Der Bundesrat hat in seiner 869. Sitzung am 7. Mai 2010 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 11 Buchstabe a und d (§ 10 Absatz 1 Satz 9 und Absatz 2a KWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Ausstattungsmerkmale von hybriden Eigenmittelinstrumenten nach dem neu gefassten Artikel 63a Absatz 2 und dem ebenfalls neu gefassten Artikel 66 der Bankenrichtlinie in § 10 Absatz 2a KWG definiert und die Erweiterung der Ermächtigungsgrundlage für die Definition in der Solvabilitätsverordnung (SolvV) in § 10 Absatz 1 Satz 9 Nummer 10 KWG-E gestrichen werden sollte.
Begründung
Die Eigenschaften der Eigenmittelbestandteile sollten im KWG definiert sein.
Das muss auch für die neuen Ausstattungsmerkmale der neuen hybriden Finanzinstrumente gelten - wie beispielsweise Tilgungsanreize oder Mindestanforderungen an die Umwandlung in gezeichnetes Kapital -, auch wenn ihre Beurteilung nach den EU-Vorgaben in das Ermessen der Aufsichtsbehörden fällt.
Nur mit einer gesetzlichen Definition wird der Gesetzgeber der herausragenden Bedeutung der Eigenmittel im KWG gerecht. Auf die Definition der Eigenmittel beziehen sich nicht nur die wesentlichen quantitativen Aufsichtsregelungen. Sie spielt auch im Wettbewerb der Kreditinstitute untereinander eine bedeutende Rolle. Beispielsweise werden sie von den Ratingagenturen für die Beurteilung der Solidität der Banken herangezogen.
Hinzu kommt die besondere Rechtssicherheit für die Marktteilnehmer.
Dementsprechend kann eine Konkretisierung der Ausstattungsmerkmale der hybriden Eigenmittelinstrumente im Verordnungswege - wie im Gesetzentwurf vorgesehen - nur dann überzeugen, wenn kurzfristige Änderungen der Definitionen anstünden. Dies ist eher fraglich. Der Ausschuss der Bankenaufseher (CEBS) hat die "Implementation Guidelines for Hybrid Capital Instruments" vom 10. Dezember 2009 bereits veröffentlicht. Weitere Konkretisierungen nach der EU-Richtlinie sind vorerst wenig wahrscheinlich.
Eine grundlegende Reform aller Eigenmittelbestandteile dürfte bis Ende 2012 anstehen. Dafür sprechen die Entwürfe des Baseler Ausschusses für hartes Kernkapital (Konsultationspapier vom 17. Dezember 2009) sowie der EU-Kommission (CRD IV). Dann kann aber nur der Gesetzgeber die - gesellschaftsrechtlichen und schuldrechtlichen - Eigenmittelbestandteile grundlegend neu ausgestalten.
Vor diesem Hintergrund und mit Rücksicht auf die Bedeutung der Definition von Eigenmitteln für die Marktteilnehmer ist eine gesetzliche Definition der hybriden Eigenmittel geboten. Passender Regelungsort der Ergänzung dürfte § 10 Absatz 2a KWG sein.
2. Zu Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe b (§ 19 Absatz 2 Satz 6 KWG)
Der Bundesrat weist im Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Änderungen der Regelungen zur Bildung von Kreditnehmereinheiten gemäß § 19 Absatz 2 Satz 6 KWG-E auf seinen Beschluss vom 28. November 2008 hin (Ziffer 10 der BR-Drucksache 745/08(B) ). Es muss bei der Zugrundelegung des neuen Konzepts der "einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit" sichergestellt werden dass sich hieraus für regional tätige Kreditinstitute sowie Spezialkreditinstitute keine negativen Rückwirkungen ergeben. Insbesondere ist zu gewährleisten, dass auf Grund dieser geänderten aufsichtsrechtlichen Regelungen keine Einschränkungen für die Kreditvergabespielräume der Institute an die mittelständische Wirtschaft entstehen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 20 (§ 20 KWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob Forderungen und Kredite an Landesbanken und genossenschaftliche Zentralbanken im Verbund entsprechend dem nationalen Wahlrecht nach Artikel 113 Absatz 4 lit. d der neu gefassten Richtlinie 2006/48/EG von der Anwendung der Großkreditvorschriften ausgenommen werden sollten.
