endg.; Ratsdok. 14209/04
Begründung
1. Hintergrund
Mit diesem Vorschlag soll der Beschluss des Allgemeinen Rats der Welthandelsorganisation (WTO) vom 30. August 2003 über die Durchführung von Ziffer 6 der Erklärung von Doha betreffend das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) und die öffentliche Gesundheit(WT_L/540 vom 2. September 2003) auf Gemeinschaftsebene umgesetzt werden.
Dieser Beschluss entbindet die WTO-Mitglieder von den Verpflichtungen aus Art. 31 Buchst. f) des WTO-Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) und erlaubt den WTO-Mitgliedern somit die Vergabe von Zwangslizenzen für die Herstellung und den Vertrieb patentierter Arzneimittel, die für die Ausfuhr in Drittländer bestimmt sind, die über keine oder unzureichende Fertigungskapazitäten im Arzneimittelsektor verfügen. Er beinhaltet wesentliche Garantien gegen Handelsumlenkungen und Regeln zur Gewährleistung der Transparenz; darüber hinaus schafft er die Voraussetzungen für die künftige Ersetzung des Beschlusses mittels Änderung des TRIPS-Übereinkommens.
2. Notwendigkeit einer Maßnahme auf Gemeinschaftsebene
Die Europäische Kommission und ihre Mitgliedstaaten haben sich aktiv für die Verabschiedung des Beschlusses eingesetzt. Sie haben sich gegenüber der WTO verpflichtet, in vollem Umfang zur Umsetzung des Beschlusses beizutragen. Sie haben alle WTO-Mitglieder aufgerufen, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, die für eine wirksame Anwendung des mit dem Beschluss eingeführten Systems erforderlich sind. Aus diesen Gründen ist es unerlässlich, dass die Gemeinschaft ihren Teil zu diesem System beiträgt und es in die Gemeinschaftsrechtsordnung überführt.
Eine einheitliche Umsetzung des Beschlusses innerhalb der Gemeinschaft ist erforderlich. Nur so ist gewährleistet, dass die Vergabe von Zwangslizenzen für die Ausfuhr in alle EU-Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen erfolgt. Nur so lässt sich vermeiden, dass es zu Wettbewerbsverzerrungen für die Wirtschaftsteilnehmer im EU-Binnenmarkt kommt, und nur durch Anwendung einheitlicher Regeln lässt sich verhindern, dass Arzneimittel, die unter Zwangslizenzen hergestellt werden, wieder in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union eingeführt werden.
In Anbetracht der Besonderheit der Beschlussbestimmungen, der Tatsache, dass nationale Vereinbarungen über Zwangslizenzen bereits existieren, und der Dringlichkeit von Maßnahmen, die die Ausfuhr von Arzneimitteln in Länder mit Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit ermöglichen, schlägt die Kommission, gestützt auf Art. 95 und 133 EG-Vertrag, die Umsetzung auf dem Verordnungswege vor.
3. vorgeschlagene Bestimmungen
Artikel 1
Die Verordnung regelt das Verfahren und die Bedingungen für die Vergabe von Zwangslizenzen nach Maßgabe des Beschlusses. Zwar sind ergänzende Schutzzertifikate in dem Beschluss nicht erwähnt, da sie innerhalb der EU aber dieselbe Wirkung entfalten, werden sie mit einbezogen.
Artikel 2
Die Begriffsbestimmung für "Arzneimittel"; ist dem Beschluss entnommen, der Wortlaut verweist auf die Definition des Begriffs Arzneimittel in der Richtlinie 2001/83/EG.
Artikel 3
Für die Vergabe von Zwangslizenzen im Rahmen der Verordnung sind die Behörden zuständig, die von den Mitgliedstaaten gemeldet werden.
Artikel 4
Die Anspruchsberechtigung stützt sich auf Meldungen und Erklärungen an die WTO.
Artikel 5
Hierzu zählen Schlüsselangaben, die nach dem Beschluss und dem TRIPS-Übereinkommen erforderlich sind. Die Auflage, dass das Einfuhrland oder dessen bevollmächtigte Vertreter dem Antragsteller Belege für einen speziellen Antrag unterbreiten müssen, dürfte helfen, die Menge der unter Zwangslizenz gelieferten Arzneimittel wirksam zu kontrollieren.
