833. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2007
A
1. Der federführende Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses aus folgendem Grund zu verlangen:
Zu Artikel 1
- Nr. 1 Buchstabe c (Inhaltsübersicht zum WpHG)
- Nr. 2 Buchstabe f (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG) Nr. 17 (§§ 31f, 31g WpHG)
- Artikel 2 (Inhaltsübersicht zum BörsG,
- § 1 BörsG,
- § 24 Abs. 2 Satz 3 BörsG,
- §§ 48a, 48b, 48c - neu - BörsG,
- § 50 Abs. 1 Nr. 7 - neu - und Abs. 3 BörsG)
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Nummer 1 Buchstabe c sind in der Inhaltsübersicht die Angaben "§ 31f Betrieb eines multilateralen Handelssystems" und "§ 31g Vor- und Nachhandelstransparenz für multilaterale Handelssysteme" zu streichen.
- bb) In Nummer 2 Buchstabe f ist § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 zu streichen.
- cc) In Nummer 17 sind die §§ 31f und 31g zu streichen.
Folgeänderungen:
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 1 Buchstabe c ist die Angabe "§ 31h" durch die Angabe "31f" zu ersetzen.
- b) In Nummer 2 Buchstabe f wird in § 2 Abs. 3 Satz 1 die Nummer 9 zur Nummer 8.
- c) In Nummer 17 wird § 31h zu § 31f.
- d) In Nummer 27 ist in § 36a Abs. 1 Satz 1 die Angabe "31f, 31g," zu streichen.
- e) Nummer 40 Buchstabe a ist wie folgt zu fassen:
- "a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- aa) Nummer 3 wird wie folgt gefasst:
"3. entgegen § 32d Abs. 1 Satz 1 einen Zugang nicht gewährt,".
- bb) In der Nummer 4 wird das Komma durch das Wort "oder" ersetzt.
- cc) In der Nummer 5 wird das Wort "oder" durch einen Punkt ersetzt.
- dd) Nummer 6 wird aufgehoben."
- aa) Nummer 3 wird wie folgt gefasst:
- "a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- b) Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Die Inhaltsübersicht ist wie folgt zu ändern:
- aaa) Die Überschrift zu Abschnitt 1 ist wie folgt zu fassen:
"Allgemeine Bestimmungen über die Börsen, ihre Organe und multilaterale Handelssysteme"
- bbb) Nach Abschnitt 5 ist folgender Abschnitt 5a einzufügen:
Abschnitt 5a
Multilaterale Handelssysteme- § 48a Multilaterales Handelssystem
- § 48b Betrieb eines multilateralen Handelssystems
- § 48c Vor- und Nachhandelstransparenz für multilaterale Handelssysteme"
- aaa) Die Überschrift zu Abschnitt 1 ist wie folgt zu fassen:
- bb) Die Überschrift von Abschnitt 1 ist wie folgt zu fassen:
Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen über die Börsen, ihre Organe und multilaterale Handelssysteme - cc) § 1 ist wie folgt zu fassen:
" § 1 Anwendungsbereich
- Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Börsen und multilaterale Handelssysteme gemäß den Bestimmungen des Abschnitts 5a."
- dd) In § 24 Abs. 2 Satz 3 ist die Angabe "§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8" durch die Angabe "§ 48a Abs. 1" zu ersetzen.
- ee) Nach Abschnitt 5 ist folgender Abschnitt 5a einzufügen:
Abschnitt 5a
Multilaterale Handelssysteme§ 48a Multilaterales Handelssystem
- (1) Ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes multilaterales Handelssystem bringt die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammen, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.
- (2) Die Börsenaufsichtsbehörde übt die Aufsicht über den Betrieb eines multilateralen Handelssystems gemäß § 48b und § 48c aus. Zuständig ist die Börsenaufsichtsbehörde am Geschäftssitz des Betreibers.
