Ummünzung der digitalen Dividende in sozialen Nutzen und wirtschaftliches Wachstum KOM (2009) 586 endg.; Ratsdok. 15289/09
Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 04. November 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 30. Oktober 2009 dem Bundesrat zugeleitet.
Die Vorlage ist von der Kommission am 30. Oktober 2009 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Hinweis: vgl. AE-Nr. 070903
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Ummünzung der digitalen Dividende in sozialen Nutzen und wirtschaftliches Wachstum (Text von Bedeutung für den EWR)
1. Digitale Dividende - Zeit zum Handeln auf EU-Ebene
Durch den Übergang vom analogen zum digitalen terrestrischen Fernsehen in Europa werden dank der höheren Effizienz der digitalen Rundfunkübertragung äußerst wertvolle Funkfrequenzen frei. Diese "digitale Dividende" birgt ein großes Potenzial für die Bereitstellung einer breiten Palette von Diensten, weil die Funksignale in diesem Frequenzbereich eine große Reichweite haben und entsprechende Geräte sich auch leicht im Inneren von Gebäuden nutzen lassen. Hier bietet sich Europa die einmalige Chance, nicht nur den wachsenden Bedarf an Funkfrequenzen zu decken, die nicht zuletzt auch für die Bereitstellung drahtloser Breitbandanschlüsse in ländlichen Gebieten benötigt werden, um somit die digitale Kluft zu überbrücken, und die Einführung von neuen drahtlosen Diensten wie Mobilfunk-Breitbanddiensten der nächsten Generation zu fördern, sondern auch die Entwicklung des terrestrischen Rundfunks voranzutreiben. Die digitale Dividende kann daher einen erheblichen Beitrag zur Verwirklichung der in Lissabon formulierten Ziele für Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum leisten und wichtige soziale, kulturelle und wirtschaftliche Bedürfnisse der europäischen Bürger befriedigen helfen.
Die Frequenzen der digitalen Dividende1 werden in ganz Europa innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums verfügbar werden, da alle Mitgliedstaaten die Umstellung vom analogen auf das digitale Fernsehen bis spätestens 2012 abgeschlossen haben sollen2. Es kommt nun darauf an, diese nur kurzzeitig bestehenden Möglichkeiten zu nutzen und für eine angemessene Koordinierung innerhalb der Europäischen Union zu sorgen, damit die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus der Verfügbarkeit dieser Frequenzen ergeben, auch voll ausgeschöpft werden können, und einen klaren EU-Fahrplan für das weitere Vorgehen der Mitgliedstaaten aufzustellen, die infolge verschiedener nationaler Gegebenheiten ein durchaus unterschiedliches Tempo an den Tag legen.
In dieser Mitteilung erläutert die Kommission daher eine Reihe von Vorschlägen im Hinblick auf ein gemeinsames Konzept für die digitale Dividende in Europa, damit einerseits bei der Bewältigung der dringenden Probleme schnell Fortschritte erzielt werden und andererseits eine angemessene Vorbereitung auf wichtige strategische und längerfristige Fragen, in denen gemeinsam entschieden werden muss, stattfinden kann. Sie stützt sich dabei auf die Mitteilung der Kommission von 2007 über die digitale Dividende3, in der die Notwendigkeit eines solchen gemeinsamen Konzepts dargelegt wurde, sowie auf die Schlussfolgerungen des Rates4 und die Entschließung des Europäischen Parlaments5 zu der ursprünglichen Politikinitiative.
Die Wirtschaftskrise hat klar verdeutlicht, wie dringend es ist, diese Vorschläge zu verwirklichen und insbesondere ausreichende Funkfrequenzen für die drahtlose Kommunikation zur Verfügung zu stellen. Diese Technologien und Dienste stellen gegenwärtig die dynamischste Verbindung zur technologischen Innovationskette dar und sind unverzichtbar, wenn es darum geht, in der gesamten Volkswirtschaft weitere Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen zu erreichen. Sie sind damit eine wichtige Triebkraft für die wirtschaftliche Erholung.
