A. Problem und Ziel
- Eine Reihe von Gewaltdelikten aus der jüngsten Zeit, bei denen unter Verwendung von Waffen, insbesondere von gefährlichen Messern, Menschen getötet oder verletzt wurden, machen ein zeitnahes und entschiedenes Handeln erforderlich. Da sich die Gewaltdelikte zu einem erheblichen Teil auf bestimmte Örtlichkeiten in Großstädten konzentrieren, erscheint ein Verbot des Führens von Waffen in den betroffenen öffentlichen Straßen und Plätzen als ein geeignetes Mittel, dieser Gewaltentwicklung wirksam zu begegnen. Ein derartiges Verbot kann aber ohne eine Änderung des Waffengesetzes nicht sachgerecht realisiert werden.
B. Lösung
- Änderung des Waffengesetzes.
- Durch eine Öffnungsklausel soll für die Länder die Möglichkeit geschaffen werden, für öffentliche Straßen und Plätze das Führen von Waffen zu verbieten, wenn an diesen Orten wiederholt Gewaltstraftaten begangen worden sind und dort auch künftig mit der Begehung solcher Straftaten zu rechnen ist.
C. Alternativen
- Im Rahmen der Zielsetzung keine
D. Finanzielle Auswirkungen der öffentlichen Haushalte
- Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand:
Keine
- Vollzugsaufwand:
Für die Durchsetzung des Verbots kann ein nichtquantifizierbarer Mehrbedarf entstehen
E. Sonstige Kosten
- Die Gesetzesänderung kann bei betroffenen Waffenhändlern zu Mehrkosten führen.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes
Der Bundesrat hat in seiner 822. Sitzung am 19. Mai 2006 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Waffengesetzes
Das Waffengesetz vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592, 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch ... wird wie folgt geändert:
- 1. Dem § 42 wird folgender Absatz 5 angefügt:
(5) Die Landesregierungen oder die von ihnen durch Rechtsverordnung bestimmten Stellen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass für öffentliche Straßen, Wege und Plätze eine den Absätzen 1 bis 3 entsprechende Regelung getroffen werden kann, soweit an diesen Orten wiederholt Gewaltstraftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung solcher Straftaten zu rechnen ist."
- 2. In § 53 Abs. 1 Nr. 23 wird nach der Angabe "§ 36 Abs.5" die Angabe ", § 42 Abs. 5" eingefügt.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am..in Kraft.
Begründung
Zu Artikel 1 Nummer 1:
1. Problemlage
In der jüngeren Vergangenheit kam es in Hamburg wiederholt zu Messerstechereien. Betroffen war insbesondere der Bereich der Reeperbahn. Im Mai 2005 wurde ein Bundespolizeibeamter, der einen Obdachlosen in der S-Bahnstation Reeperbahn vor Schlägern schützen wollte, durch mehrere Messerstiche schwer verletzt. Am ersten Septemberwochenende 2005 wurden in Hamburg bei mehreren Messerattacken insgesamt 13 Personen verletzt, allein 8 durch einen Amoklauf in einer Kiezkneipe. Diese und andere Ereignisse haben in der Öffentlichkeit die Forderung aufkommen lassen, in bestimmten Straßen oder Stadteilen das Tragen von Messern zu verbieten. Besonders in der Kritik standen dabei die so genannten gefährlichen Messer, wie legale Springmesser oder Dolche.
Ein Messerverbot für bestimmte öffentliche Straßen und Plätze kann zwar grundsätzlich einen Beitrag zu der Verbesserung der öffentlichen Sicherheit leisten, ist aber nach der gegenwärtigen Rechtslage ohne eine Änderung des Waffengesetzes nur sehr unvollständig möglich. Das Waffengesetz regelt abschließend und bundeseinheitlich, welche Gegenstände als Waffen anzusehen sind und welcher Umgang mit ihnen legal bzw. verboten ist. So können z.B. Springmesser nach der Anlage 2 Abschnitt 1 Ziffer 1.4.1. Satz 2 sowie Dolche (als Hieb- und Stoßwaffen i. S. d. § 1 Absatz 2 Nr. 2 Buchstabe a WaffG i. V. m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Ziffer 1.1), nach § 2 Absatz 1 WaffG von Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, legal erworben und dann geführt werden.
2. Problemlösung
Der dargestellten Gewaltbereitschaft kann nicht durch eine Erweiterung des Verbotskatalogs der Anlage 2 zum Waffengesetz um die im Moment im Zentrum der öffentlichen Diskussion stehenden gefährlichen Messer begegnet werden. Es besteht hier die Gefahr, dass ein Verbot zu einem Ausweichen auf andere Waffen oder Gegenstände führt, über die dann erneut eine Verbotsdiskussion entsteht.
