Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 23. Januar 2009 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).
Das Europäische Parlament wird an den Beratungen beteiligt.
Hinweis: vgl.
Drucksache 319/08 (PDF) = AE-Nr. 080078.
Auf Verlangen des Beauftragten (Bayern) in der Expertengruppe des Rates "Strafrechtliche Zusammenarbeit" (Justiz) vom 18. Februar 2009 erscheint die Vorlage als Drucksache des Bundesrates.
Vorschlag für einen Rahmenbeschluss 2009/.../JI des Rates vom zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren
Der Rat der europäischen Union - gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 31 Absatz 1 Buchstaben c und d und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b, auf Initiative der Tschechischen Republik, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und des Königreichs Schweden, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments1, in Erwägung nachstehender Gründe:
- (1) Die Europäische Union hat sich die Erhaltung und Weiterentwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt.
- (2) Gemäß dem vom Europäischen Rat auf seiner Tagung vom 4. und 5. November 2004 angenommenen Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union1 sollte im Hinblick auf eine effizientere Strafverfolgung bei gleichzeitiger Gewährleistung einer adäquaten Rechtspflege den Möglichkeiten der Konzentration der Strafverfolgung in grenzüberschreitenden multilateralen Fällen in einem Mitgliedstaat besondere Aufmerksamkeit gelten und zusätzlichen Vorschlägen in diesem Zusammenhang weitere Beachtung geschenkt werden, unter anderem auch Kompetenzkonflikten, damit das umfassende Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen abgeschlossen wird.
- (3) Die in diesem Rahmenbeschluss vorgesehenen Maßnahmen sollten insbesondere darauf abzielen, Kompetenzkonflikte zu verhindern und zu lösen, zu gewährleisten, dass der Staat, in dem das Verfahren durchgeführt wird, der für die Durchführung des Verfahrens am besten geeignete Staat ist, und die Bestimmung des zuständigen Strafgerichts in Fällen, in denen zwei oder mehrere Mitgliedstaaten für die Verfolgung der Tat zuständig sind, transparenter und objektiver machen.
- (4) In Fällen, in denen mehrere Mitgliedstaaten für die Verfolgung einer Tat zuständig sind und ein Kompetenzkonflikt entstehen könnte, kann nicht gewährleistet werden, dass der für die Durchführung des Strafverfahrens gewählte Mitgliedstaat jeweils der am besten geeignete Staat ist oder dass er - unter Würdigung der jeweiligen besonderen Umstände eines Falles und der Merkmale jedes der etwaig zuständigen Gerichtsstände - auf transparente oder objektive Weise ausgewählt wird. In einem gemeinsamen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist es erforderlich, Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass den nationalen Behörden frühzeitig Taten zur Kenntnis gebracht werden, bezüglich deren ein Kompetenzkonflikt entstehen könnte, und dass Einigung darüber erzielt wird, das Strafverfahren wegen einer derartigen Tat unter Würdigung gemeinsamer und objektiver Kriterien und unter Wahrung der Transparenz so weit wie möglich an einem einzigen Gerichtsstand durchzuführen.
- (5) Dieser Rahmenbeschluss sollte grundsätzlich in zwei Fällen Anwendung finden. Erstens wird damit in Fällen, in denen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ein Strafverfahren wegen einer spezifischen Tat durchführen und in Erfahrung bringen müssen, ob in anderen Mitgliedstaaten ein Verfahren wegen derselben Tat läuft, ein Verfahren für den Informationsaustausch eingeführt. Zweitens gilt er in Fällen, in denen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ein Strafverfahren wegen einer spezifischen Tat führen und auf anderem Wege als durch das Unterrichtungsverfahren Kenntnis davon erlangen, dass die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten bereits ein Strafverfahren wegen derselben Tat durchführen. In derartigen Fällen sollte das Unterrichtungsverfahren keine Anwendung finden und die betreffenden Staaten sollten direkte Konsultationen miteinander aufnehmen.
- (6) Dieser Rahmenbeschluss soll nicht zur Lösung negativer Kompetenzkonflikte dienen, d.h. von Fällen, in denen kein Mitgliedstaat seine Zuständigkeit für die begangene Straftat begründet hat. Der Fall, in dem ein Mitgliedstaat seine Zuständigkeit zwar begründet hat, jedoch nicht bereit ist, diese auszuüben, sollte für die Zwecke dieses Rahmenbeschlusses als spezifische Kategorie eines positiven Kompetenzkonflikts betrachtet werden.
- (7) Keiner der betroffenen Mitgliedstaaten sollte gehalten sein, die Zuständigkeit abzutreten oder zu übernehmen, es sei denn, er wünscht dies. Kommt es nicht zu einer Einigung, so sollten die Mitgliedstaaten das Recht behalten, ein Strafverfahren in Bezug auf alle Straftaten einzuleiten, für deren Verfolgung sie nach ihrem innerstaatlichem Recht zuständig sind.
- (8) Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht das im innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten geregelte Legalitätsprinzip und Opportunitätsprinzip. Da das zentrale Ziel dieses Rahmenbeschlusses darin besteht, unnötige parallele Strafverfahren zu vermeiden, sollte seine Anwendung jedoch nicht zu Kompetenzkonflikten führen, die anderenfalls nicht entstanden wären.
- (9) Dieser Rahmenbeschluss lässt das im Schengener Durchführungsübereinkommens1 und durch die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften anerkannte Verbot der Doppelbestrafung (Grundsatz "Ne bis in idem") unberührt und zielt nicht darauf ab, diesen Grundsatz - und sei es auch nur indirekt - zu regeln.
- (10) Dieser Rahmenbeschluss lässt Verfahren im Rahmen des am 15. Mai 1972 in Straßburg unterzeichneten Europäischen Übereinkommens über die Übertragung der Strafverfolgung sowie andere Regelungen zur Übertragung der Strafverfolgung zwischen den Mitgliedstaaten unberührt.
- (11) Ist der Beschuldigte Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats oder hat er seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat, so sollte dies an sich nicht ohne weiteres als eine maßgebliche Verbindung angesehen werden.
- (12) Bei der Beschreibung der Tat, die Gegenstand des Strafverfahrens ist, sollte die unterrichtende Behörde in der Mitteilung insbesondere genau angeben, wo, wann und wie die Straftat verübt wurde, sowie detaillierte Informationen zu dem Verdächtigen oder dem Beschuldigten geben, damit die antwortende Behörde feststellt, ob ein Strafverfahren wegen derselben Tat in ihrem Mitgliedstaat geführt wird.
- (13) Jeder betroffene Mitgliedstaat kann anhand jedes beliebigen Kommunikationsmittels direkte Konsultationen aufnehmen.
- (14) Dieser Rahmenbeschluss schreibt verbindlich vor, wann die betreffenden Behörden direkte Konsultationen miteinander aufnehmen müssen. Die Behörden sollten jedoch nicht daran gehindert sein, freiwillig direkte Konsultationen miteinander aufzunehmen, um sich in anderen Fällen auf den für die Durchführung des Strafverfahrens am besten geeigneten Staat zu einigen.
- (15) Wenn die zuständigen Behörden Kenntnis davon erhalten, dass die Tat, die Gegenstand eines laufenden oder bevorstehenden Strafverfahrens in einem Mitgliedstaat ist, in einem anderen Mitgliedstaat Gegenstand eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war, so sollte dazu angeregt werden, daraufhin Informationen auszutauschen. Mit diesem Informationsaustausch sollte bezweckt werden, dass den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde, Informationen und Beweismittel zur Verfügung gestellt werden, die ihnen die etwaige Wiederaufnahme des Verfahrens im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht ermöglichen würden.
- (16) Dieser Rahmenbeschluss sollte keinen unangemessenen Verwaltungsaufwand in Fällen verursachen, in denen geeignetere Alternativen für die Lösung der behandelten Fragen ohne weiteres zur Verfügung stehen. So sollten in Fällen, in denen flexiblere Instrumente oder Regelungen zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, diese diesem Rahmenbeschluss Vorrang vorgehen.
- (17) Dieser Rahmenbeschluss sollte den Beschluss 2008/.../JI des Rates vom zur Stärkung von Eurojust und zur Änderung des Beschlusses 2002/187/J11* ergänzen und ihn unberührt lassen und er sollte die im Rahmen von Eurojust bereits bestehenden Mechanismen nutzen.
- (18) Für den Schutz der in Anwendung des vorliegenden Rahmenbeschlusses übermittelten personenbezogenen Daten sollte der Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden1, gelten.
- (19) Dieser Rahmenbeschluss achtet die Grundrechte und wahrt die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze, die auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zum Ausdruck kommen -
Hat folgenden Rahmenbeschluss angenommen:
Kapitel 1
Allgemeine Grundsätze
Artikel 1
Gegenstand und Anwendungsbereich
- (1) Dieser Rahmenbeschluss legt Folgendes fest:
- a) den Verfahrensrahmen, innerhalb dessen die nationalen Behörden Informationen über laufende Strafverfahren wegen einer spezifischen Tat austauschen, um festzustellen, ob in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten parallele Verfahren wegen derselben Tat durchgeführt werden, und innerhalb dessen ihre nationalen Behörden direkte Konsultationen miteinander aufnehmen, um eine Einigung über den für die Durchführung des Strafverfahrens wegen einer spezifischen Tat, für deren Verfolgung zwei oder mehrere Mitgliedstaaten zuständig sind, am besten geeigneten Staat herbeizuführen;
- b) die Regeln und gemeinsamen Kriterien, die die nationalen Behörden zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten berücksichtigen müssen, wenn sie sich über das für die Durchführung des Strafverfahrens wegen einer spezifischen Tat am besten geeigneten Staat einigen wollen.
- (2) Dieser Rahmenbeschluss findet Anwendung,
- a) wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ein Strafverfahren durchführen und feststellen, dass eine Tat, die Gegenstand dieses Strafverfahrens ist, eine maßgebliche Verbindung zu einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aufweist, und es möglich ist, dass die zuständigen Behörden dieser anderen Mitgliedstaaten ein Strafverfahren wegen derselben Tat durchführen, oder
- b) wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ein Strafverfahren durchführen und gleich auf welchem Wege Kenntnis darüber erlangen, dass die zuständigen Behörden eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten ein Strafverfahren wegen derselben Tat durchführen.
- (3) Dieser Rahmenbeschluss gilt nicht in Fällen, in denen kein Mitgliedstaat seine Zuständigkeit für die begangene Straftat begründet hat.
- (4) Dieser Rahmenbeschluss gilt nicht für Verfahren, die gegen Unternehmen angestrengt werden, wenn diese Verfahren die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Europäischen Gemeinschaft zum Gegenstand haben.
- (5) Durch diesen Rahmenbeschluss entstehen niemandem Rechte, die gegenüber den nationalen Behörden geltend gemacht werden könnten.