Die Kommission ist sich dessen bewusst, dass die Hochgeschwindigkeits-Breitbandinfrastrukturen eine wichtige Rolle bei vielen Entwicklungen spielen, die für den Übergang zu einer wissensintensiven, kohlenstoffarmen digitalen Wirtschaft unverzichtbar sind6. Schon das vom Rat gebilligte Europäische Konjunkturprogramm7 enthält das Ziel, zwischen 2010 und 2013 eine hundertprozentige Breitbandversorgung zu erreichen8. In diesem Prozess spielen Drahtlosanwendungen eine Schlüsselrolle, vor allem bei der Bereitstellung drahtloser Breitbanddienste in ländlichen Gebieten, in denen Kabelinfrastrukturen nicht praktikabel sind, sowie bei der Förderung der Verbreitung der Mobilfunk-Breitbandtechnik in allen Bevölkerungsschichten. In der Praxis können die dafür benötigten Frequenzen nur durch einen frühzeitigen Zugang zur digitalen Dividende verfügbar gemacht werden, denn diese umfasst die besten und die meisten der Frequenzen, die in absehbarer Zeit in Europa zur Verfügung gestellt werden können.
Die Öffnung der digitalen Dividende für andere Dienste ist insbesondere für die Betreiber drahtloser Breitbandnetze eine Gelegenheit, Zugang zu wertvollen Funkfrequenzen zu erhalten. Dadurch würde auch ein wirksamerer Wettbewerb bei der Bereitstellung von Breitbanddiensten entstehen9.
Aus einer Vergrößerung des nutzbaren Frequenzspektrums werden sich auch neue Chancen für die Innovation ergeben. Am offensichtlichsten sind die Innovationsmöglichkeiten im Rundfunk, denn die Rundfunkveranstalter erhalten aus der digitalen Dividende eine große Zahl von Frequenzen für den Ausbau ihrer Dienste. Aber auch in dienstleistungsorientierten Bereichen werden sich viele neue Möglichkeiten eröffnen, die einen erheblichen sozialen Nutzen versprechen, z. B. in der Gesundheitsfürsorge, beim computergestützten Lernen oder in elektronischen Behördendiensten, beim barrierefreien Zugang sowie in Bereichen, in denen kleine und mittlere Unternehmen Vorteile aus dem besseren Zugang zum Wirtschaftsleben ziehen.
Nach einer neuesten Kommissionsstudie10 würde durch eine angemessene europäische Koordinierung der zur digitalen Dividende gehörenden Frequenzen, sofern sie vor 2015 erfolgt, der mögliche wirtschaftliche Nutzen je nach tatsächlichem künftigem Bedarf an Diensten wie fortgeschrittenen terrestrischen Rundfunk- und Mobilfunk-Breitbanddiensten um zusätzlich 20-50 Milliarden EUR über einen Zeitraum von 15 Jahren steigen.
Die Politiker sind sich heute durchaus des Vorteils bewusst, der sich gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs aus der Ergreifung dieser Chance ergibt. Die in Europa geführte Diskussion darüber, wie Synergien zwischen den Mitgliedstaaten geschaffen und eine effiziente Frequenzkoordinierung gewährleistet werden kann, hat sich in den letzten Monaten intensiviert, so dass es nun an der Zeit ist, unverzüglich gemeinsam zu handeln.
2. Schritte zur Verwirklichung eines gemeinsamen Ziels
2.1. Politische Vorbereitungen auf EU-Ebene
Erste Schritte
Bereits 2005 bezeichnete die Kommission in ihrer Mitteilung zur regionalen Funkkonferenz 2006 (RRC-06)11 die Freisetzung der digitalen Dividende in Europa als eine frequenzpolitische Priorität. Später rief die Kommission dazu auf, auf der Weltfunkkonferenz 2007 (WRC-07)12 eine Gleichstellung der Mobilfunkdienste mit den Rundfunkdiensten anzustreben, was teilweise auch erreicht wurde13. Anschließend legte die Kommission im November 2007 eine wichtige Mitteilung vor, in der die Notwendigkeit einer angemessenen Koordinierung der Frequenznutzung auf EU-Ebene und mögliche Ansätze zum Erreichen dieses Ziels dargelegt wurden14.
Technische Vorbereitung unter Federführung der CEPT
Im Einklang mit dem Politikrahmen der EU bat die Kommission um die technische Zuarbeit der Fachleute aus den Mitgliedstaaten mittels eines förmlichen Mandats an die CEPT15. In ihrem Bericht an die Kommission lieferte die CEPT die wesentlichen technischen Voraussetzungen für ein Nebeneinanderbestehen von bidirektionalen Netzen mit geringer bzw. mittlerer Sendeleistung (z. B. für drahtlose Breitbandnetze) und herkömmlichen Rundfunknetzen mit hoher Sendeleistung in den Frequenzen der digitalen Dividende. Daraus folgten weitere Vorbereitungsarbeiten zur technischen Harmonisierung des Teilbands 790-862 MHz.
