Der Bundesrat hat in seiner 990. Sitzung am 5. Juni 2020 beschlossen, die aus der Anlage ersichtliche Entschließung zu fassen
Anlage
Entschließung des Bundesrates: Erweiterung der tierschutzgerechten Weideschlachtung
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die Weideschlachtung, d.h. die Schlachtung auf dem landwirtschaftlichen Haltungsbetrieb, zunehmendes Interesse bei Landwirten und Verbrauchern erfährt. Dies ist vornehmlich darauf zurückzuführen, dass in vertrauter Umgebung und durch den Verzicht auf den Lebendtiertransport in den Schlachtbetrieb eine besonders tierschonende Schlachtung möglich ist, was sich zudem positiv auf die Fleischqualität auswirken kann.
- 2. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Schlachtung im Haltungsbetrieb unter Verwendung von mobilen oder teilmobilen Schlachteinheiten unterstützt werden soll.
Weiterhin soll auch die Schlachtung im Haltungsbetrieb (Betäubung und Entblutung) mit Verbringen des Schlachtkörpers in einen zugelassenen Schlachtbetrieb ohne Verwendung einer mobilen Schlachteinheit unterstützt werden. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung,
- a) die Möglichkeit der Schlachtung im Haltungsbetrieb nach § 12 Absatz 2 der Tierische Hygieneverordnung" title="Schlagwortsuche">Lebensmittel-Hygieneverordnung (Tier-LMHV) auf die Tierart Schwein zu erweitern.
- b) die Möglichkeit der Schlachtung im Haltungsbetrieb nach § 12 Absatz 2 Tier-LMHV auch auf saisonal unter extensiven Bedingungen im Freiland gehaltene Rinder und Schweine zu erweitern.
- c) die Fördermöglichkeiten von Investitionen in die Schlachtung von Tieren über den Förderbereich 3A der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) für Unternehmen, die nicht größer sind als Kleinst- oder kleine Unternehmen im Sinne des Anhangs I der Agrarfreistellungsverordnung, weiterhin zu ermöglichen.
- d) sich auf EU-Ebene für die rechtliche Verankerung der Zulassung von mobilen oder teilmobilen Schlachteinheiten einzusetzen. Hierbei sollte es keine Beschränkung auf einzelne Tierarten geben.
- e) sich auf EU-Ebene zudem für die Schaffung von weiteren Ausnahmen vom Schlachthofgebot entsprechend der nationalen Ausnahmeregelung des § 12 Absatz 2 Tier-LMHV einzusetzen.
Begründung:
Eine Schlachtung im Haltungsbetrieb vermeidet lange Transportwege und trägt hierdurch und weil das Tier in der ihm vertrauten Umgebung belassen wird, zum Tierschutz bei.
Nach EU-Recht sind Haustiere grundsätzlich im zugelassenen Schlachthof zu schlachten. Für das Schlachten im Haltungsbetrieb ist, unabhängig von der Tierart, der Einsatz mobiler und teilmobiler EU-zugelassener Schlachteinheiten möglich. Darüber hinaus besteht auf Grund einer nationalen Ausnahmeregelung nach § 12 Absatz 2 Tier-LMHV die Möglichkeit, ganzjährig im Freien gehaltene Rinder mit Genehmigung der Behörde ohne zugelassene Schlachteinheit am Herkunftsort zu schlachten. Einzelne Huftiere der Gattung Rind, die ganzjährig im Freiland gehalten werden, dürfen demnach mit Genehmigung der zuständigen Behörde im Haltungsbetrieb geschlachtet oder zur Gewinnung von Fleisch für den menschlichen Verzehr getötet werden, wenn die Anforderungen nach Anhang III Abschnitt III Nummer 3 Buchstabe a bis j der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 eingehalten werden. Diese Ausnahme im nationalen Recht wurde geschaffen, um die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen sowie den Bedürfnissen von Lebensmittelunternehmen in Regionen in schwieriger geografischer Lage Rechnung zu tragen, weil der Transport extensiv gehaltener Rinder in einen Schlachthof aufgrund der Wildheit der Tiere ohne Beeinträchtigung der Fleischqualität oft nicht möglich und wirtschaftlich nicht tragbar ist. Zudem besteht die Gefahr von Verletzungen bei Mensch und Tier durch die erhebliche Beunruhigung der Tiere bei Einfangversuchen für die Verladung. Die gleichen Aspekte gelten auch beim Transport extensiv gehaltener Schweine, weshalb auch diese in der Ausnahmeregelung berücksichtigt werden sollen. Die Methode der Betäubung ist davon losgelöst tierschutzrechtlich zu betrachten. Auch bei der extensiven Schweinehaltung handelt es sich um eine traditionelle Methode, deren Anwendung weiterhin ermöglicht werden sollte.
Eine Beibehaltung der Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) hat das grundsätzliche Potenzial entsprechende Anreize zu schaffen.
Die Betäubung und Entblutung extensiv gehaltener Tiere auf der Weide anstatt in einer (teil-)mobilen Schlachteinheit soll in den Fällen ermöglicht werden, in denen mit einer starken Beunruhigung der Tiere durch Heranführen an eine mobile Schlachteinheit zu rechnen ist. Eine angemessene Ruhigstellung der zu betäubenden Tiere ist dabei in jedem Fall sicherzustellen.
Für eine sichere und effektive Betäubung werden Rinder üblicherweise mit Bolzenschuss betäubt. In aller Regel haben die Tierhalter ein gutes Mensch-Tier-Verhältnis, so dass die Tiere im direkten Kontakt auch auf der Weide bzw. auf dem Hof sicher und effektiv mit Bolzenschuss betäubt werden können. Eine Ausweitung der Regelungen für die Betäubung bzw. Tötung mit Kugelschuss in der Tierschutz-Schlachtverordnung ist daher nicht erforderlich. Für ganzjährig im Freien gehaltene Schweine kann die Behörde eine Ausnahme für die Betäubung mit Bolzenschuss erteilen.
Derzeit ist die Zulassung teilmobiler Schlachteinheiten im EU-Recht nicht explizit vorgesehen. Eine entsprechende rechtliche Verankerung, die sich nicht nur auf die Tierart Rind beschränken sollte, würde für mehr Rechtssicherheit sorgen und damit Investitionen in diesem Bereich der tierschutzgerechten Schlachtung erleichtern.
Derzeit ist im EU-Recht eine Ausnahme vom Schlachthofgebot nur für in Wildfarmen gehaltenes Schalenwild (Cervidae und Suidae) sowie, unter außergewöhnlichen Umständen, für Bisons vorgesehen.
§ 12 Absatz 2 Tier-LMHV erweitert diesen Anwendungsbereich national auf einzelne Huftiere der Gattung Rind, die ganzjährig im Freiland gehalten werden. Die EU hatte 2009 die Notifizierung der nationalen Ausnahmeregelung des § 12 Absatz 2 Tier-LMHV mit dem Hinweis auf eine eigene Gesetzesinitiative abgelehnt. 2010 wurde die EU-Initiative eingestellt, womit laut BMEL auch der Einwand der EU gegen die nationale Ausnahmeregelung des § 12 Absatz 2 Tier-LMHV entfallen ist. Etliche Mitgliedstaaten wünschen eine analoge rechtliche Ausnahmeregelung auf EU-Ebene.