Der Bundesrat hat in seiner 904. Sitzung am 14. Dezember 2012 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat hält verbindliche Regelungen zur weiteren Reduzierung von Emissionen fluorierter Treibhausgase (F-Gasen) für unabdingbar im Hinblick auf ihr hohes Treibhauspotenzial. Er begrüßt daher, dass mit dem Verordnungsvorschlag das Inverkehrbringen weiterer F-Gasehaltiger Erzeugnisse und Einrichtungen mittelfristig verboten oder beschränkt sowie Regelungen zur Wartung, Reparatur, Instandhaltung, Rückgewinnung sowie zu Dichtheitskontrollen von F-Gasehaltigen Anlagen präzisiert werden sollen.
Der Verordnungsvorschlag enthält jedoch Regelungen, die ein deutliches Missverhältnis zwischen dem damit verbundenen Aufwand für Wirtschaft und Behörden und dem erzielbaren Nutzen für die Umwelt aufweisen. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass der Verordnungsvorschlag auf die notwendigen Anpassungen der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 beschränkt sowie praxis- und vollzugstauglich ausgestaltet wird und Regelungen, die insbesondere mittelständische Betriebe und das Handwerk unzumutbar belasten, gestrichen bzw. überarbeitet und begriffliche Unklarheiten beseitigt werden.
- 2. Der Bundesrat sieht den Verordnungsvorschlag als nicht praxisgerecht an, da
- - er erforderliche Definitionen nicht enthält ("mobile Klimaanlagen" Artikel 2 Absatz 4),
- - obligatorische Weiterbildungen (alle 5 Jahre) für Handwerker vorsieht (Artikel 8 Absatz 5),
- - Aufzeichnungen von Betreibern auch der Kommission auf Anfrage zur Verfügung zu stellen (Artikel 15 Absatz 2) und
- - Kennzeichnungen der enthaltenen Treibhausgase künftig in "Masse und CO₂-Äquivalenten" anzugeben sind (Artikel 10 Absatz 2).
Im Einzelnen
bittet der Bundesrat die Bundesregierung auf folgende Änderungen hinzuwirken:
Zu Artikel 1
- 3. Der Bundesrat hält die Definitionen in Artikel 1 für ergänzungsbedürftig. So fehlen beispielsweise Definitionen von den Begriffen "Hersteller", "Importeur" und "Zwischenprodukte". Der Verordnungsvorschlag sieht keine Definition für die Begriffe "Nutzer" und "Erzeugnis" vor. Diese sind aber für die Umsetzung und einen einheitlichen Vollzug unabdingbar. Außerdem sollten die in dem vorliegenden Verordnungsvorschlag gewählten Definitionen kongruent mit anderen Rechtsbereichen, insbesondere dem EU-Stoff- und Abfallrecht sein (Definitionen von "Recycling" und "Aufarbeitung"). Zudem ist eine konkretere Definition des Begriffes "ortsfest" erforderlich (im Vergleich zur Richtlinie 2011/65/EU).
Es sollte ein Abgleich und eine Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten wie beispielsweise "ortsfest" und "mobil" sowie eine Anpassung der jeweiligen Definitionen vorgenommen werden. In Artikel 1 Absatz 13 wird explizit der Begriff "ortsfest" definiert. Wie jedoch die im Verordnungstext verwendete Begrifflichkeit "mobil" hierzu zu sehen ist, insbesondere hinsichtlich des verwendeten Begriffs "mobile Raumklimaanlagen", ist unklar. Der Begriffsdefinition "ortsfest" nach wären mobile Raumklimaanlagen ortsfest. Darüber hinaus wäre eine klare Abgrenzung zwischen mobiler Klimaanlage und Kühllastwägen sowie Kühlanhängern wünschenswert.
Eine Definition des Begriffs "mobile Klimaanlage" erscheint auch im Hinblick auf Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe b erforderlich, der eine Zertifizierung für Tätigkeiten an mobilen Klimaanlagen fordert. Ansonsten könnte die Regelung so ausgelegt werden, dass alle nichtortsfesten Klimaanlagen erfasst sind, also auch solche in Pkw, Bussen, Baumaschinen, Schiffen etc.. Dies würde insbesondere alle Kfz-Handwerksbetriebe betreffen, die bislang nur ein Trainingsprogramm zu absolvieren haben (Artikel 3 Absatz 2 Verordnung (EG) Nr. 307/2008). Eine solche Verschärfung würde der Bundesrat als unverhältnismäßig ablehnen.
Zu den Zertifizierungsanforderungen und -programmen
- 4. Es sollte eine Überarbeitung und ein Abgleich der Artikel 2 und 8 in Bezug auf Zertifizierungsanforderungen und -programme erfolgen. Der Verordnungsvorschlag enthält Unstimmigkeiten in Bezug auf Tätigkeiten, die eine Zertifizierung erfordern, und die entsprechenden Zertifizierungsprogramme. Beispielsweise fordert Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe b für Personen und Unternehmen, die an mobilen Klimaanlagen arbeiten, eine Zertifizierung. Artikel 8 Absatz 1 enthält jedoch keine Ausbildungs- und Zertifizierungsprogramme für Tätigkeiten an mobilen Klimaanlagen.