Kommissionsstudie über sozioökonomische Aspekte
Um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der möglichen Nutzungsweisen der digitalen Dividende in verschiedenen Szenarios besser zu verstehen, führte die Kommission eine umfangreiche Studie durch, in der die verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Aspekte in geeigneten ökonomischen Modellen analysiert und bewertet wurden16. Die Ergebnisse der Untersuchung waren ein wichtiger Ausgangspunkt für die Ausarbeitung der in dieser Mitteilung enthaltenen Vorschläge.
Umfangreiche Konsultationen
Die Kommission führte Konsultationen mit einer breiten Palette von Interessenten und Beteiligten durch und bediente sich dazu unterschiedlicher Mittel wie Befragungen durch Beraterfirmen, förmliche Anhörung der Beteiligten, zwei besondere Workshops mit den Mitgliedstaaten, Konsultation der Gruppe für Frequenzpolitik und schließlich eine öffentliche Konsultation über die jetzigen Vorschläge17.
2.2. Ein EU-Fahrplan als praktischer Wegweiser
In praktischer Hinsicht wird vorgeschlagen, die notwendige Koordinierung dadurch zu erreichen, dass ein gemeinsamer "EU-Fahrplan" für die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen festgelegt wird. Ein großer Teil dieser Maßnahmen sollte sich darauf konzentrieren, die Größe und Qualität der digitalen Dividende über das von den einzelnen Mitgliedstaaten allein erreichbare Maß hinaus zu steigern. Außerdem müssen die Pläne hinreichend flexibel sein, um nationale Besonderheiten zu berücksichtigen, vor allem angesichts der unterschiedlichen Ausgangssituation beim terrestrischen Rundfunk. Gleichzeitig sollte der Fahrplan die langfristige Konvergenz der unterschiedlichen nationalen Konzepte fördern, um im Interesse der Verbraucher die Innovation voranzutreiben, den Binnenmarkt zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu steigern.
2.3. Rückendeckung durch das Europäische Parlament und den Rat
Einige wichtige Entscheidungen, die bezüglich der EU-Prioritäten für die digitale Dividende anstehen, sind in erster Linie politischer Natur. Deshalb wird es darauf ankommen, das Europäische Parlament und den Rat bei den strategischen Teilen des Fahrplans sowohl in die Vorbereitungen als auch die Hauptentscheidungen voll einzubinden. Die Frequenzen der digitalen Dividende sind eine große Chance für die Einführung einer größeren Flexibilität in der Frequenzverwaltung, weshalb die in dieser Mitteilung enthaltenen Vorschläge als wichtiger Ausgangspunkt für die Ausarbeitung eines strategischen Konzepts für die Frequenzpolitik dienen werden.
Um sich der Unterstützung seitens des Europäischen Parlaments und des Rates für die wesentlichen strategischen Elemente des künftigen EU-Fahrplans für die digitale Dividende zu versichern, beabsichtigt die Kommission, sich auf das künftige frequenzpolitische Programm zu stützen, wie es im Entwurf der in den kommenden Monaten zur Verabschiedung anstehenden Reform des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation18 vorgesehen ist.
2.4. Das weitere Vorgehen - Vorschläge der Kommission
In den folgenden Vorschlägen der Kommission wird klar unterschieden zwischen jenen Maßnahmen, die bereits weitgehend unterstützt werden und nun in Angriff genommen werden müssen, um die direkten politischen Ziele bezüglich des Wirtschaftswachstums und der Überwindung der digitalen Kluft zu verwirklichen und den dabei vorangehenden Mitgliedstaaten Klarheit bei der Digitalumstellung zu verschaffen, und jenen Maßnahmen, die noch der Diskussion und Einigung mit dem Europäischen Parlament und dem Rat bedürfen.
3. Dringende Massnahmen, die unmittelbar zu spürbaren Vorteilen führen
Es sollten dringend zwei Maßnahmen ergriffen werden, damit die digitale Dividende rechtzeitig und wirksam zu den Bemühungen der EU um die Konjunkturerholung beitragen kann und die Verbraucher daraus einen möglichst großen Nutzen ziehen. Ohne den vom Europäischen Parlament und dem Rat noch zu treffenden politischen Strategieentscheidungen vorzugreifen, soll dadurch eine Fragmentierung zwischen den Mitgliedstaaten verhindert werden, die das Entstehen eines Binnenmarktes für Dienstleistungen und Ausrüstungen und die daraus erwachsenden erheblichen Größenvorteile beeinträchtigen würde. Diese dringenden Maßnahmen sind Gegenstand der Empfehlung der Kommission zur leichteren Freisetzung der digitalen Dividende in der Europäischen Union19.
