Der Bundesrat hat in seiner 952. Sitzung am 16. Dezember 2016 beschlossen, die aus der Anlage ersichtliche Entschließung zu fassen
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur "Konsultation der Europäischen Kommission zur Zwischenevaluierung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation "Horizont 2020" "
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die europäische Forschungs- und Innovationsförderung die Kooperation nationaler Forschungs- und Innovationssysteme stärkt und damit die Stellung Europas insgesamt auf diesem Gebiet weltweit festigt. Das Rahmenprogramm "Horizont 2020" ist das wichtigste Instrument auf europäischer Ebene zur Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums. Es ist erfolgreich gestartet, jedoch sind in verschiedenen Bereichen Anpassungen notwendig, die in einem künftigen Rahmenprogramm Niederschlag finden müssen.
- 2. Die extrem hohe Überzeichnung von "Horizont 2020" belegt nach Auffassung des Bundesrates die nicht ausreichende Finanzausstattung des Programms, die darüber hinaus durch die Umschichtung von Forschungsmitteln in der laufenden Programmperiode weiter verschlechtert worden ist. Er erwartet daher, dass das zukünftige Rahmenprogramm in angemessener Höhe finanziell untersetzt wird, um die zu hohe Ablehnungsquote sehr guter Förderanträge wesentlich zu verringern.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass keine weiteren Mittel aus "Horizont 2020" für die Aufstockung des Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) oder für Umschichtungen in andere Programme verwendet werden. Dies gilt auch für die geplante Neuauflage des EFSI nach 2018, da entgegen der Ankündigung der Kommission lediglich ein sehr geringer Anteil der EFSIMittel tatsächlich für Forschungs- und Entwicklungsprojekte eingesetzt wird.
- 4. Der Bundesrat beobachtet, dass Forschungsprojekte zunehmend über Kreditlinien, "Venture Capital" (Risikokapital) und andere Finanzierungsinstrumente kofinanziert werden. Dieser Weg steht den deutschen, staatlichen Hochschulen nur ganz bedingt offen. Er bittet daher die Bundesregierung, sich gegen Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich einzusetzen.
- 5. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zudem, sich für eine Flexibilisierung der Programmgestaltung einzusetzen, um auf aktuelle Problemstellungen wie zum Beispiel Migration und Immigration schnell reagieren zu können. Im Schwerpunkt "Gesellschaftliche Herausforderungen" sollten die politischen Prioritäten der "Europa-2020-Strategie" stärkere Berücksichtigung finden.
- 6. Er fordert die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die Finanzierung von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Grundlagenforschung weiter gestärkt wird und auch außerhalb des Europäischen Forschungsrates und der Förderlinie "Future and Emerging Technologies" (FET) zum Zuge kommt.
- 7. Ein wesentlicher Pfeiler der EU-Forschungsförderung ist die bewährte grenzüberschreitende Verbundforschung mit der Konzentration auf die angewandte Forschung. Zusätzlich wurden in "Horizont 2020" neue Förderinstrumente, wie das Kleine-undmittlere-Unternehmen (KMU)-Instrument geschaffen, das dazu beitragen soll, disruptive Innovationen schneller zur Marktreife zu bringen. Ein künftiges Rahmenprogramm für Forschung und Innovation muss einerseits die erfolgreiche anwendungsorientierte Verbundforschung adressieren und gezielt auf diese klassische Stärke der europäischen und außereuropäischen Zusammenarbeit setzen. Andererseits müssen die Anstrengungen mit Nachdruck fortgesetzt werden, gerade auch kleine und mittlere Unternehmen darin zu unterstützen, dass Innovationen schneller an den Markt kommen können.
- 8. Der Bundesrat bittet darauf hinzuwirken, dass bei Ausschreibungen in "Horizont 2020" zwischen technologieorientierter Grundlagenforschung und wirtschaftsnahen Innovationsthemen eine gute Balance bewahrt bleibt.
- 9. Der Bundesrat ist der Meinung, dass zur Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen die Entwicklung neuer technologischer Lösungen von großer Bedeutung ist. Er betont gleichzeitig, dass in diesem Zusammenhang Forschung und Entwicklung in den Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften unverzichtbar sind. Interdisziplinäre Ausschreibungen mit gezielter Ansprache der Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften sind daher verstärkt in "Horizont 2020" und einem Folgeprogramm notwendig, ebenso wie eigenständige Ausschreibungen für diese Forschungsbereiche.