Begründung
Mitgliedstaaten können aufgrund der neu gefassten Richtlinie 2006/48/EG bis zu zehn Arten von Forderungen und anderen Krediten von der Anwendung der Großkreditvorschriften ausnehmen. Einen Großteil davon hat die Bundesregierung in § 20 Absatz 2 KWG-E umgesetzt.
In den Gesetzentwurf ist allerdings das Wahlrecht nach Artikel 113 Absatz 4 lit. d der neu gefassten Richtlinie 2006/48/EG nicht eingeflossen. Nach diesem Wahlrecht können Forderungen und Kredite an Landesbanken und genossenschaftliche Zentralbanken, denen eine Bank aufgrund von Rechts- oder Satzungsvorschriften angeschlossen ist und die danach beauftragt sind, den Liquiditätsausgleich innerhalb der Vereinigung vorzunehmen, von den Großkreditvorschriften ausgenommen werden.
In Deutschland ist hiervon vor allem der Genossenschaftssektor betroffen. Volks- und Raiffeisenbanken halten aufgrund der Verbundstruktur Beteiligungen an den Zentralbanken. Diese Beteiligungen werden als Kredit bewertet. Ohne dieses Wahlrecht müssten die Genossenschaftsbanken diese Beteiligungen in die Großkreditvorschriften einrechnen. Dadurch würde ihr Spielraum für die Kreditvergabe vor Ort erheblich eingeschränkt. Das kann nicht zielführend sein.
Im Übrigen beabsichtigen auch andere EU-Staaten mit Genossenschaftsstrukturen, beispielsweise die Niederlande, die Ausnahme aufzunehmen.
Andere Staaten wie Großbritannien verzichten auf diese Ausnahme deshalb, weil sie keine entsprechende Bankenstruktur haben.
4. Zu Artikel 2 (InsO)
Der Bundesrat bittet darum, dass im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eine Änderung des § 104 Insolvenzordnung (InsO) oder die Einfügung eines neuen § 104a InsO angestrebt wird, um die mittels Einschaltung eines Zentralen Kontrahenten (CCP) getätigten Geschäfte für einen eng befristeten Zeitraum von den Folgen der Insolvenzverfahrenseröffnung auszunehmen und so einen Transfer der Kundenpositionen und gegebenenfalls der entsprechenden Sicherheiten zu ermöglichen.
Zentrale Kontrahenten oder Clearinghäuser (Central Clearing Counterparty -"CCP") leisten weltweit einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität und Integrität von Finanzmärkten, indem sie das Risiko für ihre direkten und indirekten Kunden effektiv senken. Deshalb teilt der Bundesrat die Auffassung der G-20-Staaten, die in ihrer Erklärung vom September 2009 eine verstärkte Nutzung zentraler Clearinghäuser - insbesondere für außerbörslich gehandelte Derivate -gefordert haben.
Die ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes erfordert, dass auch indirekte Kunden, die über Clearing-Mitglieder Transaktionen über einen CCP abwickeln im Fall der Insolvenz des Clearing-Mitglieds wirksam geschützt sind. Nach der derzeitigen Fassung des § 104 InsO sind in Deutschland im Fall der Insolvenz eines Marktteilnehmers alle seine offenen Geschäfte sofort fällig zu stellen und abzurechnen (Barausgleich). Damit können für Geschäfte, die über ein zentrales Clearinghaus abgewickelt werden, bestehende Kundenvermögen nicht auf solvente Clearing-Mitglieder übertragen werden. Die indirekten Kunden eines Clearinghauses können so nicht effektiv vor Insolvenzfolgen geschützt werden. Die derzeitige Regelung im deutschen Insolvenzrecht erhöht somit das systemische Risiko für den deutschen Finanzplatz im Krisenfall -beispielsweise bei Lehman Brothers.
