Der Niedersächsische Ministerpräsident Hannover, 5. Februar 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landes regierungen von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates: Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen zur Verbesserung des Tierschutzes für Schlachttiere zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 974. Sitzung des Bundesrates am 15. Februar 2019 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Weil
Entschließung des Bundesrates
Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen zur Verbesserung des Tierschutzes für Schlachttiere
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass es neben den rechtlichen Vorgaben Wirtschafts- und behördenseitig bereits in der Vergangenheit vielfältige Initiativen gab, um den Tierschutz im Schlachtprozess zu verbessern.
- 2. Ungeachtet dessen hält es der Bundesrat für erforderlich, dass der Tierschutz in Schlachthöfen konsequent weiter zu stärken ist und einer kontinuierlichen Verbesserung bedarf. Hierbei kann der Einsatz moderner Technik im Schlachthof einen wertvollen Beitrag leisten.
- 3. Entsprechend geht der Bundesrat davon aus, dass die Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen in Schlachthöfen ein weiterer Baustein zur Verbesserung des Tierschutzes für Schlachttiere sein kann.
- 4. Der Bundesrat befürwortet daher die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Einführung eines standardisierten kameragestützten Überwachungssystems in besonders tierschutzrelevanten Bereichen im Schlachthof, das auch für amtliche Überwachungszwecke zur Verfügung steht.
- 5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung im Sinne der Weiterentwicklung des Tierschutzrechts auf, baldmöglichst einen entsprechenden Gesetzentwurf mit dem Ziel der rechtlichen Verpflichtung eines Schlachthofbetreibers zur Einführung eines standardisierten kameragestützten Überwachungssystems vorzulegen. In diesem Bereich bestehende Regelungsspielräume des europäischen und nationalen Rechts sollen im Sinne des Tierschutzes ausgeschöpft werden. Insbesondere ist der Einklang mit dem europäischen und nationalen Datenschutzrecht sicherzustellen. Dabei sind die Rechte der von den Überwachungssystemen betroffenen Personen, insbesondere der in den Schlachthöfen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im erforderlichen Maße zu berücksichtigen.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung bei der Erstellung des Gesetzentwurfs alle geeigneten technischen Lösungen wie z.B. 3-D-Visualisierung oder die Nutzung automatisierter Auswertungen mit Künstlicher Intelligenz in Betracht zu ziehen. Die kameragestützte Überwachung sollte auch dem uneingeschränkten Zugriff der amtlichen Überwachung unterliegen und die für den Tierschutz relevanten Bereiche erfassen. Die Dauer der Aufzeichnung ist auf den erforderlichen Umfang zu beschränken.
- 7. Soweit Vorgaben des EU-Rechts den Einsatz kameragestützter Überwachungssysteme nicht oder nicht in allen vorgenannten Bereichen erlauben, fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich bei der EU-Kommission für eine entsprechende Überarbeitung des EU-Rechts bzw. die Ausweitung nationaler Regelungsspielräume einzusetzen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Nach dem in § 1 des Tierschutzgesetzes verankerten Grundsatz ist das Tier als Mitgeschöpf anerkannt. Aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf ist dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Die Mitgeschöpflichkeit der Tiere gibt dem Menschen eine entsprechende Verantwortung gegenüber dem Tier auf. In diesem Rahmen gestattet die Rechtsordnung, dass ein Tier auch als Nahrung Verwendung finden kann. Die Schlachtung eines Tieres zur Nahrungsgewinnung unterliegt dabei insbesondere auch aus tierschutzrechtlicher Sicht strengen rechtlichen Vorgaben, die es unbedingt einzuhalten gilt.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer steigenden Sensibilisierung der Bevölkerung, die den Schlachtprozess aus tierschutzrechtlicher Sicht kritisch hinterfragt, gab es in Zusammenhang mit der Schlachtung bereits in der Vergangenheit vielfältige Initiativen, um den Tierschutz in diesem Bereich weiter zu stärken. So werden beispielsweise im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung des Tierschutzes im Schlachthof unter wissenschaftlicher Begleitung moderne technische Verfahren entwickelt, Leitfäden erstellt und fortgeschrieben sowie Personal der Schlachthöfe und amtliches Überwachungspersonal geschult.
Ungeachtet dessen gilt es, den Tierschutz in Schlachthöfen weiter zu stärken. Die Entwicklung des Tierschutzes ist insbesondere auch in diesem Bereich konsequent, auch unter Einbeziehung moderner Technik, wie z.B. 3 D-Visualisierung, Nutzung automatisierter Auswertungen mit Künstlicher Intelligenz (KI), voranzubringen. Vor diesem Hintergrund kann die Einführung von kameragestützten Überwachungssystemen, die auch für amtliche Überwachungszwecke zur Verfügung stehen, einen Beitrag zu mehr Tierschutz im Schlachthof leisten.
Die rechtlich verpflichtende Einführung eines standardisierten kameragestützten Überwachungssystems ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die besonders tierschutzrelevanten Bereiche eines Schlachthofes (Entladung, Zutrieb, Betäubung und Entblutung) zu beschränken. Die Verpflichtung zur Installation der Kameraanlage sollte dem Schlachthofbetreiber obliegen, der die Aufnahmen dem amtlichen Kontrollpersonal auf Anforderung für Überwachungszwecke zur Verfügung zu stellen hat. Die Dauer der Aufzeichnungen ist gesetzlich auf den erforderlichen Umfang zu beschränken. Regelungsspielräume, die das europäische und das nationale Recht einräumen, sollen im Sinne der Weiterentwicklung des Tierschutzes in Schlachthöfen vom Gesetzgeber genutzt werden, wobei insbesondere auch europäisches und nationales Datenschutzrecht zu beachten ist.
Aus der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung könnten sich Grenzen für die nationalen Regulierungsbefugnisse ergeben. Insbesondere könnte der Bundesgesetzgeber aktuell auf Maßnahmen auf wissenschaftlicher Grundlage im Bereich der Betäubung begrenzt sein (siehe Artikel 26 Absatz 3 der vorgenannten Verordnung). Sollte diese rechtliche Begrenzung bestehen, wird die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine entsprechende Überarbeitung des EU-Rechts bzw. die Schaffung weitergehender nationaler Handlungsspielräume einzusetzen.