- 10. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in "Horizont 2020" die Verfahren deutlich vereinfacht und beschleunigt hat. Er bittet die Bundesregierung, sich für die kontinuierliche Überprüfung des Prozesses zur weiteren Verbesserung hinsichtlich vereinfachter, rechtssicherer und transparenter Regelungen einzusetzen. Damit verbunden sind unter anderem auch die Vermeidung einer weiteren Fragmentierung des Rahmenprogramms sowie eine Eingrenzung der Diversität der Förderformen. In einem künftigen Rahmenprogramm müssen die Bemühungen zur Vereinfachung der Verfahren fortgesetzt werden.
- 11. Um die gesellschaftliche und politische Akzeptanz der EU-Forschungsförderung europaweit auch in Zukunft sicherzustellen, muss durch geeignete Maßnahmen die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den EU-13-Staaten an "Horizont 2020" und einem Nachfolgeprogramm signifikant erhöht werden.
- 12. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der von der Kommission geforderte synergetische Einsatz von EU-Strukturfondsmitteln und EU-Forschungsförderung in der praktischen Umsetzung nur schwer durchführbar ist. Er bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass rechtzeitig vor Beginn neuer Förderperioden die unterschiedlichen Förderinstrumente besser aufeinander abgestimmt werden.
- 13. Der von der Kommission vorgeschlagene "Europäische Innovationsrat" (European Innovation Council (EIC)) sollte die unter "Horizont 2020" existierenden Aktivitäten zur Förderung von Innovation strategisch bündeln und als Beratungsgremium für die Mitgliedstaaten, die Kommission und die Forschungsförderorganisationen bei der weiteren Programmgestaltung dienen. Hauptaufgabe des EIC sollte es sein, einen wirksamen Beitrag zur beschleunigten Umsetzung gerade auch von disruptiven Innovationen zu leisten und das Zusammenwirken von innovationsorientierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Gründerinnen und Gründern sowie Unternehmen zu ermöglichen. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang nachdrücklich darauf hin, dass zwischen dem "European Research Council" (ERC), der auf eine Stärkung der Grundlagenforschung abzielt, und dem EIC eine gute Kooperation bzw. eine ausgewogene Balance notwendig ist; eine Konkurrenz zwischen beiden Gremien wäre kontraproduktiv.
- 14. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine verteidigungsorientierte Forschung aufgrund ihrer besonderen Sensibilität und ihrer speziellen Erfordernisse und Zielsetzungen nicht in "Horizont 2020" oder ein Nachfolgeprogramm integriert werden sollte.
- 15. Er behält sich vor, zu einem späteren Zeitpunkt zur Zwischenevaluierung und zu den weiteren Entwicklungen zu einem Nachfolgeprogramm von "Horizont 2020" erneut Stellung zu nehmen.
- 16. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
Begründung:
Am 20. Oktober 2016 hat die Kommission eine öffentliche Konsultation zur Zwischenevaluation des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation "Horizont 2020" veröffentlicht. Aus diesem Anlass haben die Länder eine Positionsbestimmung erarbeitet, die in das nationale und europäische Meinungsbild einfließen soll.
Das Programm startete Anfang 2014 mit einer Laufzeit von sieben Jahren und einem anfänglichen Gesamtbudget von knapp 80 Milliarden Euro. Ziel ist es, durch Investitionen in Forschung und Innovation intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum in Europa zu fördern. Es ist das wichtigste Instrument auf europäischer Ebene zur Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums und fördert Aktivitäten entlang der gesamten Innovationskette von der Grundlagen- bzw. Pionierforschung über die anwendungsnahe Forschung bis zur Vorbereitung marktfähiger Produkte und Dienstleistungen. Als weltweit größtes Forschungs- und Innovationsprogramm ermöglicht "Horizont 2020" zusätzliche Kooperationen und einen Austausch über Ländergrenzen hinweg. Nationale Maßnahmen werden auf diese Weise wirkungsvoll mit europäischen Initiativen verknüpft.
Die Länder sind von der positiven Wirkung der europäischen Forschungs- und Innovationsförderung überzeugt. Die extrem hohe Überzeichnung belegt jedoch die nicht ausreichende generelle Finanzausstattung des Programms, die überdies durch die Umschichtung von Forschungsmitteln in der laufenden Programmperiode weiter verschlechtert worden ist. Die erste Bilanz ergibt, dass das Programm an verschiedenen Stellen verbesserungswürdig ist.
