A. Problem und Ziel
Unternehmer ohne Beschäftigte (UoB) werden auf Baustellen vielfach nicht durch das Arbeitsschutzrecht erfasst, weil dieses (nur) "Beschäftigte" schützt und sich dies deshalb in erster Linie an den "Arbeitgeber" richtet. Dies stellt eine erhebliche Lücke in der vollständigen Wahrnehmung des gesetzlichen Auftrags der Arbeitsschutzbehörden zur Überwachung von Sicherheit und Gesundheit der im Bereich von Baustelle tätigen Personen dar. Deshalb ist das Arbeitsschutzrecht auch mit dem Ziel weiterzuentwickeln, UoB in die Arbeitsschutzvorschriften auf Baustellen vollumfänglich einzubeziehen. Insbesondere soll damit den auf Baustellen deutlich zunehmenden kritischen Bedingungen des Arbeitsschutzes begegnet werden. Dieser dringende Handlungsbedarf wird gesehen, um die Sicherheit und die Gesundheit der auf Baustellen tätigen Personen in zwei unterschiedlichen Ebenen zu gewährleisten:
- - Lücke bei der Umsetzung des staatlichen Überwachungsauftrags durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden auf Baustellen
- - Entwicklung von vertraglichen Strukturen der auf Baustellen tätigen Unternehmen Zur Vermeidung von Missverständnissen wird unterstrichen, dass Unternehmer ohne Beschäftigte (UoB) ein wichtiger Teil der Wirtschaft sind und es nicht das Ziel der Initiative ist, UoB aus dem Markt zu verdrängen. Ziel ist es vielmehr, Sicherheit und Gesundheitsschutz für Alle auf der Baustelle sicherzustellen, indem sowohl an Betriebe mit Beschäftigten als auch an Unternehmer ohne Beschäftigte die gleichen Arbeitsschutzanforderungen gestellt werden. Aus ungleichen Arbeitsschutzanforderungen Aus ungleichen Arbeitsschutzanforderungen dürfen keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Damit wird wirksam entgegengewirkt, dass Mitarbeiter/innen entlassen werden und als Subunternehmer wieder beschäftigt werden, um so Arbeitsschutzvorschriften nicht erfüllen zu müssen.
Konkret wird vorgeschlagen, Satz 1 des § 6 Pflichten sonstiger Personen der Baustellenverordnung entsprechend des Änderungsentwurfs im Anhang zu formulieren.
B. Lösung
Nach der Baustellenverordnung sind UoB (nur) dann in die Arbeitsschutzvorschriften einbezogen, wenn auf der Baustelle Beschäftigte anderer Arbeitgeber gefährdet werden. Deshalb wird der § 6 Pflichten sonstiger Personen der Baustellenverordnung - vergleichbar mit Regelungen in der Gefahrstoffverordnung und der Biostoffverordnung - so geändert, dass Unternehmer ohne Beschäftigte auf Baustellen den gleichen Arbeitsschutzvorschriften unterliegen wie Arbeitgeber und zwar unabhängig von der Tatsache, ob Beschäftigte (anderer Arbeitgeber) auf der Baustelle anwesend sind oder nicht.
C. Befristung
Keine.
D. Alternativen
Für die gezielte und auf Baustellen begrenzte Einbeziehung von UoB in das Arbeitsschutzrecht gibt es keine Alternative
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Durch die Verordnung wird für Bürgerinnen und Bürger kein Erfüllungsaufwand eingeführt, abgeschafft oder verändert.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Hier muss differenziert werden zwischen Unternehmen/Arbeitgebern mit Beschäftigten und Unternehmern ohne Beschäftigte:
Arbeitgebern entsteht kein Erfüllungsaufwand, im Gegenteil dürfte sich die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Angebote aufgrund einer wegfallenden Wettbewerbsverzerrung gegenüber Arbeitsgemeinschaften aus mehreren Unternehmern ohne Beschäftigte.
