Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz Mainz, den 12. März 2013
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
das Land Rheinland-Pfalz möchte die aus der Anlage ersichtlichen Fragen zur Umsetzung des Ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung "Neue Wege - Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf" an die Bundesregierung stellen.
Namens der Landesregierung bitte ich Sie, diese Fragen gemäß § 19 Absatz 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung weiterzuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Malu Dreyer
Fragen an die Bundesregierung zur Umsetzung des Ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung "Neue Wege - Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf"
Das Bundeskabinett hat am 15. Juni 2011 den Ersten Gleichstellungsbericht beschlossen. Er besteht aus dem Gutachten der unabhängigen Sachverständigenkommission "Neue Wege - Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf" vom 25. Januar 2011 und der Stellungnahme der Bundesregierung. Das Sachverständigengutachten war 2008 als Grundlage für eine zukunftsorientierte und konsistente Gleichstellungspolitik für Frauen und Männer vergeben worden.
Der Gleichstellungsbericht zeigt die Bedeutung der Frauen- und Gleichstellungspolitik für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands auf. Zentrale Aussagen der Sachverständigenkommission sind:
- - Es fehlt der Bundesregierung an einem klaren Leitbild in der Gleichstellungspolitik.
- - Die Politik ist von vielfältigen Inkonsistenzen und Widersprüchen geprägt.
- - Die Politik setzt widersprüchliche Anreize für unterschiedliche Lebensmodelle.
- - Unterstützung, die in der einen Lebensphase gewährt wird, bricht in der nächsten ab oder ändert die Richtung.
- - In Deutschland benachteiligen die Strukturen nach wie vor die Frauen.
- - Deutschland hat im europäischen Vergleich Nachholbedarf beim Auflösen von starren Rollenbildern, die verhindern, dass Frauen und Männer ihre Rolle selbst definieren.
- - Frauen streben immer mehr nach ökonomischer Unabhängigkeit. Sie wollen sich beruflich frei entfalten können und eine Familie haben.
- - Männer wollen neben dem Beruf auch Verantwortung in der Sorgearbeit übernehmen.
Zur Überwindung dieser Inkonsistenzen und Widersprüche geben die Sachverständigen konkrete Handlungsempfehlungen, die sich an einem Leitbild mit tatsächlichen Wahlmöglichkeiten für Frauen und Männer orientieren.
Mittlerweile liegt das Sachverständigengutachten der Bundesregierung seit zwei Jahren vor. Bisher wurden keine Maßnahmen der Bundesregierung zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen bekannt. Vielmehr zeigen sich entgegen dieser Handlungsempfehlungen zusätzliche, neue Widersprüche in der Gleichstellungspolitik, beispielsweise durch die Anhebung der Einkommensgrenzen für Minijobs von 400 auf 450 Euro oder durch die Einführung eines Betreuungsgeldes.
Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung gefragt:
- 1. In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, einen Anspruch auf gleiches Entgelt für gleichwertige Tätigkeiten im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz rechtlich zu verankern, umsetzen?
- 2. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung des Sachverständigengutachtens nach einer Abschaffung der Minijobs aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive?
- 3. In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, die Regelungen, die während einer bestehenden Ehe die traditionelle Arbeitsteilung verfestigen, wie
- - die beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenkasse nach § 10 SGB V,
- - das Ehegattensplitting und - andere Regelungen des Sozial- und Einkommensteuerrechts, die an die Ehe anknüpfen und ein traditionelles Rollenmodell begünstigen, zu beschränken oder zu beseitigen, umsetzen?
- 4. In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, angesichts des hohen Anteils von Frauen im Niedriglohnbereich gesetzliche Mindestlöhne zu schaffen, umsetzen?
- 5. In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, zur partnerschaftlichen Weiterentwicklung beim Elterngeld einerseits die Partnermonate zu verlängern und andererseits die Halbierung der Bezugsdauer des Elterngeldes aufzuheben, wenn beide Elternteile gleichzeitig Elternzeit und Teilzeitbeschäftigung in Anspruch nehmen, umsetzen?
- 6. In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, über eine sanktionsbewehrte Geschlechterquote für Aufsichtsräte die Unterrepräsentanz von Frauen in diesen Gremien zu ändern, umsetzen?
- 7. In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens zu (befristeten) Mindestanteilsregelungen für Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft umsetzen?
- 8. In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens zum Abbau abgeleiteter Sicherungsansprüche in der Gesetzlichen Rentenversicherung und zum Aufbau eigenständiger, armutsfester Renten umsetzen?