Antrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften
(SEStEG)

Punkt 24 der 825. Sitzung des Bundesrates am 22. September 2006

Der Bundesrat möge beschließen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zu Artikel 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes) und Artikel 3 (Änderung

des Körperschaftsteuergesetzes)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die in dem Gesetzentwurf erstmalig umfassend gesetzlich fixierten zentralen Entstrickungstatbestände (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG) auf der Grundlage der folgenden Eckpunkte zu überarbeiten:

Bei der Überführung von betrieblich genutzten Wirtschaftsgütern in andere Mitgliedstaaten der europäischen Union wird ergänzend zu dem Grundsatz der Sofortversteuerung des Wertzuwachses der Wirtschaftsgüter, der in dem Zeitraum entstanden ist bevor das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland (durch die Überführung) beschränkt oder ausgeschlossen wurde, eine Möglichkeit für eine zeitlich gestreckte Besteuerung der stillen Reserven geschaffen. Damit wird eine europarechtskonforme gesetzliche Fixierung der zentralen Entstrickungstatbestände sichergestellt. Diese wird wie folgt ausgestaltet:

Begründung:

Bei der gesetzlichen Fixierung eines zentralen Entstrickungstatbestandes müssen die Vorgaben der primären und sekundären europarechtlichen Vorschriften beachtet werden. Eine Verletzung der Grundfreiheiten ist insbesondere im Hinblick auf die erheblichen haushaltsmäßigen Risiken zu vermeiden.

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen bei der Überführung eines Wirtschaftsguts von einer inländischen in eine ausländischen Betriebsstätte ausnahmslos sämtliche stillen Reserven, die während der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland angesammelt wurden, aufgedeckt und sofort (im Inland) versteuert werden. Demgegenüber wird bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes zwischen inländischen Betriebsstätten grundsätzlich keine Besteuerung ausgelöst. Die in dieser Ungleichbehandlung liegende Beschränkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages kann weder unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz noch der Steueraufsicht gerechtfertigt werden.

Denn die Ausgleichspostenmethode stellt im Vergleich zur Sofortversteuerung ein milderes aber ebenso wirksames Mittel dar. Eine ausnahmslose Sofortversteuerung genügt daher nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Dies gilt gerade im Hinblick auf die vom EuGH entwickelte Rechtsfigur des Anerkennungsgrundsatzes.

Dieser Grundsatz besagt, dass eine Maßnahme dann als nicht erforderlich gilt, wenn der jeweilige Mitgliedstaat durch sein eigenes Verhalten an anderer Stelle (insbesondere durch anderweitige Normen) zeigt, dass er durchaus auch ohne die diskriminierende Maßnahme auskommt. Eine solche Norm stellt die geltende Entstrickungsregelung in Tz. 2.6 der Betriebsstättenverwaltungsgrundsätze dar: Diese ermöglicht unter dort näher geregelten Voraussetzungen eine aufgeschobene Besteuerung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern.

Auch der von der Bundesregierung angeführte Hinweis auf (mögliche) Schwierigkeiten bei der Administrierung einer aufgeschobenen Besteuerung führt zu keinem anderen Ergebnis, da der EuGH im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung regelmäßig auf die Möglichkeiten der Amtshilferichtlinie verweist.

Entscheidend ist dabei, dass bei einer etwaigen Feststellung der Europarechtswidrigkeit der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Sofortversteuerung durch den EuGH ggf. die Entstrickungsregelung insgesamt - und nicht lediglich die fehlende Möglichkeit einer zeitlich gestreckten Besteuerung - für nicht anwendbar erklärt wird. Die Konsequenz wären endgültige Steuerausfälle in erheblichem Umfang. Demgegenüber stellt die Ausgleichspostenmethode die Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven sicher. Die oben dargelegten Eckpunkte beschränken die Möglichkeiten für eine aufgeschobene Besteuerung nur insoweit, als dies europarechtlich unbedenklich ist.

Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Regelung dürfte zudem selbst bei kurzfristiger Betrachtung im Vergleich zur Ausgleichspostenmethode zu keinen positiven Liquiditätseffekten für die öffentlichen Haushalte führen, da die Finanzbehörden auf Grund der zu erwartenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes voraussichtlich dazu angehalten würden, von der Sofortbesteuerung bis zur endgültigen Klärung der Rechtsfrage durch den EuGH Abstand zu nehmen.