1. Programmbeteiligung und Überzeichnung
Das Antragsvolumen in "Horizont 2020" übersteigt bei weitem die verfügbaren Mittel. Dies hat unter anderem einen Rückgang der Bewilligungsquote (7. Forschungsrahmenprogramm circa 20 Prozent) auf circa 13 Prozent zur Folge. Diese geringen Erfolgsaussichten halten zahlreiche hoch qualifizierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen davon ab, sich am Programm zu beteiligen. Die Methode der Erarbeitung der Arbeitsprogramme zu "Horizont 2020" und die damit verbundene "Mittelbindung" engen die Möglichkeiten des Programms, auf aktuelle Problemstellungen schnell zu reagieren, ein. So werden beispielsweise unter dem Themenpunkt "Demographie" Bevölkerungsentwicklungen nachgezeichnet; das gravierende Problem der Migration und Immigration, mit dem Europa konfrontiert ist, kann dagegen damit nur unzureichend angegangen werden. Neben einer angemessenen Mittelausstattung - innerhalb der Haushaltsobergrenzen - ist daher eine zusätzliche Flexibilisierung der Programmgestaltung erforderlich. Der zweijährige Rhythmus der Arbeitsprogramme erlaubt es interessierten Akteuren, sich frühzeitig auf eine Antragstellung vorzubereiten, und sollte daher beibehalten werden.
2. Finanzielle Gestaltung von "Horizont 2020" und dem folgenden Rahmenprogramm
Der ERC, die Marie-Sklodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA) und die Investitionen in Europäische Großforschungsinfrastrukturen sind Erfolgsgaranten der europäischen Forschungsförderung. Der Programmbereich "Gesellschaftliche Herausforderungen" spiegelt die politischen Prioritäten der Europa-2020 Strategie wider und behandelt wichtige Problemstellungen, zu denen die Bürgerinnen und Bürger von Wissenschaft und Politik Lösungen erwarten. Die in diesem Programmbereich geförderte grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Verbundforschung ist daher ebenso auszubauen wie die Förderung der Grundlagenforschung.
Die Kommission tendiert in jüngster Zeit dazu, produktnahe angewandte Forschung anstelle von Fördermitteln durch Kreditlinien, Venture Capital und andere Finanzierungsinstrumente zu fördern. Eine solche kreditfinanzierte Forschungsförderung stellt einen schwerwiegenden Wettbewerbsnachteil für deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen dar, da diese in der Regel nicht berechtigt sind, Kredite aufzunehmen. Der Einsatz dieser neuen Finanzinstrumente ist daher äußerst kritisch zu sehen.
Die für Forschung und Innovation zur Verfügung stehenden Mittel müssen tatsächlich gezielt für diese Zwecke eingesetzt werden. Die von der Kommission vorgeschlagene Ausweitung und Verlängerung des EFSI über 2020 - also über die jetzige Förderperiode hinaus - wird derzeit abgelehnt. Der EFSI hat - entgegen allen anderweitigen Ankündigungen - keinen Nutzen für die deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen gebracht. Eine erneute Kürzung von "Horizont 2020" hätte hingegen signifikante negative Auswirkungen für Forschung und Innovation.
Bisher sind EFSI-Projekte mit einem Gesamtvolumen von 12,8 Milliarden Euro (aus der Pressemitteilung der Kommission vom 01.06.2016) genehmigt worden. Lediglich ein minimaler Anteil dieser Projekte sind reine Forschungs- und -Entwicklungs (F&E)-Vorhaben. Dies entspricht nicht den ursprünglichen Versprechen der Kommission, die aus "Horizont 2020" umgewidmeten Gelder auch in denselben Bereichen über EFSI zu reinvestieren.
Nicht nachgewiesen ist, ob die Hebelwirkung des EFSI-Fonds über die bereits in "Horizont 2020" vorhandenen Instrumente hinausgehen wird.
Zu dieser Unklarheit trägt auch die unzureichende Auswertung der möglichen Reinvestitionen in F&E durch die Kommission und die Europäische Investitionsbank (European Investment Bank (EIB)) bei. Hier muss mehr Transparenz geschaffen werden und eine verbesserte Ausweisung der gesamten F&EInvestitionen im Rahmen von EFSI erfolgen.
