A. Problem und Ziel
Für eine Freiheitsentziehung auf Grund gerichtlicher Entscheidung gewährt der Staat nach § 7 Absatz 3 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) vom 8. März 1971, BGBl. I S. 157, eine Entschädigung, sofern die Freiheitsentziehung letztlich zu Unrecht erfolgt ist, das heißt, wenn in einem Strafverfahren ein Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens erfolgt ist oder die Eröffnung der Hauptverhandlung abgelehnt wurde. Nach einer rechtskräftigen Verurteilung kann man Haftentschädigung erhalten, wenn nach einem Wiederaufnahmeverfahren ein Freispruch erfolgt oder die Strafe aufgehoben worden ist. Die Entschädigung erfasst neben dem Ersatz des Vermögensschadens auch den Ersatz des immateriellen Schadens in Form einer Pauschale pro Hafttag.
Diese Pauschale blieb zunächst in den Jahren 1988 bis 2009 nahezu unverändert bei 20 Deutsche Mark bzw. elf Euro und wurde im Jahre 2009 auf 25 Euro erhöht. Eine weitere Anpassung ist in den Folgejahren nicht erfolgt. Zudem hat ein Gutachten der Kriminologischen Zentralstelle aus dem Jahre 2017 (vergleiche Band 11 der Elektronischen Schriftenreihe der KrimZ, Seite 75 bis 79) ergeben, dass die Höhe der Entschädigung im Falle der nach erfolgreichem Wiederaufnahmeverfahren Freigesprochenen von den Betroffenen durchweg als deutlich zu gering empfunden wird. Schließlich wurde schon bei der Festlegung dieser Pauschale im Jahr 1988 die Notwendigkeit gesehen, sie auch in Zukunft anzupassen (vergleiche Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache 011/1892; Plenarprotokoll Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode PlPr 011/69 vom 11. März 1988, Seite 4683 ff.). Mittlerweile wird, so etwa vom Deutschen Anwaltverein, mindestens eine Vervierfachung der Haftentschädigung gefordert.
Auch die Justizministerinnen und Justizminister haben deshalb auf der Justizministerkonferenz im November 2017 einstimmig beschlossen, dass sie die Entschädigung für zu gering erachten und den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine deutliche Erhöhung vorsieht. Seither ist nichts geschehen.
Es ist daher nunmehr dringend geboten, eine Erhöhung alsbald herbeizuführen, nachdem nunmehr bereits seit fast neun Jahren keine Anpassung erfolgt ist. Eine Verdreifachung des mit 25 Euro als zu gering kritisierten Satzes ist erforderlich, aber auch ausreichend, um dem Genugtuungs- und Anerkennungsgedanken des § 7 Absatz 3 StrEG angemessen Rechnung zu tragen.
B. Lösung
Der Entschädigungsbetrag für immaterielle Schäden wird auf 75 Euro pro Hafttag angehoben.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Bund
a) Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Der Bundeshaushalt ist lediglich bei - äußerst selten vorkommenden - Entschädigungsleistungen in vom Generalbundesanwalt geführten Verfahren betroffen und wird voraussichtlich nur sehr geringfügig mit Mehrkosten belastet werden.
b) Vollzugsaufwand
Ein Mehraufwand ist nicht zu erwarten. Die Justizverwaltungsbehörden werden ab dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzes einheitlich die neue Entschädigungspauschale anwenden.
2. Länder
a) Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Anlässlich der Erhöhung im Jahre 2009 von elf Euro auf 25 Euro (also um 14 Euro pro Hafttag) wurde die Mehrbelastung für die Justizhaushalte der Länder auf jährlich etwa 1 000 000 Euro (für die 14 Länder, für die Zahlen vorlagen) geschätzt (vergleiche BR-Drucksache 151/09 (PDF) ). Eine grundlegende Änderung der pro Jahr zu entschädigenden Hafttage ist nicht ersichtlich. Eine Erhöhung des Tagessatzes von 25 Euro auf 75 Euro (also um 50 Euro) dürfte dementsprechend Mehrbelastungen in Höhe von jährlich etwa 3 600 000 Euro nach sich ziehen.
b) Vollzugsaufwand
Ein Mehraufwand ist nicht zu erwarten. Die Justizverwaltungsbehörden werden ab dem Datum des Inkrafttretens einheitlich die neue Entschädigungspauschale anwenden.
E. Sonstige Kosten
Zusätzliche Kosten für die Wirtschaft oder Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
F. Bürokratiekosten
Keine. Es werden keine zusätzlichen Informationspflichten geschaffen.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG)
Der Bundesrat hat in seiner 984. Sitzung am 20. Dezember 2019 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG)
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen
In § 7 Absatz 3 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8. März 1971 (BGBl. I S. 157), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird die Angabe "25" durch die Angabe "75" ersetzt.
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeiner Teil
I. Ausgangslage
Für eine Freiheitsentziehung auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewährt der Staat nach § 7 Absatz 3 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) vom 8. März 1971 (BGBl. I S. 157) eine Entschädigung, sofern die Freiheitsentziehung letztlich zu Unrecht erfolgt ist, das heißt, wenn in einem Strafverfahren ein Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens erfolgt ist oder die Eröffnung der Hauptverhandlung abgelehnt wurde. Nach einer rechtskräftigen Verurteilung kann man Haftentschädigung erhalten, wenn nach einem Wiederaufnahmeverfahren ein Freispruch erfolgt oder die Strafe aufgehoben worden ist. Die Entschädigung erfasst neben dem Ersatz des Vermögensschadens auch den Ersatz des immateriellen Schadens in Form einer Pauschale pro Hafttag.