Artikel 6
Die zuständigen Behörden sollten prüfen, ob die in dem Beschluss aufgeführten Grundvoraussetzungen für die Auslösung des Systems gegeben sind.
Artikel 7
Absatz 1 spiegelt Artikel 31 Buchstabe b) des TRIPS-Übereinkommens wieder. Während das TRIPS-Übereinkommen die Möglichkeit vorsieht, von dieser Erfordernis abzusehen, wenn ein nationaler Notstand oder sonstige Umstände von äußerster Dringlichkeit vorliegen, wird hier (Absatz 2) angesichts der Geschwindigkeit moderner Kommunikationsmittel und der Erwünschtheit freiwilliger Vereinbarungen darauf verzichtet.
Artikel 8
Diese Bestimmung übernimmt die in Absatz 2 Buchstabe b) des Beschlusses genannten Voraussetzungen. Sie orientiert sich darüber hinaus an den Voraussetzungen, die normalerweise in Lizenzvereinbarungen anzutreffen sind.
Artikel 9
Darin wird ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen eine zuständige Behörde einen Antrag ablehnen kann.
Artikel 10
Absatz 2 Buchstabe c) des Beschlusses schreibt vor, dass das ausführende Mitglied dem TRIPS-Rat der WTO die Vergabe einer Lizenz meldet. Da die Kommission der übliche Gesprächspartner der WTO in Fragen der Gemeinsamen Handelspolitik ist, sollten derartige Meldungen auf dem Weg über die Kommission erfolgen.
Artikel 11 bis 13
Diese Artikel stützen sich auf entsprechende Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 953/2003 zur Vermeidung von Handelsumlenkungen.
Artikel 14
Die Lizenz wird entzogen, wenn (a) die Lizenzbedingungen nicht beachtet werden oder (b) die Voraussetzungen für die Lizenzerteilung nicht mehr gegeben sind (Artikel 31 Buchstabe g des TRIPS-Übereinkommens).
Artikel 15
Nach Artikel 31 Buchstabe i) und j) des TRIPS-Übereinkommens ist dafür zu sorgen, dass Entscheidungen rechtlich überprüft werden können.
Artikel 16
Da der Lizenznehmer nicht unbedingt über eine EU-Vermarktungszulassung für die Arzneimittel verfügt, die unter Zwangslizenz für die Ausfuhr hergestellt werden, sieht die Verordnung die Möglichkeit für Lizenznehmer vor, eine wissenschaftliche Stellungnahme der europäischen oder nationalen Regulierungsbehörden anzufordern, falls sie diese für die Ausfuhr in das betreffende Land benötigen. Ferner sind Ausnahmen von den Vorschriften über den Datenschutz und das Erlöschen vorgesehen.
Artikel 17
Eine überprüfung drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung ist vorgesehen.
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates
über Zwangslizenzen für Patente an der Herstellung von Arzneimitteln, die für die Ausfuhr in Länder mit Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit bestimmt sind
Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union -
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 95 und Artikel 133,
auf Vorschlag der Kommission1,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses², gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag³,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Am 14. November 2001 verabschiedete die 4. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) die Erklärung von Doha betreffend das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) und die öffentliche Gesundheit. In dieser Erklärung wird jedem WTO-Mitglied das Recht zugestanden, Zwangslizenzen zu erteilen und die Gründe zu bestimmen, nach denen derartige Lizenzen erteilt werden. Ferner wird darin anerkannt, dass WTO-Mitglieder, die über keine oder unzureichende Fertigungskapazitäten im Arzneimittelsektor verfügen, Schwierigkeiten haben könnten, die Zwangslizenzen wirksam zu nutzen.