3.1. Vollständige Abschaltung des analogen Fernsehens bis 2012
Die strategische Entscheidung, den analogen Rundfunk schrittweise abzuschaffen, ist bereits vor längerer Zeit gefallen, doch trotz vorheriger politischer Zusagen für den Zieltermin 2012 ist das tatsächliche Datum für die komplette Abschaltung in Europa nach wie vor ungewiss. Die digitale Dividende wird jedoch erst dann vollständig zur Verfügung stehen, wenn die Analogabschaltung vollzogen ist, so dass es wesentlich darauf ankommt, dass dieser Prozess in allen Mitgliedstaaten rechtzeitig abgeschlossen wird.
Die Mitgliedstaaten, die die Digitalumstellung noch nicht abgeschlossen haben, werden aufgefordert, ihre Zusagen für die effektive Abschaltung der analogen Fernsehausstrahlung zum 1. Januar 2012 als EU-weiten Zieltermin zu bekräftigen und alle dafür notwendigen Vorbereitungen zu treffen.
3.2. Vorgaben für die einheitliche Öffnung des Teilbands 790-862 MHz für elektronische Kommunikationsdienste durch Aufstellung harmonisierter technischer Nutzungsbedingungen
Eine Reihe von Mitgliedstaaten20 kann bereits jetzt über die Öffnung des Teilbands 790-862 MHz für elektronische Kommunikationsdienste entscheiden oder wird in Kürze hierzu in der Lage sein. Da die Mitgliedstaaten nun unter verstärktem Handlungsdruck stehen, ist es dringend notwendig, gemeinschaftliche Vorgaben für ein koordiniertes Vorgehen zu machen, weil sonst die Gefahr besteht, dass es zur Fragmentierung des Binnenmarkts kommt und mögliche Größenvorteile verloren gehen.
Die Kommission beabsichtigt, dem Funkfrequenzausschuss (RSC) auf der Grundlage der Frequenzentscheidung21 zum Jahresende 2009 den Entwurf für eine Entscheidung der Kommission zur technischen Harmonisierung des Teilbands 790-862 MHz zur Stellungnahme nach dem Regelungsverfahren vorzulegen. Die Kommissionsentscheidung würde die Mitgliedstaaten zwar nicht dazu verpflichten, das Teilband für andere Nutzungsarten als den Rundfunk zu öffnen, wenn aber ein Mitgliedstaat dies tut, so müsste er dann die gemeinsamen technischen Parameter einhalten.
Dies steht im Einklang mit der Position der Gruppe für Frequenzpolitik (RSPG) in ihrer Stellungnahme zur digitalen Dividende22, worin sie der Kommission ein zügiges Vorgehen empfiehlt, damit der obere Teil der digitalen Dividende (790-862 MHz) für elektronische Kommunikationsdienste auf neutraler Basis zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus rät die Gruppe für Frequenzpolitik der Kommission, ihren endgültigen Vorschlag für dieses Teilband bis spätestens 31. Oktober 2009 vorzulegen, damit alle Beteiligten genügend Zeit haben, ihre Investitionen zu planen und die notwendigen technischen Vorbereitungen bis zur tatsächlichen Analogabschaltung im Jahr 2012 abzuschließen23.
Es kommt darauf an, dass die Mitgliedstaaten die Regulierungsbemühungen im Hinblick auf harmonisierte Nutzungsbedingungen für das Teilband 790-862 MHz unterstützen und sich jeglicher Maßnahmen enthalten, die einer Anwendung der auf EU-Ebene geplanten technischen Harmonisierungsmaßnahmen entgegenstehen würden.
Die notwendigen technischen Vorbereitungen für die Bereitstellung des Teilbands sollten auch geeignete Vereinbarungen enthalten, um die Störung bestehender Dienste und des Betriebs vorhandener Geräte zu verhindern.
4. Massnahmen, die eine strategische Entscheidung voraussetzen
Für einige Maßnahmen, die zur Ausschöpfung der digitalen Dividende notwendig sind, müssen keine technischen, sondern wichtige politische Entscheidungen getroffen werden, weshalb das Europäische Parlament und der Rat umfassend in die Aufstellung der notwendigen strategischen Orientierungen eingebunden werden müssen. Dies kann im Rahmen des künftigen frequenzpolitischen Programms gewährleistet werden, das auch Teil der künftigen europäischen digitalen Agenda24 sein sollte.