Diese Pauschale blieb zunächst in den Jahren 1988 bis 2009 nahezu unverändert bei 20 Deutsche Mark bzw. elf Euro und wurde im Jahre 2009 auf 25 Euro erhöht. Eine weitere Anpassung ist in den Folgejahren nicht erfolgt. Zudem hat ein Gutachten der Kriminologischen Zentralstelle aus dem Jahre 2017 (vergleiche Band 11 der Elektronischen Schriftenreihe der KrimZ, Seite 75 bis 79) ergeben, dass die Höhe der Entschädigung im Falle der nach erfolgreichem Wiederaufnahmeverfahren Freigesprochenen von den Betroffenen durchweg als deutlich zu gering empfunden wird. Schließlich wurde schon bei der Festlegung dieser Pauschale im Jahr 1988 die Notwendigkeit gesehen, sie auch in Zukunft wieder anzupassen (vergleiche Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drucksache 011/1892; Plenarprotokoll Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode PlPr 011/69 vom 11. März 1988, Seite 4683 ff.). Mittlerweile wird, so etwa vom Deutschen Anwaltverein, mindestens eine Vervierfachung der Haftentschädigung gefordert.
Die Justizministerinnen und Justizminister haben deshalb auf der Justizministerkonferenz im November 2017 einstimmig beschlossen, dass sie die Entschädigung für zu gering erachten und den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine deutliche Erhöhung vorsieht. Seither ist nichts geschehen.
Es ist daher nunmehr dringend geboten, eine Erhöhung alsbald herbeizuführen, nachdem nunmehr bereits seit fast neun Jahren keine Anpassung erfolgt ist. Eine Verdreifachung des mit 25 Euro als zu gering kritisierten Satzes ist erforderlich, aber auch ausreichend, um dem Genugtuungs- und Anerkennungsgedanken des § 7 Absatz 3 StrEG angemessen Rechnung zu tragen.
II. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs
Die Entschädigungspauschale wird auf 75 Euro pro Hafttag erhöht.
III. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 25 des Grundgesetzes (Staatshaftung) in Verbindung mit Artikel 72 des Grundgesetzes. Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.
IV. Auswirkungen des Gesetzentwurfs
1. Auswirkungen auf die Haushalte der Länder und des Bundes
Anlässlich der Erhöhung im Jahre 2009 von elf Euro auf 25 Euro (also um 14 Euro pro Hafttag) wurde die Mehrbelastung für die Justizhaushalte der Länder auf jährlich etwa 1 000 000 Euro (für die 14 Länder, für die Zahlen vorlagen) geschätzt (vergleiche BR-Drucksache 151/09 (PDF) ). Eine grundlegende Änderung der pro Jahr zu entschädigenden Hafttage ist nicht ersichtlich. Eine Erhöhung des Tagessatzes von 25 Euro auf 75 Euro (also um 50 Euro) dürfte dementsprechend Mehrbelastungen in Höhe von jährlich etwa 3 600 000 Euro nach sich ziehen. Ein Vollzugsmehraufwand ist nicht zu erwarten. Die Justizverwaltungsbehörden werden ab dem Datum des Inkrafttretens des Gesetzes einheitlich die neue Entschädigungspauschale anwenden.
Der Bundeshaushalt ist lediglich bei - äußerst selten vorkommenden - Entschädigungsleistungen in vom Generalbundesanwalt geführten Verfahren betroffen und wird voraussichtlich nur sehr geringfügig mit Mehrkosten belastet werden.
2. Auswirkungen auf die Wirtschaft und das allgemeine Preisniveau
Auswirkungen auf die Einzelpreise und auf das Preisniveau, vor allem auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
3. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung
Der Gesetzentwurf hat keine erkennbaren gleichstellungspolitischen Auswirkungen. Grundsätzlich sind Frauen und Männer von den Vorschriften des Gesetzentwurfs in gleicher Weise betroffen.
IV. Zustimmungsbedürftigkeit
Das beabsichtigte Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates, Artikel 74 Absatz 1 Nummer 25 in Verbindung mit Absatz 2 des Grundgesetzes.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (§ 7 Absatz 3 StrEG-E)
Der Entschädigungsbetrag für immaterielle Schäden soll auf 75 Euro pro Hafttag angehoben werden. Auf diese Weise wird auch der dem § 7 Absatz 3 StrEG zugrunde liegende Genugtuungs- und Anerkennungsgedanke stärker betont. Mit der Anpassung der Pauschale wird an der Struktur und Wertung des Gesetzes festgehalten, wonach bei der Bemessung der Haftentschädigung keine persönlichen Verhältnisse der Betroffenen berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hat sich ausdrücklich gegen eine Ungleichbehandlung armer und reicher Beschuldigter, zu der eine Berücksichtigung der unterschiedlichen persönlichen Verhältnisse führen müsste, ausgesprochen (vergleiche BT-Drucksache 0VI/1512, S. 3).
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Durch das Inkrafttreten bereits am Tag nach der Verkündung wird verhindert, dass in der Zeitspanne zwischen Verkündung und Inkrafttreten Anträge noch auf der Basis der alten Pauschale beschieden werden müssen.
Ab dem Datum des Inkrafttretens sollen die Justizverwaltungsbehörden im Betragsverfahren einheitlich und unabhängig vom Zeitpunkt der Inhaftierung die neue Entschädigungspauschale anwenden. Das verhindert zudem auch einen Mehraufwand, der sich durch die Notwendigkeit gespaltener Berechnung, bei der Hafttage vor und nach dem Inkrafttreten des Gesetzes unterschiedlich entschädigt werden, ergäbe.