(2) Am 30. August 2003 verabschiedete der Allgemeine Rat der WTO einen Beschluss (nachstehend "Beschluss" genannt) über die Durchführung von Ziffer 6 der Doha-Erklärung betreffend das TRIPS-Übereinkommen und die öffentliche Gesundheit. Unter bestimmten Voraussetzungen hebt der Beschluss bestimmte Verpflichtungen des TRIPS-Übereinkommens hinsichtlich der Vergabe von Zwangslizenzen auf, um den Bedürfnissen von WTO-Mitgliedern gerecht zu werden, die über unzureichende Fertigungskapazitäten verfügen.
(3) Die Gemeinschaft hat sich aktiv für die Verabschiedung des Beschlusses eingesetzt; sie hat sich gegenüber der WTO verpflichtet, in vollem Umfang zur Umsetzung des Beschlusses beizutragen; sie hat ferner alle WTO-Mitglieder aufgerufen, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, die für eine wirksame Anwendung des mit dem Beschluss eingeführten Systems erforderlich sind; aus diesen Gründen ist es unerlässlich, dass die Gemeinschaft dieses System in die ihre Rechtsordnung überführt.
(4) Es ist notwendig, den Beschluss einheitlich umzusetzen, damit die Voraussetzungen für die Gewährung von Zwangslizenzen für die Ausfuhr in allen Mitgliedstaaten gleich sind und keine Wettbewerbsverzerrungen für die Wirtschaftsteilnehmer im EU-Binnenmarkt entstehen. Mit einheitlichen Regeln soll auch verhindert werden, dass Arzneimittel, die gemäß dieser Verordnung hergestellt werden, wieder in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union eingeführt werden.
(5) Diese Verordnung soll Teil der umfassenderen europäischen und internationalen Bestrebungen sein, Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit, mit denen die am wenigsten entwickelten Länder und andere Entwicklungsländer konfrontiert sind, zu bekämpfen und vor allem den Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln zu verbessern.
(6) Da das mit dieser Verordnung geschaffene Zwangslizenzsystem darauf abstellt, Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu bekämpfen, sollte es redlich angewandt werden. Es sollte nicht primär zur Verfolgung andere Ziele genutzt werden, worunter insbesondere Ziele rein kommerzieller Art zu verstehen sind.
(7) Arzneimittel, die gemäß dieser Verordnung hergestellt werden, sollten zu denen gelangen, die sie brauchen, und nicht von denen abgelenkt werden, für die sie bestimmt sind. Zwangslizenzen, die gemäß dieser Verordnung erteilt werden, sollten daher an klare Voraussetzungen für den Lizenznehmer geknüpft werden; dies betrifft die mit der Lizenz abgedeckten Tätigkeiten, die Identifizierbarkeit der in Lizenz hergestellten Arzneimittel und die Länder, in die diese Arzneimittel ausgeführt werden.
(8) Es sollten Möglichkeiten für Zollmaßnahmen an den Außengrenzen geschaffen werden, damit gegen Arzneimittel vorgegangen werden kann, die unter einer Zwangslizenz für die Ausfuhr hergestellt und verkauft wurden, anschließend jedoch wieder in das Hoheitsgebiet der Gemeinschaft eingeführt werden sollen.
(9) Um der Überproduktion und der Umlenkung von Arzneimitteln keinen Vorschub zu leisten, sollten die zuständigen Behörden bereits erteilte Zwangslizenzen für dieselben Arzneimittel und Länder berücksichtigen, ferner Parallelanmeldungen, die vom Antragsteller angezeigt werden.
(10) Da der angestrebten Ziele, insbesondere die Einrichtung gleichförmiger Verfahren für die Gewährung von Zwangslizenzen, die für ein reibungsloses Funktionieren des durch die Entscheidung geschaffenen Systems erforderlich sind, wegen der Mehrzahl der den Mitgliedern der Welthandelsorganisation zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten von den Mitgliedstaaten selbst nicht, sondern, im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt, in zufrieden stellender Weise nur auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kann, kann die Gemeinschaft Maßnahmen treffen, die mit dem in Artikel 5 des Vertrages niedergelegten Subsidiaritätsprinzip in Einklang stehen. Mit Rücksicht auf das im selben Artikel niedergelegte Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung der genannten Zwecke Notwendige hinaus.