Im globalen Wettbewerb der Ideen und Ökonomien können die EU und ihre Mitgliedstaaten nur durch stärkere Investitionen in Wissenschaft, Forschung und Innovation bestehen. Jeder hier investierte Euro ist daher eine Investition in die Zukunft der EU. Die Budgetsteigerungen zwischen dem 6. Forschungsprogramm und dem 7. Forschungsprogramm bzw. zwischen dem 7. Forschungsprogramm und "Horizont 2020" lagen bei circa 30 bis 40 Prozent des jeweiligen Programmvolumens, wenn auch diese Steigerungsraten nicht reale Budgeterhöhungen waren, sondern vor allem durch die Eingliederungen externer Programmteile erzielt worden sind. Eine vergleichbare Budgetsteigerung wäre auch für die nächste Finanzierungsperiode von 2021 bis 2027 wünschenswert.
3. Grundlagenforschung
Der ERC hat sich - ebenso wie das Marie-Sklodowska-Curie-Programm - in den vergangenen zehn Jahren als weltweit anerkannter europäischer Leuchtturm für die Förderung exzellenter Grundlagen- und Pionierforschung etabliert. Die ERC-Förderung trägt zum europäischen Fundus an Grundlagenforschung bei, aus dem disruptive Innovationen entstehen können. Durch die Förderung einzelner Spitzenwissenschaftlerinnen und Spitzenwissenschaftler und deren Ideen ist der ERC ein wichtiger Standortvorteil im internationalen Wissenschaftswettbewerb und schafft somit einen unbestrittenen europäischen Mehrwert.
Der ERC ist integraler Teil der darüber hinaus wichtigen exzellenten Grundlagenforschung, die als erstes Glied der Wertschöpfungskette die Basis für Innovationen in Forschung und Industrie legt und damit für die Wettbewerbsfähigkeit Europas ausschlaggebend ist. Bahnbrechende Entdeckungen in der Grundlagenforschung sind nicht planbar und werden durch ein hohes Maß an Freiheit und einen weiten Horizont vorangetrieben.
Insbesondere die Hochschulen spielen bei der Grundlagenforschung eine übergeordnete Rolle und garantieren in vielen EU-Projekten den Nachschub an Ideen für neue Entwicklungen. Auch in Zukunft sollte die Exzellenz weiterhin das Hauptauswahlkriterium bei der Förderung bleiben.
Ein entsprechender Budgetzuwachs, um den zukünftigen Herausforderungen der Grundlagenforschung gerecht zu werden, sollte somit auch nach "Horizont 2020" verfolgt werden. Dass zumindest der ERC und das Marie-SklodowskaCurie-Programm von den Kürzungen, die für den EFSI erfolgt sind, ausgenommen wurden, ist ein positives Zeichen.
Insgesamt sollte auf eine ausgewogene Verteilung der Fördermittel zwischen Grundlagenforschung und wirtschaftsnahen Innovationen geachtet werden. Zusätzliche Ausschreibungen sollten die Grundlagenforschung auch außerhalb von ERC und FET fördern.
4. Gesellschaftliche Herausforderungen/Verbundprojekte (inklusive Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften (SWG))
Ein wesentlicher Pfeiler der EU-Forschungsförderung ist die bewährte grenzüberschreitende Verbundforschung mit Konzentration auf die angewandte Forschung. Ebenfalls wichtig und unverzichtbar sind die zusätzlich in "Horizont 2020" geschaffenen neuen Förderinstrumente wie das KMU-Instrument, das dazu beitragen soll, disruptive Innovationen schneller zur Marktreife zu bringen. Auch grenzüberschreitende Netzwerke aus Wissenschaft und Wirtschaft unter Beteiligung exzellent qualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benötigen Förderung mit geeigneten Instrumenten. Ein künftiges Rahmenprogramm für Forschung und Innovation muss daher das gesamte Spektrum abdecken: Es muss einerseits die erfolgreiche anwendungsorientierte Verbundforschung adressieren und gezielt auf diese klassische Stärke der europäischen und außereuropäischen Zusammenarbeit setzen. Andererseits müssen die Anstrengungen mit Nachdruck fortgesetzt werden, gerade auch kleine und mittlere Unternehmen darin zu unterstützen, dass Innovationen schneller an den Markt kommen können.
