige Innovationen sicherzustellen.
Die EIP strebt danach, Synergien zu schaffen, durch die der Austausch zwischen Partnern aus unterschiedlichen politischen Bereichen, Sektoren, Initiativen und Projekten gefördert wird, und trägt gleichzeitig dazu bei, dass die Wirksamkeit der bestehenden politischen Instrumente verstärkt wird und diese, wo erforderlich, zugleich durch neue Maßnahmen ergänzt werden.
4. Vorteile Chancen
Land- und Ernährungswirtschaft sichern zusammen 17 Mio. Arbeitsplätze (7,6 % der gesamten Beschäftigungsquote) und 3,5 % der gesamten Bruttowertschöpfung in der EU-27. Die EIP wird die Stellung der Landwirtschaft der EU als wettbewerbsfähigem und ressourcenschonendem Sektor stärken und zu einer nachhaltigeren Forstwirtschaft und Landnutzung beitragen. Vor- und nachgelagerte Wirtschaftsbereiche, die den Primärerzeugern "grüne" Technologien bieten, müssen in die EIP einbezogen werden und werden auch davon profitieren.
Um ihr volles Potenzial zu entwickeln, muss die Rolle der Landwirte in der Versorgungskette gestärkt werden. Änderungen der Verbrauchernachfrage nach sicheren, gesunden und hochwertigen Lebensmitteln deuten auf die wachsende Bedeutung für die lokalen Märkte. Der ständig wachsende Markt für Lebens- und Futtermittel, Faserstoffe, Biomaterialien und Bioenergie bietet Möglichkeiten für wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung und soziale Innovation. Die Nutzung der genetischen Vielfalt der EU birgt ein breites Entwicklungspotenzial und eröffnet den Primärerzeugern neue Produkt- und Marktchancen, und die EIP wird sie dabei unterstützen, diese Chancen zu nutzen.
Ohne Innovationsanstöße wie durch die EIP wird es für die EU-Landwirtschaft schwierig werden, die Produktion zu erhöhen und zugleich zu vermeiden, dass die Produktionskapazitäten sich weiter verschlechtern und die natürlichen Ressourcen, insbesondere Böden, Wasser und Ökosystemleistungen, weiter geschädigt werden. Der TEEB-Studie über die "Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität" zufolge werden die Kosten des Erhalts der Biodiversität terrestrischer Systeme im Jahr 2050 etwa 7 % des geschätzten BIP betragen. Als Beispiel führt die Studie die Insektenbestäubung an, die einem Wert von 15 Mrd. EUR pro Jahr entspricht. Darüber hinaus wird die EIP dazu beitragen, die Kohlenstoffbindung zu sichern, Treibhausgasemissionen einzudämmen und den Energieverbrauch zu senken. Besseres Wissen im Bereich Ernährung wird zu einer Änderung im Konsumverhalten führen und die Entwicklung vielfältigerer und hochwertigerer Produkte fördern.
5. Ausschöpfung des Potenzials
Die Mitgliedstaaten und Interessengruppen haben wiederholt ihr starkes Interesse zum Ausdruck gebracht, die Innovation in der Landwirtschaft durch einen EU-weiten Ansatz zu fördern. Auf der Tagung des Europäischen Rates vom 20. Juni 2008 wurde das "Erfordernis" unterstrichen, "Innovationen sowie Forschung und Entwicklung in der landwirtschaftlichen Produktion voranzutreiben, um insbesondere Energieeffizienz, Produktivitätswachstum und die Fähigkeit zur Anpassung an den Klimawandel zu verbessern". Ähnliche Schlussfolgerungen wurden von landwirtschaftlichen Organisationen und Landwirtschaftskammern gezogen und in der Erklärung der G20 von Cannes wird betont, dass es dringend notwendig ist, in landwirtschaftliche Forschung und Innovation zu investieren.
Das Konzept und der Inhalt der EIP "Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit" wurde mit zahlreichen Interessengruppen diskutiert. Diese betonten, dass eine EIP im Bereich Landwirtschaft notwendig sei und unterstrichen die Notwendigkeit für einen Brückenschlag zwischen der landwirtschaftlichen Praxis und der Wissenschaft durch intelligente Netzwerke.