Zu Artikel 2 Absätze 3 und 4
- 5. Der Bundesrat lehnt die Pflicht des Betreibers von Einrichtungen, die fluorierte Gase enthalten, nach Reparatur von Leckagen durch Zertifizierte binnen eines Monats den Erfolg der Reparatur erneut durch einen Zertifizierten prüfen zu lassen, als Überregulierung ab. Er bittet die Bundesregierung, sich für eine Streichung von Artikel 2 Absatz 3 Satz 2 einzusetzen.
Er bittet außerdem, Artikel 2 Absatz 4 daraufhin zu prüfen, ob die Forderung, dass die genannten Tätigkeiten nur von zertifizierten Personen oder Unternehmen durchgeführt werden dürfen, im Einzelnen, insbesondere im Hinblick auf betroffene mittelständische und Handwerksbetriebe, verhältnismäßig ist.
Zu Artikel 3 und Artikel 4
- 6. Einrichtungen mit fluorierten Treibhausgasen, die einem Treibhauspotenzial von fünf Tonnen CO₂ oder mehr entsprechen, sind auf Dichtheit zu kontrollieren. Neben den in Artikel 3 Absatz 1 aufgeführten Einrichtungen sollten hier ebenfalls Kühlcontainer und Kühlanlagen auf Schiffen aufgenommen werden.
- 7. In Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 4 sind die Rhythmen für Dichtheitskontrollen bei Einrichtungen, die F-Gase enthalten, geregelt, sowie die Pflicht, Leckage-Erkennungssysteme vorzusehen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, inwieweit der Einwand aus der betroffenen Wirtschaft zutrifft, dass derartige Leckage-Erfassungssysteme zwar seit Jahren gefordert, jedoch nicht für alle Fälle geeignete technische Lösungen am Markt verfügbar sind. Soweit dieser Einwand zutreffen sollte, wäre Artikel 4 zu streichen.
Ist an der Pflicht zur Installation von Leckage-Erfassungssystemen festzuhalten, sind die Kontrollrhythmen daran anzupassen. So ist nach Auffassung des Bundesrates das Dreimonatsintervall für Dichtigkeitsprüfungen bei Großanlagen gemäß Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c (500 Tonnen CO₂-Äquivalent oder mehr) zu kurz bemessen, da die Betreiber diese Einrichtungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 ohnehin mit Leckage-Erkennungssystemen versehen müssen (vgl. Artikel 4 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe b).
Zu Artikel 9 Absatz 3 und Artikel 13 Absatz 4 Buchstabe a
- 8. Der Bundesrat lehnt die geplante Möglichkeit in Artikel 9 Absatz 3 zur Änderung des Anhanges III und in Artikel 13 Absatz 4 Buchstabe a zur Änderung des Anhanges V durch delegierten Rechtsakt der Kommission ab. Es handelt sich bei den Anhängen III und V gerade nicht um "nicht wesentliche Vorschriften", für die das Instrument des delegierten Rechtsaktes in Betracht kommt.
In Anhang III ist festgelegt, für welche Erzeugnisse und Einrichtungen, die bestimmte fluorierte Treibhausgase enthalten, ab dem festgelegten Zeitpunkt ein Inverkehrbringen untersagt ist. Eine Erweiterung des Anhanges bedeutet damit weitere Verkehrsverbote, die für die betroffenen Wirtschaftsakteure wesentliche Bedeutung haben können.
In Anhang V sind die Höchstmengen an teilfluorierten Kohlenwasserstoffen festgelegt, die jährlich in der EU in Verkehr gebracht werden dürfen. Änderungen an der Kontingentierung können erhebliche Auswirkungen auf die betroffenen Wirtschaftsakteure haben, insbesondere Investitionen und betriebliche Umstellungen von erheblicher Tragweite erfordern.
Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich im weiteren Rechtsetzungsverfahren dafür einzusetzen, dass Änderungen der Anhänge III und V nur im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens möglich sind. Eine inhaltlich sinnvolle Beteiligung der Mitgliedstaaten bzw. der Länder ist in dem in Artikel 20 Absatz 5 festgelegten Zeitraum von 2 Monaten angesichts der Komplexität erforderlicher Folgenabschätzungen, insbesondere für die betroffenen Wirtschaftsakteure, nicht durchführbar.
Zu Artikel 11 Absatz 1
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob tatsächlich eine technische Alternative für die Verwendung von Schwefelhexafluorid für den Magnesiumdruckguss verfügbar ist, die ganzheitlich betrachtet sinnvoll und aus ökonomischer Sicht zumutbar ist.
Schwefeldioxid erscheint als Alternative im Hinblick auf den Gesundheits- und Arbeitsschutz problematisch.
Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die im Magnesiumdruckgussverfahren hergestellten Magnesiumbauteile zur Leichtbauweise Einsatz finden, die ihrerseits im Fahrzeugbau Kraftstoff- und damit CO₂-Einsparungen ermöglicht.
Zumindest ist auf eine angemessene Übergangsfrist hinzuwirken. Nach der jetzigen Regelung würde das Verbot bereits ab 1. Januar 2014 gelten.
