Der Bundesrat hat in seiner 930. Sitzung am 6. Februar 2015 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates "Kosten der Behandlungspflege in Einrichtungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch"
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, umgehend die gesetzlichen Voraussetzungen zu formulieren, unter denen in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe Leistungen nach § 37 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) bezogen werden können. Alternativ käme eine Öffnung des Begriffs "andere geeignete Orte" für alle stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe in Betracht.
Begründung:
Für Menschen, die in Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben, kommt es immer wieder zu Problemen bei der Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen für ambulante Pflegeleistungen nach § 37 SGB V.
Nach § 37 Absatz 2 Satz 1 SGB V sowie der sogenannten Krankenpflege-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen, als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Entscheidend für die Kostenübernahme der Behandlungspflege in Einrichtungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch durch die Krankenkassen ist die Frage, ob stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe als "sonstige geeignete Orte" im Sinne des § 37 SGB V bzw. der Krankenpflege-Richtlinie anzusehen sind. Hierzu liegen divergierende Entscheidungen verschiedener Landessozialgerichte (LSG) vor.
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat in seinem Urteil vom 23. April 2009 - L 8 SO 1/07 - eine Einbeziehung vollstationärer Behinderteneinrichtungen/ -heime vom Anwendungsbereich des § 37 Absatz 2 SGB V ausgeschlossen. Die im Gesetz beispielhaft genannten Orte "betreute Wohnformen, Schulen und Kindergärten" sprächen jedenfalls auf den ersten Blick gegen eine Ausweitung der häuslichen Krankenpflege über den Haushalt und die Familie hinaus auf jeden geeigneten Ort. Vielmehr sollte der fragliche Ort mit den beispielhaft genannten vergleichbar sein. Heime im Sinne des Heimgesetzes kämen danach nicht als geeigneter Ort in Frage. Das LSG Hamburg hat demgegenüber in seinem Urteil vom 24. April 2014 - L 1 KR 24/12 - den Anspruch auf häusliche Krankenpflege als Behandlungspflege für Versicherte in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe grundsätzlich bejaht.
Der gleichen Frage sah sich das Bundessozialgericht (BSG) am 10. November 2011 - B 8 SO 16/09 R - gegenüber. Da der Anspruch in der mündlichen Verhandlung von der Krankenkasse anerkannt wurde, kam es allerdings nicht zu einem Urteil. Gleichwohl hat das BSG in der Verhandlung seine Erwägungen offengelegt: Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege als Behandlungspflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe gegen die Krankenkassen hänge davon ab, ob ein Anspruch des Versicherten auf Erbringung von Behandlungspflegeleistungen aus dem Heimvertrag bestehe. Das BSG hat damit zu erkennen gegeben, dass eine Einrichtung der Behindertenhilfe ein "sonstiger geeigneter Ort" sein kann. Ob das der Fall sei, müsse zukünftig für jeden Einzelfall separat geprüft werden.
Die Kostenübernahme durch eine gesetzliche Krankenkasse setzt demnach voraus, dass die Einrichtung weder durch den für sie geltenden Landesrahmenvertrag noch durch die Leistungsvereinbarung mit dem Sozialhilfeträger, noch durch den mit dem Heimbewohner abgeschlossenen Heimvertrag zur Leistung verpflichtet ist.
Da seitens der Rechtsprechung eine Auslegung des Begriffes "sonstige geeignete Orte" im Hinblick auf stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe immer nur für den Einzelfall erfolgt, kann nur eine klarstellende gesetzliche Regelung zu mehr Rechtssicherheit und Leistungsgerechtigkeit führen.