Die EIP wird Partner auf unterschiedlichen institutionellen und geografischen Ebenen sowie in unterschiedlichen Sektoren ermutigen, zusammenzuarbeiten und das enorme Potenzial für Synergien zu nutzen. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei darauf gelegt werden, die Möglichkeiten der verschiedenen Politikfelder, insbesondere der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), der Forschungs- und Innovationspolitik, der Kohäsionspolitik, der Umwelt- und Klimaschutzpolitik, der Verbraucherschutz- und Gesundheitspolitik, der Bildungs- und Ausbildungspolitik, der Industriepolitik und der Informationspolitik der EU, auszuschöpfen. Enge Zusammenarbeit und ein Austausch über gewonnene Erkenntnisse sollen auch mit anderen EIP, darunter der EIP "Rohstoffe" und "Wassersparendes Europa", erfolgen. Letztere ist mit der EIP für den Bereich Landwirtschaft verbunden, da sie die Themen Wasserinfrastruktur und Wasserzuteilung in ländlichen Gebieten abdeckt, während die EIP "Landwirtschaft" die Wassernutzung und Verringerung der Wasserverschmutzung in der Landwirtschaft behandelt.
6. Umsetzung von Innovationen in die landwirtschaftliche Praxis
Die EIP wird mehrere Phasen abdecken: vom Hauptforschungsprozess und der Verbreitung der Forschungsergebnisse bis hin zur Entwicklung der Produkte und Techniken sowie ihrer Einbindung in den Produktionsvorgang. Eine wichtige Rolle wird außerdem die Zertifizierung spielen, die den erhöhten Mehrwert der Forschungsprodukte bestätigt.
Um Innovationen in die landwirtschaftliche Praxis umzusetzen, wird die EIP eine Reihe von bestehenden Politiken nutzen, insbesondere die im Rahmen der GAP bestehende Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes sowie die Forschungs- und Innovationspolitik der EU, um konkrete innovative Maßnahmen zu finanzieren. Während bei Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes normalerweise innerhalb der Grenzen der Programmregionen, meist auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene, agiert wird, müssen innovative Maßnahmen auf überregionaler, grenzüberschreitender oder EU-Ebene über die Forschungs- und Innovationspolitik der EU kofinanziert werden. Synergien mit den Möglichkeiten, die die Kohäsionspolitik bietet, sollen angestrebt werden, insbesondere durch regionale innovative Strategien sowie transnationale und interregionale Kooperationsprogramme.
Der Mehrwert der EIP liegt erstens in ihrem Potenzial, bestehende Politiken auf Innovation auszurichten, und zweitens in ihrer Funktion als dynamische Plattform, die Landwirte, Interessengruppen und Forscher zusammenbringt. Die Umsetzung wird durch operationelle Gruppen erfolgen, die als entscheidende konkret handelnde Einheiten Akteure wie Landwirte, Wissenschaftler, Berater, NRO und/oder Unternehmen einbinden. Die operationellen Gruppen bilden sich entsprechend ihren Interessensschwerpunkten und führen Projekte durch, bei denen innovative Praktiken, Vorgänge, Produkte, Dienstleistungen und Technologien getestet und angewendet werden sollen. Auf grenzüberschreitender oder EU-Ebene werden die operationellen Gruppen besonders im Rahmen von Clusterinitiativen sowie Pilot- und Demonstrationsprojekten agieren. Konkrete Maßnahmen werden durch die Wissensgrundlage des Forschungs- und Innovationsrahmens der EU untermauert.
Ein EIP-Netzwerk wird unter dem Dach des Netzwerks für ländliche Entwicklung gegründet. Es soll Aktivitäten auf EU-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene anregen, die Bildung von operationellen Gruppen fördern und über die im Rahmen der EU-Politiken bestehenden Möglichkeiten informieren. Im Gegenzug müssen die operationellen Gruppen dem Netzwerk über ihre Projekte Bericht erstatten. Somit wird das Netzwerk als Vermittler fungieren, der die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis verbessert. Es wird dazu beitragen, Erfahrungen auszutauschen, darunter auch negative Erfahrungen, gewonnene Erkenntnisse und bewährte Praktiken. Außerdem wird es einen systematischen Feedback-Mechanismus vorsehen, der die Erfordernisse der Praxis an die Forschungsagenda weitergibt.
