846. Sitzung des Bundesrates am 4. Juli 2008
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu Zweck und Gegenstand des Weißbuchs und zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt das mit dem Weißbuch verfolgte Ziel der Kommission, in den Mitgliedstaaten einen EU-weiten Mindeststandard bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts zu gewährleisten.
- 2. Die Kommission geht für das Weißbuch erneut, wie schon in ihrem Grünbuch aus dem Jahr 2005 (vgl. BR-Drucksache 012/06 (PDF) ), davon aus, diverse Hindernisse in den materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten für wettbewerbsrechtliche Schadenersatzklagen vor den nationalen Gerichten seien ursächlich für einen Missstand bei der Durchsetzung von Rechten wegen Verstößen gegen das EG-Kartellrecht. Wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Grünbuch dargelegt hat - BR-Drucksache 012/06(B) -, verfügt die Bundesrepublik Deutschland bereits über ein durch Gesetzgebung und Rechtsprechung ausgewogenes und effektives System des Schadenersatzrechts im Bereich des Wettbewerbsrechts, insbesondere im Bereich des Kartellrechts. Der Bundesgesetzgeber hat durch die siebte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 15. Juli 2005 (vgl. BGBl I S. 2114) in den §§ 33 bis 34a die Voraussetzungen für eine effektive Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen und Gewinnabschöpfung nochmals erheblich verbessert. Insbesondere bezieht die Neufassung Verstöße gegen die Artikel 81 und 82 EGV ein, wohingegen nach vormals geltendem Recht Ansprüche wegen Verletzung des europäischen Wettbewerbsrechts nur auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB geltend gemacht werden konnten.
- 3. Private Kartellrechtsdurchsetzung spielt in Deutschland eine wichtige und wertvolle Rolle. Sie ergänzt die behördliche Kartellbekämpfung und führt infolge der dadurch erweiterten Sanktionierung von Wettbewerbsverstößen zu einer Stärkung der allgemeinen Kartellrechtskultur. Allerdings muss bei solchen Überlegungen berücksichtigt werden, dass spürbare Schadenersatzansprüche aus generalpräventiven Gründen zwar erwünscht sind, andererseits aber die Gefahr besteht, dass die von Kronzeugenprogrammen ausgehende und gewollte Anreizwirkung zur Aufdeckung von Hardcore-Kartellen dadurch erheblich beeinträchtigt wird. Dieses Risiko gilt es im Interesse einer wirksamen behördlichen Kartellbekämpfung zu minimieren.
- 4. Bestrebungen der Kommission, das System für Schadenersatzklagen wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts in Artikel 81 und 82 EGV zu optimieren und zu einem effektiveren Instrument der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zu machen, sind - insbesondere wegen des damit verbundenen Abschreckungseffekts für Kartelle - grundsätzlich begrüßenswert; allerdings darf dies nicht dazu führen, dass an die Stelle des bewährten europäischen Schadenersatzrechts ein am US-amerikanischen Rechtssystem orientiertes Schadenersatzrecht gesetzt wird. Das von der Kommission formulierte Leitprinzip, wonach für eine wirksamere Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen ein "genuin europäischer Rechtsrahmen" erforderlich ist, welcher die europäische Rechtskultur und Tradition berücksichtigt, wird daher nachdrücklich befürwortet und sollte bei der Verfolgung einzelner Maßnahmen auch beachtet werden.
Der Bundesrat bittet die Kommission, bei etwaigen Vorschlägen für konkrete Rechtsakte eingehend darzulegen, inwieweit die vorgesehenen Maßnahmen im Sinne von Artikel 83 EGV zweckdienlich sind, um dem EG-Kartellrecht zu praktischer Wirksamkeit zu verhelfen. Dies gilt in besonderem Maße für Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes. Gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen in diesem Bereich könnten sich als erhebliche Eingriffe in das Gefüge des nationalen Prozessrechts und damit in einen Kernbereich der nationalen Rechtsordnung darstellen.
Die in dem Weißbuch zur Diskussion gestellten Maßnahmen betreffen die Bereiche des nationalen Zivil- und Zivilprozessrechts, die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt sind. Bei der Vorbereitung etwaiger Rechtsakte auf Gemeinschaftsebene wäre aus Gründen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit daher unbedingt zu beachten, dass dem nationalen Gesetzgeber ein genügender Spielraum bei der Umsetzung verbleibt, um die Systemgerechtigkeit mit dem nationalen Recht wahren zu können.