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
- Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses bezeichnet der Ausdruck
- a) "unterrichtender Staat" den Mitgliedstaat, dessen zuständige Behörden die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats unterrichten oder die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats um Aufnahme direkter Konsultationen ersuchen;
- b) "antwortender Staat" den Mitgliedstaat, dessen zuständige Behörden von den zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats unterrichtet werden oder um Aufnahme direkter Konsultationen ersucht werden;
- c) "laufendes Verfahren" das von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats nach innerstaatlichem Recht durchgeführte Strafverfahren, einschließlich des Ermittlungsverfahrens, wegen einer spezifischen Tat;
- d) "unterrichtende Behörde" die nach innerstaatlichem Recht benannte Behörde, die zur Aufgabe hat, die Behörden eines anderen Mitgliedstaats über das Bestehen eines laufenden Verfahrens wegen einer Straftat zu unterrichten, die Antworten auf die entsprechenden Mitteilungen entgegenzunehmen und mit der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats die Frage des für die Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer spezifischen Tat, für deren Verfolgung die betreffenden Mitgliedstaaten zuständig sind, am besten geeigneten Staates zu erörtern und diesbezüglich eine Einigung zu erzielen;
- e) "antwortende Behörde" die nach innerstaatlichem Recht benannte Behörde, die zur Aufgabe hat, Mitteilungen über das Bestehen eines in einem anderen Mitgliedstaat laufenden Verfahrens wegen einer Straftat entgegenzunehmen und darauf zu antworten und Konsultationen mit der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaats über die Frage des für die Durchführung des Strafverfahrens wegen einer spezifischen Tat, für deren Verfolgung die betreffenden Mitgliedstaaten zuständig sind, am besten geeigneten Staates zu erörtern und diesbezüglich eine Einigung zu erzielen;
Artikel 3
Bestimmung der unterrichtenden und der antwortenden Behörden
- (1) Jeder Mitgliedstaat teilt dem Generalsekretariat des Rates mit, welche Behörde von ihm jeweils als unterrichtende Behörde und als antwortende Behörde benannt worden ist. Es steht jedem Mitgliedstaat frei, eine einzige Behörde zu benennen, die sowohl die Aufgaben der unterrichtenden als auch der antwortenden Behörde wahrnimmt.
- (2) Das Generalsekretariat des Rates stellt die erhaltenen Angaben allen Mitgliedstaaten und der Kommission zur Verfügung und veröffentlicht sie im Amtsblatt der Europäischen Union.
Artikel 4
Möglichkeit zur Übertragung der Aufgaben einer benannten Behörde auf eine andere nationale Behörde
- (1) In jeder Phase des in diesem Rahmenbeschluss vorgesehenen Verfahrens kann die unterrichtende oder die antwortende Behörde beschließen, die von ihr als benannte Behörde im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 wahrgenommenen Aufgaben einer anderen nationalen Behörde, beispielsweise einer nach innerstaatlichem Recht für die Durchführung von Strafverfahren zuständigen Behörde, zu übertragen.
- (2) Ein Beschluss nach Absatz 1 wird unverzüglich der unterrichtenden oder der antwortenden Behörde des betreffenden Mitgliedstaats zusammen mit den Kontaktdaten der betrauten Behörde mitgeteilt.
- (3) Der Beschluss nach Absatz 1 wird mit Eingang der Mitteilung nach Absatz 2 wirksam.
Kapitel 2
Informationsaustausch
Artikel 5
Unterrichtung
- (1) Stellt eine nach innerstaatlichem Recht für die Durchführung von Strafverfahren zuständige Behörde eines Mitgliedstaats fest, dass die Tat, die Gegenstand eines laufenden Verfahrens ist, eine maßgebliche Verbindung zu einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aufweist, so unterrichtet die unterrichtende Behörde des erstgenannten Mitgliedstaats die antwortende(n) Behörde(n) des anderen Mitgliedstaats bzw. der anderen Mitgliedstaaten, zu denen die Tat eine maßgebliche Verbindung aufweist, so bald wie möglich über das Bestehen dieses Verfahrens, um in Erfahrung zu bringen, ob der oder die antwortenden Mitgliedstaaten ein Strafverfahren wegen derselben Tat führen.
- (2) Die Verpflichtung zur Unterrichtung nach Absatz 1 gilt nur für Straftaten, die im unterrichtenden Staat nach der Ausgestaltung in dessen Recht mit einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bedroht sind.
Artikel 6
Maßgebliche Verbindung
- (1) Eine Verbindung gilt immer dann als "maßgeblich", wenn die Handlung oder der wesentlicher Teil der Handlung, die die Straftat begründet, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begangen wurde.
- (2) Bei Verfahren mit einer anderen als der in Absatz 1 genannten Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat wird im Einzelfall unter Bezugnahme insbesondere auf die in Artikel 15 Absatz 2 aufgeführten gemeinsamen Kriterien entschieden, ob eine bestimmte Verbindung als maßgebliche Verbindung anzusehen ist.
Artikel 7
Verfahren für die Unterrichtung
- (1) Die unterrichtende Behörde unterrichtet die antwortende Behörde in einer Form, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, die dem antwortenden Staat die Feststellung der Echtheit der Mitteilung gestatten.
- (2) Ist die antwortende Behörde nicht bekannt, so versucht die unterrichtende Behörde, die Kontaktdaten der antwortenden Behörde vom antwortenden Staat mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln - auch über die Kontaktstellen des Europäischen Justiziellen Netzes oder über Eurojust -in Erfahrung zu bringen.
- (3) Handelt es sich bei der Behörde im antwortenden Staat, bei der die Mitteilung eingeht, nicht um die zuständige antwortende Behörde nach Artikel 3, so übermittelt sie die Mitteilung von Amts wegen der zuständigen Behörde und unterrichtet die unterrichtende Behörde entsprechend.
Artikel 8
Form und Inhalt der Unterrichtung
- (1) Die Unterrichtung enthält folgende Informationen:
- a) Kontaktdaten der nationalen Behörde(n), die mit dem Fall befasst ist/sind;
- b) eine Beschreibung der Tat, die Gegenstand des mitgeteilten laufenden Verfahrens ist, einschließlich der Art der maßgeblicher Verbindung;
- c) den Stand des laufenden Verfahrens; und
- d) nähere Angaben zu dem Verdächtigen und/oder Beschuldigten, soweit diese bekannt sind, und gegebenenfalls zu den Opfern;
- (2) Die Unterrichtung kann andere zusätzliche relevante Informationen zum laufenden Verfahren im unterrichtenden Staat beinhalten, beispielsweise ein Hinweis auf etwaige Schwierigkeiten, die sich im unterrichtenden Staat stellen.
- (3) Die unterrichtende Behörde verwendet das im Anhang enthaltene Formblatt A.
Artikel 9
Form und Inhalt der Antwort
- (1) Die Antwort enthält folgende Informationen:
- a) gegebenenfalls Kontaktdaten der nationalen Behörde oder Behörden, die mit dem Fall befasst sind bzw. waren;
- b) Angaben darüber, ob zu einigen oder allen Teilen der Tat, die Gegenstand der Unterrichtung ist, im antwortenden Staat ein Verfahren läuft, sowie über die erreichte Verfahrensphase;
- c) Angaben darüber, ob zu einigen oder allen Teilen der Tat, die Gegenstand der Unterrichtung ist, im antwortenden Staat ein Verfahren durchgeführt worden ist, unter anderem auch über die Art der rechtskräftigen Entscheidung in der betreffenden Sache;
- d) gegebenenfalls Angaben darüber, ob die Behörden des antwortenden Staates beabsichtigen, ein eigenes Strafverfahren wegen der spezifischen Tat, die Gegenstand der Unterrichtung ist, einzuleiten.
- (2) Die Antwort kann andere relevante zusätzliche Informationen enthalten, insbesondere in Bezug auf eine eigenständige, aber mit der betreffenden Tat im Zusammenhang stehende Tat, die Gegenstand eines Verfahrens im antwortenden Staat ist.
- (3) Zur Beantwortung einer Mitteilung verwendet die antwortende Behörde das im Anhang enthaltene Formblatt B.
Artikel 10
Fristen und zusätzliche Informationen
- (1) Die antwortende Behörde beantwortet eine Mitteilung binnen 15 Tagen nach deren Eingang.
- (2) Diese Frist kann erforderlichenfalls um einen weiteren Zeitraum von bis zu 15 Tagen verlängert werden. Die antwortende Behörde teilt eine solche Verlängerung jedoch binnen der Frist nach Absatz 1 mit.
- (3) Hält die antwortende Behörde die ihr von der unterrichtenden Behörde übermittelten Informationen für nicht ausreichend, um eine Beantwortung zu ermöglichen, so kann sie innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist um Übermittlung der erforderlichen zusätzlichen Informationen ersuchen und eine angemessene Frist für deren Eingang festlegen.
- (4) Nach Eingang dieser zusätzlichen Informationen gilt erneut die Frist nach Absatz 1.
Artikel 11
Nichtbeantwortung
- Antwortet die antwortende Behörde nicht innerhalb der in Artikel 10 vorgesehenen Fristen, so kann die unterrichtende Behörde alle ihr angemessen erscheinenden Maßnahmen ergreifen, um die Angelegenheit dem antwortenden Staat zur Kenntnis zu bringen, einschließlich durch eine entsprechende Mitteilung an Eurojust.
Kapitel 3
Direkte Konsultationen
Artikel 12
Direkte Konsultationen
- (1) Zum Zeitpunkt der Übermittlung der Antwort oder im Anschluss daran nehmen die unterrichtende und die antwortende Behörde direkte Konsultationen auf, um sich auf das für die Durchführung des Strafverfahrens wegen einer spezifischen Tat, für deren Verfolgung möglicherweise beide Mitgliedstaaten zuständig sind, am besten geeigneten Gericht zu einigen, wenn
- a) im antwortenden Staat ein Verfahren zu einigen oder allen Teilen der Tat, die Gegenstand der Unterrichtung ist, läuft; oder
- b) die Behörden des antwortenden Staates beabsichtigen, ein Strafverfahren zu einigen oder allen Teilen der Tat, die Gegenstand der Unterrichtung ist, einzuleiten;
- (2) Die nationalen Behörden nehmen direkte Konsultationen nach Absatz 1 miteinander auf, wenn die antwortenden Behörden von mehr als einem Mitgliedstaat eine Mitteilung in Bezug auf dasselbe laufende Verfahren erhalten. In diesem Fall ist die betreffende unterrichtende Behörde für die Koordinierung dieser Konsultationen zuständig.
- (3) In Ermangelung einer Unterrichtung nehmen zwei oder mehr Mitgliedstaaten über ihre jeweilige unterrichtende oder antwortende Behörde direkte Konsultationen miteinander auf, um sich über den für die Durchführung des Strafverfahrens am besten geeigneten Staat zu einigen, wenn sie auf irgendeinem Wege Kenntnis darüber erlangen, dass ein paralleles Strafverfahren wegen der spezifischen Tat läuft oder bevorsteht.
Artikel 13
Übermittlung von Informationen über wichtige Verfahrenshandlungen oder -maßnahmen
- Die unterrichtenden und die antwortenden Behörden, die direkte Konsultationen miteinander aufnehmen, unterrichten einander über alle wichtigen Verfahrensmaßnahmen, die sie nach Aufnahme der Konsultationen treffen.
Kapitel 4
Bestimmung des am besten geeigneten Staates
Artikel 14
Ziel der Konsultationen
- (1) Allgemeines Ziel der Konsultationen über den am besten geeigneten Staat ist es, eine Einigung darüber herbeizuführen, dass die zuständigen Behörden eines einzigen Mitgliedstaats das Strafverfahren in Bezug auf alle Teile der Tat, für deren Verfolgung zwei oder mehrere Mitgliedstaaten zuständig sind, führen sollen.
- (2) Läuft in einem Mitgliedstaat ein Verfahren wegen einer Tat, die mit der Tat, bezüglich der Konsultationen über den für die Durchführung des Strafverfahrens am besten geeigneten Staat geführt werden, einen Zusammenhang aufweist, aber nicht mit dieser identisch ist, oder ist es aus praktischen Gründen, insbesondere aufgrund der komplexen Sachverhalte oder der Anzahl der Beschuldigten, nicht möglich, das Strafverfahren in einem einzigen Mitgliedstaat zu führen, so kann es sich als zweckmäßiger erweisen, Strafverfahren in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten zu führen, die sich dann auf jeweils verschiedene Sachverhalte oder jeweils verschiedene Personen erstrecken.