Haben folgende Verordnung erlassen:
Artikel 1
Diese Verordnung schafft ein Verfahren zur Vergabe von Zwangslizenzen für Patente und ergänzende Schutzzertifikate betreffend die Herstellung und den Verkauf von Arzneimitteln, die für die Ausfuhr in anspruchsberechtigte WTO-Mitgliedsländer bestimmt sind, die mit Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu kämpfen haben.
Die Mitgliedstaaten ordnen an, dass jeder Person, die einen Antrag gemäß Artikel 5 stellt und die Voraussetzungen von Artikel 5 bis 8 erfüllt, eine derartige Zwangslizenz erteilt wird.
Artikel 2
Im Rahmen dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:
(a) "Arzneimittel" ist jedes Erzeugnis des pharmazeutischen Sektors, einschließlich Arzneimitteln im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates1 sowie Wirkstoffe und Diagnosemittel.
(b) "Rechteinhaber" ist der Inhaber eines Patents oder eines ergänzenden Schutzzertifikats, für das nach dieser Verordnung eine Zwangslizenz beantragt wurde; bei mehreren Rechteinhabern ist der Begriff im Sinne dieser Verordnung im Plural zu verstehen.
(c) "Einführendes WTO-Mitgliedsland" ist das WTO-Mitgliedsland, in das das Arzneimittel ausgeführt werden soll.
Artikel 3
Für die Vergabe von Zwangslizenzen gemäß dieser Verordnung sind die mitgliedstaatlichen Behörden zuständig, die nach nationalem Patentrecht für die Vergabe von Zwangslizenzen zuständig sind, sofern der betreffende Mitgliedstaat nichts anderes bestimmt.
Die Mitgliedstaaten melden der Kommission, welche Behörde für die Durchführung dieser Verordnung zuständig ist.
Die Meldungen werden im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
Artikel 4
Anspruchsberechtigt sind folgende einführende WTO-Mitgliedsländer: (a) die am wenigsten entwickelten Mitgliedsländer der WTO;
(b) alle anderen WTO-Mitglieder, die dem Rat für TRIPS gemeldet haben, dass sie das System als Einführer zu nutzen beabsichtigen und gleichzeitig angegeben haben, ob sie das System uneingeschränkt oder eingeschränkt nutzen werden.
WTO-Mitglieder, die gegenüber der WTO erklärt haben, dass sie das System nicht in der Eigenschaft als einführendes WTO-Mitgliedsland nutzen werden, sind nicht anspruchsberechtigt.
Artikel 5
l. Jede Person kann einen Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz bei einer zuständigen Behörde des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten stellen, in dem (denen) Patente oder ergänzende Schutzrechte bestehen, die sich auf die von ihnen geplanten Tätigkeiten zur Herstellung und zum Verkauf zu Ausfuhrzwecken erstrecken.
2. Stellt der Antragsteller für dasselbe Arzneimittel in mehr als einem Mitgliedstaat einen Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz, muss er in jedem Antrag auf diese Tatsache hinweisen und die betreffenden Mengen und einführenden WTO-Mitgliedsländer im Einzelnen angeben.
3. Der Antrag gemäß Absatz 1 muss folgende Angaben enthalten:
(a) Name und Kontaktdaten des Antragstellers sowie etwaiger bevollmächtigter Vertreter;
(b) Bezeichnung der Arzneimittel, deren Herstellung und Verkauf zwecks Ausfuhr im Rahmen der Zwangslizenz geplant ist, sowie etwaige Zusatzinformationen, die die genaue Identifizierung der betreffenden Arzneimittel ermöglichen;
(c) Kennzeichnung der Patente und/oder der ergänzenden Schutzzertifikate, für die einer Zwangslizenz beantragt wird;
(d) Menge, die der Antragsteller im Rahmen der Zwangslizenz von dem Arzneimittel herzustellen gedenkt;
(e) Name des einführenden WTO-Mitgliedslandes oder der einführenden WTO-Mitgliedsländer;
(f) Belege für vorherige Verhandlungen mit dem Rechteinhaber gemäß Artikel 7;
(g) Belege für einen besonderen Antrag seitens bevollmächtigter Vertreter des einführenden WTO-Mitgliedslandes beim Antragsteller sowie die Menge des verlangten Arzneimittels.