Unternehmer ohne Beschäftigte werden in ihre Angebote wie Arbeitgeber auch Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen kalkulieren müssen.
Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten
Es entstehen durch die Änderungsverordnung keine neuen Informationspflichten E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Die Überwachung des Arbeitsschutzes auf Baustellen wird durch die Änderung immer dann effektiver, wenn Unternehmer ohne Beschäftigten in Arbeitsgemeinschaften angetroffen werden. Insgesamt wird sich seitens kleinerer Betriebe die Akzeptanz gegenüber Arbeitsschutz und Überwachungsbehörden stärken, weil nachvollziehbare Unterschiede in der Überwachung vermieden werden.
F. Weitere Kosten
Keine.
Verordnungsantrag des Landes Hessen
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (Baustellenverordnung - BaustellV)
Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, 9. September 2020
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat den Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (Baustellenverordnung - BaustellV) mit dem Ziel zu übersenden, die Zuleitung gemäß Artikel 80 Absatz 3 GG an die Bundesregierung zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 993. Plenarsitzung am 18. September 2020 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (Baustellenverordnung - BaustellV)
Vom 10. Juni 1998 (BGBl. I S. 1283), zuletzt geändert durch Artikel 27 des Gesetzes vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966)
Aufgrund des § 18 des Arbeitsschutzgesetzes, der zuletzt durch Artikel 227 Nummer 1 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, verordnet die Bundesregierung:
Artikel 1
Änderung des § 6 Pflichten weiterer Personen
Die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (Baustellenverordnung - BaustellV) vom 10. Juni 1998 (BGBl. I S. 1283), die zuletzt durch Artikel 27 des Gesetzes vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In § 6 Satz 1 werden die Wörter "der Beschäftigten" durch "auf Baustellen" ersetzt.
Artikel 2
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Unternehmer ohne Beschäftigte (UoB) werden auf Baustellen vielfach nicht durch das Arbeitsschutzrecht erfasst, weil dieses (nur) "Beschäftigte" schützt und sich dies deshalb in erster Linie an den "Arbeitgeber" richtet. Dies stellt eine erhebliche Lücke in der vollständigen Wahrnehmung des gesetzlichen Auftrags der Arbeitsschutzbehörden zur Überwachung von Sicherheit und Gesundheit der im Bereich von Baustelle tätigen Personen dar. Deshalb ist das Arbeitsschutzrecht auch mit dem Ziel weiterzuentwickeln, UoB in die Arbeitsschutzvorschriften auf Baustellen vollumfänglich einzubeziehen. Insbesondere soll damit den auf Baustellen deutlich zunehmenden kritischen Bedingungen des Arbeitsschutzes begegnet werden. Dieser dringende Handlungsbedarf wird gesehen, um die Sicherheit und die Gesundheit der auf Baustellen tätigen Personen in zwei unterschiedlichen Ebenen zu gewährleisten:
a. Lücke bei der Umsetzung des staatlichen Überwachungsauftrags durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden auf Baustellen
UoB werden durch das Arbeitsschutzgesetz nicht als Normadressaten erfasst. Allein die Baustellenverordnung sieht nach § 6 vor, dass die UoB "die bei den Arbeiten anzuwendenden Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten (haben)", allerdings nur "zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz anderer auf der Baustelle Beschäftigter". Konkret bedeutet dies, dass UoB nur dann durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden belangt werden können, wenn Beschäftigte anderer Arbeitgeber durch die UoB gefährdet werden.