Artikel 15
Kriterien zur Bestimmung des am besten geeigneten Staates
- (1) Es gilt die allgemeine Vermutung, dass für die Durchführung des Strafverfahrens der Mitgliedstaat zuständig ist, in dem die Straftat schwerpunktmäßig verübt wurde; dieses ist der Ort, an dem die Beteiligten den wesentlichen Teil der Tat begangen haben.
- (2) Findet die allgemeine Vermutung nach Absatz 1 keine Anwendung, weil es andere ausreichend wichtige Faktoren für die Durchführung des Strafverfahrens gibt, die nachdrücklich für die Zuständigkeit eines anderen Staates sprechen, so tragen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten diesen zusätzlichen Faktoren Rechnung, um zu einer Einigung über den für die Durchführung des Strafverfahrens am besten geeigneten Staat zu gelangen. Diese zusätzlichen Faktoren umfassen insbesondere folgende Faktoren:
- - Ort, an dem sich der Beschuldigte oder die Beschuldigten nach der Ergreifung befinden, und Möglichkeiten für ihre Überstellung oder Auslieferung an andere etwaig zuständige Staaten;
- - Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz der Beschuldigten;
- - Gebiet eines Staates, in dem der meiste Schaden entstanden ist;
- - erhebliche Interessen von Opfern;
- - erhebliche Interessen der Beschuldigten;
- - Ort, an dem sich wichtige Beweismittel befinden;
- - Schutz gefährdeter oder eingeschüchterter Zeugen, deren Aussage für das betreffende Verfahren wichtig ist;
- - Wohnort der wichtigsten Zeugen und ihre Fähigkeit, sich in den Mitgliedstaat zu begeben, in dem die Straftat schwerpunktmäßig verübt wurde;
- - erreichter Stand des Verfahrens wegen der betreffenden Tat;
- - Bestehen eines laufenden Verfahrens in demselben Zusammenhang;
- - Verfahrensökonomie.
Artikel 16
Zusammenarbeit mit Eurojust
- (1) Es steht den nationalen Behörden in jeder Phase eines innerstaatlichen Verfahrens frei,
- a) Eurojust zu konsultieren;
- b) zu beschließen, Eurojust mit spezifischen Fällen zu befassen, in denen sich die Frage des für die Durchführung des Strafverfahrens am besten geeigneten Staates stellt.
- (2) Konnte in Fällen, die in die Zuständigkeit von Eurojust fallen, keine Einigung über den für die Durchführung des Strafverfahrens wegen einer spezifischen Tat am besten geeigneten Mitgliedstaat erzielt werden, so befassen die beteiligten Mitgliedstaaten Eurojust mit der Nichteinigung sowie mit Fällen, in denen innerhalb von 10 Monaten nach Aufnahme der direkten Konsultationen keine Einigung erzielt wurde.
Artikel 17
Fälle, in denen keine Einigung erzielt wurde
- In den Ausnahmefällen, in denen
- a) selbst nach der Einschaltung von Eurojust nach Artikel 16 keine Einigung erzielt wurde, oder
- b) die direkten Konsultationen in Fällen, die nicht in die Zuständigkeit von Eurojust fallen, mit Feststellung der Nichteinigung endeten, oder in Fällen, in denen innerhalb von 6 Monaten nach Aufnahme der direkten Konsultationen keine Einigung erzielt wurde, teilen die Mitgliedstaaten Eurojust mit, weshalb keine Einigung zustande gekommen ist.
Kapitel 5
Verschiedenes
Artikel 18
Sonstiger Informationsaustausch
- (1) Erlangen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, gleich auf welchem Wege, Kenntnis darüber, dass die Tat, die in diesem Mitgliedstaat Gegenstand eines laufenden oder bevorstehenden Verfahrens ist, in einem anderen Mitgliedstaat Gegenstand eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war, so kann die unterrichtende Behörde des erstgenannten Mitgliedstaats die antwortende Behörde des anderen Mitgliedstaats darüber unterrichten und dieser alle sachdienlichen Informationen übermitteln.
- (2) Erhält die antwortende Behörde entweder anhand einer Mitteilung oder auf anderem Wege Kenntnis darüber, dass die Tat, die Gegenstand eines in diesem Mitgliedstaat rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war, in einem anderen Mitgliedstaat Gegenstand eines laufenden oder bevorstehenden Verfahrens ist oder Gegenstand eines laufenden Verfahrens war, so kann sie die Einholung zusätzlicher Informationen erwägen, die es ihr ermöglichen, die etwaige Wiederaufnahme des Verfahrens nach innerstaatlichem Recht gebührend zu prüfen.
Kapitel 6
Allgemeine und Schlussbestimmungen
Artikel 19
Sprachen
- Jeder Mitgliedstaat gibt in einer beim Generalsekretariat des Rates hinterlegten Erklärung an, in welchen Sprachen er die Mitteilung nach Artikel 5 entgegennimmt und in welchen Sprachen er diese beantwortet.
Artikel 20
Verhältnis zu Rechtsinstrumenten und anderen Vereinbarungen
- (1) Soweit andere Rechtsinstrumente oder Vereinbarungen die Ausweitung der Ziele dieses Rahmenbeschlusses gestatten oder zu einer Vereinfachung oder Erleichterung des Verfahrens beitragen, nach dem die nationalen Behörden Informationen über ihre laufenden Verfahren austauschen, direkte Konsultationen miteinander aufnehmen und eine Einigung über den für die Durchführung des Strafverfahrens wegen einer spezifischen Tat, für deren Verfolgung zwei oder mehrere Mitgliedstaaten zuständig sind, am besten geeigneten Staat zu erzielen versuchen, können die Mitgliedstaaten
- a) die bei Inkrafttreten dieses Rahmenbeschlusses geltenden bilateralen oder multilateralen Übereinkünfte oder Vereinbarungen weiterhin anwenden;
- b) nach Inkrafttreten dieses Rahmenbeschlusses bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte oder Vereinbarungen schließen.
- (2) Die in Absatz 1 genannten Übereinkünfte und Vereinbarungen dürfen auf keinen Fall die Beziehungen zu Mitgliedstaaten, die ihnen nicht angehören, beeinträchtigen.
- (3) Die Mitgliedstaaten unterrichten das Generalsekretariat des Rates und die Kommission binnen drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Rahmenbeschlusses über bestehende Übereinkünfte und Vereinbarungen nach Absatz 1 Buchstabe a, die sie weiterhin anwenden wollen.
Die Mitgliedstaaten unterrichten das Generalsekretariat des Rates und die Kommission ferner über alle neuen Übereinkünfte oder Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b binnen drei Monaten nach deren Unterzeichnung.
- (4) Dieser Rahmenbeschluss lässt den Beschluss 2008/.../JI* unberührt.
Artikel 21
Umsetzung
- Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um diesem Rahmenbeschluss bis zum ...* nachzukommen.
- Bis zu demselben Termin teilen die Mitgliedstaaten dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission den Wortlaut der Bestimmungen mit, mit denen sie die sich aus diesem Rahmenbeschluss ergebenden Verpflichtungen in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt haben.
Artikel 22
Bericht
- Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum ...* einen Bericht vor, in dem sie bewertet, inwieweit die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, um diesem Rahmenbeschluss nachzukommen; diesem Bericht werden, soweit erforderlich, Legislativvorschläge beigefügt.
Artikel 23
Inkrafttreten
- Dieser Rahmenbeschluss tritt am zwanzigsten Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Rates
Der Präsident
Addendum 1
Unterrichtung
über ein laufendes Strafverfahren gemäß Art. 8 (Formblatt A)
Unterrichtender Staat: |
Antwortender Staat: |
Antwortende Behörde: |
Unterrichtende Behörde (oder zuständige Behörde gemäß Art. 4) - Kontaktdaten: |
Bezeichnung: |
Anschrift: |
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Angaben zu dem (den) Ansprechpartner(n): |
Name: |
Funktion (Titel/Dienstgrad): |
Aktenzeichen: |
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Email (sofern vorhanden): |
Sprachen, in denen verkehrt werden kann:
Beschreibung des Sachverhalts, der Gegenstand des mitgeteilten laufenden Verfahrens ist: (einschließlich Tatzeit, Tatort und Hergang der mutmaßlichen Straftat):
Maßgebliche Verbindung / Gründe, die die unterrichtende Behörde zu der Auffassung veranlasst haben, dass in dem antwortenden Staat ein Verfahren anhängig sein könnte (bezieht sich die Verbindung auf einen bestimmten Ort in dem antwortenden Staat, diesen Ort bitte so genau wie möglich angeben):
Erreichte Verfahrensphase:
Ggf. Angaben zu dem (den) Verdächtigen:
Name: |
Staatsangehörigkeit: |
Geburtsdatum: |
Anschrift: |
Ggf. Angaben zu den Opfern:
Zusätzliche Informationen:
Unterschrift und amtlicher Stempel:
ANTWORT
auf die Unterrichtung gemäß Art. 9 (Formblatt B)
Antwortender Staat: |
Unterrichtender Staat: |
Unterrichtende Behörde: |
Antwort auf die Unterrichtung (Aktenzeichen): |
Antwortende Behörde (oder zuständige Behörde gemäß Art. 4) - Kontaktdaten:
Bezeichnung: |
Anschrift: |
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Angaben zu dem (den) Ansprechpartner(n): |
Name: |
Funktion (Titel/Dienstgrad): |
Aktenzeichen: |
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Email (sofern vorhanden): |
Sprachen, in denen verkehrt werden kann:
Ja, es ist ein Verfahren in dem antwortenden Staat anhängig
zu einigen oder allen Teilen des in der Unterrichtung beschriebenen Sachverhalts, die die gleiche Person betreffen
Name: |
Staatsangehörigkeit: |
Geburtsdatum: |
Anschrift: |
zu einigen oder allen Teilen des in der Unterrichtung beschriebenen Sachverhalts
zu einem Sachverhalt, der mit dem in der Unterrichtung beschriebenen in Zusammenhang steht
Erreichte Verfahrensphase:
Ja, zu einigen oder allen Teilen des Sachverhalts, der Gegenstand der Unterrichtung ist, wurde im antwortenden Staat ein Verfahren durchgeführt
Art der rechtskräftigen Entscheidung:
Nein, es ist kein Strafverfahren zu dem in der Unterrichtung beschriebenen Sachverhalt anhängig
Nein, es ist kein Strafverfahren zu einigen oder allen Teilen des Sachverhalts anhängig, die zuständigen Behörden des antwortenden Staates beabsichtigen jedoch, ein Verfahren zu einigen oder allen Teilen des Sachverhalts durchzuführen, der Gegenstand der Unterrichtung ist
Ggf. Kontaktdaten der zuständigen Behörde: |
Bezeichnung: |
Anschrift: |
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Angaben zu dem (den) Ansprechpartner(n): |
Name: |
Funktion (Titel/Dienstgrad): |
Aktenzeichen: |
Tel.: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Fax: (Landesvorwahl) (Gebiets-/Ortsnetzkennzahl) |
Email (sofern vorhanden): |
Sprachen, in denen verkehrt werden kann: |
Zusätzliche Informationen:
Unterschrift und amtlicher Stempel:
Addendum 2
Erläuternder Bericht
Rahmenbeschluss des Rates zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren
Hintergrund und Ziele des Vorschlags
Aufgrund der Zunahme des Verkehrs von Personen und Kapital in der Europäischen Union ("EU"), aufgrund des technologischen Fortschritts in den letzten Jahrzehnten und aufgrund der extraterritorialen Anwendung einzelstaatlicher Gerichtsbarkeiten in einer Reihe von Mitgliedstaaten sind die Strafrechtssysteme der EU-Mitgliedstaaten zunehmend mit Fällen konfrontiert, in denen mehrere Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, wegen desselben Sachverhalts im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten strafrechtlich zu ermitteln und ein Strafverfahren einzuleiten.