4. Die zuständige Behörde kann zwecks effizienter Bearbeitung des Antrags weitere formale und verwaltungstechnische Auflagen machen.
Artikel 6
1. Die zuständige Behörde stellt sicher, dass jedes im Antrag aufgeführte einführende WTO-Mitgliedsland der WTO gemäß dem Beschluss des Allgemeinen Rates der WTO vom 30. August 2003 über die Durchführung von Ziffer 6 der Doha-Erklärung betreffend das TRIPS-Übereinkommen und die öffentliche Gesundheit (nachstehend "Beschluss" genannt) für jedes beantragte Arzneimittel Folgendes gemeldet hat:
(a) Namen und voraussichtliche Mengen der benötigten Arzneimittel;
(b) sofern es sich bei dem einführenden WTO-Mitgliedsland nicht um eines der am wenigsten entwickelten Länder handelt, eine Bestätigung der Feststellung des einführenden WTO-Mitgliedslandes, dass es entweder nicht über eigene Produktionskapazitäten im pharmazeutischen Sektor verfügt oder seine Produktionskapazitäten in diesem Sektor überprüft und dabei festgestellt hat, dass sie - abgesehen von etwaigen Kapazitäten im Eigentum oder unter der Kontrolle des Rechteinhabers - derzeit nicht ausreicht, um den eigenen Bedarf zu decken;
(c) sofern ein Arzneimittel im Hoheitsgebiet des einführenden WTO-Mitgliedslandes patentiert ist, eine Bestätigung, dass dieses WTO-Mitglied gemäß Artikel 31 des TRIPS-Übereinkommens und den Bestimmungen des Beschlusses eine Zwangslizenz für die Einfuhr des betreffenden Arzneimittels erteilt hat oder zu erteilen gedenkt.
2. Die zuständige Behörde stellt sicher, dass die im Antrag genannte Menge des Arzneimittels die Menge nicht übersteigt, die der WTO vom einführenden WTO-Mitgliedsland bzw. von den einführenden WTO-Mitgliedsländern gemeldet wurde, und dass unter Berücksichtigung anderer in der Gemeinschaft angeordneter Zwangslizenzen die Gesamtmenge des für ein einführendes WTO-Mitgliedsland genehmigten Arzneimittels die Menge nicht wesentlich überschreitet, die der WTO von diesem Mitglied gemeldet wurde.
Artikel 7
Der Antragsteller hat gegenüber der zuständigen Behörde glaubhaft zu belegen, dass er sich bemüht hat, die Zustimmung des Rechtsinhabers zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu erhalten, und dass diese Bemühungen innerhalb einer angemessenen Frist erfolglos geblieben sind.
Bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Frist ist zu berücksichtigen, ob das einführende WTO-Mitgliedsland einen nationalen Notstand erklärt oder sonstige Umstände von äußerster Dringlichkeit geltend gemacht hat.
Artikel 8
l. Die erteilte Lizenz ist nicht ausschließlich und nicht übertragbar. Sie beinhaltet die in den Absätzen 2 bis 8 vorgeschriebenen besonderen Bedingungen, die vom Lizenznehmer zu erfüllen sind:
2. Die Menge der patentierten Erzeugnisse, die unter der Lizenz hergestellt werden, darf nicht über das Maß hinausgehen, das zur Deckung des Bedarfs der im Antrag genannten einführenden WTO-Mitgliedsländer erforderlich ist.
3. Die Lizenz beschränkt sich streng auf das Herstellen des betreffenden Arzneimittels und den Verkauf zwecks Ausfuhr in die im Antrag genannten WTO-Mitgliedsländer. Kein Arzneimittel, das unter der Zwangslizenz hergestellt wurde, darf außerhalb des Hoheitsgebiets der im Antrag genannten WTO-Mitglieder zum Verkauf angeboten oder in den Verkehr gebracht werden.