Somit sind nicht die Situationen erfasst, in denen UoB sich gegenseitig oder am Bau Beteiligte oder auch unbeteiligte Dritte (z.B. Anwohner, Passanten, Kunden, Kinder) gefährden. Dies stellt eine erhebliche Lücke in der vollständigen Wahrnehmung des gesetzlichen Auftrags der Arbeitsschutzbehörden zur Überwachung von Sicherheit und Gesundheit der im Bereich von Baustelle tätigen Personen dar. Durch entsprechende Rechtsänderung in § 6 der BaustellV sollte die vorrangige Problematik auf Baustellen gelöst werden. Vergleichbare Regelungen finden sich z.B. in § 2 Abs. 7 Nr. 2 der Gefahrstoffverordnung oder in der in § 2 Abs. 10 Nr. 1 der Biostoffverordnung.
b. Kritische Entwicklung von vertraglichen Strukturen der auf Baustellen tätigen Unternehmen
Arbeitsschutzbehörden der Länder berichteten schon in der Vergangenheit über die steigende Zahl von Ich-AGs und deren häufigen Zusammenschlüssen zu Arbeitsgemeinschaften. In der Praxis werden zunehmend Fälle bekannt, in denen es sich um Scheinarbeitsgemeinschaften handelt, die sich häufig auch aus mehreren UoB zusammensetzen, die kurz zuvor selbst noch als Arbeitgeber mit Beschäftigten tätig waren. In der Regel findet sich eine Struktur eines "Haupt-UoB", der mehrere mit Werkvertrag beauftragte "Nach-UoB" koordiniert. Häufig wird auch ohne tiefergehende Prüfung deutlich, dass "Nach-UoB" wiederholt oder regelmäßig auf Weisung des Auftraggebers ("Haupt-UoB") Tätigkeiten auf Baustellen ausüben und somit eine wirtschaftliche Abhängigkeit (Scheinselbständigkeit) nicht ausgeschlossen werden kann. Dies wird durch die Beobachtung weiter verstärkt, dass einzelnen Abläufe der Arbeiten des "Nach-UoB" über den Werkvertrag hinaus zeitlich und örtlich oder auch in der Art der Ausführung weisungsgebunden sind. Ebenso häufig wird erkennbar, dass der "Nach-UoB" in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist (z.B. über Arbeitsmittel des "Haupt-UoB" und/oder eine direkte Kooperation in einer Kolonne/eines Teams) besteht.
Infolge ergeben sich (nur) aus den rechtlich gesetzten Unterschieden in den Anforderungen des Arbeitsschutzrechts für Arbeitgeber und UoB gerade im Baubereich Wettbewerbsverzerrungen, denn insgesamt kann - vorsichtig formuliert - nicht ausgeschlossen werden, dass UoB in der Praxis häufig Bauleistungen ausführen, bei denen keine oder nur geringe Aufwendungen für die Erfüllung von Arbeitsschutzstandards enthalten sind und damit deutlich billiger sind als Angebote von Bietern, die die Arbeitsschutzregeln vollumfänglich berücksichtigen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass UoB in der Praxis häufig - auch bewusst und gezielt - Angebote für Bauleistungen unterbreiten, die keine oder nur geringen Aufwendungen für die Erfüllung von Arbeitsschutzstandards enthalten und damit deutlich billiger sind als Angebote von Bietern, die vollumfänglich der Arbeitsschutzgesetzgebung unterliegen. Insbesondere kleinere Bauunternehmen und Handwerksbetriebe haben durch diese Entwicklung zunehmend Schwierigkeiten, sich wirtschaftlich gegen die neu auf dem Markt anzutreffenden Unternehmensformen (UoB), Arbeitsgemeinschaften ohne Arbeitgeber/Arbeitnehmer) durchzusetzen. Die Schere beim Vergleich der Angebote für Bauleistungen von guten Handwerksbetrieben, die die Arbeitsschutzanforderungen wie Sicherheitsmaßnahmen (z.B. Absturzsicherungen) oder Baustelleneinrichtungen (z.B. Treppenzugänge auf Gerüste, Sozialräume oder Brandschutz und Erste-Hilfe-Einrichtungen) vorschriftsgemäß kalkulieren und umsetzen, gegenüber UoB geht mit jeder (sinnvollen) Verbesserung des Arbeitsschutzniveaus durch höhere Anforderungen weiter auseinander.