- 5. Aus Sicht des Bundesrates sollte im Fall einer gesetzgeberischen Initiative auf europäischer Ebene nicht über eine Richtlinie hinausgegangen werden. Eine Vollharmonisierung ist nicht erforderlich und würde unnötig in die gewachsenen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten eingreifen.
Der Bundesrat bekräftigt nochmals seine Stellungnahme vom 7. April 2006 zu dem vorausgegangenen Grünbuch (vgl. BR-Drucksache 012/06(B) ) und stellt fest, dass die Vorschläge in dem Weißbuch den seinerzeit geäußerten Anliegen nur zum Teil Rechnung tragen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Kommission vorgeschlagenen zivilprozessualen Elemente zur verbesserten Durchsetzung privater Schadenersatzansprüche. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass Schadenersatzklagen wegen behaupteter Verstöße gegen Artikel 81 oder 82 EGV keine Besonderheiten aufweisen, die es rechtfertigen würden, für diesen Bereich zum Beispiel in Bezug auf die prozessuale Darlegungs- und Beweisführungslast von den das deutsche Zivilprozessrecht beherrschenden Grundsätzen abweichende Sonderregeln zu schaffen.
- 6. Angesichts der Tatsache, dass umfangreiche Arbeitsdokumente zu dem Weißbuch nicht in deutscher Sprache vorliegen, sieht der Bundesrat Anlass, seine Position zur Verwendung des Deutschen als gleichberechtigter Arbeitssprache der EU neben Englisch und Französisch - vgl. BR-Drucksache 472/07(B) - zu bekräftigen. Die von der Kommission geübte Praxis, Übersetzungen auf so genannte "Kerndokumente" zu beschränken, führt zu einer Benachteiligung der deutschen im Verhältnis zur englischen und französischen Sprache, die insbesondere vor dem Hintergrund der notwendigen künftigen Beteiligung der nationalen Parlamente nicht länger hingenommen werden kann.
Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen und rechtspolitischen Optionen sowie zu einzelnen Fragen
- 7. Klagebefugnis: Indirekte Abnehmer und kollektiver Rechtsschutz Der deutsche Gesetzgeber hat in § 33 Abs. 3 GWB in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH klargestellt, dass die Artikel 81 und 82 EGV auch dann dem Schutz anderer Marktbeteiligter dienen, wenn sich der Verstoß nicht gezielt gegen diese richtet, so dass zum Kreis der Anspruchsberechtigten auch indirekte Abnehmer gehören können.
Eine Klagebefugnis für Verbände sieht das deutsche Recht bislang nur für Unterlassungsklagen durch bestimmte Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen vor (vgl. § 33 Abs. 2 GWB); daneben besteht ein subsidiärer Anspruch auf Vorteilsabschöpfung nach § 34a GWB, wobei der wirtschaftliche Vorteil an den Bundeshaushalt fließt. Die von der Kommission vorgeschlagene Verbandsklage kann sich auch als "Optout-Gruppenklage" darstellen, da bei Klageeinreichung die Identifizierbarkeit des Geschädigten ausreichen soll und die Möglichkeit vorgesehen ist, sich von dieser Klage zu distanzieren (vgl. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen Rn. 52 mit Fn. 30 und Rn. 61). Eine auf Schadenersatz gerichtete Verbandsklage, die eine "Optout-Gruppenklage" nicht ausschließt, ist abzulehnen. Sie ist mit dem in Deutschland und den meisten übrigen Mitgliedstaaten vorherrschenden System der individuellen Klageerhebung nur schwer vereinbar. Danach ist jeder Einzelschaden individualisiert darzulegen und zu beweisen. Dies ist im Rahmen einer Verbandsklage kaum möglich, da der Verband regelmäßig die individuellen Einzelschäden nicht kennt. Damit kann das Gericht den Sachverhalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht vollständig aufklären. Zudem droht der Beklagte mehrfach wegen desselben Schadens in Anspruch genommen zu werden, wenn neben dem Verband auch einzelne Geschädigte klagen. Im Ergebnis wird durch eine auf Schadenersatz gerichtete Verbandsklage keine materielle Gerechtigkeit erreicht; der Beklagte wird lediglich nach dem Vorbild der US-amerikanischen "class action" mithilfe öffentlichen Drucks zum Abschluss eines Vergleichs gezwungen. Ein solches System würde nicht der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts dienen, sondern die Erhebung unbegründeter und missbräuchlicher Klagen begünstigen.