4. Arzneimittel, die unter der Lizenz hergestellt werden, sind durch eine besondere Etikettierung oder Markierung klar als Arzneimittel zu kennzeichnen, die gemäß dieser Verordnung hergestellt wurden. Die Arzneimittel sind durch eine spezielle Verpackung von den Arzneimitteln zu unterscheiden, die vom Rechteinhaber hergestellt wurden. Auf der Verpackung und allen zugehörigen Unterlagen ist darauf hinzuweisen, dass das Arzneimittel Gegenstand einer Zwangslizenz im Rahmen dieser Verordnung ist; dabei sind der Name der zuständigen Behörde und die etwaige Kennnummer anzugeben, ferner ist klar verständlich darauf hinzuweisen, dass das Arzneimittel ausschließlich für die Ausfuhr in das und den Verkauf in dem Hoheitsgebiet der betreffenden einführenden WTO-Mitgliedsländer bestimmt ist. Ferner sollte dem Arzneimittel selbst eine besondere Farbe oder Form gegeben werden, es sei denn, der Antragsteller weist nach, dass eine unterschiedliche Farb oder Formgebung undurchführbar ist oder sich erheblich auf den Preis auswirkt.
5. Vor dem Versand an die im Antrag genannten einführenden WTO-Mitgliedsländer veröffentlicht der Lizenznehmer die folgende Angaben auf einer Website:
- (a) die im Rahmen der Lizenz zu liefernden Mengen und die zu beliefernden WTO-Mitglieder;
- (b) die Unterscheidungsmerkmale der betreffenden Arzneimittel. Die Adresse der Website ist der zuständigen Behörde anzuzeigen.
6. Unterliegen die von der Zwangslizenz betroffenen Arzneimittel dem Patentschutz in den im Antrag genannten einführenden WTO-Mitgliedsländern, dürfen die Arzneimittel nur unter der Voraussetzung ausgeführt werden, dass diese Länder eine Zwangslizenz für die Einfuhr und den Verkauf der Arzneimittel erteilt haben.
7. Der Lizenznehmer führt vollständig und korrekt Buch über alle hergestellten Arzneimittelmengen und diesbezügliche Geschäfte. Auf Verlangen gewährt der Lizenznehmer einem unabhängigen Dritten, auf den sich die Parteien verständigt haben oder der ersatzweise von der zuständigen Behörde bestimmt wird, Zugang zu den Büchern und Aufzeichnungen, damit sich dieser davon überzeugen kann, dass die Lizenzbedingungen eingehalten wurden, insbesondere was die Endbestimmung der Arzneimittel betrifft.
8. Der Lizenznehmer muss die Ausfuhr des Arzneimittels mit einer Ausfuhrerklärung belegen, die von der betreffenden Zollbehörde bestätigt wurde, außerdem mit einer Bescheinigung einer Behörde des einführenden WTO-Mitgliedslandes über die Einfuhr oder das Inverkehrbringen; diese Bescheinigungen sind mindestens drei
Jahre aufzubewahren. Auf Verlangen sind diese Belege der zuständigen Behörde zu überlassen.
9. Der Lizenznehmer hat dem Rechteinhaber eine angemessene Entschädigung zu zahlen, die von der zuständigen Behörde festgesetzt wird, dabei berücksichtigt sie den wirtschaftlichen Wert der den betreffenden einführenden WTO-Mitgliedsländern im Rahmen der Lizenz zugestandenen Nutzung.
Artikel 9
Die zuständige Behörde lehnt einen Antrag ab, wenn eine der in Artikel 5 Absätze 3 und 4 sowie Artikel 6, 7 und 8 aufgeführte Voraussetzungen nicht erfüllt ist. Vor Ablehnung eines Antrags räumt die zuständige Behörde dem Antragsteller die Möglichkeit zur Stellungnahme und Richtigstellung ein.
Artikel 10
1. Wenn eine Zwangslizenz erteilt wurde, benachrichtigt die zuständige Behörde die Kommission von der Lizenzerteilung und den daran geknüpften Sonderbedingungen.
