Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die Funktionsweise des Europäischen Solidaritätsfonds (EUSF) zu verbessern, um schneller und transparenter zu reagieren, den Einsatz zu erleichtern und die Bestimmungen klarer festzulegen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der vom Hochwasser im Juni 2013 in Deutschland verursachten Schäden und der zu ihrer Beseitigung ergriffenen Hilfsmaßnahmen.
- 2. Er begrüßt unter Verweis auf seine Stellungnahme vom 16. Dezember 2011 zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Zukunft des Solidaritätsfonds der Europäischen Union (COM (2011) 613 final; BR-Drucksache 615/11(B) ) die Zusammenführung des Beschlusses über die Finanzhilfe und der Umsetzungsvereinbarungen in einem Rechtsakt.
Zu den einzelnen Vorschriften
- 3. Der Bundesrat bekräftigt seine Position, dass zusätzliche Voraussetzungen für Zahlungen aus dem EUSF die Abwicklung der Unterstützungsmaßnahmen nicht unnötig erschweren dürfen. Er unterstützt zwar ausdrücklich, dass sich die Mitgliedstaaten auf Katastrophen vorbereiten und auch Maßnahmen zur Prävention ergreifen müssen. Die bei Antragstellung geforderten Angaben zur Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften über Katastrophenprävention dürfen der beabsichtigten Vereinfachung der Arbeitsweise des Solidaritätsfonds aber nicht entgegenstehen. Er erachtet es daher als nicht akzeptabel, die Zahlungen aus dem Solidaritätsfonds an die vollständige Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften zu Katastrophenschutz und -management und an eine verbesserte Berichtspflicht zu koppeln. Die eingehenden Berichtspflichten zur "Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften zu Katastrophenschutz und -management im Zusammenhang mit der Art der Katastrophe" sowie "jedwede andere relevante Information zu Präventions- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen, die je nach Art der Katastrophe ergriffen wurden", als Anspruchs-/ Leistungsvoraussetzung für Inanspruchnahmen des EUSF (Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e und f des Verordnungsvorschlags) sind - vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips - ebenso abzulehnen, wie jegliche Einflussnahme der EU auf die nationale Katastrophenprävention (Artikel 4 Absatz 2 Satz 2 des Verordnungsvorschlags). Die Vorschrift des Artikels 4 Absatz 2 Satz 2 des Verordnungsvorschlags gilt auch für die Zukunft bzw. für zukünftige Rechtsvorschriften der EU. Somit könnte die Kommission nach Hochwassern o. ä. Vorgaben für Präventionsmaßnahmen und andere Maßnahmen im Bereich des Katastrophenschutzes entwickeln, die weit in die Hoheit der Mitgliedstaaten eingreifen könnten. Eine nicht 100-prozentige Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften könnte somit dazu führen, dass die EU über ihre Kompetenzen hinaus Einfluss ausübt und der Fonds nicht oder nur sehr begrenzt in Anspruch genommen werden könnte.
- 4. Der Bundesrat wiederholt in diesem Zusammenhang auch seine Bedenken, dass die Einführung von zusätzlichen Voraussetzungen für Zahlungen aus dem EUSF, wie der vollständigen Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften zu Katastrophenschutz und -management oder der Inanspruchnahme verfügbarer EU-Mittel für Investitionen in Präventionsmaßnahmen, nicht zu einer unnötigen Verkomplizierung der Abwicklung der Unterstützungsmaßnahmen führen darf. Dies würde der eigentlichen Zielsetzung, die Funktionsweise des EUSF zu verbessern, widersprechen.
- 5. Der Bundesrat lehnt auch weiterhin die Einführung von Vorschusszahlungen ab, da der Solidaritätsfonds kein Instrument zur schnellen Krisenreaktion ist.