Einzuräumen ist, dass das Missverhältnis zwischen dem Aufwand der Klageerhebung und dem Ausmaß des Schadens des Einzelnen bei Streuschäden dazu führen kann, dass der Geschädigte von der individuellen Durchsetzung seines Schadenersatzanspruchs absieht. Um zu verhindern, dass der Schädiger hiervon profitiert, bedarf es allerdings nicht der Einführung einer Verbandsklage. Stattdessen kann den Geschädigten innerhalb des Systems der individuellen Klageerhebung ein Weg eröffnet werden, ihre Schadenersatzansprüche zur prozessökonomischen Geltendmachung zu bündeln. Hierzu unterbreitet das Weißbuch Vorschläge für eine "Optin-Gruppenklage". Dies ist nach deutschem Recht durch Abtretung der Schadenersatzansprüche an einen Dritten zur gesammelten Geltendmachung schon jetzt möglich. Ähnliches gilt für die Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten (vgl. die französische "action en représentation conjointe" oder die auf § 227 ZPO-Ö beruhende Sammelklage nach österreichischem Recht). Im Interesse einer widerspruchsfreien Einbindung etwaiger gemeinschaftsrechtlicher Regelungen in die bestehenden Prozessrechtssysteme sollte dieser Weg anstelle der Schaffung einer Verbandsklagebefugnis weiter verfolgt werden. Als in ihren Wirkungen einer Sammelklage ähnlich - und damit als ein ebenfalls in die Betrachtungen künftiger effizienter Rechtsgestaltung einzubeziehendes Modell - erscheint die auf der Grundlage des geltenden Rechts bereits praktizierte Abtretung einzelner Schadenersatzansprüche an einen Dritten, der sein Geschäftsmodell auf deren kollektive Geltendmachung ausgerichtet hat.
Zugang zu Beweismitteln: Offenlegung von Beweismitteln zwischen den Parteien
- 8. Im Zivilprozess kann der Zugang der beweisbelasteten Partei zu Urkunden, die sich im Besitz der Gegenpartei befinden, für die Beweisführung von entscheidender Bedeutung sein. Diese Problemstellung des allgemeinen Zivilprozessrechts beschränkt sich allerdings nicht auf Schadenersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen. Der Fall einer Schadenersatzklage wegen behaupteter Verstöße gegen Artikel 81 oder Artikel 82 EGV weist nach Ansicht des Bundesrates keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen würden, für diesen Bereich besondere Regeln zu schaffen.
- 9. Der Bundesrat bekräftigt nochmals seine Auffassung, dass bei Fragen des Zugangs zu Beweismitteln eine "Amerikanisierung" zu vermeiden ist. Folge der von der Kommission vorgeschlagenen Offenlegung von Beweismitteln zwischen den Parteien darf nicht sein, dass Klagen als Druckmittel gegen Kartellsünder in das deutsche Recht Einzug halten.
- 10. Vorschläge der Kommission zur Offenlegung von Beweismitteln zwischen den Parteien dürfen im Ergebnis nicht auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.
- 11. Ausforschungsbeweise sind wegen der hohen Missbrauchsgefahr als Mittel der Kartellrechtsdurchsetzung abzulehnen.
- 12. Weder kann es ausreichen, wenn lediglich plausible Gründe für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes vorgebracht werden, noch darf sich der Offenlegungsbeschluss auf ganze Kategorien von Beweismitteln beziehen. Für das Problem, dass der Kläger vielfach eine genaue Bezeichnung der Beweismittel nicht vorlegen kann, enthält das deutsche Zivil- und Zivilprozessrecht folgende ausgewogene Lösung:
Schwierigkeiten beim Nachweis des kartellrechtlichen Haftungstatbestands lassen sich in vielen Fällen über die Grundsätze der sekundären Darlegungslast lösen. Es ist seit langem anerkannte Rechtsprechung in Deutschland, dass den Gegner der primär darlegungsbelasteten Partei eine sekundäre Darlegungslast treffen kann. Immer dann, wenn eine behauptungsbelastete Prozesspartei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner hierüber verfügt und ihm nähere Angaben auch zumutbar sind, darf dieser sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, sondern muss mit einem detaillierten Sachvortrag erwidern. Genügt sein Vorbringen diesen Anforderungen nicht, gilt der entsprechende Sachvortrag des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. nur: BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06 - NJW 2008, 982, 984 m. w. N.; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 138 Rn. 8b m. w. N.), so dass sich die Frage der Beweisbedürftigkeit des Klägervortrags von vornherein nicht stellt.
Gerade im kartellrechtlichen Schadenersatzprozess kommen der klagenden Partei überdies die Beweiserleichterungen des § 252 Satz 2 BGB und die Möglichkeit einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO zugute.