Eine erfolgreiche Umsetzung der EIP wird darauf basieren, relevantes Wissen aus einer Vielfalt an Fachgebieten, die Teil der europäischen Forschungsgemeinschaft sind, zu vermitteln und zu übertragen. Ein beträchtlicher Beitrag zur Diskussion und Entwicklung von konsistenten und relevanten thematischen Leitlinien wird von Initiativen der Gemeinsamen Programmplanung (JPI), dem Ständigen Agrarforschungsausschuss (SCAR), ERA-NET8 und europäischen Technologieplattformen erwartet. Diese Initiativen werden zur Diskussion über mögliche innovative Maßnahmen beitragen und dem Erfahrungsaustausch dienen. Sie können die Bildung von operativen Gruppen unterstützen mit dem Ziel, weitere innovative Maßnahmen durchzuführen. Das EIP-Netzwerk wird zu einer besseren Vernetzung dieser Initiativen beitragen. Durch eine entsprechende Begleitung und Bewertung wird eine ordnungsgemäße Umsetzung sichergestellt.
7. Organisationsstruktur
Ein hochrangiges Lenkungsgremium, das aus einer begrenzten Anzahl an Vertretern der Mitgliedstaaten und Interessengruppen (Angebots- und Nachfrageseite) besteht, die aufgrund ihrer persönlichen Kompetenzen ernannt werden, wird mithilfe eines strategischen Umsetzungsplans, der prioritäre Bereiche für Maßnahmen und Empfehlungen darüber, wie die Ziele der EIP erreicht werden können, identifiziert, strategische Beratung und Lenkung anbieten.
Auf Grundlage der Erfahrung der Pilot-EIP im Bereich "Aktives und gesundes Altern" wird die Arbeit des Lenkungsgremiums mit einer vollen Beteiligung der Mitgliedstaaten und Interessengruppen bei der Umsetzung der konkreten Maßnahmen sowie der Folgemaßnahmen der EIP im Bereich Landwirtschaft Hand in Hand gehen. Fokusgruppen und thematische Kurse, die durch das Netzwerk organisiert werden, sollen diese Arbeit zusätzlich unterstützen.
Die EIP stützt sich auf bestehende EU-Politiken. Die Finanzierung, Umsetzung und Priorisierung der Maßnahmen werden daher auf den entsprechenden Mechanismen dieser Politiken fußen. Gemäß der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes sollen die Mitgliedstaaten quantifizierte Etappenziele (auch im Bereich der Innovation) angeben, die Europa 2020-Ziele widerspiegeln. Die EU-Forschungs- und Innovationspolitik wird Projekte unterstützen, die mit den strategischen Leitlinien und den Beschlussfassungsmechanismen von "Horizont 2020" einhergehen. Das EIP-Netzwerk wird bestehende Mechanismen nutzen, um den Mitgliedstaaten und den für die Entwicklung des ländlichen Raums zuständigen Verwaltungsbehörden, darunter auch der Ausschuss für die Entwicklung des ländlichen Raums und Begleitausschüsse, Bericht zu erstatten und mit diesen zusammenzuarbeiten.
8. Bereiche für Innovative Massnahmen
Nach den durch die Pilot-EIP gesammelten Erfahrungen sollten Inhalt und Prioritäten, die von der EIP verfolgt werden, sich in offener Weise herausbilden und den Bedarf an diversen Lösungen widerspiegeln. Die Übertragung neuer Technologien, Methoden und Vorgänge in die landwirtschaftliche Praxis und die Schaffung eines Raumes für praktische Fragen und Lenkung erfordern einen mit einer wirksamen Vernetzung kombinierten "Bottom-Up"- Ansatz. Entsprechend den Schlussfolgerungen der OECD9 wird die EIP nicht auf einem Innovationsmodell allein fußen. Außerdem wird berücksichtigt, dass Innovationen technischer, nichttechnischer oder sozialer Natur sein und auf neuen oder traditionellen Praktiken basieren können.