Handelt es sich bei dem Betreiber um ein Unternehmen mit Sitz im Ausland, ist die Börsenaufsichtsbehörde an dem Ort zuständig, an dem das System betrieben wird.
§ 48b Betrieb eines multilateralen Handelssystems
- (1) Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems ist verpflichtet
- 1. Regelungen für den Zugang von Handelsteilnehmern zu dem multilateralen Handelssystem festzulegen, die mindestens die Anforderungen für eine Teilnahme am Börsenhandel nach § 19 Abs. 2 und 4 Satz 1 vorsehen; § 19 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend,
- 2. Regelungen für die Einbeziehung von Finanzinstrumenten, die ordnungsgemäße Durchführung des Handels und der Preisermittlung, die Verwendung von einbezogenen Referenzpreisen und die vertragsgemäße Abwicklung der abgeschlossenen Geschäfte festzulegen, wobei die Regelungen zum Handel und der Preisermittlung dem Betreiber keinen Ermessensspielraum einräumen dürfen,
- 3. über angemessene Kontrollverfahren zur Überwachung der Einhaltung der Regelungen nach Nummer 2 und zur Überwachung der Einhaltung der §§ 14 und § 20a des Wertpapierhandelsgesetzes zu verfügen,
- 4. sicherzustellen, dass die Preise im multilateralen Handelssystem entsprechend den Regelungen des § 24 Abs. 2 zustande kommen,
- 5. dafür Sorge zu tragen, dass die Aufzeichnungen über die erteilten Aufträge und abgeschlossenen Geschäfte im multilateralen Handelssystem eine lückenlose Überwachung durch die Börsenaufsichtsbehörde gewährleisten, und
- 6. unter Berücksichtigung der Art der Nutzer und der gehandelten Finanzinstrumente alle für die Nutzung des multilateralen Handelssystems erforderlichen und zweckdienlichen Informationen öffentlich bekannt zu geben.
- (2) Emittenten, deren Finanzinstrumente ohne ihre Zustimmung in den Handel in einem multilateralen Handelssystem einbezogen worden sind können nicht dazu verpflichtet werden, Informationen in Bezug auf diese Finanzinstrumente für dieses multilaterale Handelssystem zu veröffentlichen.
- (3) Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems hat der Börsenaufsichtsbehörde schwerwiegende Verstöße gegen die Handelsregeln und Störungen der Marktintegrität mitzuteilen; bei Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen § 14 oder § 20a des Wertpapierhandelsgesetzes ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unverzüglich zu unterrichten und bei ihren Untersuchungen umfassend zu unterstützen.
§ 48c Vor- und Nachhandelstransparenz für multilaterale Handelssysteme
- (1) Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems hat für in das System einbezogene Aktien und Aktien vertretende Zertifikate, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, den Preis des am höchsten limitierten Kaufauftrags und des am niedrigsten limitierten Verkaufsauftrags und das zu diesen Preisen handelbare Volumen kontinuierlich während der üblichen Geschäftszeiten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen zu veröffentlichen.
- (2) Die Börsenaufsichtsbehörde kann nach Maßgabe des Kapitels IV Abschnitt 1 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 Betreibern von multilateralen Handelssystemen Ausnahmen von der Verpflichtung nach Absatz 1 gestatten.
- (3) Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems hat den Marktpreis, das Volumen und den Zeitpunkt für nach Absatz 1 abgeschlossene Geschäfte zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und so weit wie möglich auf Echtzeitbasis zu veröffentlichen.
- (4) Die Börsenaufsichtsbehörde kann nach Maßgabe von Kapitel IV Abschnitt 3 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 je nach Art und Umfang der abgeschlossenen Geschäfte eine verzögerte Veröffentlichung von Informationen nach Absatz 3 gestatten. Der Betreiber eines multilateralen Handelssystems hat eine Verzögerung nach Satz 1 zu veröffentlichen.
- (5) Die Einzelheiten der Veröffentlichungspflichten nach den Absätzen 1, 3 und 4 regelt Kapitel IV Abschnitt 1, 3 und 4 der Verordnung (EG) 1287/2006."