Im Rahmen der Beweisführung kann die beweisbelastete Partei beantragen, dass die Gegenpartei nach Maßgabe der in §§ 421 ff. ZPO genannten Voraussetzungen zur Vorlegung einer Urkunde verpflichtet wird. Unabhängig davon ist das Prozessgericht im Rahmen der Prozessleitung befugt, gemäß § 142 ZPO die Vorlegung von Urkunden anzuordnen. Eine solche Anordnung kann zu Urkunden ergehen, die sich im Besitz einer Partei oder eines Dritten befinden, sofern sich eine Partei auf die Urkunden bezogen hat. Kommt der Gegner dieser Anordnung nicht nach oder kommt das Gericht, wenn der Gegner den Besitz der Urkunde bestreitet, zu der Überzeugung, dass er nach dem Verbleib der Urkunde nicht sorgfältig geforscht habe, so kann eine vom Beweisführer vorgebrachte Abschrift der Urkunde als richtig angesehen werden. Kann der Beweisführer eine Abschrift nicht beibringen, so können seine Behauptungen über Beschaffenheit und Inhalt der Urkunde als bewiesen angenommen werden (vgl. § 427 ZPO). Da somit an die Vernichtung von Urkunden für die Parteien negative beweisrechtliche Folgen geknüpft werden können, sieht das deutsche Zivilprozessrecht wirksame Sanktionen vor, damit Beweismittel nicht vernichtet werden oder die gerichtlich angeordnete Offenlegung verweigert wird.
Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob die Offenlegungspflicht in der von der Kommission vorgeschlagenen Form ein wirksames und praktikables Mittel darstellen kann, um der klagenden Partei im Schadenersatzprozess über Darlegungs- und Nachweisschwierigkeiten hinwegzuhelfen. Diesbezügliche Zweifel ergeben sich in zweifacher Hinsicht:
Zum einen soll die Offenlegungspflicht nach Nummer 2.2 dritter Spiegelstrich des Weißbuchs (vgl. BR-Drucksache 248/08 (PDF), Seite 5) davon abhängen, dass der Kläger "die verschiedenen Kategorien von Beweismitteln, für die er eine Offenlegung beantragt, genau genug bezeichnet". Es stellt sich die Frage, ob die klagende Partei, die keinen Einblick in die betreffenden Vorgänge hat und gerade deshalb von ihrer Nachweislast befreit werden soll, dazu überhaupt in der Lage ist. Selbst wenn eine hinreichend exakte Bezeichnung der benötigten Beweismittelkategorien gelingt, ist unklar, auf welchem Wege die vollständige Erfüllung der gerichtlich angeordneten Offenlegungspflicht überwacht und gewährleistet werden kann. Auch besteht die Gefahr, dass die in Anspruch genommenen Unternehmen alle formaljuristischen Argumente und Möglichkeiten ausnutzen werden, um einer Offenlegung von Beweismitteln auszuweichen - und damit zahlreiche verfahrensverzögernde Nebenkriegsschauplätze eröffnen. Es muss deshalb bezweifelt werden, dass die vorgeschlagene Offenlegungspflicht ein hinreichend geeignetes Instrument zur Durchsetzung kartellrechtlicher Ersatzansprüche darstellt.
Zum anderen sind der Pflicht zur Offenlegung von Beweismitteln dadurch nicht unerhebliche Grenzen gesetzt, dass sich die beklagte Partei auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen kann.
- 13. Eine Verpflichtung zur Offenlegung von Beweismitteln darf nicht dazu führen, dass Unternehmen ihre Geschäftsgeheimnisse offenbaren müssen. Der Schutz der Geschäftsgeheimnisse muss in privaten Schadenersatzprozessen Priorität haben, damit Unternehmen in diesem Rahmen keine unzumutbaren Wettbewerbsnachteile drohen und sie nicht gedrängt werden, zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen gegen sie erhobenen Klagen nachzugeben.
- 14. Relevant wird die Problematik insbesondere dann, wenn ein vertikal integriertes Unternehmen in Anspruch genommen wird, das nicht nur als Lieferant auf der vorgelagerten Marktstufe, sondern selbst oder über ein Konzernunternehmen zugleich auf demselben Markt wie sein Abnehmer tätig ist. Jedenfalls in derartigen Fallkonstellationen kann der beanspruchte Geheimnisschutz schon im Interesse eines künftig unbeeinflussten Wettbewerbs nicht versagt werden mit der Folge, dass eine Offenlegungspflicht von vornherein ausscheiden muss.