4.1. Annahme eines gemeinsamen EU-Standpunkts im Hinblick auf eine wirksamere grenzübergreifende Koordinierung mit Nicht-EU-Staaten
Die künftige Nutzung des UHF-Bands in den an die EU angrenzenden Drittländern ist von größter Bedeutung, denn sie hat Einfluss darauf, wie die digitale Dividende in den von grenzübergreifenden Interferenzen betroffenen Mitgliedstaaten genutzt werden kann, zumal sich diese Einflüsse auch auf andere Mitgliedstaaten fortsetzen. Das Vorgehen benachbarter Drittländer wird sich auch auf erzielbare Größenvorteile und die Reichweite auswirken, die mit künftigen innovativen Diensten in der gesamten Region möglich sein werden.
Vor diesem Hintergrund wird die im Frühjahr 2012 anstehende Weltfunkkonferenz (WRC) entscheidend dafür sein, inwiefern auf künftige strategische Entscheidungen in Drittländern Einfluss genommen werden kann. Es ist deshalb wichtig, dass die Mitgliedstaaten auf internationaler Ebene ihre Unterstützung für die EU-Politik zur Nutzung der digitalen Dividende bekunden und bezüglich der Hauptziele einen gemeinsamen EU-Standpunkt vertreten.
Die Annahme eines gemeinsamen, vom Europäischen Parlament und vom Rat gebilligten EU-Standpunkts zur den Hauptaspekten der digitalen Dividende im Vorfeld der Weltfunkkonferenz würde es wesentlich erleichtern, die EU-Position wirksam zur Geltung zu bringen.
Außerdem könnte die Kommission den Mitgliedstaaten bei ihren bilateralen oder multilateralen Verhandlungen mit Nicht-EU-Ländern zur Seite stehen25.
4.2. Erreichen der EU-weiten Öffnung des Teilbands 790-862 MHz für elektronische Kommunikationsdienste
In der Kommissionsstudie wurde untersucht, welche wirtschaftlichen Ergebnisse und welche Kosten-Nutzen-Verhältnisse sich aus verschiedenen kombinierten Frequenzangebots- und -nachfrageszenarios26 über einen Zeitraum von 15 Jahren ab 2012 ergeben. Demnach würde die Öffnung eines Teils der digitalen Dividende - nämlich des Teilbands 790-862 MHz - für drahtlose Breitbanddienste ab 2015 unter gemeinsamen Nutzungsbedingungen in allen Mitgliedstaaten gegenüber einem nationalen Vorgehen einen Mehrwert27 von mindestens 17 Milliarden EUR und je nach Entwicklungstempo der drahtlosen Breitbanddienste in diesem Teilband sogar bis zu 44 Milliarden EUR erbringen28.
Die Studie kommt daher zu dem Schluss, dass die Öffnung des Teilbands 790-862 MHz, die ohnehin von mehreren Mitgliedstaaten bereits erwogen wird, der pragmatischste Weg wäre, um einen unmittelbaren Nutzen aus der digitalen Dividende zu ziehen. Dementsprechend schlägt die Kommission vor, dringend eine technische Durchführungsmaßnahme in Bezug auf dieses Teilband zu erlassen. Diese Entscheidung zur technischen Harmonisierung wird die Mitgliedstaaten jedoch nicht zur Abschaltung leistungsstarker Rundfunksender oder zur Öffnung des Teilbands für elektronische Kommunikationsdienste verpflichten, da die unterschiedlichen Gegebenheiten beim terrestrischen Rundfunk in den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden müssen.
Damit die Vorteile einer EU-weiten Harmonisierung vollständig zum Tragen kommen, könnte die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat vorschlagen, dass die Mitgliedstaaten bis zu einem bestimmten, auf EU-Ebene zu vereinbarenden Termin die Rundfunkausstrahlung mit hoher Sendeleistung im Teilband 790-862 MHz einstellen und die EU-Entscheidung zur technischen Harmonisierung vollständig umsetzen.
Ein weiterer Vorteil, der sich aus der Festsetzung eines Termins für die Bereitstellung des Teilbands für neue Dienste ergibt, besteht darin, dass keine Situation entsteht, in der aufgrund der unterlassenen Einstellung der Rundfunkübertragung in diesem Teilband die effektive Einrichtung neuer Dienste in anderen Mitgliedstaaten durch grenzübergreifende Interferenzen behindert und dadurch das europaweite Funktionieren drahtloser Breitbandanwendungen verhindert wird.