So kann es beispielsweise dazu kommen, dass sich zwei oder mehr Mitgliedstaaten für denselben Sachverhalt in Fällen zuständig erklären, in denen die Begehung einer Straftat sich auf das Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten erstreckt oder eine Straftat Auswirkungen im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten hat. Wird in diesen Fällen festgestellt, dass zwei oder mehr Mitgliedstaaten Strafverfahren wegen derselben Tat und gegen dieselben Personen führen, so kann dies einen Kompetenzkonflikt zur Folge haben, da die jeweiligen Behörden ihre jeweilige Zuständigkeit parallel ausüben. Zudem wird in solchen Fällen möglicherweise auch festgestellt, dass zwei oder mehr Mitgliedstaaten Strafverfahren nicht etwa gegen dieselbe Person führen, sondern wegen derselben Tat oder wegen zusammenhängender Taten, an denen unterschiedliche Personen beteiligt waren. Auch wenn solche Fälle nicht zwangsweise zu einem Konflikt führen, so kann es doch angezeigt sein, für eine enge Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Behörden zu sorgen, um die Effizienz der Strafverfahren zu verbessern und somit die ordnungsgemäße Rechtspflege zu fördern.
Im Interesse einer wirksamen Rechtspflege und unter Berücksichtigung des Ziels der EU, einen gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, in dem in erster Linie die Rechtssicherheit für die Bürger zu wahren ist, indem Situationen vermieden werden, die zu Fällen von doppelter Strafverfolgung führen können ("nebisinidem"-Prinzip), und um die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den Behörden, die eine parallele Zuständigkeit ausüben, zu verbessern, muss sichergestellt werden, dass Strafverfahren in Situationen, in denen der zur Begehung einer Straftat führende Sachverhalt in die Zuständigkeit von mehr als einem Mitgliedstaat fällt, von dem am besten geeigneten Staat durchgeführt werden und dass dieser Staat auf transparente und objektive Weise ausgewählt wird.
Daher sollte das oberste Ziel für die Behörden der Mitgliedstaaten, die Strafverfahren wegen derselben Tat gegen dieselbe Person führen, darin bestehen übereinzukommen, dass die Verfahren in einem einzigen Staat zusammengelegt werden, wobei die spezifischen Umstände jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen sind. Um sicherzustellen, dass der ausgewählte Staat am besten geeignet ist, das Verfahren zu führen, müssen die jeweiligen Behörden unbedingt in der Lage sein, Informationen untereinander auszutauschen, damit sie rasch und frühzeitig Kenntnis von einzelstaatlichen Verfahren erlangen, die in einem anderen Staat geführt werden. Werden in zwei oder mehr Mitgliedstaaten Verfahren wegen derselben Tat oder zusammenhängender Taten gegen verschiedene Personen geführt, so muss ein angemessener und frühzeitiger Austausch von Informationen im Rahmen des Mechanismus der direkten Konsultationen sichergestellt werden, damit erörtert werden kann, ob die Zusammenlegung der Verfahren in einem einzigen Staat angemessen und wirksam ist, oder um eine andere wirksame Lösung zur Vermeidung der negativen Aspekte einer parallelen Kompetenzausübung zu finden.
Derzeit kann der Umfang des Informationsaustauschs im Zusammenhang mit Fällen, die zu den oben dargelegten Situationen führen, nicht als zufriedenstellend betrachtet werden. Einzelstaatliche Behörden können derzeit wegen Taten, die eine maßgebliche Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen, ermitteln und ein Strafverfahren einleiten, ohne die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu informieren. Es könnte argumentiert werden, dass die Behörden des Mitgliedstaats, der eine Verbindung zu einem laufenden Verfahren eines anderen Mitgliedstaats hat, letztendlich über dieses Verfahren informiert werden, da sie zu irgendeinem Zeitpunkt um Unterstützung gebeten werden, z.B. in Form eines Antrags auf Übertragung des Verfahrens, Erhebung von Beweismitteln oder Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls, oder weil die beschuldigte bzw. angeklagte Person diese Frage während des Verfahrens vorbringen würde.
Dies kann jedoch aus mehreren Gründen nicht als ausreichend erachtet werden.
Erstens ist eine solche Unterstützung nicht immer erforderlich, da bei grenzüberschreitenden Straftaten manchmal ausreichend Beweismittel vorliegen, um den Fall in dem Staat, in dem die Straftat aufgedeckt oder eine Person festgenommen wurde, zu verfolgen. Zweitens geht ein Rechtshilfeersuchen eines anderen Mitgliedstaats nicht notwendigerweise in einer frühen Phase des Verfahrens ein. Drittens sind Kompetenzfragen normalerweise nicht Teil solcher Ersuchen und, wichtiger noch, die zuständigen Behörden, die solche Ersuchen bearbeiten, sind nicht verpflichtet, die Frage des am besten geeigneten Staats zur Sprache zu bringen oder auch nur zu erörtern.
Aufgrund des unzureichenden Umfangs des Informationsaustauschs und aufgrund der fehlenden Verpflichtung zur Aufnahme von Konsultationen über den am besten geeigneten Staat in Fällen, in denen parallel laufende Verfahren in zwei oder mehr Mitgliedstaaten wegen derselben Tat gegen dieselben Personen oder wegen derselben oder zusammenhängender Taten gegen unterschiedliche Personen geführt werden, erfolgt die Wahl des Staates bisweilen ohne jegliche Transparenz oder ohne Berücksichtigung der Besonderheiten der Gerichte der verschiedenen Mitgliedstaaten, die mit dem Fall befasst sind. Dies kann zu Situationen führen, in denen der Staat, in dem das Verfahren tatsächlich anhängig ist, nicht der am besten geeignete ist. Nach dem derzeitigen Rechtsrahmen könnte angeführt werden, dass die Wahl des Staates für bestimmte Taten, die Gegenstand von Strafverfahren in mehreren Mitgliedstaaten sein könnten, dem Zufall überlassen ist und der Regel "wer zuerst kommt, mahlt zuerst" unterliegt. Im Übrigen sind parallele Verfahren ineffizient, da sie den doppelten Aufwand an Zeit, Geld und Energie seitens der Justizbehörden erfordern. Dieser Umstand ist umso wichtiger im Lichte der breiten Anwendbarkeit des EU-weiten grenzüberschreitenden "nebisinidem"-Prinzips, das in den Artikeln 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens verankert ist und vom Europäischen Gerichtshof unlängst in mehreren Fällen ausgelegt wurde 1. Im Rahmen der Anwendbarkeit dieses Prinzips ist es mehr als offensichtlich, dass parallele Verfahren wegen derselben Taten gegen dieselben Personen letztendlich zu einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit für den Einzelnen führen und eines der Verfahren in der Tat unweigerlich eine Verschwendung von Ressourcen darstellt.
Somit trägt die derzeitige Rechtslage nicht dazu bei, die nationalen Behörden stärker für tatsächliche Kompetenzkonflikte zu sensibilisieren oder ihre Fähigkeit zu verbessern, solche Konflikte wirksam zu lösen. Dies wäre nicht so, wenn die betroffenen nationalen Behörden die Initiative ergreifen würden, andere Mitgliedstaaten über ihre Verfahren zu unterrichten.
Im Einklang mit dem Ziel, einen gemeinsamen europäischen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen, ist es daher erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um die Mängel des derzeitigen Rechtsrahmens zu beseitigen.
Mit der vorgeschlagenen Maßnahme sollen insbesondere folgende Ziele erreicht werden:
- - es soll in einer möglichst frühen Phase des Verfahrens 1 vermieden werden, dass dieselbe Person Gegenstand von parallelen Verfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten ist und "nebisinidem"Situationen entstehen;
- - es soll eine engere Zusammenarbeit bei der Ausübung der Zuständigkeit von zwei oder mehr Mitgliedstaaten für die Durchführung von Strafverfahren wegen derselben Tat gegen dieselbe(n) Person(en) oder wegen derselben Tat oder zusammenhängender Taten gegen verschiedene Personen oder gegen dieselbe kriminelle Organisation sichergestellt werden.
Diese Ziele sollten mit den folgenden Mitteln erreicht werden:
- 1. Gewährleistung, dass von einem frühen Zeitpunkt an ein ausreichender Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über laufende Verfahren, die eine maßgebliche Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen, erfolgt;
- 1 Der genaue Zeitpunkt hängt vom Ermessen der zuständigen Behörde im jeweiligen Mitgliedstaat ab.
- 2. Ermöglichung der Aufnahme direkter Konsultationen zwischen den Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten, damit sie vereinbaren können, welcher Staat am besten geeignet ist, um das Strafverfahren zu führen;
- 3. Festlegung transparenter Regeln und gemeinsamer Kriterien, die die Mitgliedstaaten bei der Vereinbarung des am besten geeigneten Staates anwenden.
Diese Verbesserungen des Informationsaustauschs und die Schaffung eines Verfahrensrahmens für direkte Konsultationen sowie von Regeln für die Erzielung von Vereinbarungen könnten vielfältige Vorteile für die justizielle Zusammenarbeit in der EU bieten. Zusätzlich zu der wirksameren Vermeidung der negativen Aspekte von Kompetenzkonflikten, der stärkeren Sensibilisierung für die Verfahren der anderen Mitgliedstaaten, der besseren Bestimmung des Orts des Strafverfahrens und der größeren Transparenz und Objektivität bei der Wahl des Gerichtsorts sind folgende weitere Vorzüge zu erwarten:
- - bessere Koordinierung von Parallelermittlungen und effizientere Zuteilung von Ressourcen zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten, die von denselben oder von zusammenhängenden Taten betroffen sind;
- - umfassendere Berücksichtigung der Rechte und Interessen des Einzelnen in Bezug auf den Ort des Verfahrens, einschließlich des Opferschutzes;
- - weniger wahrscheinliche Durchführung von parallelen oder wiederholten Strafverfahren wegen derselben Taten;
- - bessere Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung sowohl bei den Ermittlungen als auch nach dem Verfahren, da die betroffenen Mitgliedstaaten von einem frühen Zeitpunkt an am Ort des Strafverfahrens konsultiert werden könnten; und
- - weniger Fälle, in denen Beweismittel in einer Weise erhoben werden, die mit dem Recht des Orts, an dem das Strafverfahren geführt werden wird, unvereinbar ist, da die betroffenen Mitgliedstaaten gemeinsam den Ort des Verfahrens bestimmen können, bevor diese Maßnahmen durchgeführt werden.
Es kommt in der Europäischen Union immer öfter vor, dass Strafverfahren wegen derselben Taten gegen dieselben Personen oder wegen derselben oder zusammenhängender Taten gegen verschiedene Personen in zwei oder mehr Mitgliedstaaten parallel geführt werden. Diese Beobachtung wird empirisch untermauert durch die Ergebnisse einer Studie auf der Grundlage eines von der Tschechischen Republik erstellten Fragebogens, der den Mitgliedstaaten und Eurojust im Oktober 2008 vorgelegt wurde.
Bei den Fragen des an die Mitgliedstaaten gesandten Fragebogens ging es darum, zu ermitteln, wie viele parallele Strafverfahren wegen derselben Taten in den Mitgliedstaaten in den letzten Jahren in etwa festgestellt wurden, zu welchem Zeitpunkt der Kompetenzkonflikt festgestellt wurde, wie er gelöst wurde und ob Eurojust beteiligt war oder ein Bericht über die besonderen Probleme bei der Kommunikation mit den Behörden anderer Mitgliedstaaten erstellt wurde. Der Fragebogen enthielt ferner Fragen über die voraussichtliche Zunahme solcher Fälle und darüber, ob es auch solche Fälle geben könnte, von denen die Behörden keine Kenntnis haben.