- 15. Bindungswirkung von Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden § 33 Abs. 4 GWB sieht bereits eine Bindungswirkung des Gerichts an bestandskräftige Entscheidungen hinsichtlich der Feststellung eines Kartellrechtsverstoßes durch die Kartellbehörde, die Kommission, die Wettbewerbsbehörde oder das als solche handelnde Gericht in einem anderen Mitgliedstaat der EG vor. Gleiches gilt für entsprechende Feststellungen in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen, die infolge der Anfechtung vorgenannter Entscheidungen ergangen sind. Diese Tatbestandswirkung bezieht sich nach der Begründung zum Entwurf des Gesetzes allein auf die Feststellung eines Kartellrechtsverstoßes. Alle weiteren Fragen, insbesondere zur Schadenskausalität und zur Schadensbezifferung, unterliegen der freien Beweiswürdigung des Gerichts. Dies trägt dem Grundsatz Rechnung, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts und dessen rechtliche Würdigung im Zivilprozess dem zuständigen Gericht obliegt.
- 16. Verschuldenserfordernis Nach deutschem Recht setzt ein kartellrechtlicher Schadenersatzanspruch ein schuldhaftes Verhalten voraus (§ 33 Abs. 3 Satz 1 GWB). Die Rechtsprechung nimmt allerdings bei Vorliegen eines objektiven Verstoßes grundsätzlich ein Verschulden des Verletzers an und stellt hohe Anforderungen an die Annahme eines unverschuldeten Rechtsirrtums. So hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 16. Dezember 1986 "Taxizentrale Essen" (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1986 - KZR 36/85 -, GRUR 1987, 564 ff.) den Grundsatz aufgestellt, dass ein Verschulden des Verletzers nur dann zu verneinen sei, wenn dieser bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte. Ein gesetzlicher Regelungsbedarf drängt sich insoweit nicht auf.
- 17. Schadenersatz Die Vorstellungen zum Schadenersatzumfang entsprechen der deutschen Rechtslage. Inhalt und Reichweite des nach § 33 Abs. 1 und 3 GWB geschuldeten Schadenersatzes richten sich nach den §§ 249 bis 252 BGB. Deshalb sind nicht nur die kartellbedingt erlittenen Vermögenseinbußen auszugleichen.
Vielmehr ist ebenso der entgangene Gewinn zu ersetzen. Auch die Pflicht, den Schadenersatzbetrag vom Eintritt des Schadens an zu verzinsen, ist bereits heute geltendes nationales Recht und in § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB ausdrücklich normiert.
§ 287 ZPO räumt den Gerichten die Möglichkeit ein, die Schadenshöhe unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung auf der Grundlage konkreter Anhaltspunkte festzusetzen. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 33 Abs. 3 Satz 3 GWB durch Zitierung der Vorschrift des § 287 ZPO dessen Bedeutung im Rahmen der kartellrechtlichen Schadensberechnung unterstrichen. Vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit der auftretenden kartellrechtlichen Verletzungsfälle erscheint die gesetzliche Anordnung einer bestimmten Schadensberechnungsmethode nicht zielführend. Die Schadensermittlung sollte im jeweils zu beurteilenden Einzelfall den Gerichten unter Berücksichtigung des § 287 ZPO überlassen bleiben. Aber auch die von der Kommission beabsichtigte Ausarbeitung eines unverbindlichen Orientierungsrahmens für die Berechnung des Schadenersatzes birgt nach Auffassung des Bundesrates die Gefahr, dass die grundlegende Unterscheidung zwischen den drei Gewalten durch ein derartiges von der Kommission erlassenes so genanntes soft law, das einerseits zwar nicht die Geltung eines Gesetzes hat, andererseits aber auch mehr Bindungswirkung als eine bloße Meinung entfalten soll, angegriffen wird.
Schadensabwälzung
- 18. Die Vorschläge der Kommission zur Zulassung des Einwands der Schadensabwälzung und zur Möglichkeit der Abnehmer, sich auf die widerlegbare Vermutung berufen zu können, dass der rechtswidrige Preisaufschlag vollständig abgewälzt wurde, werden zu einer Stärkung der Klagemöglichkeiten der indirekten Abnehmer führen. Gleichzeitig sollen durch die weitgehende Zulassung des Einwands der Schadensabwälzung die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme und eine Mehrfachentschädigung vermieden werden. Für den vorgeschlagenen Weg spricht, dass eine effektive Durchsetzung des Kartellrechts verbessert werden kann, wenn die Klagemöglichkeiten derjenigen gestärkt werden, die den durch den Kartellverstoß eingetretenen Schaden letztlich zu tragen haben. Dies werden in der Mehrzahl der Fälle die Endabnehmer sein.