4.3. Festlegung einer Mindesteffizienz bei der künftigen Nutzung der digitalen Dividende
Die Frequenzen der digitalen Dividende sind ein knappes und wertvolles öffentliches Gut, das kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Anliegen dient. Es ist daher wichtig, dass alle potenziellen Nutzer einen Anreiz für eine effiziente Nutzung haben, wenngleich nicht vergessen werden darf, dass dies möglicherweise zusätzliche Kosten für Investitionen in effiziente Technologien erforderlich macht. Dieser Prozess könnte durch die Vereinbarung einer von jedem Nutzer der digitalen Dividende zu erreichenden Mindesteffizienz bei der Frequenznutzung erheblich erleichtert werden.
Um für die bestmögliche Nutzung der digitalen Dividende zu sorgen und einen einheitlichen Rahmen für besondere technische Maßnahmen zur Sicherstellung der Effizienz der Frequenznutzung zu schaffen, sollten auf EU-Ebene gemeinsame, anwendungsübergreifende Mindestanforderungen für die effiziente Nutzung der digitalen Dividende vereinbart werden.
In dieser Zeit ernster finanzieller Zwänge wird dieses Ziel nur dann zu erreichen sein, wenn es dank politischer Entschlossenheit gelingt, alle interessierten Seiten von den kollektiven Vorteilen einer solchen Initiative zu überzeugen, und wenn ein klarer Umsetzungsplan aufgestellt wird.
5. Ausblick auf weitere Verbesserungen bei der Nutzung der digitalen Dividende
Der Umgang mit der sich ständig weiterentwickelnden digitalen Dividende ist ein dynamischer Prozess: aus der Entwicklung der Technik, der Dienste, der Marktnachfrage und des gesellschaftlichen Bedarfs ergeben sich die Maßnahmen des Fahrplans, der parallel dazu fortzuschreiben ist. Neben den bereits dargelegten dringenden und strategischen Maßnahmen gibt es weitere, zukunftsorientierte Initiativen, die langfristig zu einer weiteren Steigerung der möglichen Größe und Nutzbarkeit der digitalen Dividende führen könnten. Dank der erreichbaren Zusatzkapazitäten wäre die EU in der Lage, auch künftige Herausforderungen zu meistern, beispielsweise einen plötzlichen Anstieg des Frequenzbedarfs für neue, naturgemäß unvorhergesehene Anwendungen. Solche Maßnahmen erfordern angesichts der langen Frequenzplanungszyklen einen langen Planungsvorlauf (normalerweise 5-10 Jahre), bevor sie wirksam werden können, sowie eine hinreichende Folgenabschätzung und eine Analyse ihrer potenziellen Wettbewerbsauswirkungen.
Als am meisten Erfolg versprechende Initiativen werden in der Kommissionsstudie genannt:
- (1) Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Ausbauplanung für künftige Rundfunknetze (z. B. für die Umstellung auf MPEG-4 oder DVB-T2). Im Mittelpunkt der EU-Zusammenarbeit sollten die Festsetzung von Zielterminen für die Umstellung der Netze auf technische Normen, die das Frequenzspektrum effizienter ausnutzen, und die Aufstellung gemeinsamer Umsetzungsleitlinien stehen.
- (2) Verbindliche Festlegung, dass in der EU alle ab einem bestimmten Stichtag verkauften Fernsehempfänger für die Digitalübertragung mit einer Komprimierungsnorm der neuen Generation wie H264/MPEG-4 AVC ausgerüstet sein müssen. Die Geräte müssten auch rückwärtskompatibel zu älteren Normen sein, um den weiteren Empfang der Sendungen nach den bisherigen Normen zu ermöglichen. Solch eine ehrgeizige Maßnahme, wie sie in Frankreich bereits erprobt wurde und in Spanien geplant ist, würde eine kritische Masse für hochleistungsfähige Fernsehgeräte in Europa schaffen und die Einführung der entsprechenden Netzinfrastrukturen beschleunigen.
