Punkt 17c der 884. Sitzung des Bundesrates am 17. Juni 2011 und zu
Punkt 17a Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" (EKFG-ÄndG) - Drucksache 338/11 (PDF) -
Punkt 17b Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden - Drucksache 339/11 (PDF) -
Punkt 17d Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien - Drucksache 341/11 (PDF) -
Punkt 17e Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze - Drucksache 342/11 (PDF) -
Punkt 17f Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften - Drucksache 343/11 (PDF) -
Punkt 17g Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden - Drucksache 344/11 (PDF) -
Der Bundesrat möge beschließen, zu den Gesetzentwürfen gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu den Gesetzentwürfen allgemein:
Der Bundesrat begrüßt, dass jetzt die Chance zu einem echten und dauerhaften Energiekonsens in Deutschland besteht, der der Notwendigkeit einer stabilen, sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung Rechnung trägt.
Durch verstärkte Anstrengungen zur Energieeinsparung und Steigerung der Energieeffizienz sowie durch eine Kombination aus Erneuerbaren Energien und hocheffizienten Kraftwerken müssen eine sichere Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen, Klimaschutz, Ressourcenschonung und die nationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und der mittelständischen Wirtschaft sichergestellt werden.
- 1. Der Atomausstieg ist schnellstmöglich, unumkehrbar und geordnet zu vollziehen. Die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie das AKW Krümmel bleiben endgültig abgeschaltet.
- 2. Die übrigen Atomkraftwerke werden stufenweise bis spätestens Ende 2022 abgeschaltet, wobei jedem AKW ein endgültiges Abschaltdatum verfassungsgemäß gesetzlich zugeordnet wird. Die in Betrieb befindlichen Kraftwerke und die weiteren kerntechnischen Anlagen müssen einen hohen Sicherheitsstandard gewährleisten.
- 3. Etwaige Entschädigungsverpflichtungen gegenüber den Kernkraftwerksbetreibern durch die neuen, gesetzlich festgelegten Abschaltdaten für einzelne Anlagen sind durch den Bund zu tragen.
- 4. Die Bundesregierung sieht in der 13. Novelle zur Änderung des Atomgesetzes die Vorhaltung einer Kaltreserve bis zum 31. März 2013 durch eines der acht im Jahr 2011 endgültig abzuschaltenden Kernkraftwerke vor. Sofern eine Kaltreserve nach Maßgabe der Bundesnetzagentur überhaupt erforderlich sein sollte, soll sie nach Möglichkeit durch konventionelle Kraftwerke und nicht über ein "stand by - Atomkraftwerk" sichergestellt werden. Den Import von Atomstrom zu diesem Zweck lehnt der Bundesrat ab. Die Berechnung einer Kaltreserve findet transparent unter Einbeziehung der Länder statt.
- 5. Die Finanzierung des Rückbaus stillgelegter Kernkraftwerke (soweit nicht von den Betreibern zu finanzieren) und Forschungsreaktoren muss durch den Bund erfolgen; das muss auch gelten für die sichere Entsorgung des damit verbundenen gesamten radioaktiven Inventars.
- 6. Die ergebnisoffene bundesweite Suche (unter Einbeziehung von Gorleben) nach alternativen Endlageroptionen und geeigneten geologischen Formationen ist in einem transparenten Verfahren durchzuführen. Erforderlich ist ein neuer Konsens auf gesetzlicher Grundlage.
- 7. Erforderlich ist eine Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Hierzu gehören der weitere Ausbau der Windenergienutzung onshore und offshore; keine Abstriche bei der Vergütungsregelung bei Onshore-Anlagen (u.a. keine Erhöhung der Degression, keine Beschränkung des Repowering-Bonus); keine Schlechterstellung von Klein-Biomasseanlagen in der Förderung im Vergleich zu industriellen Biomasseanlagen sowie keine Verschlechterung in der Solarförderung. Das EEG ist in seinen bewährten Grundstrukturen zu erhalten, um Investoren beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien Planungssicherheit zu geben.
- 8. Es ist Planungssicherheit herzustellen für Investitionen in konventionelle Kraftwerke und Kraftwärmekopplungsanlagen. Dazu wird die Bundesregierung aufgefordert, im Anschluss an das Gesetzespaket zur Energiewende auch eine Novelle des KWK-Gesetzes unter Berücksichtigung folgender Aspekte mit folgenden Eckpunkten vorzulegen: Beibehaltung der Anschluss-, Abnahme- und Vergütungspflicht für KWK-Strom, attraktive Förderangebote u.a. für industrielle KWK, Mikro-KWK, virtuelle Kraftwerke, Nah- und Fernwärmeausbau und Speichertechnologien. Darüber hinaus sind Anreize für Ersatzinvestitionen in flexibel einsetzbare konventionelle Energieerzeugung auf der Grundlage der regional benötigten Erzeugungskapazitäten erforderlich.
