Empfehlungen der Ausschüsse 914. Sitzung des Bundesrates am 20. September 2013
Gesetz zur Förderung der Prävention

Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem vom Deutschen Bundestag am 27. Juni 2013 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:

1. Zu Artikel 1 (Änderung des SGB V)

Der Bundesrat hält das vorgelegte Gesetz im Hinblick auf das Ziel, Gesundheitsförderung und Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgaben wirkungsvoll zu organisieren, für völlig unzureichend und fordert eine grundlegende Überarbeitung, die sich an der Entschließung des Bundesrates - Schaffung eines Bundespräventions- und Gesundheitsförderungsgesetzes, BR-Drucksache 753/12(B) HTML PDF , orientiert.

Der Bundesrat hält es - auch unter Berücksichtigung der vom Deutschen Bundestag beschlossenen Änderungen - für dringend erforderlich, wesentliche Anforderungen an ein erfolgversprechendes und wirkungsvolles Präventions- und Gesundheitsförderungsgesetz zu berücksichtigen:

Begründung:

Die vorgelegte Regelung zur Stärkung der Prävention zielt fast ausschließlich auf ein modifiziertes Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab.

Außer der GKV spielen weitere Sozialversicherungsträger (Unfall-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) sowie die private Krankenversicherung bei der verantwortlichen Mitgestaltung einschließlich der Finanzierung keine Rolle, obgleich diese teilweise gesetzlich zur Prävention verpflichtet sind und in besonderem Maße von einer verbesserten Gesundheit ihrer Versicherten profitieren. Besonders ist zu kritisieren, dass mit Mitteln der Beitragszahler der GKV die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, eine Bundesbehörde, finanziert werden soll.

Es wird auch nach den erfolgten Änderungen weiterhin nicht ausreichend berücksichtigt, dass das deutsche Gesundheitssystem durch seine föderale Vielfalt geprägt ist. Die Art und Weise, wie beispielsweise das Zusammenwirken der Krankenkassen mit den Ländern und Kommunen beim Aufbau und der Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen in den Lebenswelten erfolgen soll, bleibt völlig unklar. Auch ist ungeklärt, wie die bisherigen Programme und Maßnahmen der Länder und Kommunen im Hinblick auf die Stärkung der Präventionspotenziale einbezogen werden sollen. Weder wird eine Verknüpfung mit deren Gesundheitszielprozessen noch mit deren Länderpräventionsstrategien vorgesehen. Auch die Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes oder die kommunalen Aktivitäten der "Gesunden Städte" werden nicht ausreichend berücksichtigt.

Das Gesetz ist von einem überholten und engen Verständnis von Prävention geprägt, das überwiegend auf individuelle Verhaltensänderungen abzielt. Die Übereinkunft gesundheitswissenschaftlicher Expertise, dass Gesundheitsförderung und Prävention sowohl alltagsintegrierte lebensweltbezogene (also örtliche) und langfristig angelegte Aktivitäten als auch verbindliche Kooperationen der Akteure benötigen, wird weitestgehend ignoriert. Die Einrichtung einer ständigen nationalen Präventionskonferenz kann diesen Mangel nicht kompensieren, zumal die Verbindlichkeit deren Entscheidungen nicht klar definiert ist.

Überzeugende zielgruppenspezifische Strategien fehlen, auch wenn der Richtwert für die settingbezogenen Maßnahmen um 1 Euro auf 2 Euro erhöht wurde. Der Schwerpunkt wird weiterhin überwiegend auf verhaltensbezogene Maßnahmen gelegt und die Entwicklung und der Ausbau gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen als wesentliches Ziel definiert. Die vorgelegten Regelungen sind nicht geeignet, bestehende soziale Ungleichheit bezüglich der Gesundheitschancen in der Bevölkerung zu reduzieren.

Für eine effektive und effiziente Gesundheitsförderung und Prävention sind abgestimmte und abgesicherte Maßnahmen in den Settings vor Ort notwendig, die den jeweiligen regionalen Erfordernissen qualitäts- und zielorientiert angepasst werden. Dazu werden Anreize und Impulse in dezentralen Strukturen benötigt, mit denen die Aktivitäten aller Sozialversicherungsträger, der Länder, der Kommunen und des Bundes koordiniert werden können. Dies kann nur in den Ländern und Kommunen sachgerecht und erfolgversprechend geleistet werden. Dafür reicht die Ergänzung des § 20 SGB V nicht aus.