Eine Anpassung des § 104 InsO ist daher zeitnah geboten, um die Handlungsfähigkeit eines in Deutschland ansässigen Clearinghauses bei Insolvenz eines Marktteilnehmers in jedem Fall zu gewährleisten und damit die Effektivität der zentralen Verrechnung von Finanzmarkttransaktionen über ein in Deutschland ansässiges Clearinghaus sicherzustellen.
5. Zu Artikel 11 Absatz 1 (Inkrafttreten)
In Artikel 11 Absatz 1 ist die Angabe "31. Dezember 2010" durch die Angabe "1. Januar 2011" zu ersetzen.
Begründung
Das Inkrafttreten der in Absatz 1 genannten Teile des Gesetzes zum 31. Dezember 2010 hätte für die Institute erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung der technischen Anforderungen zur Folge. In diesem Fall müssten die Institute die Regelungen auf Grund der Meldeerfordernisse bereits ab 1. Oktober 2010 technisch umgesetzt haben. Dies wäre aber für die große Mehrzahl der Institute in Deutschland technisch kaum oder allenfalls mit einem enormen Umsetzungsaufwand machbar.
6. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich diesen Gesetzentwurf als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer strengeren Regulierung der Kreditinstitute als Folge der Finanzmarktkrise. Dabei ist positiv zu sehen, dass die Bundesregierung in diesem Gesetzentwurf die EU-Vorgaben weitgehend unverändert umgesetzt und auf ein "Goldplating", also auf nationale Verschärfungen, verzichtet hat. Für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Finanzbranche im internationalen Umfeld ist dies bedeutsam.
- b) Der vorliegende Gesetzentwurf kann aber nur die erste Etappe auf dem Weg zu einer strengeren Regulierung der Banken infolge der Finanzmarktkrise sein. Der Baseler Ausschuss und die EU-Kommission haben daher richtigerweise schon weitere Regulierungsetappen in Angriff genommen. Ihnen geht es dabei nicht nur um die künftigen Faktoren für mehr und qualitativ hochwertigeres Eigenkapital.
Eine der wesentlichen Fragestellungen aus der Finanzmarktkrise ist, wie künftige Krisen vermieden werden können. Besondere Unterstützung verdienen daher die Pläne des Baseler Ausschusses und der EU-Kommission, per Aufsichtsrecht zu verhindern, dass Marktteilnehmer systemrelevant werden. Auch der Sachverständigenrat hat in seinem Jahresgutachten (BT-Drs. 17/44, S. 141) darauf hingewiesen, dass die Vernetzung der Banken die Ursache für das "Toomanytofail-Problem" ist. Die Finanzmarktakteure haben ansonsten zu große Anreize, durch Vernetzung Risiken aufzubauen, um als Gruppe systemrelevant zu werden.
- c) Der Bundesrat hält den Vorschlag des Baseler Ausschusses und der EU-Kommision, mit Zuschlägen auf das ohnehin vorzuhaltende Eigenkapital entsprechend dem Systemgewicht der zugrunde liegenden Kredite zu arbeiten, für den richtigen Weg. Mit diesem Instrument lässt sich die Entstehung von systemischen Risiken vermindern. Dabei ist es entscheidend diesen Zuschlag nach den richtigen Parametern auszurichten.
In der Krise hat sich gezeigt, dass das klassische Kreditgeschäft eine wesentlich höhere Stabilität gegenüber systemischen Risiken aufweist als Interbankenkredite. Vor der endgültigen Bemessung des Eigenkapitalzuschlags sollte daher sowohl die tatsächliche Vernetzung der Finanzbranche untereinander als auch mit Nichtbanken untersucht und bewertet werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken.