Der Hessische Ministerpräsident
Wiesbaden, den 22. April 2013
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die anliegende Entschließung des Bundesrates zur Revision der Technischen Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) zum Teilsystem "Fahrzeuge - Lärm" des konventionellen transeuropäischen Bahnsystems - TSI Noise (Beschluss 2011/229 vom 4. April 2011) und zur Weiterentwicklung des lärmabhängigen Trassenpreissystems mit dem Antrag zuzuleiten, die Entschließung zu fassen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Plenarsitzung am 3. Mai 2013 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier
Entschließung des Bundesrates zur Revision der Technischen Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) zum Teilsystem "Fahrzeuge - Lärm" des konventionellen transeuropäischen Bahnsystems TSI Noise (Beschluss 2011/229 vom 4. April 2011) und zur Weiterentwicklung des lärmabhängigen Trassenpreissystems
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat hält es für dringend erforderlich, dass auf europäischer Ebene verbindliche und wirksame Vorgaben für eine Umrüstung vorhandener Schienenfahrzeuge auf lärmärmere Technologien - wie etwa Verbundstoffbremssohlen für Güterwagen - erlassen werden. Er erinnert diesbezüglich an seinen Beschluss vom 15.04.2011 (BR-Drs. 151/11(B) ) und bittet die Bundesregierung, sich die nachfolgenden Forderungen zu eigen zu machen und gegenüber der EU-Kommission nachdrücklich zu unterstützen.
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Umrüstung der Bestandswagen auf lärmarme Bremsen bereits in der gültigen TSI-Lärm festgestellt wird. Er hält es für erforderlich, dass die europäische Kommission die in diesem Zusammenhang bereits im Jahr 2005 angekündigte Vereinbarung mit der Industrie zur Umrüstung von Bestandsgüterwagen nunmehr zeitnah vorlegt. Bislang unterbindet die Richtlinie 2008/57/EG die Einführung nationaler Grenzwerte für Bestandswagen. Entsprechend müssen diese auf europäischer Ebene festgelegt werden. Der Verweis auf fehlende nationale Grenzwerte für Bestandswagen ist kein Argument dafür, auf Festlegungen in der TSI-Lärm oder in Vereinbarungen der Kommission mit dem Bahnsektor oder der Industrie zu verzichten. Die Bundesregierung wird gebeten, sich für eine europäische Förderung der Umrüstung im Rahmen der Connecting Europe Facility einzusetzen.
- 3. Der Bundesrat hält es für dringend erforderlich, dass in der TSI-Lärm für Neufahrzeuge zeitlich gestaffelt strengere Lärmgrenzwerte eingeführt werden, die mindestens dem Stand der Technik folgen, wie sie beispielsweise der im Auftrag der Bundesregierung erstellte Forschungsbericht "Ermittlung des Standes der Technik der Geräuschemissionen europäischer Schienenfahrzeuge" dokumentiert. Die in der gültigen TSI-Lärm empfohlene Absenkung der Grenzwerte um 5 dBA für Neufahrzeuge, die nach dem 23. Juni 2018 in Dienst gestellt werden, ist bei der Neufassung der TSI-Lärm als zweite Stufe verbindlich festzulegen. Die Bundesregierung wird gebeten, sich im Railway Interoperability and Safety Comittee (RISC) für eine entsprechende Fortschreibung der Geräuschgrenzwerte einzusetzen.
- 4. Der Bundesrat sieht in lärmabhängigen Trassenpreisen ein geeignetes Instrument, mit dem Anreiz zur Umrüstung und Neubeschaffung von Güterwagen gesetzt werden können. Der Bundesrat begrüßt, dass mit der Richtlinie 2012/34/EU verbesserte Möglichkeiten eröffnet werden, den Kosten umweltbezogener Auswirkungen des Zugbetriebs Rechnung zu tragen. Er bittet die Bundesregierung, bei der EU-Kommission darauf hinzuwirken, dass diese die Modalitäten für die Anwendung der Anlastung der Kosten von Lärmauswirkungen zeitnah vorlegt und dabei auch Hinweise zur Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der betreffenden Gebiete zu geben.