Die Chance, mit einem eigenständigen Präventionsgesetz einen nationalen Perspektivenwechsel hin zu einer sozial engagierten und verbindlichen gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik einzuleiten, wird mit dem vorliegenden Gesetz vertan. Daran ändern auch einzelne positive Elemente der Regelung, wie die Erhöhung der Mittel, die Festlegung eines Richtwertes statt eines Grenzwertes für die Ausgaben und die Erfassung der psychosozialen Entwicklung bei den Kinderuntersuchungen, nichts.

2. Zu Artikel 1 Nummer 11 und 15 (§ 70 Überschrift, Absatz 3 und § 307c SGB V)

Der Bundesrat fordert, die vorgelegten gesetzlichen Regelungen zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen grundlegend zu überarbeiten.

Anstelle einer gesetzlichen Regelung in den §§ 70 und 307c SGB V ist nach Auffassung des Bundesrates eine Regelung in das Strafgesetzbuch einzufügen.

Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass

Begründung:

Die vorgesehene Regelung zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ist nach Auffassung des Bundesrates nicht hinreichend weitgehend sowie mit Wertungswidersprüchen und Ungleichbehandlungen von Patientinnen und Patienten verbunden. Ziel muss es sein, jegliche Vorteilsnahme als Gegenleistung für eine Gesundheitsdienstleistung strafbewehrt zu sanktionieren. Eine Regelung im SGB V schließt zwar die vom Bundesgerichtshof festgestellte Regelungslücke. Es besteht jedoch ein übergeordneter Regelungsbedarf. Berührt ist das Verhältnis aller Patientinnen und Patienten zu den Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Schutzgut ist das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Sachbezogenheit und Unparteilichkeit bei der gesundheitlichen Versorgung, die nicht durch Vorteilsannahmen beeinträchtigt werden darf. Schutzbedürftig ist weiterhin der gleichberechtigte Marktzugang aller Produkthersteller im Sinne des Wettbewerbsrechts. Eine Beschränkung auf die Versorgung durch Leistungserbringer des SGB V und damit Herausnahme von Privatversicherten sowie Dienstleistern, die außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung tätig sind, ist deshalb nicht zu rechtfertigen, da dieselben Schutzgüter betroffen sind.

Das Verhältnis von Krankenkassen und Leistungserbringern und deren finanziellen Interessen ist bereits umfassend im SGB V geregelt, so dass die vorgesehenen Regelungen im SGB V mit Überschneidungen verbunden sind.

Unzureichend ist auch die Formulierung, dass nur bestraft wird, wer einen nicht nur geringfügigen wirtschaftlichen Vorteil annimmt, ohne dass die Geringfügigkeitsschwelle näher festgelegt wird. Die Schutzgüter sind bereits bei der Annahme jeder Zuwendung verletzt, so dass es auf das Ausmaß des Vorteils nicht ankommen darf. Auch ist der Begriff "wirtschaftlicher Vorteil" nicht präzisiert, so dass immaterielle Vorteile davon nicht erfasst wären, was dem bisher existierenden Korruptionsstrafrecht zuwiderläuft. Die Bestechungstatbestände sind als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet. Danach ist ein Vorteil grundsätzlich alles, was die Lage des Empfängers irgendwie verbessert und auf den er keinen Anspruch hat. Gemeint sind sowohl materielle als auch immaterielle Vorteile. Auf den konkreten Eintritt eines Vermögensvorteils oder einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage darf es nicht ankommen.

Kritisch zu bewerten ist auch, dass die Tat nur auf Antrag verfolgt werden soll und damit kein Offizialdelikt ist.

Die vorgesehene Regelung im SGB V ist daher bereits wegen der systematischen Einbettung der Vorschriften abzulehnen. Der Bundesrat geht davon aus, dass sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren bei der Überarbeitung an dem vom Bundesrat beschlossenen Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen - ... StrÄndG, BR-Drucksache 451/13(B) HTML PDF , orientiert wird.