Einige vorläufige Schwerpunktbereiche für Forschung und Innovation wurden auf Basis der Beiträge von und des Austauschs mit Interessengruppen und Forschern ausgewählt. Die unten angeführte Liste soll nicht den Inhalt der konkreten innovativen Maßnahmen vorwegnehmen. Die Umsetzung der EIP soll diese ggf. ergänzen.
Höhere landwirtschaftliche Produktivität, höhere Erträge und mehr Ressourceneffizienz
Anhand dieser innovativen Maßnahmen soll der landwirtschaftliche Ertrag gesteigert und zugleich eine effiziente und nachhaltige Ressourcennutzung sichergestellt werden. Das Ziel von Produktionsverfahren mit geringem Mitteleinsatz läge in der nachhaltigen Nutzung von Nährstoffen (darunter Phosphor und Stickstoff) und Schädlingsbekämpfungsmitteln, der optimierte Nutzung von Energie, Wasser und genetischen Ressourcen und einer geringeren Abhängigkeit von externen Einträgen. In den Bereichen integrierter Pflanzenschutz, biologischer Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung, verbesserte Nutzung von Pflanzenschutzprodukten und Verringerung der THG-Emissionen aus Tierzucht und Böden sind Fortschritte notwendig. Lösungen im Bereich Recycling und Verringerung von Nachernteverlusten würden den Druck auf natürliche Ressourcen verringern. Das Potenzial von grünen Technologien wie IKT, Präzisionslandwirtschaft und Schädlingswarnsysteme sollte genutzt werden.
Innovation zur Unterstützung einer biobasierten Wirtschaft
Innovative Lösungen sollten an die gesamte Versorgungskette sowie die wachsende biobasierte Wirtschaft angepasst werden. Es sollten Lösungen für Bioraffinerie und Recycling gesucht werden, ebenso wie für die intelligente Nutzung von Biomasse aus Kulturpflanzen, Wäldern und Lebensmittelabfällen, wodurch ihr großes Potenzial ausgeschöpft werden könnte, ohne die organischen Substanzen im Boden zu verringern. Es könnte auch in Betracht gezogen werden, die Primärproduktion von Eiweiß durch Algen oder Biofermentation zu ersetzen. Die Tier- und Pflanzenzucht könnte genutzt werden, um höhere Erträge zu erzielen, Emissionen zu senken und eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten sowie eine höhere Qualität der Endprodukte (z.B. bessere Nährwertprofile) zu erreichen.
Biodiversität, Ökosystemleistungen und Bodenfunktionalität
Innovationen, die die Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Betriebsführung und forstwirtschaftlicher Verfahren verbessern, sind auch für Ökosystemleistungen und die Bodenfunktionalität von Nutzen. Ein besonderer Schwerpunkt sollte auf integrierte agroökologische Systeme gelegt werden, die die Verbesserung von Boden, Kohlenstoffbindung, Wasserrückhaltung, der Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme und der Bestäubungsfunktion einschließen. Lösungen könnten sich auf eine verbesserte Bodenbewirtschaftung (darunter flache Bodenbearbeitung und Erhaltung umweltfreundlicher Infrastrukturen) konzentrieren sowie auf integrierte Raumplanung, neue land- und forstwirtschaftliche Systeme und natürliche Methoden zur Erhaltung der Ökosysteme. Weitere Bereiche wären die optimierte Nutzung genetischer Ressourcen, Systeme mit geringem Induktionsmitteleinsatz bzw. des biologischen Landbaus, die Verstärkung der genetischen Vielfalt in der Landwirtschaft, die Entwicklung von Verfahren zur biologischen Regenerierung von verschmutzten Böden und von innovativen Strategien zur Anpassung an den Klimawandel.