- 19. Die auch in der deutschen Literatur und Rechtsprechung bislang umstrittene Handhabung der so genannten "passing on defence" wurde mit der Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 15. Juli 2005 in § 33 Abs. 3 Satz 2 dahingehend geregelt, dass ein Schadenersatz nicht ausgeschlossen werden soll, wenn eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen und weiterveräußert wurde. Damit wollte der Gesetzgeber dem im deutschen Recht allgemein anerkannten Grundsatz Rechnung tragen, dass eine Vorteilsausgleichung nur unter den engen Voraussetzungen gerechtfertigt ist, dass zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil beim Geschädigten ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, die Anrechnung dem Zweck des Schadenersatzes entspricht und den Schädiger nicht unbillig entlastet (vgl. Heinrichs in: Palandt, Kommentar zum BGB, 67. Aufl., 2008, Vorbem. vor § 249 BGB, Rn. 119 ff.).
Anrechenbar sind danach nur solche Vorteile, die mit dem geltend gemachten Schaden in einem qualifizierten Zusammenhang stehen, so dass Schaden und Vorteil bei wertender Betrachtung zu einer Rechnungseinheit verbunden sind. Der einzelne Vorteil muss, sofern er angerechnet werden soll, mit dem einzelnen Nachteil kongruent sein, d. h. ihm seiner Art nach entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2003 - V ZR 84/02 - NJW-RR 2004, 79, 80 m. w. N.).
Das ist bei den zur Beurteilung stehenden Konstellationen nicht der Fall. Schaden und Erlös sind nur rein äußerlich dadurch miteinander verbunden, dass der Beklagte durch seinen Verkauf den Weiterverkauf der Kartell befangenen Ware durch den Kläger ermöglicht hat. Ein darüber hinausgehender innerer Zusammenhang zwischen Schaden und Vorteil fehlt demgegenüber. Der Weiterverkaufserlös stellt sich weder als eine unmittelbare Folge der kartellbedingt übersetzten Entgeltberechnung dar noch hat der verklagte Kartellteilnehmer in irgendeiner Weise zu den Vorteilen beigetragen oder deren Eintreten veranlasst. Vielmehr hängt es im Allgemeinen ausschließlich von den Absatzbemühungen, der Kalkulation sowie dem geschäftlichen Geschick und Erfolg des geschädigten Klägers ab, ob und in welchem Umfang der überteuerte Einkauf durch den Weiterverkauf kompensiert werden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Mai 2007 - VI - 2 U (Kart) 10/05 -, OLG-Report Düsseldorf 2007, 661; Roth, in: Frankfurter Kommentar zum GWB, § 33 Rn. 145 ff.; Schiemann in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Vorbem. vor § 249 Rn. 145; Köhler, GRUR 2004, 99, 103; Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 486 ff.; a. A.: OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. Januar 2004 - 6 U 183/03 -, WuW/E DE-R 1229, 1231 f.).
- 20. Bei Zulassung der so genannten "passing on defence" ist allerdings prozessrechtlich sicherzustellen, dass sich der Schädiger an der Geltendmachung dieses Einwands in Klageverfahren indirekter Abnehmer festhalten lassen muss. Andererseits ist zu bedenken, dass die vorgeschlagene widerlegliche Vermutung für eine Schadensabwälzung stark zu Lasten der betroffenen Unternehmen gehen kann, da es keinen ökonomisch begründeten Erfahrungssatz gibt, dass der überhöhte Preis in aller Regel über mehrere Vertriebsstufen hinweg weitergegeben wird. Zudem ist die widerlegliche Vermutung, dass der Schaden vollumfänglich weitergegeben wurde, mangels Einblick in die geschäftlichen Verhältnisse der in die jeweilige Vertriebskette involvierten Abnehmer/Händler in aller Regel nur sehr schwer zu entkräften. Machen mehrere indirekte Abnehmer Schadenersatzansprüche geltend, besteht die Gefahr eines unbilligen Mehrfachschadenersatzes, so dass Schadenersatz in vielen Fällen entgegen den Zielen des Weißbuchs nicht mehr kompensatorischen, sondern sanktionierenden Charakter hätte. Im weiteren Verfahren sollten alle Möglichkeiten zur Vermeidung eines Mehrfachschadenersatzes geprüft werden.
