900. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2012
Der federführende Finanzausschuss, der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik und der Gesundheitsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Die Bundesregierung plant, die bisherige Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung nach § 363 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch ersatzlos zu streichen. Gleichzeitig wird der Bundesagentur für Arbeit der im bisherigen § 46 Absatz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch geregelte Eingliederungsbeitrag erlassen, der in Höhe der Hälfte der jährlichen Aufwendungen für die Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende an den Bundeshaushalt zu leisten war. Im Saldo trägt die Bundesagentur für Arbeit damit bis zum Jahr 2016 mit mehr als 5 Mrd. Euro zur Konsolidierung des Bundeshaushalts bei, und der Bund zieht sich aus seiner Verantwortung für die Arbeitsförderung zurück.
- b) Der Bundesrat stellt fest, dass der Entzug von Mitteln bei der Bundesagentur für Arbeit eine zurückgehende Dotierung arbeitsmarktpolitischer Programme zur Folge haben wird. Dies wird es insbesondere Menschen mit Vermittlungsproblemen erschweren, an der zuletzt deutlich verbesserten Situation auf dem Arbeitsmarkt teilzuhaben. Der Bundesrat bezweifelt zudem, dass die gegenwärtig günstige finanzielle Situation der Arbeitslosenversicherung vor allem strukturelle Ursachen hat, die eine schwächere Ausstattung mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt rechtfertigen würde. Der Bundesrat weist darauf hin, dass vor dem Hintergrund der konjunkturell bedingten Unsicherheiten über die mittelfristige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt die Schwächung der Finanzlage der Bundesagentur für Arbeit die Gefahr in sich birgt, dass in diesem Sozialversicherungszweig im nächsten Konjunkturabschwung wieder Defizite - mit entsprechendem Druck auf eine prozyklische Erhöhung des Beitragssatzes - auftreten.
- c) Schließlich erinnert der Bundesrat daran, dass die Länder dem Bund einen Betrag im Gegenwert von zuletzt einem halben Umsatzsteuerpunkt zugestanden haben, um eine Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung - im Interesse der Stabilität des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung - zu ermöglichen. Die vorgesehene Streichung dieser Mittel ohne Korrektur der Umsatzsteuerverteilung zugunsten der Länder bedeutet, dass die Länder im entsprechenden Umfang ebenfalls zur Konsolidierung des Bundeshaushalts beitragen (vgl. Buchstabe b in BR-Drs. 668/11(B) ).
- d) Die Bundesregierung plant, den allgemeinen Bundeszuschuss an die Gesetzliche Rentenversicherung für den Zeitraum der Jahre 2013 bis 2016 um effektiv 0,8 Mrd. Euro im Jahr 2013 und jeweils rund 1 Mrd. Euro in den Jahren 2014 bis 2016 abzusenken. Der Bundesrat kritisiert mit Nachdruck, dass auf diese Weise so genannte versicherungsfremde Leistungen den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern aufgebürdet werden und so zulasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler eine kurzfristige Entlastung des Bundeshaushalts erfolgen soll. Der Bundesrat bezweifelt zudem, dass die vorübergehende, durch eine günstige konjunkturelle Entwicklung ermöglichte Absenkung von Bundeszuschüssen an einen Sozialversicherungszweig in der Tat - wie von der Bundesregierung dargestellt - einen Beitrag zur strukturellen Konsolidierung des Bundeshaushaltes leisten kann.
- 2. [e) Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Zuschüsse des Bundes zur Rentenversicherung multifunktionale Bedeutung haben. Sie haben eine besondere Entlastungs-, Ausgleichs- und Sicherungsfunktion. Die Bundeszuschüsse in ihrer Gesamtheit reichen nicht aus, um die nicht beitragsgedeckten Leistungen der Rentenversicherung <in der erweiterten Definition> abzudecken.
Daher und wegen der damit einhergehenden Auswirkungen auf den Beitragssatz, die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung und das Rentenniveau spricht sich der Bundesrat gegen die Kürzung des Bundeszuschusses aus.]
- f) Der Bundesrat lehnt die sich aus der aktuellen Gesetzeslage voraussichtlich ergebende Senkung des Beitragssatzes für die gesetzliche Rentenversicherung ab. Statt den Beitrag für begrenzte Zeit geringfügig zu senken, hält es der Bundesrat für besser, die gesetzlich zulässige Nachhaltigkeitsrücklage - etwa im Sinne einer zusätzlichen Demographie-Reserve - zu erhöhen und mit dieser Vorsorge den in den kommenden Jahren bevorstehenden Anstieg des Beitragssatzes abzumildern und auch für künftige Beitragszahler bezahlbar zu halten. Auf diese Weise könnte zudem eine die gesamtwirtschaftliche Nachfrage mindernde Erhöhung des Beitragssatzes im Falle eines Konjunkturabschwungs vermieden werden.
3. Zu Artikel 3 Nummer 1 ( 221 Absatz 1 SGB V) und Nummer 3 Buchstabe b ( 271 Absatz 2 Satz 4 SGB V)
Artikel 3 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nummer 1 ist zu streichen.
- b) Nummer 3 Buchstabe b ist zu streichen.
Begründung:
Die geplante einmalige Kürzung des Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds im Jahre 2013 um 2 Milliarden Euro wird gestrichen. Die derzeit im Gesundheitsfonds enthaltenen solidarisch beziehungsweise aus Steuermitteln erbrachten Finanzmittel sind angesichts der konjunkturellen Einnahmerisiken und der allein aufgrund der demographischen Entwicklung wieder zu erwartenden steigenden Leistungsausgaben dringend notwendig, um eine verlässliche und nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Darüber hinaus ist es für die Funktionsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich, den Bundeszuschuss zur Gesetzlichen Krankenversicherung künftig verlässlich und in einer zur nachhaltigen Aufgabenerfüllung angemessenen Höhe zu leisten.
Die aktuell gute Finanzausstattung des Gesundheitsfonds darf nicht zu einer Konsolidierung des Bundeshaushalts zu Lasten der Solidargemeinschaft der Gesetzlichen Krankenversicherung führen. Sowohl die Mittel des Gesundheitsfonds als auch die gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen der Krankenkassen müssen vielmehr den Versicherten zu Gute kommen.