Innovative Produkte und Dienstleistungen für eine integrierte Versorgungskette
Ziel ist die Entwicklung und Nutzung innovativer Produkte, Geräte und Dienstleistungen zusammen mit der Schaffung einer transparenten und nachhaltigen Versorgungskette. Der Schwerpunkt läge auf besseren Informationssystemen und Risikomanagementinstrumenten, die die Eigenschaften von Produkten und Produktionsverfahren widerspiegeln, wie Benchmarking-Systemen, Nachhaltigkeitsnormen, Erstellung von CO₂-Bilanzen, Lebenszyklusanalysen (mit Schwerpunkt auf Abfallbewirtschaftung) und Zertifizierungssysteme. Lösungen könnten Innovationen im Bereich der landwirtschaftlichen Betriebsführung umfassen, durch die die Rolle der Landwirte in den Versorgungsketten gestärkt werden könnte, z.B. durch Zusammenschlüsse von Erzeugern oder kurzen Nahrungsketten. Neue Diagnoseinstrumente würden dazu beitragen, die Umweltleistung und den gesellschaftlichen Beitrag von landwirtschaftlichen Betrieben zu messen. Die Lösungen würden auch die gesamte Vielfalt unserer genetischen Basis ausschöpfen und neue und nachhaltigere Möglichkeiten sowie institutionelle Innovationen (z.B. Kohlenstoffmärkte) schaffen. Wirksame Kontrollsysteme könnten darauf ausgerichtet werden, Rückstände in Lebensmitteln (z.B. Schädlingsbekämpfungsmittel) zu erkennen.
Lebensmittelqualität, -sicherheit und gesunde Lebensweisen
Fundierte Verbraucherentscheidungen sind notwendig, um der gesamten Versorgungskette Impulse zu geben. Handlungsbereiche beträfen die Sicherstellung der Lebensmittelqualität und -sicherheit, z.B. durch die Entwicklung neuer Lebensmittelqualitätsregelungen sowie Regelungen für die Gesundheitsvorsorge bei Nutztieren. Die Bioprospektion und das Potenzial von Arzneipflanzen als Rohmaterialquelle könnten erforscht werden. Andere Bereiche könnten natürliche Behandlungen für Tiere und Pflanzen sowie neue Methoden zur Analyse der biologischen Eigenschaften von Lebensmitteln umfassen. Instrumente für die Veränderung von Verbrauchsmustern und die entsprechenden Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen sowie Lernwerkzeuge in Verbindung mit der Anreicherung von Produkten mit gesunden Nährstoffen (z.B. Milch oder Öl mit Omega-3- Fettsäuren), die durch die Weiterentwicklung von Nährstoffen und durch Maßnahmen in der Tierzucht erreicht wird, könnten dazu beitragen, die öffentliche Gesundheit zu verbessern. Die Rolle des Verbrauchers bei der Verringerung von Nachernteverlusten könnte durch intelligente Ansätze im Bereich der Verpackung sowie durch Ausbildungs- und Informationsmaßnahmen verstärkt werden.
9. die nächsten Schritte
Angesichts der Notwendigkeit, die Entwicklungsmuster in der Landwirtschaft auf nachhaltiges Wachstum zu lenken, sollten diese Aktivitäten so bald wie möglich anlaufen. Durch diese Mitteilung sollen Diskussionen mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und Interessengruppen über die strategischen Ziele und das Format der EIP im Bereich Landwirtschaft angeregt werden.
Unter Berücksichtigung der Standpunkte des Europäischen Parlaments und des Rates zu dieser Mitteilung wird ein strategischer Durchführungsplan vorbereitet. Als erster Schritt wird die im Rahmen der Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes bereitgestellte technische Hilfe genutzt, um ein Netzwerk einzurichten. Die zeitnahe Einrichtung eines EIP-Netzwerks ist notwendig, um sicherzustellen, dass die Akteure und Interessenvertreter früh über Möglichkeiten innovativer Maßnahmen informiert werden. Dies wird die Umsetzung der Prioritäten in konkrete innovative Maßnahmen erleichtern.
- 1. KOM (2010) 2020.
- 2. KOM (2010) 672.
- 3. KOM (2011) 500.
- 4. KOM (2010) 546.
- 5. KOM (2011) 791 endgültig.
- 6. Gemessen anhand der "Gesamten Faktorproduktivität".
- 7. Dies beinhaltet die Umkehrung der Tendenz zum Verlust organischer Bodensubstanzen und geeignete Bewirtschaftungsmethoden bei landwirtschaftlichen Flächen, die erosionsgefährdet sind.
- 8. ERA-NET-Maßnahmen fördern die Zusammenarbeit und Koordinierung von Forschungsaktivitäten auf nationaler oder regionaler Ebene.
- 9. OECD und Eurostat (2005), Oslo-Handbuch: "Guidelines for Collecting and Interpreting Innovation Data", Paris.