Die Benachrichtigung muss folgende Einzelheiten zu der Lizenz enthalten:
- (a) Name und Anschrift des Lizenznehmers;
- (b) die betroffenen Arzneimittel;
- (c) die zu liefernden Mengen;
- (d) die Länder, in die die Arzneimittel ausgeführt werden sollen;
- (e) die Dauer der Lizenzen;
- (f) die Adresse der in Artikel 8 Absatz 5 genannten Website.
2. Die Kommission übermittelt die in Absatz 1 erwähnten Informationen an den TRIPS-Rat.
Artikel 11
1. Arzneimittel, die Gegenstand einer Zwangslizenz gemäß dieser Verordnung sind, dürfen nicht zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, zur Wiederausfuhr, zur Überführung in ein Nichterhebungsverfahren oder zur Überführung in eine Freizone oder ein Freilager in die Gemeinschaft eingeführt werden.
2. Absatz 1 gilt nicht im Falle der Wiederausfuhr in das in der Anmeldung genannte und auf der Arzneimittelverpackung und den zugehörigen Unterlagen angegebene WTO-Mitgliedsland oder die Überführung in ein Versand- oder Zolllagerverfahren oder in eine Freizone oder ein Freilager zum Zwecke der Wiederausfuhr in das einführende WTO-Mitgliedsland.
Artikel 12
1. Besteht der begründete Verdacht, dass unter Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 versucht wird, Arzneimittel in die Gemeinschaft einzuführen, die Gegenstand einer Zwangslizenz gemäß dieser Verordnung sind, setzen die Zollbehörden die Freigabe der betreffenden Arzneimittel aus bzw. halten die betreffenden Arzneimittel so lange zurück, bis die zuständige nationale Behörde eine endgültige Entscheidung über die Beschaffenheit der Ware getroffen hat. Der Aussetzungs- bzw. Zurückhaltungszeitraum beträgt höchstens zehn Werktage, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die eine Verlängerung um weitere zehn Werktage rechtfertigen. Nach Ablauf dieses Zeitraums werden unter der Voraussetzung, dass alle Zollförmlichkeiten erledigt wurden, die Arzneimittel freigegeben.
2. Die zuständige nationale Behörde und der Hersteller oder Ausführer der betreffenden Arzneimittel werden unverzüglich über die Aussetzung der Freigabe oder die Zurückhaltung der Arzneimittel unterrichtet und erhalten alle diesbezüglich verfügbaren Informationen. Dabei ist den nationalen Vorschriften über den Schutz von personenbezogenen Daten, von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie Berufs- und Amtsgeheimnissen gebührend Rechnung zu tragen. Der Einführer und gegebenenfalls der Ausführer erhalten ausreichend Gelegenheit, der zuständigen nationalen Behörde die von ihnen als zweckdienlich erachteten Informationen über die Arzneimittel zu erteilen.
3. Die Kosten für die Aussetzung bzw. Zurückhaltung der Ware sind vom Einführer zu tragen. Sollte es nicht möglich sein, diese Kosten beim Einführer einzutreiben, können sie im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften von jeder anderen Person, die für den Versuch der illegalen Einfuhr verantwortlich ist, eingefordert werden.
4. Stellt die zuständige nationale Behörde fest, dass die von den Zollbehörden von der Freigabe ausgesetzten oder zurückgehaltenen Arzneimittel entgegen Artikel 11 Absatz 1 für die Einfuhr in die Gemeinschaft bestimmt sind, trifft sie die nötigen Vorkehrungen um sicherzustellen, dass diese Arzneimittel gemäß den nationalen Rechtsvorschriften beschlagnahmt und vernichtet werden. Die damit verbundenen Kosten sind vom Einführer zu tragen. Sollte es nicht möglich sein, diese Kosten beim Einführer einzutreiben, können sie im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften von jeder anderen Person, die für den Versuch der illegalen Einfuhr verantwortlich ist, eingefordert werden.