In dem an Eurojust gesandten Fragebogen ging es um die Anzahl der Fälle von Kompetenzkonflikten, die an Eurojust verwiesen wurden, die Art dieser Fälle, den Zeitpunkt der Verweisung und die Methoden zur Lösung dieser Konflikte. Offiziell wurden 52 Fälle als Kompetenzkonflikte im Fallbearbeitungssystem von Eurojust registriert, davon rund zwei Drittel bilaterale Fälle und der Rest multilaterale Fälle. Eurojust berichtete, dass solche Fälle oft durch Rechtshilfeersuchen oder konkurrierende Europäische Haftbefehle aufgedeckt werden. Manchmal werden sie jedoch auch von Eurojust selbst bei Gegenkontrollen und im Rahmen von Koordinierungssitzungen entdeckt. Eine weitere Frage betraf die Dauer der Kompetenzkonflikte, die Eurojust mit durchschnittlich rund zehn Monaten ab der Registrierung des Falls bis zur Beilegung bezifferte; diese Information bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Dauer der Registrierung der Fälle im Fallbearbeitungssystem und steht nicht im Zusammenhang mit der Lösung der Kompetenzkonflikte.
Die Antworten auf die Fragen (21 Mitgliedstaaten sowie Eurojust) sind in einem separaten Dokument des Generalsekretariats des Rates dargelegt (Dok. 17308/08 COPEN 254 + ADD 1; eine Zusammenfassung ist in Dok. 17553/08 COPEN 263 enthalten).
Diesem erläuternden Bericht ist ferner ein Anhang beigefügt, in dem die Sachverhalte in einigen Fällen von Kompetenzkonflikten, die von tschechischen Justizbehörden ermittelt bzw. von Eurojust behandelt wurden, näher erläutert und beschrieben werden.
Hintergrund und geltende Bestimmungen in dem von dem Vorschlag erfassten Bereich
Wie oben dargelegt, kann mit dem derzeitigen EU-Rechtsrahmen nicht gewährleistet werden, dass die Behörden der Mitgliedstaaten Kenntnis von laufenden Verfahren in anderen Mitgliedstaaten erlangen, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt eines Falles zu einem Kompetenzkonflikt führen könnte oder zusammenhängende Taten vorliegen. Außerdem gibt es kein EU-weites verbindliches Verfahren, das gemeinsame Beratungen über den für das Strafverfahren in solchen Fällen am besten geeigneten Staat erleichtern würde.
Die Kommission hat im Jahr 2000 in ihrer Mitteilung über die gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen 1 vorgeschlagen, Zuständigkeitsregeln festzulegen, die einem einzigen Mitgliedstaat die ausschließliche Zuständigkeit zugeteilt hätten. Die Durchführbarkeit dieses Konzepts wurde in einer Expertensitzung im Dezember 2001 geprüft. Eine große Mehrheit der Experten und Rechtspraktiker war skeptisch gegenüber einem solchen System; sie betonten, dass Flexibilität erforderlich sei und gewährleistet werden müsse, dass die zuständigen einzelstaatlichen Behörden in der Lage sind, die spezifischen Umstände jedes einzelnen Falls bei der Auswahl des am besten geeigneten Gerichtsstands für ein Verfahren zu berücksichtigen.
Diese Ergebnisse wurden durch ein Projekt im Rahmen des EU-Grotius-Programms 1 und durch ein von Eurojust im November 2003 veranstaltetes Seminar über die Zuständigkeit von Eurojust für die Ausstellung von Ersuchen zur Bestimmung des zuständigen Staates untermauert. Dabei sei darauf hingewiesen, dass in den von Eurojust im Anschluss an das Seminar - bei dem Praktiker und Akademiker einer breiten Palette von Rechtssystemen zusammenkamen - erstellten Leitlinien festgehalten ist, dass jeder Fall einzigartig ist und folglich jede Entscheidung darüber, welcher Staat am besten für die Strafverfolgung geeignet ist, auf der Grundlage des Sachverhalt im Einzelfall erfolgen muss.
Ferner sei auf die Initiative der Hellenischen Republik vom Februar 2003 im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses des Rates über die Anwendung des "nebisinidem"-Prinzips 2 hingewiesen. Neben dem "nebisinidem"-Prinzip enthielt diese Initiative Bestimmungen hinsichtlich der Lösung von Kompetenzkonflikten. Der Vorschlag enthielt ferner einige Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Staates. Es wurden dieselben Bestimmungsfaktoren aufgeführt wie in Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses über die Terrorismusbekämpfung, ohne jedoch wie in dem genannten Rahmenbeschluss oder in dem Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme 3 eine Rangfolge festzulegen. Die Mitgliedstaaten konnten kein Einvernehmen über diese Initiative erzielen; insbesondere waren einige Fragen bezüglich des "nebisinidem"-Prinzips strittig, weshalb die Beratungen eingestellt wurden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der derzeitige Vorschlag sich wesentlich von dem Vorschlag der Hellenischen Republik unterscheidet, da er sich nicht mit dem "nebisinidem"-Prinzip als solchem befasst, sondern sich in erster Linie auf den Informationsaustausch zu laufenden Strafverfahren und auf Regeln zur Lösung von Kompetenzkonflikten konzentriert. Wie oben angeführt ist jedoch die bloße Existenz des "nebisinidem"-Prinzips eine grundlegende Rechtfertigung für die Erstellung eines Mechanismus wie in diesem Vorschlag, der als eine Art vorbeugende Maßnahme die Wahrscheinlichkeit von "nebisinidem"-Situationen verringert.
Zudem hat sie darin die Möglichkeiten für die Einführung eines Verfahrens skizziert, das die Bestimmung des am besten geeigneten Staates erleichtern würde, und Vorschläge unterbreitet, die darauf abzielen, genau festzulegen, in welchen Fällen das in den Artikeln 54 bis 58 des Schengener Durchführungsübereinkommens verankerte EU-weite grenzüberschreitende Verbot der doppelten Strafverfolgung ("nebisinidem") anzuwenden ist. Im vorliegenden Vorschlag wird das "nebisinidem"-Konzept weder aufgegriffen noch definiert, und auch die anderen Vorschläge des Grünbuchs wurden nicht weiterverfolgt; beispielsweise wurde von der Einrichtung einer Stelle, die verbindliche Entscheidungen treffen würde, abgesehen. Anders als im Grünbuch wurde bei dem vorliegenden Vorschlag zudem auf eine hinreichende Verbindung zum Eurojust-Beschluss geachtet, um ein ergänzendes Verfahren zu erhalten.
Derzeit gibt es verschiedene EU-Instrumente für bestimmte Arten der Kriminalität, nach denen die Mitgliedstaaten gehalten sind, bei bestimmten Straftaten vom Territorialitätsprinzip abzuweichen und die Zuständigkeit ihrer nationalen Gerichte auszudehnen - beispielsweise mit Hilfe des aktiven bzw. des passiven Personalitätsprinzips. Nach diesen Vorschriften sind die Mitgliedstaaten jedoch nicht verpflichtet, in bestimmten Fällen ihre gerichtliche Zuständigkeit auszuüben. Derartige Vorschriften finden sich im Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der EG (Artikel 4) und in dem dazugehörigen Protokoll vom 27. September 1996 (Artikel 6)2, im Übereinkommen vom 26. Mai 1997 über die Bekämpfung der Bestechung (Artikel 7)3 sowie in den Rahmenbeschlüssen über die Verstärkung des Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro (Artikel 7)4, zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln (Artikel 9)5, zur Terrorismusbekämpfung (Artikel 9)6, zur Bekämpfung des Menschenhandels (Artikel 6)7, betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (Artikel 4)8, zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor (Artikel 7)9, zur 1 KOM (2005) 696 endg.
Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie (Artikel 8)1, zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (Artikel 9)2 und über Angriffe auf Informationssysteme3.
Wohlgemerkt dienen diese Vorschriften dazu, negativen Kompetenzkonflikten vorzubeugen, nicht aber Konflikte überhaupt zu vermeiden oder beizulegen.
Unter den geltenden Rechtsinstrumenten, die geeignet sind, die Vermeidung oder Beilegung von Kompetenzkonflikten oder die Bestimmung des zuständigen Staates zu erleichtern, ist in erster Linie das im Europarat ausgearbeitete Europäische Übereinkommen vom 15. Mai 1972 über die Übertragung der Strafverfolgung 4 zu nennen; darin ist in mehreren Artikeln festgelegt, wie das Problem paralleler Strafverfahren zu vermeiden oder zu regeln ist. Dieses Übereinkommen ist jedoch erst in 13 Mitgliedstaaten in Kraft und sieht kein gemeinsames, umfassendes und multilaterales Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates vor.
Das zweite wichtige Instrument, das die Vermeidung oder Beilegung von Kompetenzkonflikten erleichtern könnte, ist der Beschluss des Rates über Eurojust5 . Nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a kann Eurojust die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ersuchen, zu bestimmten Tatbeständen Ermittlungen zu führen oder die Strafverfolgung aufzunehmen oder sich damit einverstanden zu erklären, dass eine andere zuständige Behörde gegebenenfalls besser in der Lage ist, zu bestimmten Tatbeständen Ermittlungen zu führen oder die Strafverfolgung aufzunehmen. Wird Eurojust mit einem Kompetenzkonflikt befasst und können sich zwei oder mehr nationale Mitglieder nicht einig darüber werden, wie er gelöst werden kann, so ist das Kollegium zu ersuchen, eine unverbindliche schriftliche Stellungnahme zu dem Fall abzugeben, sofern die Angelegenheit nicht in gegenseitigem Einvernehmen zwischen den betroffenen zuständigen nationalen Behörden geregelt werden kann.
Zwar gilt Artikel 7 für das gesamte Eurojust-Kollegium, doch können auch die nationalen Eurojust-Mitglieder die zuständigen Behörden ersuchen, die genannten Maßnahmen "in Erwägung zu ziehen" (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a). Grundsätzlich müssen es die zuständigen Behörden begründen, wenn sie einem begründeten Ersuchen des Kollegiums nicht nachkommen (Artikel 8). Mit diesen beiden Artikeln ist das Problem der Kompetenzkonflikte gelöst, sobald der Fall an Eurojust verwiesen wird. Allerdings besteht keine Verpflichtung, Eurojust mit solchen Fällen zu befassen.
Andererseits sollen nach dem neuen Artikel 13 Absatz 7 Buchstabe a des Beschlusses zur Stärkung von Eurojust die nationalen Mitglieder über Fälle, in denen Kompetenzkonflikte aufgetreten sind oder wahrscheinlich auftreten werden, informiert werden. Damit wurde eine Verpflichtung zur Unterrichtung von Eurojust neu eingeführt. Allerdings beschränkt sich dies auf die reine Informationspflicht, während im vorliegenden Vorschlag ein umfassender Verfahrensrahmen für die Beilegung von Kompetenzkonflikten festgelegt wird.
Nach dem EU-Strafrecht müssen die Mitgliedstaaten oder ihre Behörden bei bestimmten Arten der Kriminalität zusammenarbeiten, um darüber zu entscheiden, welcher Staat am besten mit dem Fall befasst werden sollte. Entsprechendes ist festgelegt in Artikel 6 Absatz 2 des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften, Artikel 9 Absatz 2 des Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung1, Artikel 4 Absatz 2 der Gemeinsamen Maßnahme betreffend die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung2, Artikel 7 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses über den Schutz gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro, Artikel 9 Absatz 2 des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung und Artikel 10 Absatz 4 des Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme3. Nach diesen Bestimmungen "arbeiten die betreffenden Mitgliedstaaten zusammen, um darüber zu entscheiden, welcher von ihnen den oder die Straftäter verfolgt, um die Strafverfolgung nach Möglichkeit in einem einzigen Mitgliedstaat zu konzentrieren". Erstens sehen diese Vorschriften kein spezielles Verfahren zur Vermeidung und - erforderlichenfalls - Beilegung von Kompetenzkonflikten vor; vielmehr sind sie allgemein und abstrakt.