- 6. Er kritisiert ferner die vorgeschlagene Regelung zur Finanzierung möglicher Vorschusszahlungen, wonach die von den Mitgliedstaaten wieder eingezogenen Beträge aus dem EUSF, dem EFRE und dem Kohäsionsfonds bis zu einem jährlichen Höchstbetrag dem EUSF als interne zweckgebundene Einnahmen zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Regelung geht von kontinuierlich auftretenden Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von Fördermitteln aus, steht dem Ziel der Mitgliedstaaten, Unregelmäßigkeiten und Wiedereinziehungen zu vermeiden, entgegen und widerspricht dem Grundsatz der Finanzierung des EUSF außerhalb des mehrjährigen Finanzrahmens.
- 7. Der Bundesrat bedauert, dass der Verordnungsvorschlag nach wie vor eine zu kurze Frist von zehn Wochen für die Antragstellung vorsieht. Die Erfahrungen mit den letzten Hochwasserereignissen haben gezeigt, dass diese Frist bei Hochwasserschäden auf besondere Schwierigkeiten stößt, da Hochwasserereignisse, anders als etwa Brände, häufig monatelang andauern und deren Folgen erst entsprechend zeitlich verzögert erkennbar sind. Demzufolge ist auch eine Bezifferung der Schäden vielfach erst langfristig möglich. Die Frist für die Antragstellung sollte daher deutlich verlängert oder eine Möglichkeit vorgesehen werden, eine genauere Schadensaufstellung nachzureichen.
- 8. Er nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, dass die Vorgaben für die Verwendung der EUSF-Mittel lediglich eine Wiederherstellung des Status quo vorsehen. Die Hochwasserkatastrophe in Deutschland hat jedoch gezeigt, dass einzelne Infrastrukturprojekte, wie beispielsweise Straßenführungen oder wichtige Eisenbahnverbindungen mit überregionaler Bedeutung, auf Grund der neuen Erkenntnisse über notwendige Hochwasserschutzmaßnahmen verlegt werden müssen. Diesbezügliche Spielräume sollten in Artikel 3 des Verordnungsvorschlags eröffnet werden.
- 9. Darüber hinaus bedauert der Bundesrat den Ausschluss der Förderfähigkeit von technischer Hilfe gemäß Artikel 3 Absatz 5. Gerade in Notsituationen kommt es auf eine kurzfristig durch externe Kräfte erweiterbare Verwaltung an. Hierzu könnten die Mittel der technischen Hilfe aus dem EUSF einen maßgeblichen Beitrag leisten. Vorgeschlagen wird eine Begrenzung auf maximal vier Prozent des Beitrags, um sicherzustellen, dass nur ein angemessener Anteil für diesen Bereich beansprucht wird, sowie die Einschränkung, dass der Einsatz von fest angestelltem Personal nicht aus technischer Hilfe unterstützt wird.
- 10. Der Bundesrat hält es für erforderlich, in der Verordnung deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass die Kontrollbefugnis der Kommission und des Europäischen Rechnungshofes vor Ort (Artikel 11 des Verordnungsvorschlags) sowie die weiteren Kontrollvorschriften (Artikel 5 Absatz 5 bis 9 des Verordnungsvorschlags) nur im Einklang mit den nationalen Rechnungsprüfungsvorschriften ausgeführt werden dürfen.
- 11. Der Bundesrat begrüßt die Initiative zur Anpassung der Verordnung an die aktuellen Vorschriften zur Haushaltsführung gemäß VO (EG) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1268/2012 der Kommission.
Er regt jedoch an, nur die Vorgaben in die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 aufzunehmen, die sich zwingend aus den vorgenannten Vorschriften ergeben, um nicht erforderlichen Aufwand und damit unnötige Kosten zu vermeiden sowie der angestrebten Vereinfachung der Arbeitsweise des Solidaritätsfonds nicht entgegenzuarbeiten.
- 12. Unter Hinweis auf die Ergebnisse der Beratung mit der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten über die Beseitigung der Folgen der Hochwasserkatastrophe 2013 vertraut der Bundesrat auf die vereinbarte innerstaatliche Verteilung der EUSF-Mittel, analog zur Verteilung der Mittel aus dem Aufbauhilfefonds.