Zu Artikel 11 Absatz 3
- 10. Der Bundesrat hält das in Artikel 11 Absatz 3 vorgesehene Verwendungsverbot für fluorierte Treibhausgase mit einem Treibhauspotenzial von >2500 zur Wartung oder Instandhaltung von Kälteanlagen mit einer Füllmenge von fünf Tonnen CO₂ bereits ab dem 1. Januar 2020 für problematisch.
Nach Artikel 11 Absatz 3 und 4 der Verordnung (EG) Nr. 1005/2009 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen (ODS), dürfen aufgearbeitete und rezyklierte teilhalogenierte Fluorchlorkohlenwasserstoffe für die Instandhaltung oder Wartung bestehender Kälte- und Klimaanlagen und Wärmepumpen noch bis Ende 2014 in Verkehr gebracht und verwendet werden. Zahlreiche Betreiber derartiger Anlagen haben daher erst in den letzten Monaten hohe Investitionen für Umbau und Umrüstung bestehender Anlagen auf F-Gase getätigt, die als Ersatzstoffe für ODS entwickelt wurden. Durch das nunmehr vorgesehene Verwendungsverbot auch der bestimmten F-Gase ab 2020 würden diese kürzlich getätigten Investitionen entwertet und binnen nur sieben Jahren erneute hohe Investitionen erforderlich.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, in den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene auf einen ausreichenden Bestandsschutz für Betreiber hinzuwirken, die Investitionen zur Umstellung von ODS auf F-Gase im Vertrauen auf einen langfristigen Betrieb getätigt haben.
Er bittet die Bundesregierung außerdem zu prüfen, inwieweit die Aussage betroffener Wirtschaftskreise zutrifft, dass - entgegen den Ausführungen der Kommission - nicht für alle Kälte- und Klima-Anwendungen besser geeignete und energieeffiziente "Dropin-Kältemittel" mit niedrigerem Treibhauspotenzial auf dem Markt leicht verfügbar sind. Für diese Fälle wäre dann eine abweichende Lösung angezeigt.
Zu Artikel 13 ff.
- 11. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die quotenmäßige Verringerung der Menge an teilfluorierten Kohlenwasserstoffen, die Hersteller und Einführer jährlich in der EU in Verkehr bringen dürfen, dann keine Anwendung finden darf, wenn es sich um Zwischenprodukte handelt und die F-Gase im weiteren chemischen Prozess umgewandelt und somit unschädlich gemacht werden, oder wenn es sich um pharmazeutische Treibmittel handelt, solange es hierfür keine zugelassenen Alternativen gibt (Artikel 13 ff.).
Zum Zuweisungsmechanismus
- 12. Es sollte eine grundlegende Überarbeitung von Artikel 14 in Verbindung mit Anhang VI vorgenommen werden. Die Berechnungsmethode von Referenzwerten und Quoten ist in der jetzigen Form inhaltlich kaum nachvollziehbar.
Zu Artikel 17 Absatz 4
- 13. Der Bundesrat sieht in der Regelung des Artikels 17 Absatz 4, wonach die von den Unternehmen zu erstellenden jährlichen Berichte durch besonders akkreditierte externe Dritte geprüft werden müssen, eine nicht gerechtfertigte Belastung der Wirtschaft. Er verweist auf entsprechende Berichtspflichten im Bereich der ozonschädigenden Stoffe, die ohne eine vergleichbare Prüfung auskommen. Der Bundesrat hält es daher für ausreichend, wenn die Richtigkeit eines Berichts in Zweifelsfällen einer stichpunktartigen Prüfung durch die zuständige Behörde unterzogen wird.
Zu Artikel 18
- 14. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass Berichtspflichten gegenüber der Kommission und zusätzliche Datenermittlungspflichten auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren sind. Insoweit ist das Erfordernis neuer Datenbanken, wie in Artikel 18 vorgesehen, zu überprüfen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Daten bereits aus dem vorhandenen Europäischen Schadstoff-Freisetzungs- und Verbringungsregister (E-PRTR) generierbar sind.
Zu Durchsetzungsrechtsakten
- 15. Der Bundesrat hält eine neue konkretisierende Rechtsetzung mit insgesamt 18 Ermächtigungsgrundlagen für Durchsetzungs-Rechtsakte der Kommission für kaum geeignet, einen effektiveren Vollzug durchzusetzen.
Zu befürchten ist dagegen eine Fülle praxisferner und bürokratischer Auflagen mit neuartigen Berichtspflichten, die zu einer nicht zumutbaren Belastung der Wirtschaft und des Handwerks - insbesondere durch die obligatorischen Fortbildungsmaßnahmen -, aber auch der Vollzugsbehörden führen werden.
Weiteres
- 16. Der Bundesrat weist darauf hin, dass bereits die abzulösende Verordnung (EG) Nr. 842/2006 mit ihren Begleitverordnungen in Deutschland zu Belastungen für produzierende Betriebe und durch die verschärfende Umsetzung der ChemKlimaschutzV auch zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für das Handwerk geführt hat.