Die großen Herausforderungen der Zukunft können nicht allein mit einem hohen Grad der Technologieentwicklung bewältigt werden. Unverzichtbar sind hier ebenso die SWG. Dem muss die Forschungsförderung Rechnung tragen: Gleichberechtigte interdisziplinäre Ausschreibungen mit gezielter Ansprache von SWG, vor allem mit einem eigenständigen konzeptionellen Stellenwert von SWG, sind hier zielführend und wichtig. Die besonders hohen Überzeichnungsraten, gerade in der vorrangig an SWG adressierten6. Gesellschaftlichen Herausforderung "Europe in a changing world - inclusive, innovative and reflective societies" in der 3. Säule von "Horizont 2020", zeigen, dass hier den Interessen und auch Angeboten aus der Wissenschaft, einen Beitrag zu leisten, noch weniger als in den anderen Themenbereichen entsprochen werden konnte.
5. Vereinfachung, Rechtssicherheit und Förderformen
Die Neuerungen in den administrativen Bereichen sowohl in der Antragsphase als auch in der Projektdurchführung haben zum Ziel, die Verfahren deutlich zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Insbesondere die Einführung des "Participant Portals" hat den Arbeitsprozess teilweise erleichtert und durch die Automatisierung die Kommunikation deutlich optimiert.
Zu beanstanden ist allerdings, dass Anfragen an die Kommission nur schleppend beantwortet werden und dass noch nicht alle EU-Programme über dieses Instrument abgewickelt werden können. Die einfache Übernahme der im "Participant Portal" eingegebenen Informationen aus der Antragstellung für den Vertragsabschluss ist nicht möglich. Dies führt zu unproduktiver Doppelarbeit. Die Benutzung des Portals ist nicht selbsterklärend und müsste vereinfacht werden. Eine weitere Optimierung der Verfahren und Abläufe ist erforderlich.
Zur Vermeidung des Aufwands bei der Antragstellung sollte das zweistufige Antragsverfahren vermehrt angewendet werden: Hier gilt es allerdings, die Antragsstellung in der ersten Phase verbindlich zu regeln (zum Beispiel durch Einreichung von Skizzen) und die Einhaltung der Bewilligungsquote von 33 Prozent in der zweiten Phase, wie sie die Kommission plant. Zudem sollte die Problematik abweichender Evaluierungen bei der 1. und 2. Stufe gelöst werden (zum Beispiel durch Einrichtung einer Clearingstelle). Allerdings kann das zweistufige Verfahren nicht allein das Ungleichgewicht zwischen dem Antragsvolumen und den bereitstehenden Mitteln ausgleichen.
Die Einführung der einheitlichen Förderquote und der Overheadpauschale sowie die Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer für Hochschulen bei der finanziellen Abwicklung von Projekten werden ausdrücklich begrüßt. Allerdings deckt die Pauschale von 25 Prozent bei den indirekten Kosten in der Regel nicht den für das Projekt erforderlichen Aufwand. Die Abrechnung der Infrastrukturkosten - interne Leistungsverrechnung - als direkte Kosten erfordert einen hohen administrativen Aufwand. Die Abschaffung des jährlichen Adjustments der Personalkosten stellt die Hochschulen vor große Probleme, da sich hieraus finanzielle Verluste ergeben, die zur Unrentabilität der Projekte beitragen.
Es besteht nach wie vor die Notwendigkeit, mit Beginn eines neuen Rahmenprogramms klare und umfassende Regelungen für die Abrechnung erstattungsfähiger Kosten festzulegen. Dieses gilt insbesondere für Personalkosten und interne Leistungsverrechnungen, um Systemfehler bei der Berechnung von Anfang an zu vermeiden. Hier muss dringend Rechtssicherheit für die teilnehmenden Forscherinnen und Forscher und deren Einrichtungen geschaffen werden.
Zu begrüßen ist insbesondere auch die einheitliche Förderquote pro Projekt, die den administrativen Aufwand verringert und eine Teilnahme am Rahmenprogramm vereinfacht. Gleichwohl werden hinsichtlich der Anzahl der Förderformen und Instrumente Optimierungsmöglichkeiten gesehen.
Durch die weitere Fragmentierung erhöht sich die Komplexität des Rahmenprogramms, was deutliche Auswirkungen auf die Beratungstätigkeit und die Antragstellung zur Folge hat. Bund und Länder haben darauf mit einem leistungsstarken Beratungsangebot reagiert. In der überwiegend erforderlichen und gewünschten Zusammenarbeit mehrerer Partner aus den Mitgliedstaaten und assoziierten Staaten ist die Diversität der Förderformen noch weiter einzugrenzen. Weitere Ausdifferenzierungen durch zusätzliche oder spezifische
Anpassungen bei bestimmten Förderformen sollten zugunsten einer konsequenten Anwendung der Beteiligungsregeln vermieden werden.