- 9. Energieintensive Unternehmen dürfen nicht benachteiligt werden. Es ist zu gewährleisten, dass diese Unternehmen nicht in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt und zur Standortverlagerung gezwungen werden. Es darf keine Verschlechterung der Konditionen beim Eigenverbrauch geben. Negative Regelenergie zur Erhaltung der Netzstabilität ist durch Anpassungen des EnWG marktgerecht zu vergüten. Ziel muss es sein, dass auch Unternehmen, deren Stromverbrauch weit unterhalb der bisherigen Grenze liegt, in den Genuss einer verminderten EEG-Umlage gelangen können, sofern diese alle Anstrengungen unternommen haben, um ihre Einspar- und Effizienzpotentiale zu heben. Die Bundesregierung wird gebeten, die vorgesehenen Mittel für den finanziellen Ausgleich für emissionshandelsbedingte Kostensteigerungen der Unternehmen in Höhe von 500 Mio. Euro durch Haushaltsmittel so aufzustocken, dass Standortverlagerungen und Betriebsschließungen aufgrund von Strompreissteigerungen ausgeschlossen werden. Sie wird außerdem aufgefordert, initiativ zu werden, um die notwendigen Regelungen auf europäischer Ebene beihilferechtlich abzusichern.
- 10. Die Optimierung und der Ausbau der Netze muss auf allen Spannungsebenen beschleunigt werden. Zu berücksichtigende Faktoren sind z.B. Klimaschutz und Energieversorgungssicherheit. Eine Bundesnetzplanung zur Bedarfsfeststellung ist erforderlich. Die Länder müssen die Möglichkeiten haben, den Trassenverlauf zu bestimmen. Der Bundesrat lehnt die Übertragung der Planfeststellung für größere länderübergreifende Leitungsprojekte auf die Bundesnetzagentur ab. Die Länder sind bereit mit der Bundesregierung zu Vereinbarungen zu kommen, wie die Planungsverfahren deutlich beschleunigt werden können - ohne die Beteiligungsrechte der Bürger oder die Planungskompetenzen der Länder einzuschränken. Der Einsatz z.B. von Erdkabeln und innovativen Netzentwicklungen soll der Akzeptanz und damit der Beschleunigung des Netzausbaus dienen. Die Kosten des Netzausbaues erfordern eine faire Lastenteilung.
- 11. Die finanzielle Ausstattung des KfW-Programms zur Gebäudesanierung muss über die vom Bund vorgeschlagenen 1,5 Mrd. Euro hinaus signifikant erhöht werden, um eine angemessene Sanierungsrate zu erreichen. Der Bundesrat begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, energetische Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden zu fördern. Er hält dafür neben der steuerlichen Förderung und verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten auch Zuschüsse für erforderlich. Die Kostenbelastungen für Mieter und Vermieter müssen ausgewogen und sozialverträglich sein. Die Belastung der Mieter durch umlagefähige Sanierungskosten sollte den Betrag der damit verbundenen Nebenkosteneinsparungen nicht überschreiten.
- 12. Die Forschungspolitik des Bundes auf den Gebieten der Erneuerbaren Energien, der Speichertechnologien und der Integration der Erneuerbaren Energien in die Netze muss intensiviert werden. Die Bundesregierung wird gebeten, sich auf EU-Ebene für eine entsprechende Neuausrichtung der EU-Forschungsprogramme einzusetzen.
- 13. Steuermindereinnahmen bei Ländern und Gemeinden sind zu kompensieren. Dies gilt insbesondere für die durch die Finanzierung des Energie- und Klimafonds entstehenden Mindereinnahmen.
- 14. Der Energie- und Klimafonds muss unter Beteiligung der Länder so ausgestaltet werden, dass die Erlöse aus dem Emissionshandel und ihre Rückflüsse fair und regional ausgewogen verwendet werden. Die Erlöse müssen in Abstimmung mit den Ländern für zusätzliche Maßnahmen der Energiewende und des Klimaschutzes sowie auch in energieintensiven Unternehmen genutzt werden.