Zweitens gelten sie nur für bestimmte Arten der Kriminalität. Auch ist zu bedenken, dass die Mitgliedstaaten nach den betreffenden Bestimmungen des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung und des Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme dabei "auf jedes Gremium oder jeden Mechanismus auf Ebene der Europäischen Union zurückgreifen" können, "um die Zusammenarbeit zwischen ihren Justizbehörden und die Koordinierung ihrer Maßnahmen zu erleichtern". Diese Formulierung impliziert den Rückgriff auf Eurojust. Doch obwohl mit dem Eurojust-Beschluss entsprechende Rechtsvorschriften erlassen wurden, begründen diese Bestimmungen keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Eurojust mit einem Fall zu befassen.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Europäischen Justiziellen Netzes zu erwähnen. Das Netz wurde in erster Linie errichtet, um die Beziehungen zwischen den zuständigen Behörden in Bezug auf den Informationsaustausch zu verbessern. Mit diesem effizienten und informellen Instrument für den schnellen Informationsaustausch lässt sich zudem oft besser in Erfahrung bringen, ob in zwei oder mehr Mitgliedstaaten Strafverfahren zu ein und demselben Sachverhalt oder zu miteinander zusammenhängenden Sachverhalten geführt werden.
Rechtsrahmen
Der vorgeschlagene Rechtsakt soll u.a. auf Grundlage von Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe d des Vertrags über die Europäische Union ("EUV") erlassen werden; danach schließt das gemeinsame Vorgehen der Justizbehörden und sonstigen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen die Vermeidung von Kompetenzkonflikten zwischen Mitgliedstaaten ein.
Ferner soll mit diesem Vorschlag dem Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union ("Haager Programm"), das der Europäische Rat am 5. November 2004 gebilligt hat, Wirkung verliehen werden. Darin heißt es in Nummer 3.3, dass "im Hinblick auf eine effizientere Strafverfolgung bei gleichzeitiger Gewährleistung einer adäquaten Rechtspflege den Möglichkeiten der Konzentration der Strafverfolgung in grenzüberschreitenden multilateralen Fällen in einem Mitgliedstaat besondere Aufmerksamkeit gelten" sollte, und in Nummer 3.3.1, dass zusätzlichen Vorschlägen in diesem Zusammenhang weitere Beachtung geschenkt werden sollte, unter anderem auch zu Kompetenzkonflikten, damit das umfassende Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen abgeschlossen wird.
Zusammenfassung des vorliegenden Vorschlag und Erläuterungen zu den wichtigsten Artikeln
Mit dem vorgeschlagenen Rahmenbeschluss soll ein Mechanismus eingeführt werden, mit dem mögliche Konflikte bei gleichzeitiger Ausübung der Zuständigkeit durch die Behörden zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten vermieden werden, sowie ein Mechanismus, mit dem sich besser in Erfahrung bringen lässt, welche laufenden Strafverfahren miteinander in Zusammenhang stehen könnten.
Mit ihm wird ein Verfahrensrahmen festgelegt, innerhalb dessen die nationalen Behörden Informationen über laufende Strafverfahren wegen eines spezifischen Sachverhalts austauschen müssen, um festzustellen, ob in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten parallele Verfahren wegen desselben Sachverhalts und derselben Personen geführt werden, und innerhalb dessen ihre nationalen Behörden direkte Konsultationen aufnehmen müssen, um sich darüber zu einigen, welcher Staat für ein Strafverfahren wegen eines spezifischen Sachverhalts, für dessen Verfolgung zwei oder mehrere Mitgliedstaaten zuständig waren, am besten geeignet ist. Zudem sollen mit ihm die Situationen geregelt werden, in denen ein paralleles Strafverfahren wegen desselben Sachverhalts oder wegen eines damit zusammenhängenden Sachverhalts, der von anderen Personen begangen wurde, geführt wird, soweit in solchen Fällen direkte Konsultationen die Zusammenarbeit zwischen den betreffenden Behörden verbessern würden. Außerdem werden in dem Rahmenbeschluss die Regeln und gemeinsamen Kriterien festgelegt, die die nationalen Behörden zweier oder mehrerer Mitgliedstaaten berücksichtigen müssen, wenn sie sich darüber einigen wollen, welcher Staat bei einer spezifischen Tat am besten für die Durchführung des Strafverfahrens geeignet ist.
Mit dem Instrument wird ein Verfahren für den Informationsaustausch in den Fällen eingeführt, in denen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ein Strafverfahren wegen eines spezifischen Sachverhalts führen und in Erfahrung bringen müssen, ob in anderen Mitgliedstaaten gegen dieselbe Person ein Verfahren wegen desselben Sachverhalts anhängig ist. Dies gilt auch, wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats ein Strafverfahren wegen eines spezifischen Sachverhalts führen und bereits auf anderem Wege als durch das Unterrichtungsverfahren Kenntnis davon erlangt haben, dass die zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten bereits ein Strafverfahren wegen desselben Sachverhalts gegen dieselbe Person oder aber wegen desselben Sachverhalts oder eines damit zusammenhängenden Sachverhalts gegen andere Personen führen. In diesen Fällen findet das Unterrichtungsverfahren (Artikel 5 bis 11) keine Anwendung, und die betreffenden Staaten sollten umgehend direkte Konsultationen aufnehmen.
Der vorgeschlagene Rahmenbeschluss dient nicht der Beilegung negativer Kompetenzkonflikte, wobei mit einem negativen Konflikt gemeint ist, dass kein Mitgliedstaat seine Zuständigkeit für die begangene Straftat begründet hat. Auch ist nicht beabsichtigt, die einzelstaatlichen Zuständigkeitsregeln zu harmonisieren.
Eine der zentralen Vorschriften ist Artikel 5, der vorschreibt, dass eine zuständige Behörde die Behörde(n) des anderen Mitgliedstaats bzw. der anderen Mitgliedstaaten unterrichten muss. Die Unterrichtung dient dazu, in Erfahrung zu bringen, ob in einem anderen Mitgliedstaat bzw. anderen Mitgliedstaaten gegen dieselbe(n) Person(en) ein Verfahren wegen desselben Sachverhalts geführt wird. Die Informationspflicht würde in den Fällen bestehen, in denen die Behörden eines Mitgliedstaats feststellen, dass die Tat, die Gegenstand eines laufenden Verfahrens ist, eine maßgebliche Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist. Dann müsste die zuständige unterrichtende Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren geführt wird, die antwortende Behörde des Mitgliedstaats, zu dem die Tat eine maßgebliche Verbindung aufweist, über das Bestehen des Verfahrens unterrichten.
In Artikel 6 wird der Begriff "maßgebliche Verbindung" definiert. Eine Verbindung gilt immer dann als "maßgeblich", wenn die Handlung oder der wesentliche Teil der Handlung, die die Straftat begründet, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begangen wurde. Gibt es eine andere Verbindung, beispielsweise den Ort, an dem sich wichtige Beweismittel befinden, oder die Staatsangehörigkeit der beschuldigten Person, so ist von Fall zu Fall zu entscheiden, ob die Verbindung als so maßgeblich anzusehen ist, dass davon auszugehen ist, dass in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten ein Verfahren wegen desselben Sachverhalts geführt wird. I Bei der Entscheidung ist insbesondere auf die in Artikel 15 aufgeführten gemeinsamen Kriterien Bezug zu nehmen. Das Unterrichtungsverfahren gilt nicht bei Straftaten, die im unterrichtenden Staat mit einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung von höchstens einem Jahr bedroht sind, d.h. nicht bei geringfügigen Taten, da sonst ein übermäßiger Verwaltungsaufwand entstehen könnte. Der antwortende Mitgliedstaat muss so rasch wie möglich unterrichtet werden, d.h. zu keinem festgelegten Zeitpunkt, sondern dann, wenn es in Anbetracht der jeweiligen besonderen Umstände, die nicht immer eine umgehende Unterrichtung erlauben, zweckmäßig ist. Außerdem wird der Justizbehörde durch die Formulierung "so rasch wie möglich" in Verbindung mit Artikel 20 betreffend das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten und Vereinbarungen in Bezug auf die Entscheidung, ob sie unterrichtet oder nicht, ein gewisser Spielraum eingeräumt. In Fällen, in denen einem anderen Mitgliedstaat ein Europäischer Haftbefehl oder ein Ersuchen um Übertragung der Strafverfolgung übermittelt wurde, dürfte eine Unterrichtung nämlich nicht immer praktikabel erscheinen.
Ein weiterer wichtiger Teil des Vorschlags sind die Artikel 9 und 10, nach denen die antwortende Behörde verpflichtet ist, die Mitteilung zu beantworten. Die Antwort sollte grundlegende Informationen enthalten, beispielsweise sollte angegeben werden, ob zu einigen oder allen Teilen der Tat, die Gegenstand des laufenden Verfahrens im unterrichtenden Mitgliedstaat ist, im antwortenden Staat ein Verfahren geführt wird oder in der Vergangenheit geführt wurde. In Artikel 10 ist festgelegt, binnen welcher Frist diese Informationen der unterrichtenden Behörde zu übermitteln sind.
Diese Fristen sind besonders wichtig, damit Verzögerungen bei Strafverfahren in den Fällen vermieden werden, in denen im antwortenden Staat keine Verfahren anhängig sind. Die vorgeschlagenen obligatorischen Elemente in Artikel 9 und 10 erlauben es der unterrichtenden Behörde, eine qualitative Bewertung der Umstände der jeweiligen Straftat, die Gegenstand der Strafverfolgung ist, vorzunehmen.
Mit Artikel 12 beginnt das Kapitel 3 über direkte Konsultationen, die ein weiterer Schritt zur Beilegung von Kompetenzkonflikten sind. Die betreffenden Behörden müssen direkte Konsultationen aufnehmen. Die Pflicht zur Aufnahme direkter Konsultationen besteht dann, wenn die antwortende Behörde bestätigt, dass zu einigen oder allen Teilen der Tat, die Gegenstand der Unterrichtung ist, ein Verfahren gegen die selben Personen läuft anhängig ist oder dass sie beabsichtigt, ein solches Verfahren zu eröffnen. In diesem Fall hängt die Aufnahme der direkten Konsultationen unmittelbar mit dem Unterrichtungsverfahren zusammen und bezieht sich auf den Inhalt der Antwort. Die Konsultationen können von jeder betroffenen Behörde eingeleitet werden, jedoch sollte die Antwort in jedem Falle an die unterrichtende Behörde gerichtet werden. Direkte Konsultationen sind zweitens dann vorgeschrieben, wenn eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats - auf welchem Wege auf immer - Kenntnis davon erhalten hat, dass wegen der spezifischen Tat gegen dieselben Personen in einem anderen Mitgliedstaat bzw. anderen Mitgliedstaaten parallele Strafverfahren entweder bereits anhängig oder geplant sind. In diesem Fall erübrigt sich das Unterrichtungsverfahren, da der Kompetenzkonflikt bereits bekannt ist. Natürlich ist die Konsultationsphase nicht vorgeschrieben, wenn der Konflikt bereits während des Unterrichtungs-/Antwortverfahrens beigelegt wurde. Der Artikel hindert die Behörden nicht daran, direkte Konsultationen aufzunehmen, wenn dies ihrer Auffassung nach erforderlich ist, um zu einer Einigung darüber zu gelangen, welcher Staat am besten geeignet ist, oder um sonstige Probleme im Zusammenhang mit parallel geführten Strafverfahren zu lösen, die denselben Sachverhalt oder einen damit zusammenhängenden Sachverhalt, der von anderen Personen begangen wurde, betreffen.