- (3) Festlegung eines Mindeststandards für die Fähigkeit von Digitalfernsehempfängern, funktechnischen Störungen zu widerstehen (Störfestigkeit). Die Gerätehersteller und die Betreiber beschäftigen sich seit einiger Zeit mit der Notwendigkeit, gegenseitige Störungen von elektronischen Kommunikationsgeräten und Fernsehempfängern auszuschließen. Die technischen Parameter, die der Nutzung von Teilen des UHF-Bands für die drahtlose Kommunikation zugrunde liegen, schließen zwar eine funktechnische Störung der Fernsehsignale aus, eine Mindestnorm für die Fähigkeit der Empfänger, möglichen Störungen zu widerstehen, würde dagegen eine bessere Empfangsqualität für die Verbraucher garantieren und die Kosten der Schutzmaßnahmen verringern, die erforderlich sein können, um Störungen durch Geräte zu verhindern, die in benachbarten Frequenzbändern betrieben werden.
- (4) Erwägung eines breiteren Ausbaus von Gleichwellennetzen (SFN). Diese Netze nutzen des Frequenzspektrum deutlich effizienter, weil sie die Versorgung größerer geografischer Gebiete ohne Änderung der Trägerfrequenz ermöglichen, allerdings muss die tatsächliche Sendeleistung in der Praxis noch geprüft werden. Die Mitgliedstaaten könnten aufgefordert werden, mit Hilfe des Funkfrequenzausschusses ihre Erfahrungen mit Gleichwellennetzen auszutauschen, um diesbezügliche Informationen zu erfassen und auszuwerten.
- (5) Förderung der Erforschung "frequenzagiler" Mobilfunksysteme. Die Entwicklung solcher Systeme würde beträchtliche Investitionen erfordern, die von einzelnen Herstellern nur schwer aufzubringen sind, in Kooperationsprojekten aber zu schaffen wären, möglicherweise auch mit Gemeinschaftsmitteln.
- (6) Gewährleistung des Fortbestands drahtloser Mikrofone und ähnlicher Anwendungen durch Festlegung künftiger harmonisierter Frequenzen. Ziel wäre die Festlegung der besten Strategie im Hinblick auf einen effizienten "Migrationspfad" für derzeitige Nutzer und Hersteller von Geräten, die in den betreffenden Frequenzbändern betrieben werden, was weitere technische Arbeiten der CEPT29 im Auftrag der Europäischen Kommission erfordern könnte.
- (7) Festlegung eines gemeinsamen Standpunkts in Bezug auf eine mögliche Nutzung der "weißen Flecken" als Teil der digitalen Dividende. Hierzu würden die Mitgliedstaaten aufgefordert, mit der Kommission bei der Prüfung der Frage zusammenzuarbeiten, ob in den örtlich ungenutzten Frequenz-Freiräumen zwischen verschiedenen Rundfunksendegebieten ("weiße Flecken") die Nutzung kognitiver Funkanlagen30 auf der Grundlage gemeinsamer technischer Vorschriften in Europa zugelassen werden könnte.
6. Fazit
Die Kommission ersucht das Europäische Parlament und den Rat um Stellungnahme zu diesen Politikvorschlägen in Bezug auf ein koordiniertes Konzept für die digitale Dividende. Die Kommission hat die Absicht, nach gebührender Berücksichtung der Ansichten beider Organe einige Elemente aus diesen Vorschlägen in ein größer angelegtes Aktionsprogramm aufzunehmen, das sie 2010 dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Beschlussfassung vorzulegen gedenkt.
Außerdem wird die Kommission dem Funkfrequenzausschuss so rasch wie möglich ihren Entwurf zur technischen Harmonisierung des Teilbands 790-862 MHz zur Stellungnahme nach dem Regelungsverfahren vorlegen.
Schließlich werden die Mitgliedstaaten gebeten, der Kommission bis Mitte 2010 über die Fortschritte zu berichten, die sie bei der rechtzeitigen Umstellung vom analogen auf den digitalen Rundfunk gemacht haben.
- 1 Frequenzen des UHF-Bands (470-862 MHz), in dem die meisten terrestrischen Rundfunksignale übertragen werden.
- 2 Fünf Mitgliedstaaten haben die Digitalumstellung bereits abgeschlossen: Deutschland, Finnland, Luxemburg, Schweden und die Niederlande. Zwei weitere Mitgliedstaaten haben die Umstellung zum großen Teil vollzogen: Belgien und Österreich.
- 3 KOM (2007) 700: Ausschöpfung der digitalen Dividende in Europa: ein gemeinsames Konzept für die Nutzung der durch die Digitalumstellung frei werdenden Frequenzen.
- 4 Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Juni 2008.
- 5 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. September 2008 [2008/2099(INI)].
- 6 Siehe z. B. KOM (2006) 129: Mitteilung der Kommission zur Überwindung der Breitbandkluft.
- 7 KOM (2008) 800; siehe auch die Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat, Brüssel, 12. Dezember 2008.