- ff) § 50 ist wie folgt zu ändern:
- aaa) Absatz 1 ist wie folgt zu ändern:
- aaaa) In Nummer 5 ist am Ende das Wort "oder" durch ein Komma zu ersetzen.
- bbbb) In Nummer 6 ist am Ende der Punkt durch das Wort "oder" zu ersetzen.
- cccc) Nach Nummer 6 ist folgende Nummer 7 anzufügen:
7. entgegen § 48c Abs. 1 eine Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vornimmt.
- bbb) In Absatz 3 sind nach den Wörtern "100 000 Euro," die Wörter "in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 mit einer Geldbuße bis zu 200 000 Euro," einzufügen.
- aaa) Absatz 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Die Inhaltsübersicht ist wie folgt zu ändern:
Begründung
- a) Durch die Änderungen zu Buchstabe a (Artikel 1 - Wertpapierhandelsgesetz) und Buchstabe b (Artikel 2 - Börsengesetz) wird sichergestellt, dass die Regulierung der multilateralen Handelssysteme im Börsengesetz erfolgt wobei diese Systeme der Aufsicht durch die Börsenaufsichtsbehörden unterstellt werden. Dies entspricht Ziffer 16 der Bundesratsstellungnahme vom 15. Dezember 2006 (BR-Drs. 833/06(B) ), dem insoweit durch den Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestag nicht entsprochen worden ist.
Durch Buchstabe a Doppelbuchstabe cc werden die §§ 31f und 31g WpHG in der Fassung des Gesetzesbeschlusses, die zentralen Regelungen über die multilateralen Handelssysteme im Wertpapierhandelsgesetz, gestrichen.
Ihr Regelungsgehalt einschließlich der Definition des multilateralen Handelssystems (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG bzw. Artikel 4 Abs. 1 Nr. 15 der Finanzmarktrichtlinie) wird durch Buchstabe b Doppelbuchstabe ee in das Börsengesetz übernommen. Die übrigen Änderungen sind Folgeänderungen.
- b) Die durch den Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages vorgenommene Regulierung der multilateralen Handelssysteme im Wertpapierhandelsgesetz und in der Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist nicht sachgerecht. Vielmehr sprechen der Sachzusammenhang mit den Börsen und die bewährte Sachnähe der Börsenaufsichtsbehörden zu den betroffenen Systemen dafür, die bisherige Länderaufsicht beizubehalten.
Bereits bisher werden "börsenähnliche Einrichtungen", denen multilaterale Handelssysteme weitgehend entsprechen, durch die Börsenaufsichtsbehörden überwacht. Überwachungsdefizite sind nicht aufgetreten. Dies wird durch den Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages ausdrücklich bestätigt (BT-Drs. 016/4899, Seite 22).
Die Anforderungen, die an die Organisation der multilateralen Handelssysteme in § 31f WpHG in der Fassung des Gesetzesbeschlusses gestellt werden entsprechen weitgehend denen des § 59 BörsG bisheriger Fassung. Dort wird überwiegend auf Bestimmungen des Börsengesetzes verwiesen woraus die grundsätzliche "Börsenähnlichkeit" der multilateralen Handelssysteme deutlich wird. Auch die Bestimmung des § 31g WpHG in der Fassung des Gesetzesbeschlusses entspricht den Regelungen, die hinsichtlich der Vor- und Nachhandelstransparenz für Börsen gelten. Da diese Anforderungen bundesrechtlich vorgegeben werden kann von einer "Rechtszersplitterung" keine Rede sein. Dies gilt umso mehr, als die Börsenaufsichtsbehörden der Länder kooperativ zusammenarbeiten um eine weitgehende Einheitlichkeit ihres Handelns sicherzustellen.