Im Rahmen der direkten Konsultationen sollen die zuständigen Behörden, welche die Strafverfahren in zwei oder mehr Mitgliedstaaten führen, effektiv enger zusammenarbeiten und auf diese Weise zu einer Einigung darüber gelangen, welcher Staat am besten geeignet ist. Soweit dies zweckmäßig und praktikabel ist, sollten sie sich darauf verständigen, dass die Strafverfahren in einem einzigen Mitgliedstaat zusammengelegt werden. In diesem Fall sollte das Strafverfahren - beispielsweise durch Übertragung der Strafverfolgung - möglichst in einem einzigen Mitgliedstaat geführt werden; anderenfalls sollten die Behörden nach einer anderen effizienten Lösung in Bezug auf die negativen Aspekte einer parallelen Ausübung der Zuständigkeit suchen und den Zeitrahmen und die Modalitäten hierfür festgelegen. In Artikel 15 ist festgelegt, nach welchen Regeln der am besten geeignete Staat bestimmt werden muss. Es besteht die widerlegliche Vermutung, dass das Verfahren im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaat geführt werden sollte, in dem die Straftat schwerpunktmäßig verübt wurde; dieses ist der Ort, an dem die Beteiligten den wesentlichen Teil der Tat begangen haben. Diese allgemeine Annahme stützt sich auf die Tatsache, dass sich vermutlich die meisten wichtigen Beweisstücke sowie die Geschädigten im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats befinden, in dem die Straftat schwerpunktmäßig verübt wurde. Zudem wurde das Territorialitätsprinzip gewählt, weil es sich um einen wichtigen Grundsatz der Strafverfolgung handelt, den alle Mitgliedstaaten kennen. Findet jedoch die allgemeine Vermutung nach Absatz 1 keine Anwendung, weil es andere ausreichend wichtige Faktoren für die Durchführung des Strafverfahrens gibt, die nachdrücklich für die Zuständigkeit eines anderen Staates sprechen, so tragen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten diesen zusätzlichen Faktoren Rechnung, um zu einer Einigung über den für die Durchführung des Strafverfahrens am besten geeigneten Staat zu gelangen. In Artikel 15 Absatz 2 sind diese Faktoren in einer nicht erschöpfenden Liste ohne besondere Rangfolge aufgeführt. Die Kriterienauswahl hat sich vor allem an den Leitlinien orientiert, die Eurojust im Jahresbericht 2004 empfohlen hat, sowie am Übereinkommen von 1972 über die Übertragung der Strafverfolgung.
In Artikel 16 geht es um die sehr wichtige Verbindung zu Eurojust und dessen Mechanismen zur Beilegung von Kompetenzkonflikten. Ganz allgemein steht es den zuständigen Behörden in jeder Phase eines Verfahrens frei, Eurojust zu konsultieren oder mit einem Fall zu befassen; dies steht mit dem Eurojust-Beschluss im Einklang. Artikel 16 Absatz 2 geht auf die Situation vor der Befassung von Eurojust ein. Demnach muss in Fällen, die in die Zuständigkeit von Eurojust fallen und in denen keine Einigung über den für die Durchführung des Strafverfahrens wegen eines spezifischen Sachverhalts am besten geeigneten Mitgliedstaat erzielt wird, sowie in Fällen, in denen innerhalb von 10 Monaten nach Aufnahme der direkten Konsultationen keine Einigung erzielt wurde, Eurojust befasst werden.
Artikel 17 geht auf die Fälle ein, in denen sogar Eurojust nicht weiter tätig werden kann und in denen eine Einigung entweder gar nicht oder nicht rechtzeitig erzielt wurde. Er erfasst Fälle, die nicht in die Zuständigkeit von Eurojust fallen, und Fälle, in denen nach der Einschaltung von Eurojust keine Einigung erzielt wurde. Die Mitgliedstaaten müssen Eurojust in diesen Fällen mitteilen, dass und weshalb keine Einigung zustande gekommen ist. Mit diesem Artikel wird bezweckt, dass Informationen gesammelt werden und daraus ein Fazit für mögliche künftige Verbesserungen des Mechanismus zur Beilegung von Kompetenzkonflikten gezogen wird.
Artikel 18 ist etwas anders gelagert, bezieht sich aber auf den Austausch von Informationen über parallel geführte Verfahren. Er bezieht sich auf Fälle, in denen entweder anhand einer Mitteilung oder auf anderem Wege Kenntnis darüber erlangt wird, dass die Tat, die in einem Mitgliedstaat Gegenstand eines laufenden oder bevorstehenden Verfahrens ist, in einem anderen Mitgliedstaat Gegenstand eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war. Dies bedeutet in der Regel, dass eine "nebisinidem"-Situation vorliegt, in der nur die Behörden des Staates, in dem ein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, sich weiter mit dem Fall befassen und das Verfahren wiederaufnehmen dürfen, sofern dies nach innerstaatlichem Recht zulässig ist. Mit diesem Artikel wird der Austausch von Informationen und Beweisen gefördert, mit dem es den jeweiligen Behörden erleichtert werden sollte, die etwaige Wiederaufnahme gebührend zu prüfen und gegebenenfalls die entsprechenden Schritte zu unternehmen.
Artikel 20 geht auf das Verhältnis zu Rechtsinstrumenten und anderen Vereinbarungen ein, die Bestimmungen zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten beinhalten. Grundsätzlich wird erklärt, dass alle Rechtsinstrumente oder Vereinbarungen, mit denen effizienter zu den Zielen des Rahmenbeschlusses beigetragen wird oder die Ziele des Rahmenbeschlusses erreicht werden, Vorrang vor dem Rahmenbeschluss haben müssen.
Rechtsgrundlage und Wahl des Rechtsakts
Der Vorschlag ist auf Artikel 31 Absatz 1 Buchstaben c und d und Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Europäische Union gestützt und hat die Form eines Rahmenbeschlusses nach Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b EUV.
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
In den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Strafverfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten ist gegenwärtig nicht die Pflicht vorgesehen, in Fällen, in denen ein Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat gegeben ist, Informationen oder Standpunkte auszutauschen und/oder zusammen auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien zu erörtern, welcher Staat am besten geeignet ist, ein Strafverfahren wegen einer Tat zu führen, die von mehreren Mitgliedstaaten verfolgt werden könnte. In Ermangelung eines gemeinsamen Vorgehens müssten die Mitgliedstaaten deshalb, wenn es Fortschritte bei einem besseren Austausch von Informationen über Verfahren wegen Taten, die zu einem Kompetenzkonflikt führen können, und bei der Einführung einer Pflicht zur Erörterung von Kompetenzfragen auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien geben soll, einseitig nationale Vorschriften erlassen, um ein solches Vorgehen zu ermöglichen. Ein solches Vorgehen dürfte kaum Erfolg versprechen, da die 27 EU-Mitgliedstaaten hierzu einzeln identische Vorschriften erlassen müssten. Solche identische Vorschriften sind leichter durch ein gemeinsames Vorgehen in Form eines Rahmenbeschlusses des Rates zu erreichen. Dieser Rahmenbeschluss geht nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. Artikel 33 EUV bleibt hiervon unberührt.
Auswirkungen auf den Haushalt
Es ist davon auszugehen, dass die Umsetzung des vorgeschlagenen Rahmenbeschlusses die Haushalte der Mitgliedstaaten oder den Haushalt der Europäischen Union nicht mit größeren zusätzlichen operativen Ausgaben belasten wird. Darüber hinaus ist langfristig davon auszugehen, dass es zu Einsparungen kommt, da die Kosten eines vollständigen Verfahrens in mehreren Mitgliedstaaten in vielen Fällen wohl vermieden werden.
Anhang
Beispiele von Kompetenzkonflikten zwischen Mitgliedstaaten der EU, die bei Justizbehörden der Tschechischen Republik und bei Eurojust festgestellt wurden
Zur Verdeutlichung der Problematik, wie sie sich in der Praxis darstellt, folgt eine kurze Illustration einiger echter Fälle von Kompetenzkonflikten, die sich
- i) in der Tschechischen Republik und
- ii) in Fällen, mit denen sich Eurojust befasst hat, ergeben haben.
(I) Tschechische Republik
Die tschechischen Behörden haben ein Strafverfahren gegen einen deutschen Staatsangehörigen geführt. Der Fall ist im Jahr 2004 zur Verhandlung gelangt; der Beschuldigte hat sich jedoch dem Verfahren entzogen. Daraufhin ist ein Haftbefehl ausgestellt und an Deutschland übermittelt worden, aber die deutschen Behörden haben die Vollstreckung des Haftbefehls verweigert und entschieden, das Verfahren selbst zu führen. Das Verfahren in der Tschechischen Republik ist daraufhin ausgesetzt worden (im Jahr 2005), und nach etwa zwei Jahren teilte die deutsche Verfolgungsbehörde die Entscheidung mit, das Verfahren nicht weiter zu betreiben, da sich alle maßgeblichen Zeugen und wichtigen Beweise im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik befänden. Die deutschen Behörden haben letzten Endes die frühere Entscheidung aufgehoben, als sie zu der Auffassung gelangten, dass die Tschechische Republik für die Durchführung dieses konkreten Verfahrens besser geeignet ist. Das Verfahren ist längst noch nicht abgeschlossen.
Der tschechische Richter hat erklärt, dass der Fall, wäre er bereits im Jahr 2004 mit den deutschen Behörden ausführlich erörtert worden, bereits geklärt und das Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt rechtskräftig abgeschlossen sein könnte. Die fehlende Einigung hat zu einer mehr als zweijährigen Verzögerung und nicht eben zur Einsparung von Verfahrenskosten geführt.
Ein deutscher Staatsangehöriger ist im Jahr 2007 von einem tschechischen Gericht wegen Rauschgiftschmuggels verurteilt worden; er hatte Rauschgift in den Niederlanden erworben und durch Deutschland verbracht, um es in der Tschechischen Republik in Pilsen zu veräußern. Diese strafbaren Handlungen hat er von 2001 bis 2006 begangen. Die deutschen Behörden hatten einen Europäischen Haftbefehl ausgestellt, um ein Strafverfahren wegen der Einfuhr von Heroin aus den Niederlanden zwecks Weiterverkaufs im Februar 2006 zu führen; dabei handelte es sich um eine der strafbaren Handlungen, die in der Tschechischen Republik zu der Verurteilung geführt hatten. Der Europäische Haftbefehl war in etwa zum gleichen Zeitpunkt ergangen wie das Urteil des tschechischen Gerichts. Daraus wird deutlich, dass den deutschen und den tschechischen Behörden ohne den Europäischen Haftbefehl nicht bekannt gewesen wäre, dass sie wegen des gleichen Sachverhalts parallele Strafverfahren geführt haben. Wären darüber hinaus die wichtigen Tatumstände bereits in einer sehr frühen Phase bekannt gewesen, so hätten die deutschen Behörden das Verfahren höchstwahrscheinlich nicht eingeleitet; sie hätten außerdem eng mit den tschechischen Behörden zusammenarbeiten und dabei entweder weitere wichtige Tatumstände feststellen können, die sie in die Lage versetzt hätten, den Fall an die tschechischen Behörden abzugeben, oder aber zusammen mit den tschechischen Behörden entscheiden können, dass die deutschen Behörden für die Durchführung des Strafverfahrens besser geeignet gewesen wären.