Diese Wettbewerbsverzerrungen drücken das grundsätzliche Arbeitsschutzniveau auf Baustellen, denn vor diesem Hintergrund fällt es den Aufsichtsinstitutionen und auch den Verbänden der Bauwirtschaft und des Handwerks immer schwerer, den Betrieben bzw. ihren Mitgliedsbetrieben die Notwendigkeit der Einhaltung von Vorschriften zu vermitteln. Dies führt zu einer erheblichen Belastung des Arbeitsschutzes auf Baustellen insgesamt. Bei der langjährigen Tatsache, dass Beschäftigte auf Baustellen noch immer einem mehr als doppelt so hohen Unfallrisiko als im Durchschnitt der gewerblichen Wirtschaft ausgesetzt sind (2018: 53 zu 25 Arbeitsunfälle je 1.000 Vollarbeiter), ist dies aus Sicht der gesetzlichen staatlichen Überwachung nicht zu akzeptieren.
II. Alternativen
Keine.
III. Verordnungsfolgen
1. Nachhaltigkeitsaspekte
Mit der Änderung der Baustellenverordnung werden Unternehmer ohne Beschäftigte systematisch in das Arbeitsschutzrecht auf Baustellen einbezogen. Damit eine nachhaltige Verbesserung des Arbeitsschutzes auf Baustellen erwartet.
2. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Für Bund, Länder und Kommunen hat der Erlass der Änderungsverordnung keine Auswirkungen auf die Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand.
3. Erfüllungsaufwand und weitere Kosten
a) Bürgerinnen und Bürger
Durch die Verordnung wird für Bürgerinnen und Bürger kein Erfüllungsaufwand eingeführt, abgeschafft oder verändert.
b) Wirtschaft
Hier muss differenziert werden zwischen Unternehmen/Arbeitgebern mit Beschäftigten und Unternehmern ohne Beschäftigte:
Arbeitgebern entsteht kein Erfüllungsaufwand, im Gegenteil dürfte sich die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Angebote aufgrund einer wegfallenden Wettbewerbsverzerrung gegenüber Arbeitsgemeinschaften aus mehreren Unternehmern ohne Beschäftigte. Unternehmer ohne Beschäftigte werden in ihre Angebote wie Arbeitgeber auch Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen kalkulieren müssen.
c) Verwaltung
Die Überwachung des Arbeitsschutzes auf Baustellen wird durch die Änderung immer dann effektiver, wenn Unternehmer ohne Beschäftigten in Arbeitsgemeinschaften angetroffen werden. Insgesamt wird sich seitens kleinerer Betriebe die Akzeptanz gegenüber Arbeitsschutz und Überwachungsbehörden stärken, weil nachvollziehbare Unterschiede in der Überwachung vermieden werden.
d) Weitere Kosten
Keine.
IV. Befristung; Evaluation
Eine Befristung der Verordnung kommt nicht in Betracht. Dies widerspräche der mit der Verordnung angestrebten Einbeziehung der Unternehmer ohne Beschäftigte in die Arbeitsschutzvorschriften auf Baustellen.
B. Besonderer Teil
Zu Art. 1
Art. 1 bestimmt, dass in § 6 Satz 1 die Wörter "der Beschäftigten" durch "auf Baustellen" ersetzt werden. Damit regelt die Baustellenverordnung, ausdrücklich auf Baustellen bezogen und damit auf Baustellen begrenzt, dass auch Unternehmer ohne Beschäftigte immer die bei den Arbeiten anzuwendenden Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten haben. Dies gilt damit unabhängig davon, ob Beschäftigte anderer Arbeitgeber auf der Baustelle tätig sind. Mit dieser Formulierung des Satzes 1 werden auch die Anforderungen in Satz 2 ("Sie haben die Hinweise des Koordinators sowie den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan zu berücksichtigen.") und Satz 3 ("Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Arbeitgeber, die selbst auf der Baustelle tätig sind".) unabhängig von anderen Beschäftigten auf Baustellen immer gültig.
Zu Art. 2:
Art. 2 regelt das Inkrafttreten.