Unter Praxisgesichtspunkten erscheint es geboten, die rechtliche Einordnung einschließlich der damit verbundenen Abgrenzungsfragen, ob eine Handelsplattform als Börse oder multilaterales Handelssystem zu qualifizieren ist, wie bisher in der Hand derselben Behörde - der Börsenaufsichtsbehörde - zu belassen.
Die Finanzmarktrichtlinie lässt die innerstaatliche Aufsichtsstruktur für multilaterale Handelssysteme unberührt. Sie verlangt nicht die Übertragung der Aufsichtszuständigkeit auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
B
2. Der federführende Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss *) empfehlen dem Bundesrat ferner, die nachfolgende Entschließung anzunehmen:
- a) Der Bundesrat erkennt die Bemühungen der Bundesregierung an, die Finanzmarktrichtlinie zügig in deutsches Recht umzusetzen, um den betroffenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Hinblick auf das Inkrafttreten der Richtlinie ausreichend Zeit zur Umstellung auf die neuen rechtlichen Anforderungen zu geben.
- b) Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass eine rasche Umsetzung nicht zu Lasten der Aufsichtsstandards im deutschen Börsen- und Kapitalmarktrecht gehen darf. Der Bundesrat hält es vielmehr für dringend erforderlich, die Meldepflichten im Wertpapierhandelsgesetz auch zukünftig auf alle mit Finanzinstrumenten handelnden inländischen Handelsteilnehmer zu erweitern statt lediglich auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu beschränken.
- c) Der Bundesrat hält es ferner für notwendig, die Aufsichtsstandards für Waren- und Warenderivatebörsen, besonders im Bereich des rasch wachsenden Energiehandels, weiterzuentwickeln und an die bewährten Standards im Wertpapierbereich anzugleichen. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine bessere Marktaufsicht, die Steigerung des Vertrauens in eine wettbewerbsgerechte Preisbildung sowie eine größere Markttransparenz und -integrität. Die Erfahrungen gerade im börslichen Stromgroßhandel zeigen, dass Waren und Warenderivate besser von dem bestehenden aufsichtsrechtlichen Rahmen erfasst werden müssen, so dass den zuständigen Aufsichtsbehörden alle Instrumente für eine wirksame Kontrolle etwaigen missbräuchlichen Verhaltens zur Verfügung stehen. Das gilt für die Meldepflichten und die Möglichkeiten der Insiderüberwachung, die bei Warenderivategeschäften, soweit sie an organisierten Märkten getätigt werden oder über sie abgewickelt werden, ausgeweitet werden müssen. Es ist außerdem erforderlich, dabei in geeigneter Weise auch Warengeschäfte einzubeziehen, die Basiswerte von Finanzinstrumenten im Sinne der Finanzmarktrichtlinie sind und an organisierten Märkten getätigt werden. Das Schließen dieser Regelungslücken würde dazu beitragen, das Gütesiegel besonders guter Aufsichtsstandards, das mit börslichen Marktplätzen allgemein verbunden wird, auch für Waren- und Warenterminbörsen besser zur Geltung zu bringen.
- d) Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung den Handlungsbedarf bei der Weiterentwicklung der Aufsichtsstandards besonders für Waren- und Warenderivatemärkte grundsätzlich anerkennt. Er begrüßt darüber hinaus die Ankündigung der Koalitionsfraktionen im Bundestag, weitergehende Regelungen für den Energiemarkt durch eine generelle Überarbeitung der Regulierungsvorschriften treffen zu wollen (BT-Drucksache 016/4899). Der Bundesrat sieht die Schaffung zeitgemäßer regulatorischer Rahmenbedingungen in diesem Bereich auch als einen wichtigen Standortfaktor an.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, alsbald Eckpunkte für einen Gesetzesentwurf vorzulegen und bittet sie, die betroffenen Länder hierbei einzubeziehen.
*) Empfehlung des Wirtschaftsausschusses hilfsweise für den Fall, dass der Bundesrat der Empfehlung unter Ziffer 1 nicht folgt.