6. Ausweitung der Beteiligung (widening participation)
Der innerhalb der EU bestehende "innovation gap" ist eine politische Herausforderung, der sich die EU stellen muss. Um die gesellschaftliche und politische Akzeptanz der EU-Forschungsförderung auch in zukünftigen Finanzierungsperioden sicherzustellen, ist es von zentraler Bedeutung, die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den EU-13-Staaten an "Horizont 2020" und einem Nachfolgeprogramm signifikant zu erhöhen.
Die von der Kommission genutzten Instrumente haben dieses Ziel bisher nicht erreicht. Eine stärkere Beteiligung von EU-13-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist daher über neu zu entwickelnde innovative Beteiligungsmethoden zu gewährleisten. Hierbei können bestehende makroregionale Ansätze, Ideen und Strukturen, wie zum Beispiel in der EU-Ostseestrategie, im Sinne eines "Testlabors für den Europäischen Forschungsraum (EFR)" genutzt werden. Eine Ausweitung darf nicht durch Quotierungen, sondern sollte durch positive Anreizstrukturen erzielt werden. Am maßgeblichen Exzellenzkriterium innerhalb der EU-Forschungsförderung ist dabei festzuhalten.
7. Trends in "Horizont 2020" - EIC als neues Instrument
Der von der Kommission vorgeschlagene EIC soll als sogenannter "one stop shop" für den Bereich Innovation wirken und die unter "Horizont 2020" existierenden entsprechenden Aktivitäten zusammenführen. Der EIC soll in gleichem Maße Innovationen unterstützen wie der ERC die exzellente Wissenschaft. Aktuell ist allerdings noch unklar, wie ein solcher Rat aufgebaut wäre, welche Aufgaben er hätte und wie in Analogie zum Exzellenzansatz des ERC eine herausragende Innovationsförderung aussehen würde.
Der EIC sollte die unter "Horizont 2020" existierenden Aktivitäten zur Förderung von Innovation strategisch bündeln und die Mitgliedstaaten, die Kommission und die Forschungs- und Innovationsförderorganisationen in der weiteren Gestaltung der Programme beraten.
Hauptaufgabe des EIC sollte es sein, einen wirksamen Beitrag zur beschleunigten Umsetzung gerade auch von disruptiven Innovationen zu leisten und das Zusammenwirken von innovationsorientierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Gründerinnen und Gründern sowie Unternehmen zu ermöglichen und zu fördern. Unbedingt zu vermeiden ist eine Konkurrenz zwischen dem ERC, der auf eine Stärkung der Grundlagenforschung abzielt, und dem EIC; notwendig ist vielmehr eine gute Kooperation bzw. Balance zwischen beiden Gremien.
Beispiel Verbundforschung von kleineren und mittelgroßen Teams aus Wirtschaft und Wissenschaft: Sie stellt ein Bindeglied zwischen der Grundlagenforschung und der Innovationsentwicklung in bestehenden Unternehmen bzw. der Unternehmensgründung dar. Dieses unentbehrliche Instrument gilt es, im Rahmen von "Horizont 2020" wieder zu stärken.
Wie bereits festgestellt, ist die Ablösung von Zuschüssen durch Darlehen für die öffentlichen Forschungseinrichtungen abzulehnen. Der EIC kann daher nicht als Finanzierungsinstrument, sondern bestenfalls als Plattform wirken, die dazu beiträgt, Innovationslücken zu füllen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass dem EIC die notwendige Expertise zur Verfügung steht.
8. Synergien zwischen Strukturfonds und "Horizont 2020"
In immer mehr Ausschreibungen wird der Einsatz von EU-Strukturfondsmitteln gefordert. Die Forderung nach synergetischen Effekten zwischen "Horizont 2020" - Vorhaben und Vorhaben der EU-Strukturfonds ist jedoch in der praktischen Umsetzung nur schwer durchführbar. Es bedarf einer besseren Abstimmung der beiden sehr unterschiedlichen Förderinstrumente aufeinander. Zudem wäre mehr Vorlauf hilfreich gewesen, um es den Ländern zu erlauben, mit ihren Programmen rechtzeitig auf die neuen Anforderungen zu reagieren.