Die genannten Fälle sind lediglich Beispiele für zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle, die in den vergangenen Jahren in der Tschechischen Republik vorgekommen sind, und wir waren froh, von ihnen zu erfahren. Die Tschechische Republik verfügt wie einige andere Mitgliedstaaten nicht über eine zentrale Datenbank mit Angaben zur Zahl solcher Kompetenzkonflikte, aber aus den Angaben von Richtern und Staatsanwälten oder den ausgestellten oder abgelehnten Europäischen Haftbefehlen geht deutlich hervor, dass sich solche Fälle ereignen und ihre Zahl nicht unerheblich ist. Parallel geführte Verfahren sind beispielsweise durch die Übermittlung eines Europäischen Haftbefehls der deutschen, der österreichischen oder der slowakischen Behörden oder durch die Übermittlung von Rechtshilfeersuchen festgestellt worden. In vielen Fällen, in denen es um Rauschgiftschmuggel oder Schleusung geht, sind ein Staat oder mehrere Staaten für die Durchführung eines Strafverfahrens zuständig.
Die maßgebliche Verbindung zu einem oder mehreren Mitgliedstaaten ist in solchen Fällen in der Regel deutlich, beispielsweise der erlittene Schaden oder die Staatsangehörigkeit des Täters, aber gegenwärtig sind die Justizbehörden nicht verpflichtet, den anderen Staat zu unterrichten. Wenn der Europäische Haftbefehl die jeweilige Behörde erreicht, befindet sich das Verfahren in der Regel bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, und es ist nicht mehr effizient, zu vereinbaren, dass die Behörde, die den Europäischen Haftbefehl ausgestellt hat, das Verfahren fortsetzt. Würden die jeweiligen Behörden bereits in einer frühen Phase des Verfahrens beginnen, Informationen zum Sachverhalt auszutauschen, so könnte effizienter bestimmt werden, welcher Staat am besten für die Durchführung des Strafverfahrens geeignet ist.
(II) EUROJUST
Es folgt eine Beschreibung von Kompetenzkonflikten, bei denen Eurojust eingeschaltet wurde und mit denen sich Eurojust befasst hat:
Portugal/Frankreich
Die französischen Behörden haben im Jahr 2005 im französischen Hoheitsgebiet einen portugiesischen Lastkraftwagen, der von einem portugiesischen Fahrer geführt wurde, sichergestellt; in dem Lastkraftwagen wurden unter anderem große Mengen von Zigaretten unterschiedlicher Marken befördert. Da keine rechtmäßigen Dokumente für diese Ladung vorgelegt wurden, sind die Ermittlungsbeamten davon ausgegangen, dass hier ein Fall von Zigarettenschmuggel und Steuerhinterziehung vorlag. In Portugal und in Frankreich sind zwei verschiedene Ermittlungsverfahren zum Teil wegen des gleichen Sachverhalts eingeleitet worden. Aufgrund einiger Erkenntnisse kann der Schluss gezogen werden, dass das gesamte Verfahren ausschließlich in Portugal geführt werden sollte, und zwar auch wegen des Sachverhalts, der in Frankreich Gegenstand von Ermittlungen ist.
Spanien/Vereinigtes Königreich
Im Jahr 2001 ist der britische Staatsangehörige "A" in Alicante/Spanien verstorben. Die britischen Verfolgungsbehörden beantragten Unterstützung bei der Koordinierung von Ermittlungen wegen der Aktivitäten eines anderen britischen Staatsangehörigen "B" im Zusammenhang mit der Fälschung einiger Dokumente, die "A" gehört hatten. Im Rahmen der Ermittlungen, die 2001 aufgenommen wurden, bestand der Verdacht, dass "B" mit dem Tod von "A" in Zusammenhang steht, jedoch wurde entschieden, dass die Beweise nicht für eine Verfolgung wegen Mordes ausreichten. Im Jahr 2006 haben Angehörige des Opfers den Betrugsbekämpfungsdiensten des Vereinigten Königreichs neue Beweise für Urkundenfälschung und Betrug vorgelegt. Es wurde entschieden, dass die spanischen Behörden eine Reihe weiterer Ermittlungshandlungen durchführen sollten, damit das im Jahr 2001 eingeleitete Strafverfahren wieder aufgenommen wird.
Portugal/Spanien
Eine von Spanien aus operierende kriminelle Vereinigung hat portugiesische Arbeitskräfte angeworben, die zunächst in Portugal festgehalten und später nach Spanien verbracht wurden, wo sie unter sklavenähnlichen Bedingungen zu arbeiten hatten. Die Straftat selbst wurde zunächst von der Staatsanwaltschaft in Porto/Portugal, die ein Strafverfahren eingeleitet hat, festgestellt. Es wurde vereinbart, dass in beiden Ländern gut koordinierte, parallele Ermittlungen zu führen waren. Diese Koordinierung führte zu einer Konzentration des Verfahrens in Portugal, da Portugal als für die Verfolgung am besten geeignet betrachtet wurde.
Deutschland/Frankreich/Spanien
Von 1978 bis 2006 sind in verschiedenen Ländern (Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Tschechische Republik) 19 Morde begangen worden. Ein deutscher Staatsangehöriger war verdächtig, die Taten begangen zu haben, und ist in Untersuchungshaft genommen worden. Die spanischen Behörden übermittelten einen Europäischen Haftbefehl an Deutschland und beantragten die Übergabe des Verdächtigen, aber als alle Ermittlungsverfahren abgeglichen wurden, erklärten die deutschen Behörden, der Europäische Haftbefehl könne wegen des in Deutschland anhängigen Ermittlungsverfahrens nicht vollstreckt werden. Die französischen und die spanischen Gerichte sind jedoch nicht für Tötungsdelikte zuständig, wenn sie im Ausland von ausländischen Staatsangehörigen begangen wurden. Im Jahr 2006 galt es somit, einen positiven Kompetenzkonflikt zwischen Deutschland, Spanien und Frankreich beizulegen.
Aus Gründen im Zusammenhang mit dem Grundsatz des fairen Prozesses sollte der Verdächtige im Rechtssystem seines Landes und in seiner Muttersprache vor Gericht gestellt werden können, und die Angehörigen der Opfer aus anderen Ländern sollten als Nebenkläger an dem Verfahren teilnehmen können. Es bestand die Auffassung, dass die deutschen Justizbehörden besser in der Lage waren, die Gesamtheit der von dem Beschuldigten mutmaßlich begangenen Straftaten zu behandeln.
Portugal/Deutschland
Die deutschen Behörden haben Portugal einen Europäischen Haftbefehl übermittelt, in dem sie die Übergabe eines deutschen Staatsangehörigen beantragt haben, der des Rauschgiftschmuggels beschuldigt war. Der Verdächtige befand sich in Portugal in Untersuchungshaft. Ein anderes, portugiesisches Ermittlungsverfahren wegen der gleichen strafbaren Handlung und des gleichen Sachverhalts war noch anhängig. In der Zwischenzeit ist die Frist für die Erledigung des Europäischen Haftbefehls aufgrund der noch andauernden Koordinierung zwischen den beiden Behörden überschritten worden. In diesem Fall war schließlich das Ergebnis, dass das portugiesische Verfahren an Deutschland abgegeben wurde, und das portugiesische Berufungsgericht, das in diesem Fall die vollstreckende Behörde war, hat nach Aussetzung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls entschieden, dass der Verdächtige an Deutschland übergeben wird.
Luxemburg/Frankreich
Ein in Luxemburg ansässiger französischer Staatsangehöriger hat eine komplexe Firmen- und Rechnungsführungsstruktur in Luxemburg, Österreich, Spanien, im Vereinigten Königreich, auf den Kanalinseln, in Monaco, in der Schweiz, in Belgien und in Liechtenstein benutzt, um Betrug zum Nachteil zahlreicher Personen in Frankreich und in französischen Überseedepartements und -gebieten zu begehen. Über 400 Personen wurden Opfer des Betrugs. Der Verdächtige ist in Luxemburg festgenommen worden, und die Ermittlungen und die Strafverfolgung sind in diesem Land eingeleitet worden. Zugleich hat Frankreich die Zuständigkeit für den gleichen Verdächtigen und den gleichen Sachverhalt beansprucht und geltend gemacht, dass mehrere der wichtigsten Mittäter sowie die Mehrheit der Geschädigten in Frankreich wohnten. Es wurde in beiderseitigem Einvernehmen entschieden, dass Frankreich die Ermittlungen und das noch nicht abgeschlossene Gerichtsverfahren weiterführen sollte. Der Staatsanwalt in Marseille ist von den luxemburgischen Behörden unterrichtet worden, dass sie dem Grundsatz nach damit einverstanden waren, das Verfahren nicht fortzusetzen, wenn die französischen Behörden ihnen bescheinigten, dass sie die in Luxemburg "abgeleistete" Untersuchungshaft bei der Verbüßung der Strafe anrechnen würden.
Spanien/Niederlande
Spanische und kolumbianische Mitglieder einer kriminellen Vereinigung sind in den Niederlanden wegen Rauschgiftschmuggels festgenommen worden. Das Rauschgift wurde aus Kolumbien und Venezuela über Rotterdam zum Vertrieb in Europa eingeführt. Das Rauschgift ist in Rotterdam sichergestellt worden, und mehrere spanische und kolumbianische Staatsangehörige sind festgenommen worden. Die niederländischen Behörden haben in den Niederlanden ein Strafverfahren eingeleitet und einen Europäischen Haftbefehl gegen einen Verdächtigen spanischer Staatsangehörigkeit, der sich noch in Spanien befand, ausgestellt. In Spanien ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, da die Tatbegehung teilweise in Spanien erfolgte. Die niederländischen Behörden waren besser imstande, die erforderlichen Ermittlungen und das weitere Gerichtsverfahren zu führen.
- 1 ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 60.
- 1 Stellungnahme vom ... (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).
- 1 ABl. C 53 vom 3.3.5002, S. 1.
- 1 ABl. L ...
- * ABl.: Bitte Nummer, Datum und Amtsblattfundstelle des Beschlusses in Dokument 14927/08 einfügen.
- * ABl.: Bitte die Nummer des Beschlusses in Dokument 14927/08 einfügen.
- * ABl. :
- * ABl. :
- 1 Projekt Nr. 2001/GRP/025.
- 2 ABl. C 100 vom 26.4.2003, S. 24.
- 3 ABl. L 69 vom 16.3.2005, S. 67. 2005 hat die Kommission in ihrem Grünbuch über Kompetenzkonflikte und den Grundsatz "nebisinidem" in Strafverfahren1 (das "Grünbuch") Überlegungen über den geltenden Rechtsrahmen angestellt.
- 2 ABl. C 316 vom 27.11.1995, S. 49; ABl. C 313 vom 23.10.1996, S. 2.
- 3 ABl. C 195 vom 25.6.1997, S. 2.
- 4 ABl. L 140 vom 14.6.2000, S. 1.
- 5 ABl. L 149 vom 2.6.2001, S. 1.
- 6 ABl. L 164 vom 22.6.2002, S. 3.
- 7 ABl. L 203 vom 1.8.2002, S. 1.
- 8 ABl. L 328 vom 5.12.2002, S. 1.
- 9 ABl. L 192 vom 31.7.2003, S. 54.
- 1 ABl. L 13 vom 20.1.2004, S. 44.
- 2 ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8.
- 3 ABl. L 69 vom 16.3.2005, S. 67.
- 4 Übereinkommen vom 15.5.1992, ETS 073.
- 5 Beschluss 0XX/2008/JI des Rates zur Stärkung von Eurojust und zur Änderung des Beschlusses 2002/187/JI vom 28. Februar 2002.
- 1 ABl. C 195 vom 25.6.1997, S. 2.
- 2 Gemeinsame Maßnahme vom 21.12.1998 betreffend die Strafbarkeit der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. L 351 vom 29.12.1998, S. 1).
- 3 ABl. L 69 vom 16.3.2005, S. 67.
- 1 Siehe z.B. die Rechtssachen C-187/01 und C-385/01 Gözütok und Brügge, C-469/03 Miraglia, C-436/04 Van Esbroeck, C-367/05 Kraaijenbrink.
- 1 KOM (2000) 495 endg., Kapitel 13, insbesondere Kapitel 13.2.