Überzeugender und effektiver zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit ist es, den Landesregierungen oder den von ihnen bestimmten Stellen durch eine Öffnungsklausel die Möglichkeit einzuräumen, das Führen von allen Waffen, nicht nur von gefährlichen Messern, in genau bezeichneten öffentlichen Straßen und Plätzen zu verbieten, wenn an diesen Orten wiederholt Gewaltstraftaten begangen worden sind und auf Grund einer Gefahrenprognose auch in der Zukunft mit der Begehung solcher Straftaten zu rechnen ist. Hierdurch wird ermöglicht, bei entsprechender Datengrundlage, ein normenklares und verhältnismäßiges Verbot des Führens von Waffen auszusprechen, auf Veränderungen flexibel zu reagieren und auch ggf. notwendige Ausnahmen von dem Verbot zulassen zu können.
Die Rechtfertigung für eine derartige Länderöffnungsklausel kann im Wege einer Rechtsanalogie aus § 42 Waffengesetz hergeleitet werden. Sinn des in dieser Norm festgeschriebenen Verbots des Führens von Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen ist der Schutz vor dem Einsatz der Waffen in Konfliktsituationen, die in bestimmten öffentlichen Veranstaltungen nicht nur häufiger entstehen können, sondern auch geeignet sind, Unbeteiligte mit einzubeziehen. Dieser Schutz von Versammlungen umfasst auch den normalen Diskothekenbetrieb und Theateraufführungen (vgl. Apel/Bushart, Waffenrecht, Band 2: Waffenrecht, 3. Auflage 2004, § 42 Rn. 2). Die so beschriebene Grundgefährdungslage ist auch in gefährlichen Straßen und Plätzen im Kern latent vorhanden.
Sollen bestimmte Örtlichkeiten als gefährliche Straßen/Plätze eingestuft werden, ist hierfür eine entsprechende Datenerhebung und Auswertung erforderlich. In Hamburg waren bereits zur Umsetzung der landesgesetzlich neu eingeführten Möglichkeit der Videoüberwachung von öffentlichen Straßen und Plätzen im Zeitraum vom 01.05.2004 bis zum 30.04.2005 acht Örtlichkeiten auf ihre grundsätzliche Eignung zur Videoüberwachung überprüft worden. Es wurden Daten über Gewaltkriminalität (Raubdelikte, Körperverletzungsdelikte, Bedrohung/Nötigung, Sexualdelikte, Freiheitsberaubung und Straftaten gegen das Leben) erhoben und ausgewertet. Der deutliche Kriminalitätsschwerpunkt lag dabei auf der Reeperbahn. Dort wurden 757 Straftaten festgestellt; dies war etwas mehr als an allen sieben anderen Örtlichkeiten zusammen. Da bei diesen Gewaltdelikten auch der Einsatz einer Waffe zur Tatbegehung in Betracht kommen kann, zeigen diese Ergebnisse, dass es möglich ist, öffentliche Straßen zu bestimmen, in denen wegen der dort begangenen und zu erwartenden Gewaltdelikte das Verbot des Führens von Waffen einen Beitrag zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit leisten kann. Nach den Messerstechereien von Anfang September 2005 wurden, um eine valide Datengrundlage für die Einfügung einer länderrechtliche Öffnungsklausel in das Waffengesetz zu haben, vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 für die genannten Örtlichkeiten und die beschriebenen Straftaten erneut Daten erhoben und ausgewertet. Das Ergebnis der ersten Datenerhebung wurde bestätigt. Die Gewaltkriminalität konzentrierte sich auf den Bereich der Reeperbahn. Sie lag dort mit 403 Straftaten in etwa so hoch wie in allen anderen sieben Straßen/Plätzen zusammen.
Eine Verordnung auf der Grundlage des § 42 Absatz 5 WaffG wäre ggf. durch eine "Gefahrenabwehrverordnung" auf der Grundlage des Polizeirechts zu ergänzen. Diese Verordnung würde in den betroffenen Bereichen auch das Führen derjenigen gefährlichen Gegenstände untersagen, die bei Gewaltdelikten häufig zum Einsatz kommen, aber nicht dem WaffG unterfallen, weil es für sie einen zivilen Gebrauchszweck gibt (z.B. Fahrtenmesser, Baseballschläger).
Insgesamt zeigen die Hamburger Probleme und Erfahrungen, die in unterschiedlichem Umfang auch in anderen Großstädten vorhanden sind, dass die vorgeschlagene Länderöffnungsklausel ein wirksamer Beitrag zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit in den betroffenen Örtlichkeiten sein kann.
Zu Artikel 1 Nummer 2:
Die Änderung des § 53 Absatz 1 Nr. 23 enthält eine Bußgeldbewehrung für einen Verstoß gegen eine auf der Grundlage des § 42 Absatz 5 erlassene Verordnung.
Zu Artikel 2 - Inkrafttreten:
Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.