- 5. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Unternehmen der Deutschen Bahn AG hinsichtlich der Lärmminderung bei Infrastruktur und Fahrzeugen zunehmend engagieren und dass sich die DB AG im Rahmen der Eckpunktevereinbarung zu einem lärmabhängigen Trassenpreissystem zum Ziel gesetzt hat, die Lärmbelästigung durch Schienenverkehr bis 2020 um 50 % zu senken. Der Bundesrat hält es für erforderlich, dass im Hinblick auf dieses Ziel die Anreize zum Einsatz leiser Güterwagen deutlich verstärkt werden. Er bittet die DB Netz AG, die Trassenpreise auf Grundlage der europarechtlichen Möglichkeiten so stark zu differenzieren, dass der Einsatz leiser Wagen unter Berücksichtigung aller Kosten in der Regel wirtschaftliche Vorteile bietet. Dabei sind, solange potentiell preiswerte Technologien - wie etwa die LL-Sohle - nicht unbeschränkt zugelassen und am Markt verfügbar sind, die investiven und betrieblichen Kosten der K-Sohlen zugrunde zu legen. Die Trassenpreise für laute Wagen müssen unter Berücksichtigung einer vertretbaren Umrüstungsfrist ab 2020 so bemessen sein, dass ein Einsatz dieser Wagen im Güterfernverkehr im Normalfall ausscheidet. Der Bundesrat bittet, dabei sicherzustellen, dass günstigere Trassenpreise für alle leisen Wagen - neue und umgerüstete - gleichermaßen gelten.
- 6. Der Bundesrat bekräftigt seine Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung für lärmabhängige Trassenpreise. Er fordert die Bundesregierung auf, diesen Aspekt in der Richtlinie 2012/34/EU - gegebenenfalls auch vorgezogen - zu regeln und dabei insbesondere die in Ziffer 5 definierten Anforderungen zugrunde zu legen.
Begründung (nur gegenüber Plenum):
Der Schutz der Bürger vor Schienenlärm ist seitens der zuständigen Akteure auf Ebene der EU und auf innerstaatliche Ebene als wichtige Aufgabe erkannt, wobei verbindliche Vorgaben allerdings hinter dem technisch Möglichen zurückbleiben.
Zu Punkt 2 und 3:
Derzeit wird - unter Federführung der Europäischen Eisenbahn Agentur (ERA) - die Neufassung der Technischen Spezifikation Interoperabilität "Lärm" (TSI-Lärm) verhandelt. Dabei zeichnet sich ab, dass weder Grenzwerte für Bestandswagen festgelegt werden, noch die Grenzwerte für Neufahrzeuge im technisch möglichen Ausmaß verschärft werden sollen. Mit der Entschließung wird die EU-Kommission aufgefordert, die Ankündigungen in der TSI-Lärm umzusetzen, das heißt bei Bestandsfahrzeugen Vorgaben für Lärmgrenzwerte zu machen und für Neufahrzeuge die Grenzwerte stufenweise zu verschärfen. Der europaweite Einsatz der Güterwagen erfordert europaweite Förderangebote, wie sie im Rahmen der Connecting Europe Facility geplant sind.
Zu Punkt 4 und 5:
Außerdem entfaltet das derzeitige lärmabhängige Trassenpreissystem der DB AG keine Anreizwirkung zur Umrüstung von Güterwagen, weil die Differenz der Trassenpreise für laute Wagen einerseits und leise Wagen andererseits zu gering ist, um die Mehrkosten der leisen Wagen (Umrüstung und Betrieb) zu decken. Die erhoffte Zulassung preiswerterer Lösungen (LL-Sohle) ist bisher nicht erfolgt. Auch nach einer eventuellen Zulassung in diesem Jahr werden neue Produkte nicht zeitnah in ausreichender Menge am Markt verfügbar sein. Durch die Trassenpreisspreizung müssen deshalb die Mehrkosten der einzig zugelassenen K Sohlen kompensiert werden. Ein Grund für die geringe Spreizung des Trassenpreises ist dessen Einstufung als staatliche Beihilfe durch die EU-Kommission, weshalb nur ein Teil der Mehrkosten kompensiert werden darf.
Für neue Wagen, die noch leiser als umgerüstete Bestandswagen sind, gibt es keine Vorteile. Die Differenzierung der Trassenpreise soll auf Grundlage der Richtlinie 2012/34/EU nach den Umweltwirkungen erfolgen. Entsprechend sollen auch neue Wagen für den günstigeren Trassenpreis qualifiziert sein.
Zu Punkt 6:
Nur durch eine gesetzliche Regelung kann die wirksame Ausgestaltung der Lärmkomponente im Trassenpreissytem sichergestellt werden.