- 21. Der Vorschlag der Kommission, wonach die "passing on defence" zulässig sein soll und gleichzeitig indirekte Abnehmer sich auf die widerlegliche Vermutung berufen können, dass der rechtswidrige Preisaufschlag in vollem Umfang auf sie abgewälzt wurde, kann zu erheblichen Problemen im Zusammenhang mit der Aufteilung eines überhöhten Kaufpreises zwischen allen Klageberechtigten führen. Der bloße Aufruf der Kommission zur "Ermutigung" der einzelstaatlichen Gerichte, im Falle von gemeinsamen, parallelen oder aufeinander folgenden Klagen von Abnehmern, die auf verschiedenen Vertriebsstufen tätig sind, alle ihnen nach einzelstaatlichem gemeinschaftlichem und internationalem Recht zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um eine zu niedrige oder zu hohe Entschädigung für den aufgrund eines Wettbewerbsverstoßes erlittenen Schaden zu vermeiden, löst diese Problematik nicht. Vor diesem Hintergrund dürfte aus Sicht des Bundesrates die im deutschen Recht derzeit geltende Regelung des § 33 Abs. 3 Satz 2 GWB jedenfalls den effektivsten Weg zur Durchsetzung der wettbewerbsrechtlichen Regelungen darstellen, da sie die prozessuale Situation der unmittelbar und primär durch den Wettbewerbsverstoß betroffenen Direktabnehmer stärkt und damit die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Inanspruchnahme des Verletzers maximiert. Jedenfalls sollten die praktischen Erfahrungen mit der vom deutschen Gesetzgeber statuierten Lösung zunächst abgewartet werden.
- 22. Verjährung Im deutschen Recht richtet sich die Verjährung der Schadenersatzansprüche aufgrund des § 33 Abs. 3 GWB nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195 und 199 BGB. Danach beginnt die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Bei Dauerhandlungen beginnt die Verjährung nicht, solange der Eingriff andauert, bei wiederholten Handlungen setzt jede Handlung eine neue Verjährungsfrist in Lauf (vgl. Heinrichs in: Palandt, a. a. O., § 199 Rn. 21). Den Vorschlägen der Kommission wird im deutschen Recht bereits weithin Rechnung getragen.
§ 33 Abs. 5 GWB sieht für das derzeit geltende deutsche Recht bereits vor, dass die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs wegen eines kartellrechtlichen Verstoßes gehemmt wird, wenn die Kartellbehörde oder die Kommission bzw. die Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats der EG ein entsprechendes Verletzungsverfahren einleitet. Diese Regelung steht im Zusammenhang mit § 33 Abs. 4 GWB, welcher die tatbestandliche Bindungswirkung einer bestandskräftigen Feststellung des Verstoßes durch die vorgenannten Behörden vorsieht. Mit der Verjährungsregelung in § 33 Abs. 5 GWB soll erreicht werden, dass der individuell Geschädigte tatsächlich die Tatbestandswirkung des § 33 Abs. 4 GWB in Anspruch nehmen kann und zivilrechtliche Schadenersatzansprüche beispielsweise nach Ablauf eines langwierigen Bußgeldverfahrens nicht bereits verjährt sind. Die Verjährungshemmung endet sechs Monate nach rechtskräftiger Entscheidung oder bestandskräftiger Beendigung des kartellbehördlichen Verfahrens (§ 33 Abs. 5 Satz 2 GWB i. V. m. § 204 Abs. 2 BGB). Hierdurch wird dem Kläger ausreichend Zeit eingeräumt, seine Ansprüche geltend zu machen. Praktische Probleme sind nicht bekannt, ein Regelungsbedarf im Sinne des Beginns einer neuen, mindestens zweijährigen Verjährungsfrist besteht aus Sicht des Bundesrates nicht.
- 23. Kosten einer Schadenersatzklage Ein Verfahrensabschluss durch Vergleich führt bereits nach derzeitigem deutschen Recht zu einer Kostensenkung. Im Übrigen spricht sich der Bundesrat dagegen aus, das Kostenrisiko des Klägers bei Schadenersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen zu verringern. Da im Falle eines Unterliegens des Klägers die Kosten jedenfalls nicht dem Beklagten auferlegt werden können, bedeutete ein solcher Ansatz die Abwälzung des Kostenrisikos einer eigennützig klagenden Partei auf die Staatskasse, was nicht hinnehmbar wäre. Unbemittelte Parteien haben bereits derzeit die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Außerdem können Parteien eines kartellrechtlichen Schadenersatzprozesses nach § 89a GWB unter bestimmten Voraussetzungen zur Verringerung der Gerichts- und Anwaltskosten eine Herabsetzung des Streitwerts beantragen.