5. Stellt die zuständige nationale Behörde nach weiterer Kontrolle fest, dass die von den Zollbehörden von der Freigabe ausgesetzten oder zurückgehaltenen Arzneimittel nicht gegen Artikel 11 Absatz 1 verstoßen, ordnet die Zollbehörde die Freigabe der Arzneimittel an den Empfänger an, sofern alle Zollförmlichkeiten erledigt sind.
6. Die zuständige nationale Behörde unterrichtet die Kommission über alle Entscheidungen bezüglich der Beschlagnahme oder Vernichtung, die gemäß dieser Verordnung getroffen werden.
Artikel 13
Von Artikel 11 und 12 sind innerhalb der für Zollbefreiungen geltenden Grenzen Waren nicht gewerblicher Art ausgenommen, die im persönlichen Reisegepäck mitgeführt werden und für den persönlichen Gebrauch bestimmt sind.
Artikel 14
1. Vorbehaltlich des angemessenen Schutzes der legitimen Interessen des Lizenznehmers kann eine gemäß dieser Verordnung erteilte Zwangslizenz in folgenden Fällen durch Beschluss der zuständigen Behörde oder einer der Instanzen, auf die Artikel 16 Bezug nimmt, entzogen werden:
- (a) wenn die Lizenzbedingungen vom Lizenznehmer nicht beachtet werden;
- (b) wenn die Voraussetzungen, unter denen die Lizenz erteilt wurde, entfallen und wahrscheinlich nicht wieder gegeben sein werden.
Die zuständige Behörde ist befugt, von sich aus oder auf begründeten Antrag des Rechteinhabers oder des Lizenznehmers zu prüfen, ob einer dieser Fälle vorliegt.
2. Der Entzug einer gemäß dieser Verordnung erteilten Lizenz wird der Kommission mitgeteilt, die ihrerseits die WTO benachrichtigt.
3. Innerhalb einer angemessenen Frist nach Entzug der Lizenz sorgt der Lizenznehmer dafür, dass alle Arzneimittel, die sich in seinem Besitz, in seinem Gewahrsam, in seiner Verfügungsgewalt oder unter seiner Kontrolle befinden, zu seinen Lasten in bedürftige Länder umgeleitet werden, es sei denn, die zuständige Behörde erteilt nach Rücksprache mit dem Rechteinhaber andere Anordnungen.
Artikel 15
Widersprüche gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde sowie Streitigkeiten über die Einhaltung der Lizenzbedingungen werden vor der nach nationalem Recht zuständigen Instanz verhandelt.
Artikel 16
l. Betrifft der Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz ein gemäß Artikel 6 der Richtlinie 2001/83/EG zugelassenes Arzneimittel, finden Artikel 24 Absätze 4 und 5 sowie Artikel 14 Absätze 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates1 keine Anwendung.
Für die Zwecke dieses Absatzes und abweichend von Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse vorklinischer oder klinischer Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass das betreffende Arzneimittel ein Generikum eines Bezugsarzneimittels ist, das
gemäß Artikel 6 dieser Richtlinie oder Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 bereits zugelassen wurde bzw. zugelassen wird.
2. Betrifft der Antrag auf Erteilung einer Zwangslizenz ein Arzneimittel, für das der betreffende Antragsteller keine in der Gemeinschaft gültige Zulassung besitzt, kann er sich der wissenschaftlichen Begutachtung gemäß Artikel 58 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 oder eines vergleichbaren Verfahrens nach nationalem Recht bedienen.
3. Für die Zwecke der Begutachtung gemäß Absatz 2 und abweichend von Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie 2001/83/EG ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse vorklinischer oder klinischer Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass das betreffende Arzneimittel ein Generikum eines Bezugsarzneimittels ist, das gemäß Artikel 6 dieser Richtlinie oder Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 bereits zugelassen wurde bzw. zugelassen wird.
Artikel 17
Drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Verordnung legt die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Durchführung dieser Verordnung und deren Beitrag zur Umsetzung des mit dem Beschluss geschaffenen Systems vor.
Artikel 18
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Die Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Brüssel, den
Im Namen des Europäischen Parlaments
Der Präsident
Im Namen des Rates
Der Präsident