- 8 Eckpunktepapier des Rates (Wettbewerbsfähigkeit), März 2009.
- 9 Die Verfahren für die Zuteilung von Funkfrequenzen sollten objektiv, transparent, nichtdiskriminierend und angemessen sein, um Wettbewerbsverzerrungen - vor allem aufgrund einer ungleichen Frequenzzuteilung - zu verhindern.
- 10 A European approach to the digital dividend (Ein europäisches Konzept für die digitale Dividende), September 2009, Studie im Auftrag der Kommission, durchgeführt von Analysys Mason, DotEcon and Hogan&Hartson. http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/radio_spectrum/documents/studies/_en.htm#digitaldividend2009.
- 11 KOM (2005) 461: Mitteilung über frequenzpolitische Prioritäten der EU für die Digitalumstellung im Hinblick auf die bevorstehende regionale Funkkonferenz 2006 (RRC-06).
- 12 KOM (2007) 371: Mitteilung zur Vorbereitung der Weltfunkkonferenz 2007.
- 13 Sieben Mitgliedstaaten machten von einem Mechanismus Gebrauch, der es ihnen erlaubt, das Frequenzband 790-862 MHz für Mobilfunkdienste zu nutzen, und zwar im Vorgriff auf eine mit den Rundfunkdiensten geteilte Zuweisung, die 2015 allgemein in Kraft treten wird.
- 14 KOM (2007) 700.
- 15 Mandat der Kommission an die CEPT zur Prüfung technischer Fragen im Zusammenhang mit verschiedenen Möglichkeiten der Harmonisierung der digitalen Dividende in der Europäischen Union.
- 16 Nähere Informationen unter http://www.analysysmason.com/EC_digital_dividend_study.
- 17 Zusammenfassung abrufbar unter: http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/_spectrum/topics/reorg/pubcons_digdiv_0907/index_en.htm .
- 18 Artikel 8a Absatz 3 (vorläufige Nummerierung) des Entwurfs der geänderten Rahmenrichtlinie.
- 19 Zusammen mit dieser Mitteilung vorgelegte Empfehlung der Kommission.
- 20 Dazu zählen zumindest Deutschland, Finnland, Frankreich, die Niederlande, Österreich, Schweden, Spanien, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich.
- 21 Entscheidung Nr. 676/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft.
- 22 RSPG-Stellungnahme vom 18. September 2009 zur digitalen Dividende. http://rspg.groups.eu.int/rspg_opinions/index_en.htm .
- 23 Dazu gehört auch das koordinierte Freimachen des Teilbands von seiner derzeitigen Nutzung für die Rundfunkausstrahlung mit hoher Sendeleistung und die Organisation der Neuzuteilung, damit geeignete Voraussetzungen für innovative Nutzungsarten wie z. B. drahtlose Breitbanddienste geschaffen werden.
- 24 Siehe: Präsident J.M. Barroso (2009) "Politische Leitlinien für die nächste Kommission". http://ec.europa.eu/commission_barroso/president/pdf/press_090903_DE .pdf .
- 25 Siehe auch die RSPG-Stellungnahme vom 19. Juni 2008 über Frequenzfragen an den EU-Außengrenzen, RSPG08-232. http://rspg.ec.europa.eu/_documents/documents/meeting/rspg16/rspg08232_finalopinion_outereuborders.pdf .
- 26 Drei Angebots- und sechs Nachfrageszenarios (mit verschiedenen Prognosen für den Verlauf der Nachfrage nach Rundfunkdiensten und drahtlosen Breitbanddiensten) wurden mit einem Referenzszenario verglichen, das die Ergebnisse des Ausbleibens einer Koordinierung auf EU-Ebene darstellte.
- 27 Privater Nettowertzuwachs (über 15 Jahre akkumulierter Netto-Gegenwertswert).
- 28 Diese Zahlen stellen einen Teil des geschätzten Wertzuwachses dar, der sich aus einem koordinierten Vorgehen der EU bei allen in Kapitel 1 genannten Frequenzen der digitalen Dividende (Rundfunk- und drahtlose Breitbandübertragung) ergibt. Einzelheiten hierzu enthält die Folgenabschätzung, Abschnitt 5.4.
- 29 Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Telekommunikation.
- 30 Kognitive Funktechniken ermöglichen es der Funkausrüstung, Frequenzen zu ermitteln, die zu einem bestimmten Zeitpunkt von keinem Primärnutzer belegt werden, um sie zeitweilig selbst zu nutzen.