Verhältnis zwischen Kronzeugenprogrammen und Schadenersatzklagen
- 24. Der Bundesrat begrüßt nachdrücklich die Überlegungen der Kommission zur Erhaltung der Effektivität und Attraktivität von Kronzeugen- und Bonusregelungen.
- 25. Der Bundesrat stimmt zu, dass zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit und Effektivität der Kronzeugenregelung verfahrenstechnische Regelungen erforderlich sind, mit denen sichergestellt werden kann, dass etwaige Rückschlüsse auf einen Kronzeugen trotz der Verwertung ausgeschlossen sind.
Die Frage der Einführung einer Kronzeugenregelung im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen stellt einen wichtigen Punkt im Rahmen der erforderlichen Koordinierung staatlicher und privater wettbewerbsrechtlicher Durchsetzung dar. Die Kartellbehörden schaffen bereits jetzt durch detaillierte Bonusregelungen, die erhebliche Bußgeldminderungen bis hin zur gänzlichen Bußgeldfreiheit in Aussicht stellen, einen Anreiz für Kartellbeteiligte, sich als Kronzeugen bei der behördlichen Verfolgung eines Kartellverstoßes kooperativ zu zeigen. Dieser Anreiz wird im derzeit geltenden Recht dadurch unterlaufen, dass der Kartellbeteiligte im Anschluss an das behördliche Verfahren mit erheblichen zivilrechtlichen Schadenersatzanforderungen überzogen werden kann. Wie die Kommission zutreffend ausführt, ist in diesem Zusammenhang darauf zu achten, welche Auswirkungen eine Haftungsbeschränkung auf die vollständige Entschädigung der Opfer von Wettbewerbsverstößen und die Stellung der anderen Rechtsverletzer hätte. Der Bundesrat schlägt insoweit vor, die Haftung des Kronzeugen etwa auf einen dem Anteil des Antragstellers an dem kartellisierten Markt entsprechenden Anteil unter Entbindung von der gesamtschuldnerischen Haftung zu beschränken und damit das Schadenersatzrisiko des Kronzeugen überschaubar zu halten.
- 26. Der Bundesrat befürwortet die Begrenzung der zivilrechtlichen Haftung jener Kronzeugen, denen der Erlass einer Geldbuße zuerkannt wurde, auf Schadenersatzansprüche ihrer direkten und indirekten Vertragspartner. Ein Geständnis im Zusammenwirken mit der ebenfalls zu befürwortenden Feststellungswirkung von kartellbehördlichen und gerichtlichen Entscheidungen (vgl. schon § 33 Abs. 4 GWB) würde einen Kronzeugen immer zum bevorzugten Objekt von Schadenersatzklagen machen. Deshalb erscheint die vorgeschlagene Begrenzung auf von dem Kronzeugen bei seinen Vertragspartnern oder dessen Abnehmern unmittelbar verursachte Schäden erforderlich, aber auch ausreichend. Wegen der denkbaren Auswirkungen auf die Kooperationsbereitschaft weiterer Rechtsverletzer könnte sogar in Erwägung gezogen werden, ein solches Privileg allen erfolgreichen Kronzeugen, also auch solchen zu gewähren, denen zwar kein vollständiger Erlass, aber eine Reduzierung der Geldbuße zugestanden wurde.
Der geplante Schutz von Unternehmenserklärungen ("Bonusanträgen") vor Offenlegung ist grundsätzlich zu befürworten. Allerdings sollte noch eingehend geprüft werden, ob der Schutz allen und damit auch solchen Bonusanträgen gewährt werden sollte, die aus der Sicht der zuständigen Kartellbehörde etwa mangels Rechtzeitigkeit offensichtlich nicht (mehr) erfolgreich sein können. Die spärlichen Erwägungen hierzu im Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen (Kapitel 10 Abschnitt B. 1, Rz. 297) vermögen einen so weit reichenden Vertrauensschutz jedenfalls nicht zu rechtfertigen. Solche Bonusanträge könnten in Kenntnis oder jedenfalls in Erwartung ihrer fehlenden Erfolgsaussicht nur deswegen gestellt werden, um die eigene zivilrechtliche Inanspruchnahme zu minimieren. Mit der hier angedachten Begrenzung des Offenlegungsschutzes würde gleichzeitig mittelbar der Zwang zur frühzeitigen Offenbarung verstärkt.
Direktzuleitung an die Kommission
- 27. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.